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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 28.12.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190112284
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19011228
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19011228
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-12
- Tag 1901-12-28
-
Monat
1901-12
-
Jahr
1901
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 28.12.1901
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nehmen NothfiandSarbeiten m Angriff, um die Arbeits losen zu beschäftigen. Ist einstweilen vorwiegenden der Maschinenbranche, im Baugewerbe und im west- sälischen Steinkohlenbergbau ein Arbeitsmangel vor handen, so muß mit der wachsenden Arbeitslosigkeit, der Beschränkung der Arbeitszeit, der Verkürzung der Löhne die Kaufkraft der breiten Schichten auch für Konsumartikel zurückgeheo, im Einkommen des Hand werkers, im Umsatz des KausmanneS allmählich ein Rückgang eintreten. Sanguinische Gemüther erblicken in dem niedrigen Zinsfuß auf dem Kapitalmarkt, in der stark hervor tretenden Neigung zur Emission ausländischer Renten papiere die Anfänge wiederkehrenden Vertrauens, neu erwachender Unternehmungslust. Wer tiefer blickt, sieht darin gerade den Ausdruck des tiefgewur- zelten Mißtrauens in die wirthschastliche Lage Deutsch lands. Die industrielle Unternehmungslust ist trotz der billigen Materialpreise, trotz der gesunkenen Löhne nahezu gleich Null; sie kann sich nicht heben, so lange die Unsicherheit über die künftigen Handels-Verträge besteht. ZW WMmM bei MM» werden noch immer neue und erschütternde Einzel heiten gemeldet. Der Berichterstatter der Magd. Ztg. giebt folgende Schilderung der Unglücksstätte: „Als ich Sonnabend früh die Unfallstätte besuchte, logen, soweit man übersehen konnte, noch sieben Todte unter den Trümmern. Einige sahen aus, als wären sie ruhig eingeschlasen, andere waren schwarz gesengt, ver brannt, verkohlt. Unter den Rädern der gewaltigen Schiebemaschine lagen zwei Frauen, eine hielt ein Kind in den Armen, die andere ein Arbeitszeug; sie waren von den zerschmetterten Holztheilen des Wagens ge quetscht und getödtet worden. Ich vermuthe, daß es die Frau und die Schwägerin eines Herrn aus Berlin waren, der am Abend desselben Tages auf dem Bahn- Hof Altenbeken nach ihnen suchte. Dort traf ich auch den aus Dresden herbeigeeilten Vater des Schwer verletzten stud. jur. Gerhard aus Dcesden-Altstadt, der auf der Ferienreise von Bonn nach Hause begriffen war, als ihn das Unglück ereilte. Mehrere Angehörige der Verletzten und Todten bestürmten die von der UnfallstelleHeimkehrenden mit Fragen ».Erkundigungen. Der stud. jur. Hempel-Leipzig lag länger denn sechs Stunden unter den Trümmern des Wagens 3. Klaffe; er bat wiederholt um Befreiung aus seiner Lage. Als man ihn endlich srei hatte, stellte es sich heraus, daß er nur einen Bruch des Unterkiefers erlitten hatte. Seine Beine waren abgestorben und er wurde elektri- sirt, um dem Unterkörper wieder Bewegung zu schaffen. Fünf Schüler der Reißmannschen Realschule in Pader- born, die zu ven Weihnachtstagen ihre Eltern besuchen wollten, hatten in dem Wagen 3. Klasse ihren Platz. Bier Knaben waren in den Durchgängen des Zuges weiter nach vorn gegangen, während der fünfte, der Schüler Schrermeyer, im Coupe einigen Herren sein vorzüglich ausgefallenes Zeugnißbuch zeigte. Er gehört jetzt zu den Todten. Ein