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fließenden Linien und die Buchornamente von Berthold, die Freihand-Ornamente Nr. 9 und die Brokateinfassung von Woellmer, die Intarsia von Gronau sind Beweise für die vor teilhafte Verwendung der mäßig kräftigen Linie. Das wesent lichste bei diesen Einfassungen ist ihre große Beweglich keit und ihre Eigenschaft, sich zu allen möglichen Kompo sitionen zu eignen, die nicht immer nur rand- oder leistenartig zu sein brauchen. Wenn man vor einigen Jahren noch den Wunsch aussprechen mußte, für die moderne Ornamentik ent sprechendes künstlerisches Material zu erhalten, so ist dieser Wunsch heute reichlich erfüllt und dem Fachmann steht so viel neues zu Gebote, daß die Wahl ihm bereits nach altem Wilhelm Woellmer’s Schriftgiesserei und Messinglinienfabrik. 7 Freihand-Ornamente N Serie 9. Sprichwort Qual macht. Interessant ist es aber, daß trotz der Vielheit der Erscheinungen gewisse ornamentale Formen ganz verschwunden sind, wie z. B. die »Aquariumpflanzen.« Zu den Verschwundenen gehört auch das Tierornament, das zu Beginn der modernen Ausstattung ziemlich reichlich verwendet wurde und das auch zur Zeit der Renaissance eine hervorragende Rolle spielte. Dieses Verschwinden scheint mir aber ein erfreuliches Zeichen dafür, das die Buchornamentik des All tages gebraucht. Das Tierornament wird stets mehr oder weniger karakterisirend wirken, und nur wenige Drucksachen vertragen diese Individualisirung nach einer bestimmten Seite. Je mehr deshalb die rein dekorative Linie die Oberhand be hält in unserem typografischen Schmuck, um so eher ent sprechen die Einfassungen dem künstlerisch Wahren, und um so länger werden sie auch dem Buchdrucker Dienste leisten können. Berichte über technische Vorträge Die Praxis der politischen Zeitungen, in erster Linie schnell, wenn auch unrichtig zu berichten, scheint auch bei unsern Fachzeitschriften mehr und mehr Platz zu greifen, was nur zu bedauern wäre. Denn obgleich es in recht vielen Fällen besser wäre, daß wir politische Nachrichten lieber etwas später aber richtig erhielten, so ist es für unsere technische Weiterbildung unter allen Umständen erforderlich, daß der Inhalt der Fach Schriften technisch Richtiges bringt; Ueberstürzung ist hierbei ganz überflüssig, denn sie nützt niemandem. Ich habe am 30. Oktober einen Vortrag über die Her stellung der Type gehalten. Da er für Buchhändler berechnet war, welche nur einen ungefähren Begriff von der Typen herstellung erhalten sollten, so konnte er naturgemäß für Buch drucker nichts enthalten, was nicht schon fortgesetzt in Fach zeitschriften und Handbüchern zu lesen war. Auf das Er suchen zweier Redaktionen, einen Bericht zu liefern, konnte ich denn auch nur antworten, daß ein längerer Bericht nicht zu geben ist, wenn nicht vieles wiederholt werden soll, was die Leser schon wissen. Trotzdem erschienen in allerkürzester Zeit in verschiedenen Fachzeitschriften längere Berichte, die allerdings von der »Fixigkeit«, aber nicht von der Richtigkeit Zeugnis ablegten. Und das ist begreiflich. Die Vorträge und Reden der ge wandtesten Abgeordneten werden erst gedruckt, wenn sie vom Redner durchgesehen sind, denn auch die größte Beherrschung des Wortes gewährleistet nicht, daß immer für den Gedanken das richtige Wort gebraucht wurde. Rechnet man nun noch Mißverständnisse und Hörfehler hinzu, so ist es ganz begreif lich, daß Berichte über technische Vorträge, gleich nach der Niederschrift in die Druckerei gegeben, bei dem Vortragenden Unzufriedenheit, bei