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Nr. 80 PAPIER-ZEITUNG 2857 ziehung an dem Einzelnen vornehmen, sondern die besten Kräfte sollten in ihr ihre Erfahrungen und Meinungen aus tauschen. Schließlich stellt er die Frage, wo die arbeitswilligen Vereinsmitglieder seien. Jeder Einzelne habe seinem Beruf nachzugehen und müsse die auf die Vereinsarbeit angewendete Zeit entweder der Familie oder dem Geschäft entziehen. Der Deutsche Buchgewerbe-Verein sei berufener, die Sache in die Hand zu nehmen, denn er habe Zeit und Mittel dazu und könne durch seine Beamten die notwendige Arbeit leisten. Auch stehe zu befürchten, daß die arbeitswilligen Mitglieder der Berliner Gesellschaft durch die Uebernahme so Umfang reicher Arbeit für die Allgemeinheit die lokalen Interessen schädigen würden. Im übrigen sei er mit den Ausführungen der Referenten einverstanden, zumal es sich nicht um einen zu gründenden festen Verband handle, und jetzt auch fünf Kreis-Vereine, wie Leipzig solche vorgeschlagen, in dem Organisationsprogramm vorgesehen seien. Berichtigend bemerkt Herr Könitzer hierzu, daß die Rund schreiben an die verschiedenen Gesellschaften innerhalb etwa einer Woche sämtlich zur Versendung gekommen seien. Der Vor wurf der Unkorrektheit Leipzig gegenüber sei deshalb unbegründet. Herr Kommerzienrat Büxenstein erklärt es für eine dankbar anzuerkennende Fügung des Schicksals, daß er gerade jetzt das Wort erhalte, wo ein gewisser Antagonismus zwischen Leipzig und Berlin zum Ausdruck gekommen sei. Er selbst sei von der Größe des Gedankens, der hier verwirklicht werden soll, überzeugt, durch welchen die Vorzüge, welche einige große Typo grafische Gesellschaften genießen, verallgemeinert werden sollten. Mit Rücksicht hierauf müsse man jede lokale Voreingenommen heit beiseite lassen. Berlin an sich habe es nicht nötig mit anderen in Verbindung zu treten, dasselbe sei in Leipzig der Fall, das noch dadurch besonders bevorzugt sei, daß es sich die Schätze des Deutschen Buchgewerbe-Vereins durch die Muni- fizenz des letzteren in einem solchen Umfange zu Nutze machen könne, wie das bei den auswärtigen Gesellschaften nicht mög lich sei. Man dürfe nicht darüber klagen, daß der Deutsche Buch gewerbe-Verein auf ihm gewordene Anregungen nicht reagire; unmöglich könne er aber 30 Gesellschaften mit Nahrung ver sorgen. Was die Berliner Typographische Gesellschaft erstrebe, müsse sie auch erreichen. Den Typografischen Gesellschaften falle die Aufgabe zu, die.Kunst im Buchdruck zu pflegen und das Verständnis dafür auch in weitere Kreise zu tragen. Die Prinzipale hätten den Boden für diese Bestrebungen geschaffen, und wenn sie jetzt in den Typografischen Gesellschaften mehr in den Hintergrund treten, so seien die Gründe hierfür in kurzen Worten nicht zu erörtern ; vielfach trage die Ueber- lastung mit fachlichen Vereinspflichten dazu bei. Die Prinzipale ständen der Sache aber sympathisch gegenüber und würden einer großen Organisation lieber einige Exemplare guter Drucksachen übergeben, als den vielfachen Anforderungen ent sprechen, die heute an solche Druckereien gestellt würden, die den Kunstdruck pflegen. Er könne es nicht verstehen, wenn Herr Schwarz der Ansicht sei, daß die Typografischen Ge sellschaften keine Fortbildungsschulen für Unbegabte seien. Er meine vielmehr, es sei deren Aufgabe, das Verständnis für die Kunst zu verallgemeinern und dafür zu sorgen, daß die Buchdruckerkunst, die man jetzt zu den Handwerken zähle, wenigstens ein Kunsthandwerk bleibe. Mit den ins Auge ge faßten Zielen sei er durchaus einverstanden, nicht aber mit dem Wege, der dazu beschritten werden solle. Eine glückliche Lösung der Frage sei nur durch die Gründung eines festen Verbandes möglich, der durch einen Vorstand geleitet werde, und dem ein geschäftsführender Arbeitsausschuß zur Seite stehe. Hierzu seien aber Mittel notwendig, denn die mit einer solchen Organisation verbundene Arbeit könnte für die Dauer nicht ohne bezahlte Kräfte geleistet werden, darum sei auch ein Mitgliederbeitrag notwendig, selbst wenn sich unter solchen Verhältnissen nicht alle hier vertretenen Vereine dem Verbände anschließen würden. Das müsse frei herausgesagt werden ohne Rücksicht auf vorhandene lokale Interessen. Allseitiger Beifall lohnte dem Redner für seine, die Situation klärenden und die Verhandlungen fördernden Ausführungen. Herr Miller-Bremen vertritt den Standpunkt der kleineren Vereine. Er sieht in dem Zusammenschluß eine Förderung der Letzteren, die um so mehr ins Gewicht falle, als in den Pro vinzialstädten häufig die Lebensfähigkeit einer Gesellschaft nur von einer einzigen Person abhänge. Das werde anders werden, wenn