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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 21.04.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190104214
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19010421
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19010421
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-04
- Tag 1901-04-21
-
Monat
1901-04
-
Jahr
1901
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 21.04.1901
- Autor
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WMkiiElMhckl LuDUt Amtsblatt. Nr. 92. Sonntag, den 21. April 1901. 2. Beilage. Mit offenem Bist». Bon B. Rittweger. (Nachdruck verboten.) Al« ich vor einer Reihe von Jahren anfing, kleine Geschichten zu veröffentlichen, that ich es, wie eS einer deutschen Kleinstädterin angemessen, unter einem ganz bescheidenen Pseudonym, hoffend, daß eS mir gelingen würde, auf diese Weise mein Geheimniß zu wahren uud meinem Bekanntenkreis nach wie vor die alte zu erscheinen. Aber gerade die Schlichtheit des gewählten GchriftstellernameuS wurde mein Verhängniß. vätte ich mit irgend einem hochklivgenden, selten vorkommenden Ramen gezeichnet, so wäre ich höchstwahrscheinlich nie mals aus die Idee gekommen, au» meiner Verborgen heit herauSzntreten. Ich kam ja auch garnicht auf diese Idee, sondern einer meiner Verleger, der mir mittheilte, mein schlichtes Pseudonym sei noch mehrere Male unter den Mitarbeitern seiner Zeitschriften ver treten und ich würde ihn verbinden, wenn ich mir ein anderes zulegen oder mit meinem wirklichen Ramen zeichnen würde. Ich entschloß mich zu letzterem, weil eS mir ein Wink des Schicksals schien. Und ich hoffte, eS würde mir nunmehr keinen Schaden bringen. Ich hatte auch bereits genugsam die heimliche Wonne ge nossen, die Erzeugnisse meiner Muse, die zum Theil in unserem Lokalblatt — der Redakteur desselben war mir sehr befreundet — erschienen, gelegentlich ganz un befangen von Bekannten besprechen zu hören und zwar, wie ich m aller Bescheidenheit gestehen will, meistens nicht ungünstig. So wagte ichS denn, im Vertrauen aui das Wohlwollen meiner Mitbürger aus m iner altjüngferlichen Verborgenheit hervorzutreten und mich offen als „Schriftstellerin" zu bekennen In einer auswärtigen Zeitung erschien die erste Skizze unter meinem Ramen und ihr folgte bald eine zweite in unserem Lokalblatt. Mir schien namentlich diese letzte Arbeit recht gelungen, und ich spitzte mich im Stillen bereit- auf ehrende Anerkennung Hatte man doch meine früheren Arbeiten günstig beurtheilt, ohne mich als Verfasserin zu kennen! Es sollte anders kommen. Es war an einem so recht gemüthlichen Winter- uachmittag; ich saß gerade eifrig beschäftigt am Schreib tisch, als mir Besuch, eine Frau Gerichtsdirektor, ge meldet wurde. Die Dame gehörte nicht zu meinem Verkehrskreis uud ich war daher erst etwas erstaunt, sagte mir aber sofort, daß eS sich wohl um eine Samm jung des Frauenvereins handeln würde. Die Fran Direktor war Vorstandsmitglied dieses Vereins. Schon bereit, ein kleines Opfer für die Wohlthätigkeit zu bringen, überschlug ich in Gedanke» meine Kasse, als die Dame eintrat. Rach einigen Begrüßungsworten warf sie einen prüfenden Blick auf meinen Schreibtisch, dann hob sie in pikiertem Ton an: „Ich störe ge wiß, lieber Fräulein eine Schriststellerin, wie Sie —" „O, bitte, durchaus nicht," so log ich, denn sie hatte mich in der That gestört, „Ihr Schreibtisch," so Mr mein Besuch fort, „bringt mich gleich auf den Zweck meines Hierseins. Ich komme in einer etwas heiklen Mission. Sie