Bonner Student, der am Abend schwer verletzt in das Krankenhaus geschafft wurde, ließ an seine ihn in Berlin erwartende Braut und deren Eltern tclegraphiren, daß er verletzt sei und in Paderborn liege, aber mit dem Leben davongekom men sei. Eine Stunde später trug man den Studenten in die Todtenhalle. Am Freitag Mittag war das Unglück geschehen. Die Aufräumungsarbeiten wurden sofort energisch betrieben; gegen 3 Uhr Nachmittags wurde ein Wagenabtheil frei gemacht, aus dessen Fenster dann sofort ein Student stieg, der unverletzt geblieben war und wie ein Kind jubelte, daß er so gut davon gekommen sei und nun bei seinen Eltern das Weih- nachtsfest feiern könne. Einen schauerlichen Eindruck machte die Unsallstätte in der Nacht, wenn die Ar- beiten bei dem Schein der Pechfackeln gefördert wur- den. Sechs der gewaltigen V-Zugmaschinen standen hier beisammen. Drei zertrümmerte, aufgethürmte, die gleich Kinderspielzeug fortgeschleudert waren bei dem Anprall, und drei mit dampfenden Schloten, die zu den Aufräumungsarbeiten Verwendung fanden. Hoch ragten die zusammengeschobenen und aufgethürmten Maschinen zwischen den Bäumen des Waldes auf, und die Feuer und bunten Scheiben der mit Signallaternen erleuchteten Maschinen warfen ihren Schein auf die schneebedeckte schroffe Felswand. Hart an diese Wand lehnen die Trümmer der Maschinen des V.ZugeS, die sichIaufßdem Wagenunterbau des 3. Klaffewagens auffchoben, als ob fie zur Beförderung auf einer Lowry ständen. Daß die 29 Personen, die zur Zeit des Un falles in dem Wagen saßen, nicht sämmtlich getödtet wurden, ist unbegreiflich. Die meisten Setödteten und Verletzten sahen m dem Augenblick, als der Unfall er- folgte, aus den Fenstern des Wagens, da das Zug- personal damit beschäftigt war, das von der Maschine zermalmte Pferd unter den Aufräumern der Lokomo- tive fortzuschaffen. In diesem Augenblick geschah dar Entsetzliche.- — Der Berichterstatter der Kreuz-Ztg. schreibt: „Ich stand längere Zeit vor dem zertrümmer- ten V-Zug-Wagen und konnte gleich vielen Anderen keine Erklärung finden, wie eS überhaupt möglich war, daß auch nur ein einziger Passagier dem Tode ent gangen war. Bier, allerdings schwer Verwundete, waren gerettet worden. Thüren und Theile der Sei tenwände mit den Aschenbechern, den Klosets, zertrüm merte Fenster usw. hingen an der Vorderseite der Druckmaschine, eine Schiebthür des V-Zuges war bis auf den Schornstein der Druckmaschine gedrückt und eingekeilt worden. Auf dem Fußboden des V-Zug- Wagens stand die Druckmaschine des V-Zuges, unter ihr zertrümmerte, verkohlte Theile des v-Zug-WagenS, wie Sitze, Seitentheile der Wandbekleiduug, verstüm melte Leichen, die furchtbar verbrannt waren, dann zerbrochene starke Eisenstücke usw. An der Westseite der Lokomotive lag das Rumpsstück eines Mannes, an der Rückseite bis aus die Knochen des Rückgrates verkohlt. Daneben lag ein Arm mit szusammenge- krampften Fingern, halb verbrannt, dann angebrannte Koffer, Reifetäschchen von Damen, blutgetränkte Ueber- zieher, Hüte, Reisedecken und sonstige Reiseutensilien, hier vorn, an der Vorderseite der Druckmaschine war die Leiche eines etwa 10 Jahre alten Knaben zu sehen, der aus einem Paderborner Pensionat stammen soll und zu seinen Eltern reisen wollte. Einen entsetzlichen Anblick boten die in sitzender Stellung auf dem Boden unter der Druckmaschine ruhenden Leichen zweier Damen, denen der Unterkörper bis zum Korset völlig abgebrannt