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Dem „Dretd. A»z." schreibt man aus Zwickau: Die sächsischen Klerikalen, die bekanntlich jüngst hier einen Katholikentag abhielten, konnten die wahre Natur ihrer konfessionellen Friedensliebe nicht besser offenbaren, als dadurch, daß sie einen der fanatischsten klerikalen Heißsporne, Herrn Nikola Racke aus Mainz, zum Hauptredner bestellten. Er legte nämlich (wir folgen der „Germania") der Versammlung ans Herz, alle diejenigen, welche gegen die katholische Kirche Schritte unternehmen, zu meiden, in deren Geschäften Einkäufe nicht zu besorgen u. s. w." — Also ganz wie die Polen in der Ostmark verhängt He-r Racke unter „kaum endenwollendem Applaus" des Katho likentages den Boykott über die sächsischen Protestanten, die nicht nach der Pfeife des UltramontanismuS tanzen! Vor allem der neu zu gründenden katholischen Tages zeitung soll dieser Boykott zu gute kommen. Denn in der vom sächsischen Katholikentage angenommenen Resolution heißt eS: „DaS ist heutzutage kein echt katholisches Haus, in welchem nicht eine katholische Zeitung gehalten wird . . . Deshalb findet der Plan, auch in unserem sächsischen Vaterlande eine katholische Tageszeitung zu gründen, unsere volle Zustimmung und thatkräftige Unterstützung." — Aus Anlaß der demonstrativen Katholikenversammlung hier hat Pfarrer Kreher, Vorsitzender des Evangelischen Bundes hier, eine öffentliche Zurückweisung der maßlosen Angriffe, die in dieser Versammlung gegen die Evangelischen erfolgt sind, ergehen lassen und sich dadurch den Dank und Beisall der hiesigen Protestatischen Gemeinde er worben. — Leipzig. Die Hausfrauen klagen oft mit Recht über Dienstbotenmangel, andererseits aber darf nicht vergessen werden, daß es viele Dienstherrschaften gievt, welche mit den Leuten nicht umzugehen verstehen und namentlich jungen Mädchen das Dienen gründ- lich zu verleiden wissen. Aufsehen erregt hier zur Zeit der Selbstmord eines 17 jährigen blühenden Mädchens, welches von ihrer Dienstherrschaft arg ausgescholten wurde wegen des Kaufs einer Flasche Bier für sich selbst. Die Frau schimpfte und zeterte darüber so lange, bis das bedauernswerthe Mädchen nach der Elster lief und sich ertränkte! — Wegen Mißhandlung ihres Dienstmädchens hat das Landge richt Leipzig gestern die Frau des Privatgelehrten Dr. Wille zu acht Monaten Gefängniß verurtheilt. Lie Angeklagte hatte ihr noch nicht 16 Jahre altes Dienstmädchen (aus Zeulenroda) beinahe täglich mit Ohrfeigen traktirt und mit einem Rohrstock gezüchtigt, ebenso mit einem dicken Spazierstock und einer Reit peitsche geschlagen, unter andern auch das Mädchen mit Enlziehun.j der Nahrung (bis zu drei Tagen) bestrast und dem Mädchen in zwei Fällen verboten, des Nachts im Bette zu schlafen. Als das Mädchen eines Fußleidens wegen Aufnahme im Krankenhause fand, war dasselbe durch die Behandlung vollständig entkräftet und wurden die Spuren der Mißhandlungen dort entdeckt. In ihre Heimath hatte das Mädchen nach dem Diktat der Frau Doktor günstige Berichte über ihr Dienstverhältniß schreiben müssen. — Altenburg, 12. Juni. „Von der Reise zurück" kehrte von Tetschen am Montag Nachmittag mit dem 6-Uhr-Zuge der Leihhausverwalter Lange, der vor ca. 6 Wochen eigenmächtig und ohne Wissen seiner vorgesetzten Behörde unter Mitnahme des nöthigen Reisegeldes in Erholungsurlaub ging. Der selbe hat vorläufig in dem staatlichen Gebäude Agnes- platz 1, Hinterhaus, Wohnung genommen, wo er sich einer längeren „Nachkur" unterziehen muß. Als Reise begleiter hatte man ihm einen