haben kürzlich un hiesigen Blatt «ine Skizze veröffentlicht, die — ja — hm wenn dieselbe anderswo erschienen wäre, dann, — aber ge rade hier am Ort — Sie machen die Bestrebungen unsere- Vereins darin in einer Weise lächerlich, daß wir alle außer uns find, und ich wurde anserseheu, Ihnen dies mitzutheilen, um für die Zukunft —" „Aber, gnädige Frau, Sie befinde» sich in ein m ganz gewaltigen Jrrthum. Ich habe allerdings in dieser Skizze die verkehrte Art der Wohlthätigkeit, wie sie in den Vereinen oft betrieben wird, ein wenig ge geißelt, aber dieses Recht kann ich mir auch nicht nehmen lassen. Ich versichere Ihnen, daß ich gar keinen bestimmten Verein im Auge gehabt habe und wenn der Ihre sich doch davon getroffen fühlt, so bin ich unschuldig daran." „Aber ich bitte Sic, liebcS Fräulein — die Frau Präsident ist ja garnicht zu verkennen —" „Die Frau Präsident — ich bin erstaunt —" „Run ja, Sie nennen sie Frau Kommerzienrath, aber ich bitte Sie, der grüne Sammthut — es ist ja zu augenscheinlich und ebenso ists mit unserm lieben Herrn Vikar —" „Mit dem Herrn Vikar? Aber auch ein Vikar kommt nicht in meiner Skizze vor —" „Gott, aber doch ein junger Pfarrer, und den schmückten Sie mit den Locken unseres Vikars!" „Ach so, weil mein junger Pfarrer lockiges Haar hat, darum also —" „Gewiß, nicht zu verkennen, und Sie werden be greifen, daß uoS das sehr — sehr — sehr unangenehm ist. Es mag ja sein, daß Sie nichts BöseS bcabsich- tigt haben, aber für die Zukunft — und vielleicht könnten Sie sich jetzt zu der Erklärung im Blatt ent schließen, daß nicht unser Verein gemeint ist." Prü send und mit strenger Miene schaute die Frau Direktor mich an und ich, ich mußte mich gewaltig zusammen- nehmen, um ein unhöfliches Lachen zu unterdrücken. So'che Zumuthung! Rein, dazu könne ich mich nicht entschließen, so erwiderte ich mit aller Würde, oie mir mein gutes Bewußtsein verlieh, und mein Besuch ver abschiedete sich mit steifem Lächeln. Von der Zeit an entdeckte die Dame, wenn sie mir begegnete, stets et wa» besonders Interessantes auf der anderen Seite der Straße. Da» war der erste Streich, den mir das geöffnete Vifir eiutr g. Ich verwünschte die Idee, da» schützende Pseudonym aufgegcben zu haben und *and nur Trost in dem Gedanken, daß mir in der That kein bestimmter Verein vorgeschwcbt hatte, ge schweige gar eine bestimmte Persönlichkeit. Wenigstens war ich mir keiner solchen Heimtücke gegen die Be ¬ wohner unserer guten Stadt klar bewußt Ich hatte eben geschrieben, wie ich mußte. Uebrigen» that mir» im innersten Herzen wohl, zu bemerken, daß meine Schilderungen offenbar einer gewissen Raturwahrheit nicht entbehrten. Wer konnte mir das verdenken? Hoffentlich würden sich derartige Anfechtungen nicht wiederholen. Jedenfalls ließ ich mich nicht abschrecken, sondern veröffentlichte ein paar Wochen später in un serem Blatt eine kurze Erzählung au» dem Volk. Wie wurde mir aber, als ich einige Tage nachher zu meinem alten Schuster kam und der mich mit den Worten empfing: „Run sagen Lie mir emal, Fräulein, iä trau'» Ihne zwar net zu, aber mei Bas' sagt, 'S wär ganz sicher. Sie hätten den versoffenen Kerl in Ihrer Geschicht' im Blättle geheißen wie mich, Christian. Und ich thät auch damit gemeint sein. Run, Fräulein, schön wär' dar net — wenn ich auch emal einen übern Durst trink, dessentwegen brauchten Sie mich doch nei ins Blättle zu bringen und so kenntlich, sagt mein: Bas'. Sogar meine rothe Rase — die iS aber gar nei vom Trinken, die rothen Rasen liegen emal in unsere Familie, ja, sogar meine rothe