Volltext Seite (XML)
Nr. 104 PAPIER-ZEITUNG 3749 die durch ihre Stengelführung interessant sind und deren dekorativer Wert auch nur in dieser beruht. Am treffendsten beobachtet ist seitens des Zeichners dieser Bordüren (Herr Wieynk-Berlin) wohl die Korallenreihung Beispiel 22, deren fließende Verbindung durch eine einfache, an die Wasserwelle gemahnende Linie erfolgt. Beispiel 23 ist eine sehr findige Uebertragung der Be wegung des Alpenveilchens, d. h. der Art seines Wuchses und besonders der Biegungen seines Blütenstengels. So liegt in dieser Bordüre der Karakter des Alpenveilchens klar zu Tage, ohne daß doch die Blüte ausführlich behandelt wäre. Das Streben zum Einfachen, das der heutigen Einfassungs technik eigen ist, hat überhaupt manches Erfreuliche geschaffen. In der Zeichnung befleißigt man sich großer Klarheit und Durch sicht, die Linienführung hat stets nur eine Stärke; Mischungen feiner und fetter Linien, die eine »bunte« Wirkung ergeben würden, kommen im Gegensatz zu früheren Erzeugnissen nicht mehr vor. Die Uebereinstimmung der Zeichnung inbezug auf die Strichführung mit der Schriftfläche wird in der Regel sehr gut getroffen. Wir bewegen uns ganz im Sinne der venetianischen Meisterdrucke aus dem XVI. Jahrhundert. Selbst ein Künstler wie Otto Hupp, der Jahre hindurch völlig in der malerischen Technik eines Holbein zeichnete, hat sich dieser durchsichtigen und klaren Linienführung zugewandt und für die Firma Genzsch & Heyse auch darin Mustergiltiges geschaffen. Die künstlerische Arbeit, welche Männer wie Ludwig Sütterlin und A. Knab mit einfachen Linien zu leisten verstehen, hat übrigens die Anwendung der einfachen geraden Linie wieder in den Vordergrund gerückt. Hier scheint sich wieder einmal der Kreislauf im Geschmack zu schließen. Und dennoch ist der Geist, in welchem heute die Linie »ornamental« ver wertet wird, völlig neu und vor allem gesund. Dies ist das Ergebnis eines nun sechsjährigen Strebens nach mehr Kunst, in der Typografie und im Leben überhaupt. Der Agitation hierfür haben sich unsere besten Geister, nam hafte Freunde der Typografie, unsere Fachschulen und unsere Fachblätter mit großem Eifer und mit erfreulicher Selbstlosigkeit hingegeben. Nicht zu vergessen die Schriftgießereien, die ohne Ausnahme, mit mehr oder weniger Glück zwar, aber immer mit Eifer und Liebe an der Verbesserung des Schrift- und Ziermaterials arbeiteten. So bleibt nur noch übrig, zu wünschen, daß dieser gute Geist nicht verloren gehe, daß er in den Gesellen und Meistern, die zu Gutenbergs Fahne schwören, lebendig bleibe! Und das wünsche ich in erster Linie den Problemen moderner Ein fassungen. Schluß folgt Plakat-Entwürfe Als ich den Aufsatz auf Seite 3573 in Nr. 99 über Plakat-Entwürfe las, dachte ich im ersten Augenblick, es sei kaum denkbar, daß es heute noch 30 lithographische Anstalten gibt, welche die teuren Plakat-Entwürfe gratis liefern und auf solche Weise reinfallen, nach dem doch schon seit langer Zeit in allen Fachzeitungen über diese Unsitte geschrieben worden ist, und nachdem erst vor garnicht langer Zeit das Plakat-Konkurrenz-Ausschreiben eines Margarinewerks und verschiedene andere ähnliche Fälle so viel Staub aufgewirbelt haben. Aber nicht nur teure Plakatentwürfe, auch kleine Entwürfe müssen berechnet und bezahlt werden. Nicht Tausende, Millionen werden in unserm lieben Deutschland