und deren Taille halb verkohlt war. Die Korsetstäbe stehen aus den verkohlten Kleidern zum Theil hervor; die Gesichter beider Damen sind er halten, ebenso der Haarschmuck der einen. Weiter hin lag ein Arm mit zusammengekrampften Fingern; an der Hand blinkte ein Trauring. Daneben lag ein über und über mit dickem, schwarzen Blut getränkter, fast davon angefüllter Gummischuh, dann eine Damenhand, der der Oberarm abgetrennt bezw. verkohlt war. Weiter an der Nordseite des Trüm merhaufens bemerkte man eine verkohlte Masse, die als das Rückgrat eines Mannes festgestellt wurde. Vorn an der Lokomotive lag zwischen den Trümmern die Leiche eines Knaben, der aus einem Pader- borner Pensionat die Reise zu seinen Eltern an treten wollte. Hinter den Leichen der Damen lag der Obertheil des Körpers eines Mannes, den die Loko motive in der That halbirt hatte. Der Rumpf war ganz verbrannt. Alle vereinzelt aufgefundenen Leichen- thcile sind gemeinsam in eine Kiste verpackt und nach Paderborn überführt worden. Die als todt gemeldeten Damen Frau Fritsch und Frau Dr. Müller sind Schwestern. Dieselben waren nach Hagen zu dem Begräbniß eines Ber- wandten gefah>en. Anfangs hatte Flau Dr. Müller wegen der nahen Weihnachtsfeiertage durchaus nichi nach Hagen fahren wollen, ließ sich aber schließlich doch von ihrer Schwester, Frau Dr. Fritsch, überreden und unternahm die Reise, von der sie nicht mehr lebend zu ihrer Familie zurückkehren sollte. Eine dritte Schwester der Todten, eine in Baden-Baden lebende ledige Dame, sollte gleichfalls die Reise nach Hagen unternehmen und dann von dort mit ihren Schwestern gemeinsam nach Berlin reisen, um hier die Weihnachtsfeiertage zu verbringen. Ein Zufall hielt sie jedoch glücklicherweise von der Fahrt nach Hagen ab. — Der gleichfalls getödtete Kaufmann Ernst Pithan war Mitinhaber der Agentur-Firma Büsche L Pithan, Berlin, Dresdenerstraße 88/89 und hinterläßt eine Frau und zwei Kinder. Pithan war auf der Rückkehr von einer Geschäftsreise begriff n. Seine Frau, die nach der Meldung von dem Unglück nach Altenbeken gefahren war, erhielt dort die Mittheilang von dem entsetzlichen Tode ihres Mannes. Die Leiche des Gatten, die furchtbar ent stellt ist, wurde jedoch der unglücklichen Frau nicht gezeigt. Sächsisches. HoheusteiurGrustthal, 27. Dezember 1901. «ttthtUvagm vo« allgemeinem Jnterehe werd« dankbar «t» gegengeuommen und eventl. honorirt. — Hohe«fter«-Er»ftthal, 27. De,. Wäh rend der beiden Weihnachtsfeiertage herrschte außergewöhn lich müdes, sonniger Wetter, ein Umstand, der Viele veranlaßte, die Umgebung aufzusuchen und der frischen Luft sich zu erstellen. An den meisten Stellen der wei- teren Umgebung war allerdings in Folge des durchnäßten Erdreiches auf dm Fußwegen das Fortkommen sehr er schwert. Sämmtliche Vergnügungs-Etablissements waren an beiden Feiertagen überfüllt. Eine Hauptrolle unter den zahlreichen Veranstaltungen, die besonders der erste Feiertag mit sich brachte, spielen nach wie vor die Fa- milienabende oder Abend-Unterhaltungen der Turn vereine. Die „Turnerschaft- hatte nach dem Altstädter Schützenhause eingeladen, und zur Freude der Unter- nehmer wohnte ein durchweg ausverkauftes Haus der Aufführung bei. Wir müssen uns natürlich versagen, jede einzelne Nummer des gewählten Programms ins rechte Licht zu rücken, es mag aber das Urtheil aller Besucher hier Erwähnung finden. Die Veranstaltung war eine nach jeder Richtung hin gelungene. Vor allem