Rase steht drin. Ich Habs selbst gelesen — und wenn man so lang in Geschäftsverbindung steht, ich hab' ja schon Ihnen Ihrem Herrn Großvater selig die Stiefeln gesohlt, so thätS einem doch leid, wenn man so geblamiert wird." Der Alte fing beinah an zu heulen, und ich hatte Mühe, ihm klar zu machen, daß ich bis jetzt nicht einmal seine» Vornamen gekannt habe, und daß er mit dem „versoffenen Kerl" garnichts zu schaffen habe. Ob er mirS glaubte, muß ich dahingestellt sein lassen Nachdem einige Wochen später jedoch eine sehr schneidige Dame mir vorwarf, ich hätte sämmtlichc weibliche Mitglieder der Gesellschaft aufs tiefste belei digt weil ich einen Kaffeeklatsch ganz abscheulich boS Haft io einer Humoreske behandelt hätte, wars mit meiner Geduld zu Ende. Umsomehr, als am folgenden Tage ein alter biederer Bürger zu mir kam uud mir anbot, das kleine Kapital, welcher er noch von meinem Großvater her auf seinem HauS stehen hatte, zurück zuzahlen. Auf meine Frage, wie er so plötzlich da raus .äme, erwiderte er: „Ach Fräulein, Sie haben» ja so rührend beschrieben im Blättle, wie» Ihnen jetzt gar knapp geht, und wenn sie nur ein kleines baareS Kapital hätten, so wär' Ihnen geholfen, und da möcht ich doch nicht, daß Sie dächten, Sie dürsten mir» nicht anthun. das Kapital zu kündigen. Ich Habs ja auch nicht mehr so arg vöthig. Die Kinder sind versorgt und meine Frau hat 'was geerbt und deshalb —" Ich war starr! Gütiger Himmel, der Brave hatte die Humoreske, die in der „Ichform" erzählt war, auch gelesen und glaubte nun, ich sei die närrische alte Jungfer, der e» nur an „etwas Barem" fehlte, um noch unter die H ube zu kommen! Ich versuchte, dem guten Mann begreiflich zu machen, daß ich und die närrische alte Jungfer in meiner Geschichte nichts mit einander zu thvn hatten. „Ihr Name hat doch oben dran gestanden, Fräu lein — das versteh' ich nicht, wie das zugeht, ist wir zu hoch. Ru, aber, wenn Sies nicht wollen, das Kapi tälchen, dann bleibts beim Alten. Hätt' Ihnen nur gar zu gern au» der Patsche geholfen." Damit ging er, überzeugt, ich hätte ihm die Wahrheit, meine Noth und meine HeirathSlust, nur nicht gestehen wollen. Rach all diesen Erfahrungen beschloß ich, nur noch solche Arbeiten zu veröffentlichen, bei denen die kühnste Phantasie keine Beziehungen zu den Bewohnern un seres Städtchens herauSfiuden konnte. Ganz verzichten wollte ich doch nicht so ohne weiteres auf oie mir so bereitwillig geöffneten Spalten des Tageblattes Jeder angehende Schriftsteller erfährt ja, wie groß die Kon kurrenz und wie schwer es ost ist, die Kinder seiner Muse an den Mann, will sagen, an den Druck zu bringen! Mo das nächste Mal -- inzwischen hatte mir meine tüchtige Waschfrau gekündigt, weil ich, wie sie behauptete, ihr „ehrbares Metier" im „Blättle" hcruntergcmacht hätte in derselben Erzählung, die den Kummer des biederen Schuster» mit der rothen Rase erregt hatte — da» nächste Mal wählte ich für das „Blättle" eine garz harmlose Liebesgeschichte, die durchaus nichts spezifisch Kleinstädtische» hatte, und die bereits mehrere Jahre lang der Auferstehung harrte und die ich fast vergessen hatte. Diese harmlose Ge schichte konnte mir sicherlich keine Unannehmlichkeiten verursachen Eitle Hoffnung! An dcmselbrn Tag, da sie erschienen war — eS dunkelte bereit- etwas — schellte eS ganz leise an meiner Flurthür. Ich öffnete selbst und ein noch sehr junges, hübsche» Mädchen stand vor mir, welches ich nur von Ansehen kannte uud welches mir in seiner holden Frische immer besonders gut gefallen hatte. Sie schien in