eine Zentralstelle geschaffen werde, welche die kleinen Vereine mit Anschauungs- und Belehrungsmaterial versorge. Die Zusicherung des Herrn Woernlein, daß der Deutsche Buch gewerbe-Verein noch mehr als bisher den Wünschen der Typo grafischen Gesellschaften entgegenkommen werde, sei dankbar anzuerkennen, indessen handle es sich vielfach um Kleinig keiten, mit denen sich der größeren Zwecken dienende Verein nicht befassen könne. Die Hauptsache sei der Kostenpunkt. Aber mit 1 Pf. pro Mitglied und Woche käme bei allgemeiner Beteiligung schon eine ansehnliche Summe zusammen, und man könne damit rechnen, daß durch den Zusammenschluß auch ein lebhafteres Vereinsleben sich entwickele, und die Mitglieder zahl sich erheblich vermehren werde. Der als Gast anwesende Buchdruckereibesitzer Herr Bend schneider aus Hamburg, schließt sich den Ausführungen des Herrn Kommerzienrat Büxenstein an und hält eine feste Or ganisation für geboten. Auch in materieller Beziehung würden die Akzidenzsetzer durch eine solche Vereinigung gewinnen. Herr Brandt-Görlitz hält es für durchaus berechtigt, daß der Berliner Verein sich zunächst an einzelne Vertrauens personen persönlich gewendet habe, bevor eine offizielle Ein ladung zum Vertretertage erging. Wäre das nicht geschehen, so wäre der Streit zwischen Berlin und Leipzig wahrscheinlich schon vorher ausgebrochen und ein Vertretertag überhaupt nicht zustandegekommen. Auch in der Provinz gäbe es tüchtige Kräfte, die aber erst durch eine Anregung geweckt werden müßten. Der Vorschlag des Herrn Kommerzienrat Büxenstein gehe wohl zu weit. Es sei notwendig, daß die Delegirten zunächst ihre Mandatgeber befragen, ob sie einver standen seien mit so weitgehenden Beschlüssen. Herr Leven-München konstatirt, daß die Münchener Typo graphische Gesellschaft im Gegensatz zu der fast ausschließlich aus Prinzipalen und Faktoren bestehenden Leipziger Gesell schaft zum größten Teile aus Gehilfen zusammengesetzt sei. Der Redner macht ausführlichere Vorschläge für die Tätigkeit des geplanten Arbeitsausschusses und betont sodann, daß es eine wichtige Aufgabe der zu schaffenden Organisation sei, unparteiische Urteile über die Neuheiten auf grafischem Ge biete zu erlangen. Tatsächlich sei der Geschmack vielfach durch Besprechungen in der Fachpresse, denen ein reklame- haftes Interesse zugrunde liegt, irre geleitet worden. Von Wanderversammlungen verspreche er sich nichts, auch seien die Kosten hierfür zu hoch. Dagegen könne jeder Verein Fragen von allgemeinem Interesse an den Ausschuß richten, der die Beantwortung derselben dann allen Vereinen bekannt zu geben habe und dadurch aufklärend wirken werde. Zunächst aber müsse man sich darüber klar sein, was eigentlich ge braucht werde. Herr Erler - Berlin ersucht die weiter -eingeschriebenen Redner, zunächst nicht auf Einzelheiten einzugehen, sondern sich lediglich mit der Frage zu beschäftigen, ob ein allgemeiner Zusammenschluß überhaupt gewünscht werde. Herr Schwarz-L^eipzig verwahrt sich dagegen, daß Leipzig nur der Formalitäten wegen zu einem negativen Beschluß ge kommen sei. Ausschlaggebend seien lediglich praktische Fragen und vor allem die Geldfrage gewesen. Er warne davor, sich in ein Abhängigkeitsverhältnis zu den Lieferanten zu begeben. Mit einem Beitrag von 50 Pf. pro Jahr und pro Mitglied werde man zu keinem Wohlstände kommen. Uebrigens bestehe der Leipziger Verein nicht nur aus Kapazitäten, man frage aber jeden sich zur Aufnahme Meldenden, ob er auch Lust habe, an den Arbeiten der Gesellschaft teilzunehmen. Der Vorsitzende verliest sodann noch ein aus Magdeburg eingegangenes Begrüßungstelegramm, in welchem mitgeteilt wird, daß der gewählte Vertreter leider im letzten Augenblick am Erscheinen verhindert worden sei. Hierauf tritt um 2 Uhr eine einstündige Mittagspause ein. Bei Wiedereröffnung der Verhandlungen beantragt Herr Poupar-Stettin die Redezeit der einzelnen Redner auf 5 Minuten zu beschränken. Nachdem Herr Schmidt - Breslau dem wider sprochen, wird der Antrag abgelehnt. Herr Rudat-Posen spricht sich für die Gründung eines festen Verbandes und die Erhebung eines Mitgliederbeitrages aus. Er erblickt in dem Vorgehen ein wirksames Agitations mittel für die Errichtung neuer Vereine im Osten, wo sich die selben nur vereinzelt vorfinden. In Posen sei der Umstand, daß nur Verbandsmitglieder dem Verein angehören können, der Entwicklung nicht förderlich. Herr Wunder-Hannover spricht sich ebenfalls für einen festgefügten Verband mit dem Sitz und Vorstand in Berlin und ohne die Errichtung von Bezirksvereinen aus. Herr Schmidt-Hres\an bemerkt, daß der Zusammenschluß der Vereine auch die Interessen der Prinzipale fördere, darum