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Nr. 80 PAPIER-ZEITUNG 2855 fanden sich um 10 Uhr zu einem gemeinsamen Frühstück im Parterrerestaurant des Buchgewerbesaales wieder zusammen. Gegen 11 Uhr wurde sodann die Sitzung eröffnet. Der Vorsitzende Herr Könitzer begrüßt zunächst die als geladene Gäste anwesenden Herren Kommerzienrat Büchsenstein, den Berliner Pfleger des Deutschen Buchgewerbe-Vereins, und Ge heimen Regierungsrat Carl Hofmann. Vor Beginn der Beratungen gibt der Vorsitzende der Versammlung Kenntnis von dem Ab leben des Herrn Richard Härtel in Leipzig, der sich als erster und langjähriger Vorsitzender des Verbandes der deutschen Buchdrucker große Verdienste um die Angehörigen des Buch- druckgewerbes erworben und bis zu seinem Tode Mit arbeiter des von ihm früher geleiteten »Korrespondent für Deutschlands Buchdrucker« gewirkt habe. Die Anwesenden ehren das Andenken des verdienstvollen Mannes durch Erheben von den Sitzen und beauftragen den Vorsitzenden mit der Ab sendung eines Beileidstelegrammes. Beim Eintritt in die Verhandlungen erhält zunächst Herr Verwaltungsdirektor Woernlein-Leipzig das Wort. Es führt aus, daß der Deutsche Buchgewerbe-Verein zunächst zwar von den durch die Berliner Typographische Gesellschaft unternommenen Schritten überrascht gewesen sei, daß er aber alle Bestrebungen, welche auf die Förderung der Interessen des Buchgewerbes gerichtet seien, unterstützen werde und den Wunsch hege, daß die heute geführten Verhandlungen dem Gewerbe zum Segen gereichen mögen. Nachdem Herr Könitzer für diese Zusicherung gedankt, erhält Herr/ Kulbe-Berlin das Wort zu dem Referat zu der Frage: »Wie sind die Typografischen Vereinigungen zu stärken und ihre Ziele zu fördern?« In ausführlicher Weise legt er klar, wie sich in den letzten Jahren das Bedürfnis nach einem engeren Zusammenschluß zu intensiverer gemeinsamer Arbeit entwickelt habe. Von verschiedenen Seiten sei die Berliner Typographische Gesellschaft um Ausstellungsmaterial, um Auskünfte über einen planmäßigen Fachunterricht, um Beurteilung von Wett bewerben und andere Hilfeleistungen von kleineren grafischen Vereinigungen angegangen worden. Vor 18 Jahren bereits sei eine Verbindung der Typografischen Vereinigungen, deren damals nur wenige existirten, von Berlin aus angeregt worden, die Sache sei aber resultatlos verlaufen, weil damals ein Be dürfnis dafür anscheinend nicht vorhanden war. Inzwischen seien, besonders in den letzten Jahren, zahlreiche neue Ver einigungen entstanden, und das Verlangen nach technischer Weiterbildung der werktätigen Kreise des Buchdruckgewerbes sei energisch hervorgetreten. Auch der Schwerpunkt in der Mitgliedschaft der bestehenden Vereine habe sieh verschoben. Während die älteren Vereine sämtlich von Prinzipalen begründet wurden (von den bekannten 23 Vereinen mindestens 15) seien die jüngeren Gesellschaften alle von Gehilfen, wenn auch vielfach mit wohlwollender Unterstützung der Prinzipale, ins Leben gerufen worden. Dem Deutschen Buchgewerbe-Verein gebühre allseitiger Dank für seine auf die Förderung des Buch druckgewerbes gerichteten Bestrebungen, doch könne man ihm die Kleinarbeit, die Beschäftigung mit den technischen Details nicht zumuten. Zu ihrer Erledigung und Nutzbarmachung auch in den kleinen Vereinigungen solle der von Berlin aus angeregte Arbeitsausschuß dienen. Beim Einsetzen der Be wegung für die moderne Entwicklung der Kunst sei von den Künstlern für die Typografie viel geschaffen worden. In den letzten zwei Jahren habe aber diese Tätigkeit erheblich nachgelassen, und jetzt seien es die werktätigen Kräfte, die Akzidenzsetzer, welche die Tradition zu bewahren und die Geschmacksrichtung im Buchdruck weiter zu entwickeln be stimmt seien. Früher, bei der Hochproduktion der Künstler, sei die Arbeit der Typografischen Gesellschaften wenig be achtet worden, jetzt werde mit der in den Vereinen geleisteten Kleinarbeit derselben eine gute Richtschnur für die heran wachsende Generation geschaffen. Aus diesen Verhältnissen her aus sei das Bedürfnis nach einem engeren Zusammenschluß aller Gesellschaften entstanden. Man dürfe es Berlin mit seiner ge wichtigen, ausgedehnten und vielseitigen grafischen Industrie und der größten Typografischen Gesellschaft nicht verargen, daß es in dieser Angelegenheit vorgegangen sei. Es sei dies ohne jede Nebenabsicht geschehen; natürlich müsse die Ver- ereinigung. eine lokale Spitze haben, doch solle diese ohne jeden bestimmenden Einfluß bleiben. Hierzu sei Berlin als eine Arbeitsstadt ersten Ranges wohl am meisten