Volltext Seite (XML)
hätten. Er habe sich mäuschenstill verhalten in dem Bewußtsein, daß auch auf seinem Kerbholz manche Sünde dieser Art verzeichnet sei, aber er habe einen finstern Schwur gethan, den nur Gott gehört, daß seiner künftigen Rede Ziel nie wieder dieses Thema sein sollte. Nun gehe es ihm freilich nahe, daß er den Schwur gethan, denn wenn man wie er sein Leben lang viel mit dem Buchhandel und auch Einiges mit der Wissenschaft zu thun gehabt hätte, so habe man so Manches aus dem Herzen und im Gedankenkasten, das nian gern los sein möchte. So könnte man ja das Gefühl des Dankes nicht oft genug ausdrücken, welches die Wissenschaft dem Buchhandel schulde, denn was wäre die Wissenschaft ohne einen großdenkenden Buchhandel? Viele Gelehrte wären nicht bekannt geworden ohne große Opfer ihrer Verleger, ja von manchem Professor könne man gewiß sagen, daß er nur auf Kosten seines Verlegers Professor ge worden wäre. Also sei gewiß Grund zum Danke vorhanden. Doch gäbe es auch einen Gegensatz zur Stärkung des wissenschaft lichen Selbstgefühls. Wenn man die lange Reihe der stolzen Firmen anschaue, die ihre Lebensdauer nach fünfzig, fünfundsiebzig, hundertsünfzig Jahren zählten, so seien es gewiß meist solche, welche sich nicht gescheut hätten, auch einmal einen Posten auf das Verlustkonto zu Ehren der Wissenschaft zu schreiben. Die Fühlung mit der letzteren sei also doch Wohl nicht so undankbar, sie müsse doch wohl eine Wünschelruthe sein, die den Schatz, wenn auch lang sam, aber sicher höbe. „Alles dies, meine Herren, hätte ich Ihnen sagen können, und darf cs doch nicht sagen." Deshalb müsse er andere Anknüpfungspunkte suchen und wo könne er die besser finden, als nach der nationalen Seite hin, bei dem Reiche, dessen heute schon so warm gedacht worden sei, dessen Kaiser heute den Urenkel, die vierte lebende Generation seines Stammes, begrüßt habe. In den zehn Jahren seit Bestehen des neuen Reichs, wo sich der deutsche Name überall Ehre und Achtung errungen habe, sei auch der Buch handel nicht schlecht gefahren; nach allen Orten, bis in die fernsten Winkel der bewohnten Erde breite er sich aus, der deutsche Buch handel werde ein Welthandel und er würde dies Ziel um so sicherer erreichen, wenn erst nach allen Seiten durch Verträge das geistige Eigenthumsrecht gesichert sei. Mit diesem höheren Gedeihen aber seien ihm doch auch höhere Ausgaben gestellt, die früher weniger beachtet worden seien, weil der Stand weniger geachtet war. Man habe Manches einreißen lassen, was nun Abhilfe erfordere, der Grundsatz „bioblesss obliZo" müsse strenger an gewendet werden. Die Literatur, auch die Zeitungspresse, sei der Ausdruck eines Volkes und er frage die Versammlung, ob er mit der Behauptung Unrecht habe, daß, von unfern Witzblättern an gefangen, in unseren nach Zehntausenden von Abonnenten zählen den Wochenblättern, in unserer Massenliteratur vieles nicht gut sei. Es haben sich Elemente eingedrängt, die nicht hinein gehören. Und müsse man denn das als nothwendiges Uebel ansehen, lasse sich da gar nichts ändern? Eine große Nation müsse das ändern, denn nicht etwa nur der Buchhandel sei an solchen Zuständen schuld — wenn er das glaube, würde er sich seinen Vertretern gegenüber nicht eine solche Sprache erlauben — wir Alle trügen die Schuld, wir könnten aber auch Alle dem Uebel steuern. Dieser glänzenden Versammlung von Gelehrten und Schriftstellern, von Verlegern und Sortimentern, die ja alle auch Leser seien, lege er die Pflicht ans Herz, auszurotten, wo es nöthig sei. Auf das er höhte Gedeihen, aus einen erhöhten Aufschwung des Buchhandels im Rahmen des Reichs, auf eine größere und edlere Auffassung seiner erhöhten Aufgaben leere er sein Glas. (Lang andauernder Beifall.) Herr P. Parey forderte in warmen, herzlichen Worten die