hinterließ der „Traum der Christnacht" mit seinem Gno men- und Engel-Reigen eine tiefe Wirkung auf die Zu schauer. Gebührend gewürdigt durch endlosen Beifall wurden nicht minder die Leistungen der wackeren kleinen Parterregymnastiker (Gebrüder Sonntag), Kurzum, es waren einige Stunden gediegener Unterhaltung, die Scherz und Ernst harmonisch paarten und Alles aufs Beste an sprechen ließen. Der „Turnverein Altstadt" hatte sich auf zwei Aufführungen vorbereitet, die auch im „Logenhause" und in der „Hüttenmühle" vor sich gingen und denen gleiche Spielordnung zu Grunde lagen. Besonders im „Logenhause" vermochten die vorhandenen Räum lichkeiten die herbeiströmenden Zuschauermengen kaum zu fassen. Das Programm wurde hier wie dort glatt abgewickelt, sonst sei betont, daß dasselbe im „Logen haufe außer diversen Couplets und Gesangsvorträgen turnerische Darbietungen, ein Gesammtspiel und zwei Einakter enthielt. — Im „Neustädter Schützenhause" endlich trat in gewohnter Weise der Neustädter Turn verein in die Oeffentlichkeit. Die diesmalige Zu sammenstellung, sowie die Ausführung des Programms zeigte, daß auch hier die Mitwirkenden ihre Aufgaben nicht schablonenmäßig, sondern mit feinem Verständniß unter Hervorhebung der künstlerischen Momente zu allseitiger Zufriedenheit lösten. Die turnerischen Nummern wurden exact ausgeführt, die Gesangs vorträge mit großem Beifall ausgenommen, Marmor gruppen und Gesammtspiele tadellos wiedergegebeu, alles bewies sorgfältige Vorbereitung, sodaß der Er folg nicht ausbleiben konnte. -- Auch die Familien- Äbende der Turnvereine zu Oberlungwitz und Gersdorf rsreuten sich eines stattlichen Besuche?, und wenn wir dann noch bemerken, daß auch die Theater-Borstellung des Schmidr'schen Ensembles im Hotel „Drei Schwa nen" den Beifall eines gutbesetzten Hauses fand, dann haben wir wohl der hervortretendsten Momente im geselligen Festtagsleben Erwähnung gethan. — Weihnachtsfeier in älterer Zeit. In einem Bortrage, welchen vor einiger Zeit Hr. Geh. Kirchenrath Prof. 1). Rietschel in der Deutschen Gesell schaft zu Leipzig hielt, wurde der Nachweis erbracht, oaß die Füer des Geburtsfestes unseres Heilandes durchaus nicht von Anfang an in der christlichen Kirche üblich gewesen ist. Seit dem Ende des dritten Jahr hunderts unserer Zeitrechnung hat man als ein drittes Fest neben Ostern und Pfingsten am 6. Januar das Fest der Erscheinung oder der Offenbarwerdung der Herrlichkeit des Herrn gefeiert; mau wählte vielleicht diesen Tag deshalb, weil man nach älteren Anschau ungen den Geburtstag nicht als einen Fceudentag anzunehmen pflegte, dagegen Papst Julius I. den 6. Januar als Tauftag Christi bezeichnet halte. Vom Jahre 354 ab soll in Rom der 25. Dezember als Geburtstag Christi zum ersten Male gefeiert worden sein; erst von diesem Zeitpunkt hat das Fest langsam Einführung bei allen Kulturvölkern gefunden. In Konstantinopel wurde es im Jahre 379, in Kappa- docien im Jahre 382 zuerst am 25. Dezember ge- feiert, dagegen in Aegypten erst seit 432. Ganz be sonders spät, nämlich erst seit dem Jahre 634, nahm man für die Weihnachtsfeier den bezeichneten Tag in Palästina in Anspruch, wahrscheinlich weil man am 25. Dezember daselbst bisher das Gedächtniß an die Familienangehörigen Jesu, an David und Jacobus gefeiert hatte. In Armenien verhielt man sich ab lehnend und noch heute wird von der armenischen Kirche das Fest der Geburt des Heilande» am EpiphauiaStag