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3570 Nr. 99 Sachliche Mitteilungen finden kostenfreie Aufnahme Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung Eingesandte Werke finden Besprechung Berliner Typographische Gesellschaft Die Sitzung vom 1. Dezember wurde von dem zweiten Vorsitzenden Herrn Erler geleitet. An Eingängen waren zu verzeichnen ein neues Heft der »Victoria« von der Firma Rockstroh & Schneider; von der Firma August Scherl zwei Sonderhefte der Woche »Krieg im Frieden«, deren Bilder mit Doppeltonfarben gedruckt wurden; von der Typographischen Gesellschaft in Frankfurt a. M. ein modern ausgestattetes Zir kular, in welchem sie ihre Konstituirung anzeigt; von Herrn Oberfaktor Kettenbusch Prospekte und Zeichnungslisten seiner Broschüre »Zeichnen und Schneiden«; von dem Ausschuß zur Veranstaltung für Volksaufführungen ein Zirkular mit Pro gramm. Außerdem hatte Herr Morgenstern ein Heft mit Foto grafien von Geishamädchen von dem Fotografen Otsuki in Kyoto und drei verschiedene Kalender aus dem Verlage von Poeschel & Trepte in Leipzig gesandt. Der Vorsitzende dankte den freundlichen Gebern und knüpfte an die Kalender im all gemeinen die Bemerkung, daß die neueren Kalender in Buch form kaum noch den Karakter eines Kalenders tragen. Ueber die kosmischen Ereignisse werde garnichts mehr berichtet; man begnüge sich damit, ein Kalendarium abzudrucken, allen falls noch die Zeichen des Tierkreises, ohne daß eine Er klärung dazu gegeben werde. Zum nächsten Punkt der Tagesordnung gab Herr W. Hart mann eine Besprechung über gebundene Bücher deren er eine Anzahl herumreichen ließ, um daran zu zeigen, wie leichtfertig die Buchbinder oft beim Falzen mit den Büchern umgehen. Der Buchdrucker gibt sich oft die größte Mühe, ein gefälliges und genaues Format herzustellen, und es kommt ihm dabei auf ‘/. Cicero an. Wie die ausgelegten Bücher zeigten, wird beim Falzen hierauf wenig Rücksicht genommen; es zeigen sieh Unterschiede von 1 bis 2 Cicero, um welche einzelne Kolumnen bald höher bald tiefer stehen. Diesem Uebelstande begegnet man nicht nur bei gewöhnlicher Roman- Literatur und Massenarbeiten, sondern sogar bei Prachtwerken. Es sei bedauerlich, daß sich das Publikum im allgemeinen das ruhig gefallen läßt. Im Interesse der Buchdruckerei aber, die in der Regel für die ganze Buchausstattung verantwortlich gemacht wird, liegt es, daß die Falzerei besser kontrollirt werde, damit so verunzierte Bücher, welche das ästhetische Gefühl jedes Lesers verletzen, nicht ins Publikum gelangen. Auch aus der Mitte der Versammlung wurden Beispiele angeführt, welche dafür sprachen, daß nicht lediglich Eile, sondern häufig auch Gedankenlosigkeit an der mangelhaften Buchbinderarbeit Schuld sei. Eine Anfrage, weshalb moderne Bücher zuweilen nur oben mit Goldschnitt versehen und vorn und unten unbeschnitten sind, wurde dahin erklärt, daß dieser sogenannte englische Schnitt hauptsächlich bei Büttenpapier in Anwendung komme, um die Echtheit des Papiers zu zeigen. Die Frage, weshalb wertvolle französische Bücher auf kostspieligem japanischem Papier mit einer solchen Papierversehwendung gedruckt seien, daß die offenen Blätter um 4 cm über die beim Falzen geschlossenen Blätter Zurück bleiben, konnte aus der Mitte der Versammlung nicht be antwortet werden. Ebenso wenig die Frage, ob man richtiger weise solche Bücher beim Einbinden beschneidet oder nur die zurückliegenden verschlossenen Blätter aufschneidet. Zum folgenden Punkt der Tagesordnung gab Herr Gustav Grüger eine Besprechung der Hauptprobe von Ludwig & Mayer und wies dabei auf die zahlreichen Originalschnitte und das reiche Material dieser noch ziemlich jungen Firma hin. Bei dem Meinungsaustausch über Schriftproben im all gemeinen wurde der Wunsch laut, die Schriftgießereien möchten bei den verschiedenen Graden der Brotschriften immer denselben Wortlaut abdrucken, um zu veranschaulichen, wie breit diese und jene