jährlich für vergebens gemachte, unbezahlte Entwürfe aller Art zum Fenster hinausgeworfen! Eigentlich geschieht solchen Leuten ganz recht; denn durch Schaden werden sie hoffentlich endlich klug werden. Diese 30 Firmen scheinen nicht zu wissen, daß sich zur Abstellung dieser und ähnlicher Mißstände der »Verein deutscher Steindruckerei besitzer« gebildet hat. Wenn sie Mitglieder dieses Vereins wären und dessen Beschlüsse auch redlich befolgt hätten, so wären sie in diesen und auch in anderen Fällen vor Schaden bewahrt geblieben; dann hätten sie vor Anfertigung der Entwürfe den Bestellern mitgeteilt, daß sie zwar gern bereit seien, den Entwurf zu liefern, daß dieser aber mit 100, 150 oder mehr Mark berechnet werden müsse, falls keine Bestellung darauf erfolge. Leider sind bis jetzt nur wenige Druckereibesitzer Mitglieder dieses Vereins, und unter diesen sind noch manche, welche die Be schlüsse nicht immer befolgen. Erst wenn alle Steindruckereibesitzer sich zusammenschließen und die Beschlüsse streng durchführen, werden Mißstände, wie Gratis lieferung von Entwürfen, Auslieferung von Steinen, Schleuderpreise und Schmutzkonkurrenz allmälig verschwinden. M. * * * An dem in Nrn. 95 und 99 geschilderten Mißbrauch sind die Anstaltsbesitzer selbst schuld. Warum liefern sie in allen Einzelheiten ausgeführte Entwürfe ohne Bestellung? Wenn keine Bestellung, sondern nur eine Aufforderung zur Beteiligung an einer Konkurrenz vorliegt, sende man eine flotte Bleistiftzeichnung, welche darstellt, wie sich der entwerfende Künstler die Sache denkt. Gefällt dem Kunden diese Skizze nicht, so ist der Verlust nicht groß, andernfalls wird er seine besonderen Wünsche äußern und wahrscheinlich einen farbigen Entwurf verlangen, der ihm angefertigt und in Rechnung gestellt wird. Der Kunde kann sich dann nicht mehr herauslügen. Die Anfertigung einer Bleistiftskizze dauert einige Stunden, ein farbiger Entwurf mehrere Tage ja Wochen. Es gibt auch »Besteller«, die Entwürfe einfordern und diese dann einer anderen Anstalt über weisen, der sie den Auftrag erteilen; ein solches Vorgehen halte ich für strafbar, es muß eine Handhabe zu finden sein, um dagegen vor gehen zu können. Ein mir befreundeter Steindruckereibesitzer teilt mir mit, daß ihm ein solcher Fall passirt ist. Der Besteller brauchte also den Entwurf in beiden Anstalten nicht zu bezahlen, liegt hierin nicht Betrug? Eine Aussprache, wie solchen Uebelständen zu steuern wäre, dürfte für alle Beteiligten vorteilhaft sein. m. Ein Plakat-Entwurf ist ein Werk der bildenden Künste, und Niemand darf es ohne Einwilligung des Urhebers verviel fältigen und gewerblich verwerten. Der unbefugte Nachbildner ist nicht nur strafbar nach dem Gesetz vom 9. Januar 1876, sondern auch schadenersatzpflichtig nach § 826 BGB. * * * Was soll die Besprechung auf Seite 3573 von Nr.. 99 für Sinn und Zweck haben, wenn Sie in solchem empörenden Falle keinen Namen nennen wollen? Es ist doch nicht vorhanden, was hier Rück sicht verdient! § 193 steht Ihnen doch sicher zur Hilfe! Der Name tut nichts zur Sache. Der Aufsatz wird seinen Zweck erreicht haben, wenn die lithographischen Anstalten von jetzt an das Anfertigen kostenfreier Entwürfe aufs Un gewisse hin ablehnen, mag derjenige, der sie dazu auffordert, heißen wie er wolle. Marmorirungen in Oelfarben In Nr. 96 Seite 3466 ist eine in Deutschland