begangen. — Oberlungwitz. Wie zu erwarten war, erfreute sich auch dieses Jahr der Turnverein „Germania- am 1. WeihnachtSseiertage bei seiuer Abendunterhaltung im „Casino- eines überaus zahl reichen Besuches und läßt sich aus der dankbaren Aufmerksamkeit der Zuhörer mit Recht auf eine all- seitige Befriedigung schließen. Den Gesängen sowohl, als auch den turnerischen Darbietungen, besonders den wohlgelungenen Gruppenbildern, wurde das größte Interesse entgegengebracht. Der kleine Schwank „Frauenlist-, welcher in recht natürlicher, flotter Spiel- weise zur Ausführung gebracht wurde, kam voll und ganz zur Geltung. Die humoristischen Vorträge, be sonders die Ensemble-Szene „August kommt-, verfehlten ihre Wirkung erst recht nicht und wurden die Lach- muSkeln der Zuhörer oft ununterbrochen gereizt. Dem Vernehmen nach plant der Verein noch eine 2. Auf führung am Neujahrstage im Gasthofe zum „Lamm". Sollte dieselbe noch zur Aufführung kommen, so kann der Besuch derselben nur empfohlen werden. — Kuhfchnappel, 24. Dez. Wie schon an gekündigt, ist in diesen Weihnachtstagen in unserem Orte das bekannte Lößnitzer „Christspiel" des Herrn Oberpfarrer Steiniger zur Aufführung gelangt. Herr Lehrer Pjau hatte sich der Mühe der Einstudirung unterzogen. Es kann konstatirt werden, daß die Auf führung in vorzüglicher Weise gelungen ist und die zahlreichen Zuhörer, die den Lahl'schen Saal füllten, in gespanntester Aufmerksamkeit den tiefinnigen Ge sängen folgten. Dem Herrn Lehrer Pfau sei auch hierdurch Vester Dank für seine Mühewaltung aus gesprochen. — Lichtenstein, 23. Dez. Unter dem Ver dachte des Meineides ist am vorigen Sonnabend der Tiefbauunternehmer Edwin Hiller hier gefänglich ein gezogen worden. Derselbe hat vor einiger Zeit vor dem hiesigen Amtsgerichte den Offenbarungseid geleistet und soll dabei eine größere Forderung verschwiegen haben. — Chemnitz. Am Sonntag fand in Wendler's Ballsaal die Auszahlung der Preise vom Riesen-Skat- Turnier statt. Die beiden ersten Gewinner waren auch anwesend und erhielten ihre 1200 bez. 600 Mk. Fortuna scheint die Gaben diesmal gerecht vertheilt zu haben, denn beide Gewinner leben in einfachen Ver hältnissen. Um 7 Uhr war die Auszahlung und damit das Turnier überhaupt zu Ende. Zum Schluß sei noch erwähnt, daß der Verein am Sonnabend 400 Mk. an Herrn Stadtrath Hösel für die Ferien kolonie abgeliefert hat. — Chemnitz, 23. Dezbr. (Gerichtssitzung der Strafkammer I.) Der zu Nußdorf geborene, noch unbestrafte Gutsbesitzer Friedrich Wilhelm Franke in GöhrSdorf war angeklagt, am 28. Oktober 1901 den Tod des 2 ^jährigen Knaben N. durch Fahrlässigkeit verursacht zu haben, sofern er einen in seinem von zwei Seiten frei zugängigen Gutshofe befindlichen, aus einem in die Erde eingelassenen und nach der vorüber- führenden Chaussee zu nur etwa 2 0 Ctm. über den Erdboden hervorragenden Bottich bestehenden Wasser behälter mit einem Wasserstande von etwa 1 Meter »nverdeckt ließ, dadurch aber verschuldete, daß der Kleine in den Behälter fiel und darin ertrank. Wegen fahrlässiger Tödtung eines Menschen erkannte der Gerichtshof gegen Frank« aus 2 Wochen Gefängniß. — Glauchau. Herr Bezirksasieffor Dr. Schmidt bei der hiesigen Kgl. Amtshauptmannschaft wird ab 1. Februar 1902 in gleicher Eigenschaft zur König!. Amtshauptmannschaft Oschatz versetzt. — In der diesjährigen letzten Bezirksausschuß- sttzung am 21. d. M. wurden bedingungsweise ge nehmigt: die OrtSstatute über Errichtung