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Nr. 86 PAPIER-ZEITUNG 3079 weiteres Instrument dürfte noch der Fadenstichel in Betracht kommen, welcher hauptsächlich bei verlaufenden Tönen Ver wendung findet. Wie bei dem schon erwähnten 1 mm Flach stichel, so ist es auch beim Fadenstichel ein Haupterfordernis, daß die obere schiefe Fläche a in Bild 4 scharf und flach zugeschliffen .ist, während die untere Fläche b (Bauchfläche) nur ganz leicht abgezogen werden darf. Kollegen, welche mit der Bearbeitung des Linoleums durch Hohlstichel vertraut sind, werden erweichtes Celluloid mit gleicher Leichtigkeit und derselben Handhabe zu bearbeiten imstande sein. Negativ-Schnitt. Will man lichte Linienornamente, Ein fassungen usw. auf dunklem Grunde weiß erscheinen lassen, so wird dies auf einfachste Weise und in feinster Ausführung damit erreicht, daß man eine Celluloidplatte mittels Essigäther in bereits geschilderter Weise erweicht und dann das Ornament oder die Einfassung wie folgt eindruckt: Unter den Aufzug wird Karton in Stärke des Celluloids gebracht, während nun durch Zurichtung oder Ausgleichung und entsprechend starken Druck auf dem einzulegenden Karton eine deutliche, gleichmäßige Schattirung hergestellt wird. Wenn sie auf der Rückseite des Kartons deutlich sichtbar erscheint, ist auch die nötige Druckstärke für das Celluloid erreicht. Nach Entfernung der unter den Aufzug gebrachten, die Stärke des Celluloids markirenden Karton blätter wird das Celluloid eingelegt und unter Druck gestellt. Um die Druckstärke nicht zu verringern, muß ein Kartonblatt, in Stärke des die Schattirung zeigenden, unter dem Aufzug belassen werden. In solcher Weise drückt sich nun das Ornament auf Kartonstärke in das Celluloid ein, ohne nur im geringsten verletzt zu werden. Mit diesem Eindruck beginne man jedoch nicht sofort nach dem Uebergieen mit Essigäther, sondern lasse ihn etwa 2 — 3 Minuten verdunsten, wodurch die auf der Oberfläche Bild 7 sich zeigende Hautbildung zurückgellt. Hat sich nun auf dem eingedrückten Celluloid dennoch ein häutiger Grat an der Kontur gebildet, lasse man das Celluloid ruhig einige Stunden auslüften, sodaß der Aether vollständig verdunstet, wodurch es seine normale Härte wieder erlangt. Der Grat wird dann abgeschmirgelt und die Rück seite eingeritzt. Ein wohlgelungener sauberer Negativeindruck, wie er durch Aetzung nicht erreicht wird, wird das Ergebnis sein (vergl. Bild 7). Für solchen Negativdruck kommen je doch nur lichte Einfassungen, Ornamente und sonstiger Zierat, bei welchen die Zeichnung aus feinen Linien besteht, in Betracht. Bei einem Ornament mit kräftigeren Flächen muß demnach beim Eindruck auf die feinen Linien Rücksicht genommen und die stärkeren Gebilde ausgeschnitten werden. Vor allem aber hat man zu berücksichtigen, daß man durch diesen Eindruck auch ein negatives Bild erhält, weshalb man also einen Negativeindruck von Schrift nicht erlangen kann, sondern nur gleichseitige Ein fassungen, Ornamente hierfür benutzt werden können. Bei zweiseitigem Eindruck (Vor- und Rückseite) hat man bezüglich des Ausschießens ebenfalls hierauf zu achten. Haben wir z. B. ein Ornament mit nach rechts neigender Blume, so wird sich dieselbe auf dem Celluloidabzug nach links neigen. Diese Ausführungen sollen mit der Negativätzung keines wegs konkurriren, sondern lediglich jedem Akzidenzsetzer ein Hilfsmittel zur Ausschmückung besserer Akzidenzen bieten. Die Entwicklung der Schrift Am 15. Oktober begann Dr. Gustav Kühl seine in Nr. 81 Seite 2895 angekündigte Vortragsreihe im Königl. Kunst gewerbemuseum zu Berlin. Wir werden über die lehrreichen Ausführungen im Auszuge regelmäßig berichten. I. Vortrag Wenn durch irgend ein Naturereignis die Sprache plötzlich Von unserm Planeten verschwände, so würde in den Kultur ländern kaum ein unerträglicher Mangel eintreten, denn die Schrift hat einen guten Teil der notwendigen oder für not wendig gehaltenen täglichen Mitteilungen an einzelne Menschen und an größere Mengen übernommen. Abgesehen von der. Arbeit der Druckpressen und Schreibmaschinen, die in ihrem Umfang gar nicht abzuschätzen ist, tritt die Schrift im 20. Jahrhundert auch an vielen anderen Stellen auf. In großen Städten mit Straßenbahnnetz sind die farbigen Laternen der elektrischen Straßenbahnwagen ebensowohl Schrift wie die Riesenhand aus Blech, welche das Geschäft eines Handschuh