Schutzmann mitgegeben, der auch gewissenhaft ihm zur Seite blieb und ihn in die neue Unterkunft einführte. — Der Stadtrath zu Gera beabsichtigt, zur Verhütung von Ansteckung alle Leichenzüge in den Straßen der Stadt zu untersagen, so daß alle Be erdigungen vom Friedhöfe aus zu gescheht n haben. — Dieser Tage badete in einer Schkeuditzer Badeanstalt in der Elster der 22jährige Techniker Krüger. Als er nun aus etwa drei Meter Höhe den Kopfsprung in das Wasser aussührte, stieß er mit dem Kopf so heftig auf den mit Kieselsteinen stark besetzten Grund, daß er sich einen Bruch der Hals wirbelsäule zuzog. Zum Glück konnte sich K. noch an einer Leiter festhallen, wo er dann vom Bade meister aus dem Wasser gezogen wurde. Bald darauf stellten sich Lähmungen in den Beinen und Armen ein, so daß der Bedauernswerthe auf einem Wagen nach Hause gefahren werden mußte. Da die Lähm ungen immer mehr zunahmen, so erfolgte seine Ueberführung nach der Halleschen Klinik. Wn« Sa ÜMMWWkn WWW — Halle (Saale), 13. Juni. Nrchdem gestern Abend im Festsaale des RathhauseS eine Begrüßung durch die städtischen Behörden stattgefunden halte, er- folgte heute Mittag durch den Vorsitzenden, Fürsten zu Stolberg-Wernigerode, die Eröffnung der 15. Wan derausstellung der Deutschen Landwirthschaftsgesellschaft. Der Vertreter des Kaisers, Prinz Friedrich Heinrich, sagte in einer Ansprache, daß das Wohlwollen des Kaiser« besonders der Landwirthschaft gehöre. Land- wirthschastsminister von PodbielSki wünschte verständ- uißvolle Bereinigung von Landwirthschaft, Industrie und Handel. Anwesend waren ferner Oberpräsident von Bötticher, Regierungspräsident von der Recke, so- wie die Vertreter der städtischen Behörden. Reichs kanzler Graf Bülow hat in einem Telegramm der Ausstellung seine besten Wünsche ausgesprochen. Die Wanderausstellung der Deutschen Landwirth- schafts-Gesellschaft, die großartgste alUr landwirth- schaftlichen Veranstaltungen im Deutschen Reiche, ist b.i ihrem Rundgange durch dessen Gaue wieder nach dem Herzen des Reiches, nach Sachsen zurückgekehrt, wo sie vor zwölf Jahren in Magdeburg wohlverdiente Triumphe feierte. Diesmal hat sie Halle a. S. zu ihrem Heim erwählt und aller Voraussicht nach wird sie sich allen ihren Vorgängern zum mindesten eben bürtig an die Seite stellen. Die Beschickung ist reicher als je, und eine große Anzahl wichtiger Zweige des landwirrhschaftlichen Betriebes wird durch die neuesten Vervollkommnungen umfangreich vertreten. Se. Majestät der Kaiser hat sein großes Interesse für die Ausstellung dadurch bekundet, daß er den Prinzen Friedrich Heinrich von Preußen beauftragte, ihn in Halle zu vertreten, und ferner bewilligte der Kaiser einen Ehrenpreis für die beste Leistung auf dem Ge- biete der technischen Verwerthung veS Spiritus in Gestalt einer prachtvollen Vase aus der Königlichen Porzellan-Manufaktur in Berlin. Ehrengeschenke flossen überhaupt der Ausstellung reichlich zu; der Oaben- tempel trägt deshalb in diesem Jahre ein besonders prunkvolles Gepräge. Was die jetzt in den Vorder grund der Aufmerksamkeit getretene technische Verwend ung des Spiritus betrifft, so hat die Centrale für Spiritusverwerthung eine großartige Zusammenstellung alles dessen veranstaltet, was in der Spiritusbeleucht ung, dem Kochen mit Spiritus, sowie dem Motoren- betriebe mit Spiritus in den letzten Jahren geleistet worden ist. Das Zelt, in dem sich die betreffenden Gegenstände befinden, ist das größte, das je auf einer der Wanderausstellungen errichtet wurde, und mit Staunen wird man wahrnehmen, welche Fülle