von Frei bänken in Callenberg, Wernsdorf, Hohndorf, Müssen St. Niclas, Langenberg mit Falken und Meinsdorf, Niederlungwitz mit Lobsdorf, Gesuch des Bauunter nehmers Erns« Robert F iedrich in Gersdorf um Genehmigung zur Errichtung einer Schlächterei in Gersdorf, das Dispensationkgesuch in Dismembrations sachen Gustav Friedrichs in Oberlungwitz, die Schank erlaubnißgesuche Bechlers in Mülsen St. Niclas und Neubauers in Rüsdorf, sowie ein Gesuch deS Gast wirths Nötzold in Bernsdorf um Erlaubniß zur Ver anstaltung von Personen- und Mai ionettentheater- vorstellungen. Abzelehnt wurden dagegen ein Gesuch der Gemeinde Gersdorf um Genehmigung des mr- „Ludowika." Original-Roman von A. v. GerSdors 82. Korts. Nachdruck verboten. Es war also gegen 8 Uhr abends. Aus den Fenstern der gegenüberliegenden Häuser sah man von HoldewachtS aus schon lange Lichterglanz schimmern, den festlich heitern und doch so hold geheimnißvollen Baum, unter dem heute überall das göttliche Wort verkündet wurde: „Denn Euch ist heute der Heiland geboren!" Matthäus und seine Tochter waren nicht zu Hause, sondern da sie sehr kinderlieb waren, feierten sie stets ihren Weihnachtsabend in einer der kinderreichen Familien ihrer Bekanntschaft. Bon den vornehmen Herrschaften, die bei ihnen logirten, waren sie auch weiter nicht aufgefordert worden, ihren Weih nachtsabend zu theilen. Frau Holdewacht nur, nach dem Sprichwort „Noblesse adlige", hatte ihrem ehemaligen alten Diener und seiner Tochter einige nicht billige und nicht nöthige Kleinigkeiten geschenkt. Die Spielkatz hatte zu L dowika gesagt, daß sie wohl ein Geschenk für sie habe, .s aber nicht nage, ihr dieses zu geben, da wohl die Frau Mama es nie erlauben würde, daß sie ein Kleid, das schon jemand getragen, auf den Leib zöge, aber das sei wirklich ein fast neues, von einer jungen Gräfin, und fast ganz dieselbe Größe wie Fräulein Ludowika, sehr einfach, dunkelblaues Tuch mit Krimmer. Ludowika, deren Garderobe dringend einer Auffrischung bedurfte, hatte das Kleid entzückend gefunden, aber auch gemeint, daß ihre Mama das allzutief schmerzen würde, wenn sie solch' ein Geschenk von Frau Spielkatz annähme, und ^o war's unterblieben. Bei HoldewachtS drinnen war das Christbäum chen noch nicht angezündet, nur die Lampe mit dem rosa Papierschirm brannte auf dem Tisch vor dem Sopha. Herr Holdewacht lehnte mit gefalteten Händen in seinem Stuhl. Trübe Gedanken schienen ihn zu er- rillen. Wie war's auch anders möglich. Wenn er diesen Weihnachtsabend mit den vorangegangenen ver glich und etwa des künftigen gedachte, er, der keine Zukunft mehr hatte und Weib und Kind vielleicht chon bald allein einer sehr ernsten Zukunft entgegen ziehen lassen mußte. Frau Holdewacht saß in dem anderen, bequemen Stuhl am Tisch und sah etwas erregt und ärgerlich aus, während sie ein zierliches Handschuh-Etui für ihre Tochter mit rosa Schleifen garnirte. Sie hatte tS billig gekauft, fand es aber doch jetzt gar lumpig und kaufte noch für dasselbe Geld rosa Band dazu. Garniren that sie'S dann selbst. Man mußte sich ja einfchräi ken und hatte keine Jungfer mehr sitzen, der man dergleichen Arbeiten getrost übertragen konnte. „Unter allen Umständen, Viktor, müssen diese späten Spaziergänge Ludowikas aufhören. Es ist und b.ech: höhst uiprss-nd, und wenn sie auch bei ihrem wenig provozirenden Aeußeren kaum Belästig ungen auf der Straße ausgesetzt ist, so ist es eben nicht Sitte in unseren