patentirte Erfindung beschrieben, auf welche den Herren Kückenhöner in Daerligen und Monsch in Interlaken DRP 145 613 (Kl. 15) erteilt wurde. Es betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Marmorirungen in Oelfarben. Das Verfahren, mittels Oelfarben Marmorirungen, wie sie seit einigen Jahren von Ernst Leistikow-Bromberg hergestellt wurden, und die nach Leistikow’schen Mustern von Peltzer & Oo. in Düren fabrikmäßig hergestellt werden, ist aber sehr alt. Es ist das sog. Tucker’sche Ver fahren. Die erste Mitteilung davon, von Tucker selbst, findet sich in Dingler’s Polyt. Journal, Bd. OXLII Seite 229, wie Exner in seinem im Jahre 1869 erschienenen Werke: »Die Tapeten- und Buntpapier- Industrie« angibt. Das Rezept ist dort mitgeteilt und lautet: »Statt Marmorirschleim wird Wasser als Grund genommen, auf welchen mit Oel angeriebene Farben aufgeworfen werden; die Farben werden in folgender Weise bereitet: 1 Teil Dammarharz wird in 81, Teilen Terpentin aufgelöst, von dieser Auflösung werden 2 Maß mit 1 Maß Leinölfirnis vermischt; mit diesem Firnis werden die betreffenden Farben in der Weise abgerieben, daß das Farbengemisch gehörig dünn flüssig ist.« Man sieht also, daß, genau wie in dem patentirten Verfahren, als Hauptsache der Dammarfirnis zum Anreiben der Farben benutzt wird. Im Uebrigen habe ich das Tucker’sche Verfahren in meinem letzten Buntpapier-Artikel in der Papier-Zeitung, und zwar in Nr. 66 laufen den Jahrgangs, beschrieben. Paul Kersten Berichte aus Typographischen Gesellschaften Typographische Gesellschaft München. In der Sitzung vom Donners tag, 10. Dezember, hielt Herr Stefan Steinlein einen Vortrag über »Ludwig Richter und die deutsche Illustration^. Vortragender erörterte eingangs Wesen, Technik und Geschichte des Holzschnittes. Nach und nach verdrängte der Stich in Metall den Holzschnitt, und Dürer in seinem unbezähmbaren Vorwärtsdrange versuchte sogar in Eisen zu stechen. Lange Jahre später brachten namhafte Künstler in Eng land den Holzschnitt wieder zu Ehren. Sie verwendeten bei einer eigenen, sogen. Schwarzweiß-Technik Hirnholz mit Erfolg. In den dreißiger Jahren des verflossenen Jahrhunderts kamen denn auch viele Werke englischer Romanschriftsteller mit Holzschnitten illustriert über den Kanal nach Deutschland. In diese Zeit fällt die Tätigkeit Adrian Ludwig Richters. Redner gibt nun ein äußerst fesselndes Bild der Jugend und Erziehung Richters. Seine Zeichnungen, Holzschnitte und Stiche sind von einem Hauche chlichten poetischen Empfindens durchzogen. Richters Schaffenskraft auf diesem Gebiete ist ungemein reich. Er verdient unter den Meistern seiner - Zeit, welche vornehmlich die deutsche Holzschneidekunst wieder auf einen höheren Stand brachten, an erster Stelle genannt zu . werden. An ausgestellten Richter’schen Holzschnitten und Stichen machte Redner die Zuhörer auf deren Schönheiten aufmerksam. Anschließend verwies der Vorsitzende laut Bekanntmachung auf dem am Sonntag, 13. Dezember, vormittags 11 Uhr, stattfindenden gemeinschaftlichen Besuch der Ludwig Richter-Ausstellung im Kgl. Kupferstich-Kabinett mit dem Ersuchen um zahlreiche Beteiligung. — Die dem Vortrage folgende Aussprache bot manches Wissenswerte über künstlerisches Schaffen älterer und neuerer Meister. Fragekasten und Verschiedenes wurden schnell erledigt, und die Versammlung schloß 12 Uhr nachts, r