von Fortschritten hier erreicht wurde, welch ausgiebiger Verwendung zu den verschiedensten Zwecken der Spi ritus fähig ist und welcher Zukunft er daraufhin un zweifelhaft entgegen geht. Man wird künftig mit Spiritustokomobilen dreschen, mit Spirituslokomobilen fahren u. s. w. In unserer Zeit der mangelnden Arbeitskräfte dürfte auch eine Veranstaltung der Deutschen Landwirthschafts-Gesellschaft von Interesse sein, deren Gerätheabtheilung Heu- und Stroh-Ablade- vorrichtungen im Betriebe vorführt und zwar in Ver bindung mit einer Dreschmaschine und Strohpresse. Mehrere größere Maschinenfabriken betheiligen sich an dem betreffenden Wettbewerbe; auch Heu- und Stroh ablader nach schwedischer Art wird man sehen können. Was die Maschinenabtheilung überhaupt betrifft, so ist sie ungemein glänzend ausgestattet. Mit gutem Grunde haben die Fabriken landwirthschaftlicher Ma schinen alles aufgeboten, um in einer Gegend, die sich durch so hoch entwickelten Landwirthschaftsbetrieb und dementsprechend durch starken Bedarf an landwirth- schaftlichen Maschinen auszeichnet, von ihrer vortheil- hastesten Seite zu erscheinen und ein möglichst voll ständiges Bild ihrer Leistungsfähigkeit zu geben. Im großartigsten Umfange sieht man deshalb hier alles vereinigt, was irgend an Maschinen und Geräthen in der Landwirthschaft Verwendung findet. Nicht minder umfassend und interessant stellt sich die wissenschaft liche Äbtheilung dar. Das landwirthschastliche Insti tut der Universität Halle gab sein Bestes, um den hohen Stand der landwirthschaftlichen Wissenszweige in Modellen, Zeichnungen, Tafeln, graphischen Dar stellungen, Karten, Vegetationsproben u. s. w. darzuthun. Was endlich das Vieh anbetrifft, so langen jetzt bereits die ersten Sendungen an, und auch die Viehabtheil- ung wird so hervorragend beschickt sein, wie je. Im Augenblicke ist Alles noch in fieberhafter Thätigkeit, um die letzte Hand anzulegen. MmimdiMW in IMW. Die letzte große Berufs- und Betriebszählung süi das Deutsche Reich hat 296 Betriebe mit je über 1000 beschäftigten Personen fcstgestellt, die zusammen nn Jahre 1895 über 562 628 Arbeiter und 665265 Pferd kralle verfügten Die Bedeutung dieser Ricser- betriebe hält die Reichsstatistik für so groß innerhalb der Organisation des deutschen WirthschastSleb cns, daß sie ihnen eine ganz besondere Darstellung gcw dmet hat Das Kaiser!. Statistische Amt hat bei zehn der größten Unt rnchmungen, dr- cs für besonders Nichtig und typisch erachtete, Erhebungen über ihre Entwickelung und Ausdehnung im Jahre 1898 ang:st:llt. deren Ei- gebniß in einer eigenen Darstellung: „Einige Riesen- unteruchmungen an der Jahrhundertwende" veröffent licht wurde. Die zrhn auserwählten Betriebe sind die K/Upp sch n Werke in Essen, die Stettiner Maschinen- bau-Aktien-Gesellschail „Vulkan", die Badische Avilrn- und Sodaiab.ik in Ludwigshafen a. Rh., die Weberei von Hermann Wünsche'- Erben in Ebersbach in Sachsen, die Schultheiß-Brauerei in Berlin, das Waarenhaus A Wertheim in Berlin, die Berliner Elektciz'tätSweikc, die Große Berliner Straßenbahn-Gesellschaft, die Hamburg-Amerik -Linie in Hamburg und die Deutsche Bank in Berlin. Berlin ist mit süns Unternehmungen, Rheinland-Westfalen, Sachsen, Südw.stdcutschland, die Ostsceküste und die H»"sastädte sind mit je einer Unter nehmuug in dieser Darstellung vertreten. Sechs Be- m-be kommen auf die Industrie, einer auf den Waarcn- handel, emer auf das Bankwesen und je einer auf das Berkehrszewob: zu Wass:r und zu Lande. Der größte »er behandelten Betriebe iK, wie bekannt, der