händlers, das Becken, welches einen Barbier anzeigt. Schrift ist die Verwendung von Zeichen, deren Bedeutung durch Ver abredung- feststeht. Diese Zeichen sind ein Haupthilfsmittel und fast unentbehrlich für den großen Verkehr, während die Sprache verhältnismäßig leicht zu missen wäre. Die ersten Anfänge der Malerei, die überall Vorläuferin dei Schrift war, verlieren sich bei dem Menschen der Steinzeit, der es schon verstand, das Bild seiner Jagdbeute in einen flächen Knochen einzugraben. Es ist unentschieden, ob die aufge fundenen Kunstübungen des Renntierjägers bloße bildliche Darstellungen ohne anderen Zweck sind, oder ob man in ihnen vielleicht einen Bericht des Jägers oder ein Lob seiner Tüchtig keit anzunehmen hat. Die nordamerikanischen Indianer hatten noch in geschicht licher Zeit eine Bilderschrift, die mit großer Umständlichkeit und bedeutendem Aufwand von bildlichen. Darstellungen nur sehr einfache Mitteilungen zu übertragen vermochte. Die Aegypter haben ähnlich begonnen. Ihre Hieroglyfen sind eine Bilderschrift, und auch die ägyptischen Steinreliefs lassen deutlich erkennen, daß ihre Darstellungen zugleich wie eine große Bilderschrift aufzufassen sind, selbst wenn die wirkliche Schrift daneben steht. Die Bilder wurden allmälig einfacher, bis sich die Hieroglyfen herausgebildet hatten, deren Zeichen noch sämtlich kleine Bilder sind, aber neben der eigentlichen Bedeutung meist noch andere durch Gewohnheit und Verabredung festgelegte Bedeutung besitzen. Die Um wandlung der Bilder in Schriftzeichen geschah meist in der Art, daß man das Bild vereinfachte oder einen Teil des Gegen standes den ganzen Begriff ausdrücken ließ. Schließlich be gann man durch das Bild eines Tieres nur den ersten Laut von dessen Namen zu bezeichnen, z. B. wurde der Buchstabe 1 durch das Bild einer Löwin dargestellt. Auf diesem Wege fortschreitend hätte man zur Buchstabenschrift gelangen können. Allein zu einer durchgängigen Vereinfachung der Schrift scheint in der konservativen und zopfigen Nation kein Be dürfnis gewesen zu sein. Wohl aber bildeten sich in den Papyrushandschriften aus den Hieroglyfen schriftmäßigere Züge, die sogenannte hieratische Schrift, aus der durch eine weitere Abschleifung die demotische Schrift geworden ist. Doch blieben daneben die Hieroglyfen bis ins II. Jahrhundert v. Ohr. in Gebrauch. Eine ähnliche Entwicklung zeigt merkwürdigerweise die Bilderschrift der Chinesen. Die uralte Kultur dieses Volkes würde weit mehr schriftliche Altertümer aufweisen, wenn nicht der Kaiser Tsin-ki-ho-ang-ti etwa 300 Jahre vor Christo alle Schriften und Bücher hätte zerstören lassen. Indessen wurde dies Vernichtungswerk nicht so gründlich besorgt, daß nicht einzelne ältere Schriften hätten bis auf unsere Tage erhalten werden können. Um die Formen der chinesischen Schrift zu verstehen, muß man berücksichtigen, daß man im Altertum in China mit dem Rohr schrieb, während später der Pinsel hierfür benutzt wurde. Aus der Eigentümlichkeit dieses Schreibgeräts erklären sich die oft wiederkehrenden viereckähnlichen Formen ' der chinesischen Schrift, die von oben nach unten geschrieben wird. Die aus der chinesischen entstandene japanische Schrift trägt dagegen deutlich das Gepräge der Gebrauchsschrift: ihre Formen ent behren der strengen Sorgfalt, die an der chinesischen Schrift angenehm auffällt. Die chinesische Schrift ist eine Wortschrift, und da die mongolischen Sprachen nicht flektiren, genügt sie im allgemeinen zur Aufzeichnung der Sprache. Eine große Schwierigkeit bietet'jedoch die Aufzeichnung abstrakter Be griffe. Sie wurde durch Zuhilfenahme sogenannter Schlüssel ermöglicht, das sind Zeichen, die zu dem Schriftzeichen gesetzt, dieses näher bestimmen. Die nächste Stufe in der Geschichte der Schrift bildet die Keilschrift der Assyrer. Sie ist eine Silbenschrift. Ihre durch den Namen gekennzeichneten eigentümlichen Formen sind dadurch entstanden, daß die Assyrer sich zur Aufnahme der Schrift der Tontafeln bedienten, in welche die Zeichen mit einem kleinen stabförmigen Gerät eingedrückt wurden. LangeZeit war die Keilschrift den Gelehrten unverständlich, bis es 1802 dem Hannoveraner Grotefend gelang, die persische Keilschrift zu entziffern. Auf seinen scharfsinnigen Untersuchungen fußt all unsere Kenntnis von babylonischer Sprache und Geschichte. Ein Schritt führt von der Silbenschrift zur Buchstaben-