berufen. Am Schlüsse seiner Ausführungen brachte Herr Kulbe den folgenden Antrag A ein: Die am 26. und 27. September im Berliner Buchgewerbesaal zum ersten Male versammelten Vertreter der typografischen Vereinigungen Deutschlands sind der Ueberzeugung, daß das heute so notwendige fachliche Wissen und technische Können nur durch systematische ge meinsame Arbeit der verschiedenen Vereinigungen die erwünschte Verbreitung und Vertiefung gewinnen kann. Die versammelten Vertreter sind ferner überzeugt, daß durch einen entsprechenden Zusammenschluß nicht nur jede einzelne Ver einigung gestärkt und an Umfang und Wirksamkeit gewinnen wird, sondern daß er auch die künstlerische und technische Fortentwicklung unseres Gewerbes bedeutsam fördert. Die Vertreter beschließen deshalb eine geeignete Organisation, geleitet durch einen Arbeitsausschuß der Deutschen Typografenschaft. Nunmehr übernimmt Herr Georg Erler-Berlin den Vorsitz, und Herr Könitzer gibt das Referat über die Frage: »Welche Form entspricht einem Zusammenschluß der typografischen Vereinigungen am besten?« Wo ein Wille, da auch ein Weg, so beginnt derselbe seine Ausführungen; kein fester Verband sei geplant, die einzelnen Vereine seien in ihrer Selbständigkeit zu belassen, und das Ganze gipfele in einem Arbeitsausschuß. Die weiteren Ausführungen sind ihrem Inhalte nach in dem gedruckten Entwurf von Satzungen und Geschäftsordnung für den Arbeitsausschuß der Deutschen Typografenschaft nieder- gelegt Die erwachsenden Kosten schätzt der Referent auf 10 M. pro Woche, die durch einen Beitrag von 1 Pf. pro Mitglied und Woche aufgebracht werden könnten. Satzungen und Geschäftsordnung für den Arbeitsausschuß der Deutschen Typografenschaft § 1 Die am 27. September 1903 auf dem Ersten Vertretertage be schlossene Verbindung der typografischen Vereine Deutschlands führt den Namen »Deutsche Typografenschaft«. § 2 Der Beitritt ist für alle Vereinigungen offen, welche keine andern Bestrebungen verfolgen als solche, die auf Verbreitung fachlichen Wissens gerichtet sind. Einzelmitglieder führt die Deutsche Typo grafenschaft nicht; solche können nur einem der an gegliederten Vereine zur Aufnahme überwiesen werden. § 3 Die Deutsche Typografenschaft gliedert sich in Bezirke. Vor läufig bestehen deren fünf: für den Osten, Süden, Westen, Norden und die Mitte Deutschlands je einer. Die Vororte in den Bezirken wählt der Vertretertag, oder sie werden in freier Uebereinkunft mit den beteiligten Vereinen des Bezirks vom Arbeitsausschuß festgesetzt. Die Vorsitzenden der in den fünf Bezirks-Vororten ansässigen Vereine bilden die oberste Instanz der Deutschen Typografenschaft, den Verwaltungsrat, die Kontroll- und Beschwerdestelle. § 4 Die Leitung besorgt der Arbeitsausschuß der Deutschen Typo grafenschaft, welchen der mit der Geschäftsführung betraute Verein aus seiner Mitte wählt. § 5 Dieser Arbeitsausschuß besteht aus dem Vorsitzenden des be auftragten Vereins und sechs aus der Mitte dieses Vereins zu wählenden Mitgliedern; deren Wahl oder Ergänzungswahl kann in jeder ordnungs gemäß und unter Bekanntgabe dieses Tagesordnungspunktes ein berufenen Sitzung vorgehommen werden. Bei einer Neuwahl sind Stellvertreter in Berücksichtigung zu ziehen. Die Wahl ist mittels Stimmzettel vorzunehmen. § 6 Von den sieben Mitgliedern des Ausschusses führt der Vorsitzende des geschäftsführenden Vereins auch den Vorsitz im Arbeitsausschuß; die weiteren Aemter übertragen sich die Mitglieder des Ausschusses nach eigenem Ermessen; zu besetzen sind die Posten eines Sammlungs leiters, eines Kassenführers, eines ersten Schriftführers, dem der Briefwechsel, eines zweiten Schriftführers, dem die Berichterstattung in der Fachpresse sowie die Führung der Uebersichten obliegt, und zwei Beisitzern, welche vornehmlich die Aufmachung des Ausstellungs materials zu besorgen haben. § 7 In seiner Gesamtheit wacht der Arbeitsausschuß der Deutschen Typografenschaft über ein reges und gesundes Vereinsleben und sorgt für bestmögliche Förderung jener Aufgaben, deren Lösung nach den Beschlüssen des Vertretertages zunächst ins Auge zu fassen sind. Die beteiligten Vereine und insbesondere die Bezirksvororte ver pflichten sich, die ihnen zugewiesenen Arbeiten pünktlich und ge wissenhaft zu erfüllen. § 8 Ihre Wünsche geben die beteiligten Vereine in der Regel zu nächst ihrem Bezirksvororte und nur in eiligen Fällen dem Arbeits ausschuß direkt bekannt. § 9 Die Mitgliedschaften berichten mindestens vierteljährlich einmal über ihre Tätigkeit an den zuständigen Bezirksvorort; dort werden