Festtheilnehmer zu der üblichen Sammlung für Diejenigen aus, welche nicht an der Tafel des Lebens säßen, für die Armen und Elenden unter unseren Berufsgenossen, und brachte einen Trinkspruch aus auf die Herren, welche in aufopfernder Thätigkeit ihre Kräfte diesem edlen Zwecke widmeten, welchen gewöhnlich nur in der Berliner Hauptversammlung der Dank der Anwesenden votirt werde, während sie doch gerechten Anspruch auf die An erkennung des gesammten Buchhandels hätten: auf die Mitglieder des Vorstands des Berliner Unterstützungsvereins. (Die noch während der Tafel geschehene Zählung der Sammlung ergab das schöne Resultat von 1128 Mark.) Herr Hosrath Rudolf von Gottschall gab seiner Be friedigung darüber Ausdruck, daß in der langen Reihe von Jahren, in welcher er diesen Festlichkeiten habe beiwohnen dürfen, zum ersten Mal auch der deutschen Schriftsteller gedacht worden sei, welche nicht zugleich Universitätsprofessoren seien. Alle unsere elastischen Autoren aber — wenn man von der kurzen Jenaer Zeit Schillcr's absehe — Goethe, Herder, Lessing, Wieland, Jean Paul seien nicht Universitätsprofessoren gewesen. Die heutige Berücksichtigung verdanke die Schriftstellerwelt wohl dem Umstande, daß sie sich erst neuerdings zu einer Corporation zusammcnge- schlossen habe. Jedenfalls sei sie erfreulich und er wolle nicht unterlassen dafür zu danken. Dem Buchhandel wünsche er einen neuen srischen Aufschwung, welcher besonders gefördert werden könne, wenn Jeder aus die Anlegung von Privatbibliotheken hinwirke. Dem Bunde zwischen Literatur und Buchhandel gelte sein Hoch. Herr Professor Wenck erfreute die Versammlung wieder durch einen seiner launigen Toaste in Versen, in welchen er zunächst das älteste, größte, räthselhasteste Buch, das Buch des Schicksals feierte und in geistvoller Wendung zu einem Hoch auf die Frauen und zu dem Schlüsse kam: „Wir erheben das Glas, die Frau'n zu begrüßen, Am Buche des Schicksals die Hanptredactricen". Leider kann diesmal wegen beharrlicher Verweigerung des Manu skriptes der Wortlaut des Trinkspruchs nicht mitgetheilt werden. Herr Kröner dankte für das freundliche Zutrauen, welchem Herr Oberbürgermeister Georg, Ausdruck gegeben habe, und freute sich, die Zusicherung geben zu können, daß die Ge sinnungen des neuen Vorstandes gegen Leipzig genau dieselben seien, wie die des vorigen. Wie könne das auch anders sein, sei doch von jeher Leipzig für jeden Buchhändler eine Art von Mutter gewesen, an die er täglich, Morgens und Abends denken müsse. Sie schmolle wohl auch einmal, wenn die Söhne Miene machten, zu revolutioniren, ihre Strafen aber seien im Allgemeinen gelinde, sie beständen ja gewöhnlich nur in Geldstrafen und die alte Liebe stelle sich gleich wieder ein. Er bitte, zu trinken auf die Mutter des Buchhandels, aus die Stadt Leipzig. Zum Schlüsse wies noch Herr Lampart darauf hin, daß die Lücke, welche durch den ja so allgemein betrauerten Abgang des ver ehrten frühen, Vorstehers entstanden, doch durch unsere vortreffliche Organisation auch in der Zeit des Interregnums so gut ausgesüllt worden, als dies überhaupt möglich sei. Um so mehr sei es Pflicht, auch des Mannes zu gedenken, der diese schwierige Stellvertretung in so vorzüglicher Weise geübt, der noch am heutigen Morgen mit so großem Geschick die durchaus nicht leichte Ausgabe der Leitung der Hauptversammlung gelöst habe. Er bitte, anzustoßen auf das Wohl des Herrn Stadtraths Franz Wagner. Damit endete die Reihe der Trinksprüche, noch lange aber blieben die Gäste zusammen, um sich erst spät zu weiteren Thaten zu trennen. Zur Erhöhung der Stimmung trugen die beiden vor trefflichen Tafellieder wesentlich bei, als deren Dichter sich wieder Herr Martin Wigand zu erkennen geben mußte, als die Ver sammlung durch stürmischen Beifall ihn herausries. Auch in