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2 .C Buchgewerbe Buchbinderei * * Buchdruck * * * * * * Buchhandel X Eingesandte Werke finden Besprechung * * - Steindruck - Nr. 88 Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung 3150 ~ Sachliche Mitteilungen finden kostenfreie Aufnahme Berliner Typographische Gesellschaft Zu der am Dienstag, den 3. November 1903 stattfindenden Sitzung werden die geehrten Mitglieder mit der Bitte um zahl reiches und pünktliches Erscheinen ergebenst eingeladen. Der Vorstand TAGES-ORDNUNG: 1. Geschäftliches. Eingänge. Aufnahmen. 2. Schülerarbeiten der k. k. graphischen Lehr- und Versuchsanstalt Wien (ausgestellt). 3. Besprechung technischer Neuheiten. a) Vorführung eines kombinirten Walzenmasse - Koch- und Gießapparates. b) Woodstone-Satzbretter und -Tischplatten. 4. Neues aus der Fachpresse: Ueber den Druck von Kalendern. 5. Technische Fragen. Von 8 Uhr ab liegen die neuesten Fachzeitschriften zur Benutzung aus. . Die geehrten Mitglieder finden in dieser Versammlung Gelegenheit, ihre Beiträge zu entrichten. Der Buchgewerbesaal ist täglich geöffnet von 11—2 Uhr mittags. Die Fachliteratur, Schriftproben usw. stehen den Be suchern zur Verfügung. Die Entwicklung der Schrift (Fortsetzung zu Nr. 86) II. Vortrag Mit der alfabetischen Schrift der Fönizier ist das letzte Ziel der Schrift, die Darstellung des gesprochenen Wortes Laut für Laut, noch nicht erreicht; denn noch immer bedeutet der Buchstabe eine ganze Silbe, der Konsonant wird mit dem fol genden Vokale zusammen als eine Einheit auf gefaßt. Erst die Griechen haben die Vokale selb ständig gemacht und dadurch eine streng lautirende Schrift ermög licht. Erleichtert wurde ihnen diese Neuerung da durch, daß sie beim Ueberneh- men des fönizi- schen Alfabets fünf Zeichen vorfanden, für die es in ihrer Sprache keine entsprechenden Konsonanten gab, nämlich die Zeichen der semitischen Kehllaute N, n, n, , V; für diese setzten sie ihre Vokale «, i,», >, o ein. Damit ist das europäische Alfabet bis auf geringfügige Ergänzungen fertig. Auch die semitischen Namen der Buchstaben wurden von den Griechen beibehalten; sie haben sieh zwar später verloren, aber noch heute erinnert unser »Jod« und »Zet« sowie der Ausdruck »Alfabet« an den fönizisch-griechischen Ursprung unserer Schrift. Gleich bedeutend sind die formalen Fortschritte der Griechen. Die fönizischen Zeichen waren, wie der in Marseille ge fundene Stein beweist (Bild 1), zwar klar in ihrer Konstruktion, aber sie stehen regellos und schräg, ihre Züge sind weder ganz grade, noch eigentlich gebogen, das Ganze wirkt bar barisch. Auf der berühmten Inschrift vom Niketempel in Athen dagegen (5. Jahrh. v. Chr., Bild 2) sind die Lettern senkrecht aufgerichtet, die weit nach unten weggleitenden Enden der hastae sind gekürzt, überall ist das Streben nach Symmetrie zu bemerken. Auch_die Anordnung ist gebessert: während die Bild] Fönizische Inschrift. Stein von Marseille Fönizier die Schrift von rechts nach links oder auch povar^ö^do», »in der Art des Pfluges«, hin und her laufen ließen, gewöhnen sich die Griechen an die Richtung links-rechts, und ordnen zugleich die Buchstaben genau nebeneinander und sogar unter einander in Reihen, letzteres wurde später wie der aufgegeben. Im allgemeinen tragen die griechischen Inschriften einen sehr einfachen Ka- rakter und verdanken ihre günstige ästhetische Wir kung nur ihrem Ebenmaße; auf den Inseln aber, be sonders aufRhodos, hat sich vom dritten Jahrhundert an eine Abart ausgebildet, eine Zierschrift, die mehr auf Eleganz als auf Würde zu geben scheint. Hier treten zum ersten Male die Schraffirungen an den En den der Querbalken auf, die sich sogar in eine Art Schwalbenschwanz spalten; zum erstenmal sind hier auch die Buchstaben ver schiedener Zeilen in ver schiedener Größe in den Stein gehauen, die Zeilen rücken zum Teil ein und haben je nach ihrer Größe verschiedene Abstände — rungen, die sich zum Teil, wie die Schraffirungen, auf die römische Schrift übertragen haben, zum Teil aber auch wieder völlig verschwunden und erst in sehr viel späteren Zeiten von neuem erfunden sind. Das römische Alfabet der Kaiserzeit erinnert in seiner Er scheinung sehr an das griechische und ist mit seiner Klarheit und seinem Gleichgewicht sicher von diesem beeinflußt, leitet aber seine Grundformen nicht von den Griechen, sondern direkt von den Föni- ziern her. Schon die Etrusker hatten näm lich das fönizische Alfabet übernommen, und so -hat sich in Italien selbst eine Schrift entwickelt, die sich von der griechi schen namentlich durch häufigere Rundungen unterschied: die Buch staben C G D P S sind im Lateinischen rund, im Griechischen eckig; beide Schriften haben an runden Buchstaben nur das B, 0 und R ge meinsam; die im Latei nischen nicht vorhan denen griechischen Lettern • und « kom men nicht oft vor, so daß das Lateinische im Gesamteindruck etwas weicher erscheint als das Griechische. Die wunderbar muster hafte, edel ausgeglichene Inschrift des :Titusbogens .(Bild 3) läßt dies klar erkennen, zugleich aber auch merken, wieviel Schönheit sie grade den Griechen verdankt. Bild 2 Inschrift vom Niketempel auf der Akropolis in Athen der Zeilenfall ist erfunden: Neue-