Schrift läuft; auch bei den Akzidenz schriften sei dies angenehm, außerdem müsse stets das ganze Alfabet abgedruckt werden. Von mehreren Seiten wurde darauf hingewiesen, daß die einzelnen Schriftzeilen in den Schriftproben der Gießereien oft derart mit Hobel, Feile und Lötkolben gesetzt werden, daß der Buchdrucker mit der nach den Proben gekauften Schrift die Schriftprobe nicht nachsetzen könne. Die Lieferungen aus der Gießerei müssen genau mit den Schriftproben verglichen werden, und wenn beides nicht übereinstimmt, so soll man die Gießerei mindestens zu einem entsprechenden Nachlaß zwingen. Ebenso sollen die Druckereien darauf dringen, daß die Gießereien der neuen Orthografie entsprechend auch zu den Akzidenzschriften die erforderlichen Umlaute in solcher Form liefern, daß sie beim Drucken nicht abbrechen. Hinsichtlich der Versalumlaute im glatten Satz wurde bemerkt, daß deren Einführung wohl als überflüssig bezeichnet werden könne. Die Erfahrung habe gelehrt, daß Ae, Ue usw. den deutschen Leser garnicht stören; man könne behaupten, daß unter 100 Lesern 99 garnicht be merken, ob sie Ä oder Ae lesen, Schwierigkeiten könnten höchstens dem Ausländer dadurch bereitet werden. Tatsächlich werde von unseren Zeitungen — vielleicht auch in Rück sicht auf die Setzmaschine — ungeachtet der neuen Orthografie die zusammengesetzte Form der Umlaute gebraucht. Hierauf wurde in die allgemeine Besprechung der Albin Weber’schen Celluloidschnitlarbeiten, die in der vorigen Sitzung wegen vorgerückter Zeit vertagt worden war, eingetreten. Es wurde anerkannt, daß man auch inbezug auf den Prägedruck sehr gefällige Arbeiten mit dem Verfahren herstellen könne, solange man sich an einfache Formen halte. Dem Ein wande, mancher Maschinenmeister werde sich dagegen ver wahren, daß der Akzidenzsetzer die Matrize in der Tiegel druckpresse herstelle, begegnete Herr Weber durch den Hin weis darauf, daß es in erster Linie Sache des Maschinen meisters sei, sich mit Prägedruck zu beschäftigen, daß im modernen Druckereibetriebe der Akzidenzsetzer und der Ma schinenmeister aber Hand in Hand gehen mü ten. Von Herrn Brandt, der sich aus ästhetischen Gründen ablehnend gegen den Prägedruck überhaupt aussprach, wurde noch darauf hin gewiesen, daß es notwendig sei, zu den Prägearbeiten nur bestes Material zu verwenden. Als letzten Punkt der Tagesordnung behandelte Herr Erler die Anwendung einzelner typografischer Zeichen, zunächst des Bruchstrichs. Ueberflüssig sei er bei der Zusammen ziehung von Zahlen z. B. 1870/71. Hier sei ein Divis besser am Platz. Auch bei Abkürzungen wie Frankfurt a./O., Halle a./S. sei er überflüssig, und streng genommen nicht ein mal richtig, denn die Post schreibe Frankfurt—Oder. Ebenso falsch sei es 12/1, ‘2/2 Flaschen mit Bruchziffern zu setzen oder im Buchhandel 11/0, 7/6 Exemplare. In diesen Fällen möge man immer große Zahlen verwenden. Ebenso möge man die Dezimalstellen lieber mit großen Ziffern setzen als mit Bruch- ziffem, wie es vielfach geschehe. Die Anwendung kleinerer Ziffern für die Dezimalen sei überhaupt unnötig. Nach Duden sei es in der neuen Orthografie gestattet, das französische Wort ä (ä Stück, ä Dutzend) durch ein gewöhnliches a, auch in der Fraktur, zu ersetzen. Falsch werde vielfach in Schiffsnachrichten die Bezeichnung einer Strecke ausgedrückt, es heiße da nicht Strecke 25 km—36 km, sondern km 25—km 36. Eine falsche Deutung werde von den Setzern oft dem in der Handelsschrif gebräuchlichen Zeichen + bei gelegt; dies Zeichen, das beim Buchdrucker den Spieß an deutet, soll hier das Nummerzeichen ersetzen. Schließlich machte der Vorsitzende noch daraufaufmerksam, daß in der Zeit vom 10. bis 15. Dezember im Berliner Buch gewerbesaal während der täglichen Lesestunden von 11 bis 2 Uhr eine Ausstellung lithografischer Künstlerarbeiten zu be sichtigen sei, daß ferner Billets zum Besuch der Ausstellung der Berliner Sezession zum Vorzugspreise von 10 Pf. durch