Kruppsche mit 44087 Arbeitern. . emcrkenswerth für die Be deutung unserer Seeinteressen sür die arbeitende Be völkerung ist es, daß gleich hinter den Krupp schen Werken, an der Arbeiterzahl gemessen, gleich die Rhederei und die Werst folgen. Die Hamburg- Amn'ka-Linie beschäftigt (Herbst 1899) 8145 Perso icn an Land und 6498 aus See. ^er Stettiner „Vulkan" hat 7208 Angestellte und Arbeiter. Die Hamburg- Amerika-Linie steht in ihrer Berriebsausdehnung den K upeschen am nächsten und all.n anderen acht Betriebe, voran. Sie nimmt sogar innerhalb des gewaltigen, mächtig fluchenden hamburgischen WirthschastSleb ns ine so markente einzigartige Stillung ein, daß das allgemeine Urtheil der amtlichen D nkschrift über die gewerblichen Riesenunternehmungea auch bei ihr be rechtigt erscheint, jedenfalls mehr als bei den Berliner Betrieben: „Diese modernen Gebilde unserer volkSwirthschast- lichen Zivilisation sind gemäß ihrer Verfassung, Aur- rehnung und Produktivkraft von so weittragendem Ein fluß aus die Volkswirthschaft, daß private und öffent liche Interessen in ihnen aufs Engste verbunden er scheinen. Die social verschiedensten Klassen von Fami lien sind in ihrer wirthschaft'ichen Existenz von ihnen abhängig. Daneben verfolgen Hunderte und Tausende von Kunden aus Rah und Fern das Geschäft: zahl reiche Händler, Lieferanten, Concurrenten, die ganze Stadt, »er Kieis, die Provinz haben Interesse am Äuf- und Niedergang der betreffenden Unternehmung. Die Lage, die baulichen Einrichtungen, die guten oder schlechten Vcrkehrsbezichungen des Großbetriebes werden zu einer Gemeinde- und BczirkSangclegenheit; von dem Betriebe werden Schulwesen, Steuerkraft, Bevölkcrang-- Zu- oder Abnahme, Wohlstand und Verarmung der ganzen Gegend, Art der Siedelung und Grundeigcn- hums-Verthcilung beeinflußt. Die volkswirthschaftliche Bedeutung ko nmt mehr oder minder allen größeren Intcrnehmungen zu, insonderheit aber den erwähnten (296) Ricsenunternehmungen; bri ihnen tritt der öffent ¬ liche, gemeiudeähnliche Charakter ganz besonders deut lich hervor. ragesgeschlchte. Keltische* Keich. Berlin, 14. Juni. Fürst Herbert Bismarck wird, wie die „Post" hört, trotz der Trauer um seinen kürzlich verstorbenen Bruder, am Sonntag der Ent- hüllung des Denkmals seines großen Vaters beiwohnen. Der Fürst ist zu dem feierlichen Akte erneut vom Kaiser eingeladen worden und hat seine Theilnahme auch zugesagt. Zur Enthüllung des Nationaldenkmals für den Fürsten BiSmarck hat der Kaiser, nach Blättermeldungen, eine Ehrenkompagnie vom 2. Garde-Regiment zu Fuß befohlen, sowie eine Abordnung der Halberstädter Kürassiere, deren Chef der Altreichskanzler war. Auch die gesammte Generalität wird der Einweihung bei- wohnen. Die Mitglieder vom Bundesrath und Reichs tag werden sich in geschlossenem Zuge vom Reichstags hause über die Rampe nach dem Festplatz begeben und am Kaiserzelt sich aufstellen. Von weit und breit ist eine große Zahl von Abordnungen angemeldet, die nach Schluß der Feier Kränze am Denkmal nieder legen wollen. Zur Feier selbst wird eine Absperrung in umfassender Weise stattfinden. — Der für die Ent hüllungsfeier des Bismarck-Nationaldenkmals nunmehr gewählte Tag, der 16. Juni, ist das Datum, an welchem vor 30 Jahren unserer siegreichen Truppen in Berlin einzogen. Der Einzug gestaltete sich beson ders volksthümlich. Man sah da, als die Landwehr einrückte, ein merkwürdiges Bild : die Landwehrmänner hatten es sich nämlich nicht nehmen lassen, daß ihre ihnen entgegengeeilten Frauen mit in Berlin einzogen. Die Erlaubniß dazu