großer Verlegenheit schaute ängstlich um sich und folgte mir auf mein Zu- reden zögernd inS Zimmer. „Ach" — so begann sie — „ich bin — ich habe — ach Gott, es ist so schreck lich." Dabei fing sie an zu schluchzen. „Liebes Kind, waS ist Ihnen den» ? Haben Sie irgend ein Anliegen an mich — kann ich Ihnen helfen?" „Ach Gott, nein — ja — ich weiß garnicht, wie ichS vorbringen soll. Sie wissen's ja freilich einmal, aber bitte, bitte, sagen Sie'» nicht Mama. Ich bin ja nur ein einziges Mal hingegangen und nur ein ein ziger Kuß war's, ganz gewiß, und ich dachte, er hätte kein Mensch etwas davon bemerkt, und nun mußten Sie e» gerade sehen! Die Kleine weinte immer hef tiger und stieß heraus: „Und ich tha'S ja gewiß nie wieder. Er bat nur so sehr und in der Tanzstunde war er immer so nett gewesen, und er möchte sich auch gern mit mir verloben, aber c» geht ja noch lange nicht; denn er ist erst in der Obersekunda und da dauert eS noch schrecklich lange! Bitte, bitte, wenn Mama Sie fragen sollte, sagen Sie ihr um Gotte»- willen nicht, daß Sie un» gesehen haben, sonst muß ich in Pension und —" „Aber, liebe» Kind —" so unterbrach ich die B< - keuntnifse der Kleinen — „was soll ich denn gesehen haben? Sie sprechen in Räthscln." „O — unmöglich — Sie schildern'» doch ganz so, wie eS gewesen in Ihrer Geschichte „Junge Herzen" — mein blaßrosa Kleid und blonde Locken hab' ich ja auch, und er hatte seine grüne Mütze auf, und aus der Promenade war», so zwischen Licht und Dünke., aber eS ist schon furchtbar lange her, schon über vier Wochen und, ach bitte, bitte, sagen Sie'» Mama nicht. Heut Abend liest sie daS Tageblatt und g.wiß kommt sie morgen .lcich zu Ihnen!" : aßlos erstaunt war die hübsche Kleine, al» ich ihr mit heiligen Eiden versicherte, die Geschichte sei schon vor Jahren geschrieben worden Sie konnte gar- nicht begreifen, daß eS blaßrosa Kleider und blonde Locken und grüne Mützen und heimliche Küsse von je- her gegeben hat. Nachdem ich ihr mit feierlichem Hand schlag v'-fpr chen, niem-md zu v-r-atb--, sch->d sie sichtlich erleichtert von mir um ver Velsichelung, sic würde eS aber doch „nie wieder thun," denn der Schreck heute sei zu groß gewesen. — Nebenbei be- meiki, ist die niedliche Kleine bereits seit ein paar Jahren glücklich verheirathet, ob mit dem „in der grünen Mütze" weiß ich allerdings nicht. — Ich aber schrieb nunmehr mit offenem Visier lustig drauf los, denn ich sah ein, ich mochte schreiben, wü und was ich wollte, immer würde es Menschen geben, die sich getroffen fühlten. Wie könnte cs auch anders sein, wenn mm bemüht ist, zu thun nach des größten Lichters Worte: „Greist nur hinein ins volle Menschen leben! Und wo ihrs packt, da ist» interessant." Nr röMt NM dis WnzG MM NII WM-MM. Wien, 19. April. Noch immer steht ganz Oesterreich unter dem Eindruck der Stellungnahme des Erzherzog-Thronfolgers zu der konsessionell-politischen Frage der in den Kreisen der Alldeutschen verbreiteten „Los-von-Rom"-Bewegung. So überraschend diese plötzliche scharfe Markirung der Ansichten des zukünftigen Kaisers gekommen ist, welche augenscheinlich die Regierung sogar in Verlegenheit gesetzt hat, so schnell finden die Parteien sich mit der Sachlage ab. — Der christliche Bolksverein in Wien nahm vorgestern in einer zahlreich besuchten Versamm lung eine Resolution an, in der erklärt wird, die Ent- schließung des Erzherzogs Franz Ferdinand, das Pro- tektorat über den katholischen Schulverein zu über- nehmen, bedeute eine kräftige Abwehr der politischen Sonderbestrebungen einer kleinen Theils der öster reichischen Abgeordneten, die durch die Los-von-Rom- Bewegung eine Zersplitterung Oesterreichs Hervorrufen wollen. Das Vaterland schreibt heute an der Spitze des Blattes: „Das erste blaue Himmelfieckchen nach langen bleigrauen Tagen! Der erste goldene Sonnen strahl nach dumpfer finsterer Nebelzeit! Die Regierung lehnt die Verantwortung ab, nun wohl, fo möge« andere die Verantwortung ausnehmen!" Aus den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses am gestrigen Tag' entnehmen wir noch d.