dem sachkundigen Leser Kopfschütteln hervorrufen. So ist es nun auch in meinem Falle gewesen. Mir lag daran, den Zuhörern neben der Beschreibung der Typen herstellung auch einen Begriff von der kunstgewerblichen und wirtschaftlichen Bedeutung des Schriftgießereibetriebes zu geben, zu welchem Zwecke ich einige Zahlenangaben machte, die aber nicht den geringsten Wert haben, wenn sie unrichtig oder in unrichtiger Zusammenstellung wiedergegeben werden. So hatte ich z. B. gesagt, daß in alten und großen Gieße reien 50—100 000 Stempel vorhanden sind, deren Anschaffungs wert bis zu einer halben Million Mark beträgt; daß dieselben Gießereien bis zu 200000 Matrizen besitzen, deren Anschaffungs wert ungefähr eine Viertelmillion Mark erreicht, daß eine Gar nitur von 10 Graden etwa 850 Stempel und etwa 1000 Matrizen erfordert. Daß diese Zahlen eher zu niedrig als zu hoch ge griffen sind, beweist eine Zählung der Stempel und Matrizen, welche in der Schriftgießerei Flinsch gelegentlich der Be schickung der Weltausstellung in Philadelphia (1876) vor genommen wurde. (Handbuch für Buchdrucker im Verkehr mit Schriftgießereien, S. 8.) Sie ergab 88 097 Stempel und 152 937 Matrizen, eine Anzahl, die bei der heutigen Jagd nach Novitäten vön jeder großen Gießerei weit überschritten wird. Die von mir gebrauchten Zahlen kommen nun allerdings in den verschiedenen Berichten vor, aber in einer oft recht wunderlichen Gruppirung. So z. B. heißt es in einem Berichte: 100 000 Stempel und eine halbe Million Matrizen. In einem zweiten Berichte liefert die gewöhnliche Handgießmaschine 10—150 000 Typen, in einem dritten die Komplettgießmascbine 50000 Typen täglich, während es natürlich richtig heißen muß 10—15 000, resp. 20 000. In einem vierten Berichte werden die 850 Stempel einer Garnitur zu 850 Garnituren, und in einem fünften Berichte wird sogar die Zahl der Drucke an gegeben, die Typen aushalten müssen, eine Zahl, die ich selbst nicht genau kenne und daher auch gar nicht genannt habe. Es ist vielleicht von Interesse, zu hören, was 1898 im »All gemeinen Anzeiger für Druckereien« unter der Ueberschrift: »Die Abnutzung des Schriftenmaterials« hierüber gesagt wurde. Es heißt daselbst: »Die wiederholt erörterte Frage, wie viel Abdrücke von einer ge- wohnlichen Schriftform gewonnen werden können, läßt sich nur an nähernd beantworten. Es sind hierbei allerhand Nebenumstände in Betracht zu ziehen, die ein festes Gesetz in dieser Richtung einfach zur Unmöglichkeit machen. Wenn alle in Betracht kommenden Vor aussetzungen erfüllt sind, so lassen sich von neuer Schrift bis zu deren gänzlicher Entwertung verschiedene Millionen Abdrücke erzielen. Das ist ja schon beim Druck kleinerer Zeitungen festzustellen, die Jahre hindurch mit ein und derselben Schrift Auflagen von etwa täglich 5000 herstellen und unter solchen Umständen bereits in einem Jahre etwa 11/, Millionen Abdrücke gewinnen. Danach läßt sich er messen, in welch hohem Maße ein gutes Schriftmaterial sich ver werten läßt.« In meinem Handbuche, S. 29, hatte ich 3 Millionen Ab drücke angenommen. Damit sei der Bericht, der mich 1 Million Abdrücke sagen läßt, berichtigt. Es sind ja noch mehr Unrichtigkeiten in den Berichten vorhanden. Die oben erfolgte Richtigstellung einiger wird mich, so hoffe ich, davor schützen, daß ich für die übrigen verantwortlich gemacht werde. Der Zweck dieser Zeilen ist aber nun die Frage, wie kann man fehlerhaften und damit nutzlosen Berichten über technische Vorträge begegnen? Ich denke einfach dadurch, daß die Fach-