war sehr schwer erlangt worden; denn Kaiser Wilhelm machte Miene, einen solchen Einzug, der gegen die militärische Ordnung verstieß, nicht zu dulden. Da legte sich „Unser Fritz", des Deutschen Reiches und Preußens Kronprinz, ins Mittel und setzte es durch, daß die Landwehrmänncr, soweit es sich mit der eiuhaltendeu Ordnung vertrug, mit ihren Frauen einziehen dursten. Berlin, 7. Juni. Der Magistrat beschäftigte sich in einer heutigen Sitzung in stundenlanger De batte mit Anträgen der Stadtverordnetenversammlung betreffend die Beseitigung der Wohnungsnoth. Es herrschte die Anschauung vor, daß zu diesem Zwecke eine städtische Anleihe von 10 Mill. M. aufgenommen werden möge, um mit diesem Gelde gemeinnützige Ballgesellschaften zu unterstützen. Es wurde ein vor- berathender Ausschuß von 7 Mitgliedern gewählt, der die Frage prüfen und möglichst bald Bericht er statten soll. Eine neue Behörde der Militärverwaltung, bc der eine größere Anzahl von militärischen und Civil- beamten beschäftigt wird, ist in Spandau in der Bildung begriffen. Sie soll die Bezeichnung „Beschaffungsamt" führen und erhält die Aufgabe, sür sämmtliche Werk stätten der Militärverwaltung oen Anlaut von Maschinen, Rohmaterialien und sonstigen Bedarfsgegenständen zu be sorgen Rach dem „Fränkischen Kurier" sind sämmtliche m Dessauer Staatsbetrieben beschäftigten tschechischen Ar beiter ausgewiesen worden. Die herzoglich altenburgische Regierung hat beim Bundesrath die reichsgesetzliche Regelung der Berg werksaussicht und den Erlaß eines Reichsbergge- sctzes bcant.agl. Die „N. A. Z." schreibt: Nach unsern Infor mationen werden die preußischen Staatsbahnen, soweit sich bis jetzt übersehen läßt, auch für das Etatsjahr 1900 günstig abjchließen. Wir schätzen den Mehr überschuß gegen den Etat auf 18 Millionen Mark, welches Wirthschassergebniß umso höher anzuschlagen ist, als während des letzten Drittels des Etatsjahres eine starke Abflauung des Verkehrs eintrat, die, wie derzeit bekannt geworden ist, auch dahin führte, daß die Verkäufe von Altmaterialien gegenüber den zu niedrigen Preisangeboten eingestellt wurden. Die deutsche Sprache in den Reichslanden hat, wie die „Metzer Zeitung" mittheilt. nach den Ermittelungen ver letzten Volkszählung seit den letzten dreißig Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Das w.rd voraussichtlich dazu führen, daß die Zahl der Gemeinden, die bis jetzt noch vom Gebrauch der deutschen Geschäftssprache befreit waren, sich verringern wird. Ursprünglich betrug die Zahl ver befreiten Gemeinden 428. Jetzt sind im Unter-Elsaß noch 22, im Ober-Elsaß 3 und in Lothringen 286, zu sammen 311 Gemeinden befreit. Tie Zahl hat sich mit hin bereits um 117 verringert. Aesterreich-zlngarn. In Karlsbad wurde jüngst von einem tschechischen Bäderconsortium das Hotel „Monopol" angekauft, um es in ein slavisches Hotel umzuwandcln. Die Bürgerschaft Karlsbads, welche trotz des internationalen Charakters des Kurortes daran festhält, daß Karlsbad als Stadt den deutschen Charakter bewahre, ist sehr erbittert über dieses Unternehmen, wodurch die national-tschechische Agi tation in Karlsbad Fuß fassen will. Das jungtschechische Prager Parteiblatt Narodny Listy bestätigte auch, daß die Karlsbader Hotelgründung ein wichtiges Unter- nehmen für die tschechische Nation sei, und daß auch noch ein zweites und drittes slavisches Hotel in den nächsten Juhren in Karlsbad gegründet werden sollen. Vorläufig find allerdings, wie aus Karlsbad berichtet wird, die Geldmittel für das erste slavische Hotel noch nicht auf