-s Folgende: Abg. Herzog (deutschnat.): Offenbar infolge geheimer Einflüsse der schwarzen Camarilla hat ein Mitglied des Kaiserhauses in gänzlich unkonstitutioneller Weise in das politische Parteigetriebe eingcgriffen; noch dazu jenes Mitglied, das e »mal die Völker dieses namen losen Staates namenlos glücklich machen soll, hat ge gen eine Bewegung der Geister seine Stellung genom men, die nicht scharf genug verurtheilt werden kann. (Beifall der Alldeutschen.) Präsident: Ich kann diese Aeußerung nicht zulassen. Abg. Herzog: Die freiheit- liehen deutschen Elemente sind für die Erklärung des Erzherzogs dankbar und wissen nun, was sie einmal in der Zukunst zu erwarten haben. (Lebhafte Zu stimmung bei den Alldeutschen, der deutschen Volks- Partei, der deutschen Fortschrittspartei, den Sozial demokraten und den Tschechisch-Radikalen.) Auf die Entgegnung des Ministerpräsidenten erwidert Abg. Jro: Der Thronfolger soll sichs überlegen, was er spricht! Richtet nur Oesterreich zu Grunde! Abg. Wolf: Darauf giebt es nur eine Antwort, und diese ist: „Los von Rom!" (Stürmischer Beifall und Händeklatschen bei den Alldeutschen. Anhaltender Lärm im ganzen Hause.) Abg. Eisenkolb: „Die Pro testanten sind mit den Katholiken gleichberechtigt." Andere Zwischenrufe lauteten: „Der künftige Pfaffen kaiser!" — „Die Ferdinande haben Oesterreich immer Unglück gebracht!" —„Darauf giebt es nur eine Ant- wort: „Los von Rom!" Die „Ostdeutsche Rundschau" des Abg. Wolf ist wegen Besprechung der Protektoratannahme des Erz herzogs Franz Ferdinand konfiszirt worden. Die „Köln. Ztg." schreibt zur Uebernahme des Protektorats über den katholischen Schulverein durch den österreichischen Thronfolger, es solle nicht bestritten werden, daß ein Thronfolger auch ein Menfch sei und als solcher seine individuelle Ueberzeugung und Glau bensansichten haben darf, aber ein Thronfolger sei in erster Linie Thronfolger; als solcher habe er das große Gemeinwesen im Auge zu behalten, dem er einst Herrscher und Lenker sein soll, und habe zu thun, was diesem Gemeinwesen sromme. Ganz besonders muß man diese staatsmännische Selbstbeschränkung von einem Manne fordern, der einstens solch verwickeltem Staatswesen vorstehen soll, wie der österreichisch ungarischen Monarchie. Hier folgt auf jeden kleinen Fehlgriff sofort eine scharfe Reaktion, die den Gang der ganzen StaatSwaschine in Frage stellt. Deshalb ist auch der Sturm des Unwillens begreiflich und der Schritt der Thronfolgers tief bedauerlich. Zu dem Rufe: LoS von Rom! ist man in O esterreich nur gekommen, weil man in der römischen Kirche den gefährlichen Widersacher des ohnehin schon bedrängten DeutschthumS in Oesterreich erblickt hat. Gegen die österreichische Monarchie ist die Bewegung nicht gerichtet gewesen. Grade darum aber kann eS nicht ungefährlich erscheinen, daß ein der Krone so nahestehender Mann, wie der Erzherzog Franz Ferdinand, einseitig Partei ergreift und die Bewegung offen zu einer antimonarchischen und hochverrätherischen stempelt. Man braucht nicht auf das Schicksal