Kreisen, und daS darf man nicht vergessen. Dieser Unsinn mit dem Arbeitsuchen für ein junges Mädchen hat weder Ziel noch Zweck, und ich gestatte das eigentlich nur, weil eS dem armen Kinde eine phantastische Beschäftigung ist und sie jetzt ja alle Freuden ihres AltcrS entbehren muß." „Nun jo, gewissermaßen hast Du ja Recht, meine Elli; aber sie nimmt doch ganz nettes Geld ein, und das ist doch immerhin ein lehr angenehmer Zuschuß für uns. Ueberhaupt, liebes H iz, willst Du mir nun einmal sagen, woher eigentlich Deine geheimniß- volle Geldquelle fließt, und ob sie nicht etwa Plötzlich einmal " Er unterbrach sich, denn draußen drehte sich der Schnepper im Schloß. „Da kommt sie!" riefen beide Eltern erleichtert. Ja, sie kam. Und wie sie hereintrat, war's, als ob der WeihnachtSengel selber mit strahlendem Antlitz hereinträte. Sah Ludowika, die Unscheinbare, Häßliche, nicht ordentlich schön aus! Wie sie dastand, das sonst so- farblose Gesicht frisch geröthtt, die schmalen Lippen von den sehr schönen Zähnen lächelnd gehoben, in den Augen einen wahren Himmelsglanz?! Die Mutter vergaß zu schellen und warf nur rasch ihr Taschentuch über die Weihnachts-Ueberraschung, an der sie arbeitete. „Ein Weihnachtsgeschenk für Euch, und für mich! Eine herrliche, köstliche Ueberraschung, für die ich Gott und — noch jemand anders nie genug danken kann," rief sie in leisem Jubel, ihre Mutter um armend. „Mein Gott, Wika! Ich ahne — Leuchtstetten hat Dir geschrieben — ist Dir begegnet?" „Aber Mama! Wie kannst Du nur an diesen Mann noch denken I Und wenn er daS gethan hätte, wenn er mir zehn Mal schriebe und mir begegnete, für mich kann niemals ein Glück mehr damit zu- sammenhänzen, und für Euch auch nicht. Denke doch nur an sein ehrloses Benehmen an jenem Abend, wo er sich fast mit m,r verlobte, zu Euch kommen wollte sich angemeldet hatte; und alles, was Ihr von ihm, hörtet, war jener Bries an Dich, jene eisige Absage auf Deine direkte Aufforderung, Mama! Und was ich von ihm erfuhr. — Nein, ich will nicht davon sprechen. Ich will nicht vor mir selbst roth werden, mich selbst verachten, wenn ich an seine Verachtung denke!" Noch nie hatte Ludowika sich so ausführlich, so heftig und leidenschaftlich über den Mann, den sie ge- liebt hatte, geäußert, wie es ihr heute an diesem heiligen Christabend, der ihr eine so große Freude ge bracht, wo das Glückempfinden, nach langer Dauer wie ein erlösender Regen auf heißes, trockneS Erd reich fallend, ihr ganzes Innere in Freudengesühl aufrührte. Herr Holdewacht sah seine Tochter scharf an und ihm war nicht mehr verborgen, waS seinem geliebten Kinde widerfahren war. Jammervoll fühlte er seine Ohnmacht, die Tochter zu schützen, zu rächen, den Elenden zu strafen und der Verachtung aller guten anständigen Gcftllschaft preis zu geben. Aber er schwieg, während sich seine alten Augen feuchteten, denn er wollte Frau und Kind nicht unnütz quälen und den peinvollcn Gegenstand zur Erörterung dieses Abends machen^ wo zum ersten Male wieder Jugendfreude und Hoffnung aus dem Antlitz seiner Wika strahlten. Frau HoldewachtS Neugier aber war so außer ordentlich erregt, um jetzt in Ludowika zu dringen mit Fragen darüber, da nach ihrer Ansicht nur ein Ereigniß ein junges Mädchen der guten Gesellschaft zu einem solchen Freudensturm berechtigte: nämlich eine Verlobung aus Liebe, die zugleich «ne gute Ber- sorgung war. Forts, f.
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