gebracht. Prag, 13. Juni. Der Kaiser empfing heute Vormittag in der Burg Hradschin HuldigungSdeputa- tionen deS Adels, deS CleruS, der Staatsbehörden, der VertretungSkörper deS Landes und der Stadt Prag, sowie zahlreiche Korporationen für Handel, Verkehr, Industrie und Gewerbe. Angemeldet hatte sich auch eine tschechische Deputation auS dem deutschen Sprach gebiet Böhmens, die offenbar dem Kaiser nationale Zorderungen der Tschechen in den deutschen Bezirken Böhmens vortragen wollte. Die Deputation wurde abgewiesen mit dem Bemerken, daß bei den Audienzen wlitische und nationale Angelegenheiten ganz auSge- chlossen sind. Auf die HuldigangSansprache des Cardinals beim Empfang deS CleruS erwiderte der Kaiser in czechischer Sprache: „Ich nehme die von Ew. Eminenz namens des CleruS Böhmens abgegebene Versicherung der ITreue und Anhänglichkeit mit Dank und Befriedigung entgegen." — deutsch fortfahrend: „Ich bin von der Lauterkeit Ihrer dynastischen und patriotischen Gefühle überzeugt. Seien Sie versichert, daß die Interessen der katholischen Kirche an Mir stets einen warmen Förderer finden werden." Auf die Ansprache des Cardinals beim Empfang der Deputation der Adels antwortete der Kaiser in deutscher Sprache: „Ich spreche dem Adel Böhmens für diele loyale Bekundung meinen herzlichsten Dank auS" und hierauf czechisch fortfahrend: „Gern halte ich mich überzeugt, daß der Adel eine feste Stütze für Thron und Reich ist und bleiben wird." In deutschen Kreisen hat die Ansprache deS Bürgermeisters Srb sehr verstimmt, und man ist der Ansicht, daß er sich nur einem Zwangt fügte, als er zwei deutsche Sätze in seine czechische Rede einschob, und wiederum um sich gegen seine jung-czechischen Widersacher zu schützen, die wenigen deutschen Worte dazu benützte, um die Einheit des Königreichs und sich selbst als Vertreter der gesammten Bevölkerung darzu stellen. Die Deutschen horchten befremdet auf, als Srb sich vor dem Monarchen zum Dolmetsch beider Böhmen bewohnenden Volksstämme und zum Sprecher derselben aufwarf. Des Kaisers Antwort befriedigte die Deutschen, obwohl sie gänzlich vermeidet, von den bestehenden Schwierigkeiten zu sprechen und obwohl darin nur von Prag und seiner Gesammtbevölkerung der Rede ist. Daß er genau 84 czechische und 84 deutsche Worte sprach, wird keinem Zufall beigemessen. Der Versuch seitens der Czechen, der Bevölkerung einen durchgängig czechischen Charakter aufzuprägen, mußte schon deshalb gelingen, weil das czechische Temperament lauter, aufdringlicher, greller ist als das deutsche. Es ist nicht zu leugnen, es war eine czechische Stadt mit deutschem Einschlag, die den Kaiser empfing. In allen Städten, die der Kaiser auf seiner Reise berührte, wurde er enthusiastisch begrüßt. Die Statistik der Uebertritte in Oesterreich zeigt eine erneute Steigerung der Bewegung. Während im ersten Quanal 1900 die Summe der Uebertritte 441 betrug, sind im ersten Quartal 1901 übergetreten 627. Im zweiten Quartal werden sich noch höhere Zahlen er- geben. Auch die Kirchbauten machen gute Fortschritte Grundsteinlegungen fanden im zweiten Quartal statt in Haida, Leitmeritz, Trebnitz, Olmüh. In Dux und Karbitz ist ver Rohbau vollendet. In Niemes wurde ein Bet saal eingeweiht, ebenso in Lobositz In Zwittau stellte der Gemeindcrath ven Evangelischen oen schönen Saal ves Waisenhauses kür ihre Gottesdienste zur Verfügung In St. Egyd bauen die dortigen Fabrikanten ein Pfarr haus mit geräumigem Betsaal. Auch neue Vikarstellen sind gegründet worden, so in Innsbruck für das Ziller- thal, in Graslitz, in Ottakring 2: den Gehalt dieser letz- teren bringt der Großindustrielle von Schoeller auf, dec sich außerdem verpflichtet hat, jährlich solange 10,000 Kronen sür diesen Zweck zu stiften, bis durch die Zinsen der Summe das jährliche Erforderniß gedeckt sein wird. In großer Bedrängniß ist die Gemeinde Gabel in Nord böhmen. Seit 31 Jahren hatte sic ihre Gottesdienste in einem als Betsaal eingerichteten Raume des Schlaffes Neusalkenburg gehalten; jetzt ist ihr dieser Raum plötzlich aekündigt worden. Der Gemeindevorstand, ein schlichter Handwerksmann, konnte in seiner engen Wshnung nur Altarbild, Harmonium und Bücherschrank unterbringen, Kanzel und Altartruhe mußten wegen gänzlichen Raum mangels in einen Pferdcstall gestellt werden Das evan gelische Leben im Städtchen blüht kräftig auf, eine gottes dienstliche Stätte ist dringend niithig. Die Gemeinde beabsichtigt, ein schlichtes Kirchlein für 8000 Gulden zu bauen 2000 Gulven und ein schöner Bauplatz sinv vorhanden, die Gemeinde besteht aber aus annen Leuten und ist unfähig, aus eigenen Mitteln das Fehlende zu beschaffen. Gaben werden darum erbeten an das evan gelische Pfarramt in Reichenberg. Frankreich. Paris, 10. Juni. (Deputirtenkammer.) In oer heutigen Sitzung wird die Verhandlung über den Gesetzentwurf bezüglich der Arbeiter-Invaliditäts- Versicherung wieder ausgenommen. Ein Abgeordneter bekämpfte den Entwurf und sagt, es gelinge auch in Deutschland nur, sehr geringe Jnvaliditätsrenten zu gewähren. Vaillant (Sozialist) unterbreitet einen Gegenentwurf und fügt, aus Deutschland hinweisend, hinzu, es würde ein Beweis von Schwäche sein, wenn man weniger thun würde, als Deutschland. Vaillant geht sodann auf die Einzelheiten deS deutschen Gesetzes ein. Die Berathung wird hieraus auf morgen vertagt. Paris, 14. Juni. In seiner gestrigen Rede in der Kammer anläßlich der Arbeiterinvaliditäts- versicherung äußerte der Handelsminister, die Lösung der Arbeiterinoaliditätsversicherungsfrage sei nur in Deutschland gelungen. Man spottete in Frankreich in dieser Beziehung über die „deutsche Metaphysik", diese Metaphysik habe jedoch in acht Jahren 385 Millionen Mark Alters- und JnvaliditätSrente zu zahlen ermöglicht, woraus sich ergebe, was die gegen dieses System gerichtete Kritik werth sei. Paris, 12. Juni. Zum Präsidenten des Generalraths des SeinedepartementS wurde mit 49 Stimmen der Sozialist Bäder gewählt. Auf den gegenwärtigen Kandidaten, den Nationalisten Ganli, entfielen 48 Stimmen. «riechrataad Kanea, 13. Juni Die muselmännischen Depu- tirten haben dem Prinzen Georg eine Protesterklärung gegen die Angliederung Kretas an Griechenland unter- breitet und diese Protesterklärung auch den Generalkonsuln eingereicht. Diese haben sich aber geweigert, ihn entgegen- zunehmen, nachdem sie auch abgelehnt haben, dein Be schluß der christlichen Deputirten Gehör zu schenken Aäaemark. In Dänemark machte die dort lveil verbreitete Socialdemokratie in dieser Woche wieder einmal eine große Demonstration, indem in Kopenhagen 187 wcial- demokratische Vereine mit rothen Fahnen einen Stra- ßenumzug hielten, woraus dann Reden gegen das Ministerium gehalten wurden. Italien. Rom, 10. Juni. zDeputirtenkawmer.) Chiesi richtet an den Minister deS Aeußeren eine Anfrage wegen der Ausweisung italienischer Arbeiter auS Deutschland und wegen der ungenügenden Unterstützung, welche solchen Ausgewiesenen von Seiten der italieni- chen Konsuln in Deutschland und in der Schweiz >ei ihrer Durchreise gewährt wird. Minister deS Aeuß-ren Prin-ttli giebt zu, daß die Ausweisungen