der romanischen Staaten zu verweisen, um zu zeigen, welche Gefahren der Monarchie überall erwachsen, wo sie sich einfach zu einem Werkzeuge der römischen Kirche macht. In der österreichischen Geschichte früherer Jahrhunderte finden sich Beispiele dafür, wohin Mißgriffe dieser Art führen müssen. Inzwischen ist Oesterreich selbst ein konstitutioneller Staat mit Grundsätzen der Gleich berechtigung aller Konfessionen geworden, in welchem selbst einer Abwendung von der römisch-katholischen Kirche die Berechtigung nicht bestritten werden könnte. Und je größer und je stärker diese Bewegung wird, um so gefährlicher ist es ihr Ziele und Bestrebungen zuzumessen, zu denen sie selbst sich bekennt. Pest, 19. April. Fast die gesammte Presse ver urtheilt das Vorgehen des Thronfolgers Franz Ferdinand. Sogar der halboffiziöse „Pester Lloyd" erklärt, derselbe werde bald eine Gelegenheit suchen und finden, um die Unruhe der öffentlichen Meinung zu bannen. Das „Neue Pester Journal" sagt, die Angelegenheit sei kein bloßes Privatereigniß, sondern das politische Ansehen des Thronfolgers dürfe nicht in den Dienst einer politischen Partei gestellt werden. Der der Regierung nahestehende „Budapesti Naplo" erklärt den Vorfall für bedauerlich. Der Jrrthum des Thronfolgers sei seiner Jugend zuzuschreiben. Auch das ein wenig klerikal angehauchte „Budapesti Hirlap" verwahrt sich gegen die Einmengung de» Thronfolgers in politische Angelegenheiten, während das Organ Kossuths dies geradezu als eine Gefahr für Ungarn und für verfassungswidrig erklärt. Der Krieg um Transvaal. London, 19. April. Lord Kitchener meldet aus Prätoria den 18. d. Mts.: Eine Abtheilung des 9. Lancers-Regiments gerieth in einen Hinterhalt. Ein Leutnant und drei Mann fielen, fünf Mann wurden ver wundet, Die tägliche Verlustliste der Engländer umfaßt für den 17. oss. 2 Todte, 16 an Krankheiten Verstorbene, 12 Verwundete, darunter 2 Offiziere und 3 Vermißte. Außerdem sind 15 Offiziere und 382 Mann nach der Heimath eingeschifft worden. — Die Pest macht unter dessen weitere Fortschritte. Am 17. traten 16 neue Pest- fälle auf, darunter zwei bei Europäern. Drei Leichen sind ausgefunden worden, ohne daß die Erkrankung der Betreffenden der Behörde angezeigt gewesen wäre. — Für den Stand der Dinge ist es bezeichnend, daß die englische Regierung nach dem „British Medical Journal" sechs Aerzte mit einem Gehalt von 15,000 Mk. bei freier Hin- und Rückfahrt mr Beaufsichtigung der Zustände in Kapstadt zu entsenden beabsichtigt. Bezeichnend für die unter den Engländern wegen ihrer geringen Erfolge in Südafrika herrschende Stim mung ist ein Bericht der „Times", in dem es heißt: „Jeder in Südafrika stellt täglich die Frage: „Wie lange soll das noch dauern?" Vor zwei Monaten, als man von der Entsendung von 30,000 Berittenen nach Süd- afrika hörte, hielt man das Ende des Krieges allgemein für gekommen. Jetzt scheint das Ende ferner zu liegen, denn je. Das Land bietet verzweifelten Männern un endliche Möglichkeiten zum Guerillakriege. Ein organi- sirter Gegner, bereit, in der Schlacht die Entscheidung des Krieges zu suchen, kann keine vierzehn Tage der jetzigen britischen Organisation gegenüber Stand halten; aber ein Gegner, der sich nicht stellt, und der, wenn bedrängt, in hundert kleine Detachements aufgelöst, in einer weiten Wüste verschwindet, bietet ein Problem dar besten Lösung Monate in Anspruch nehmen kann." * * * Aus Johannesburg geht der „Kreuzzeitung" ein Schreiben deS preußischen Rittmeisters a. D. Frhrn. v. Dalwig zu, der sich gegen die Beschuldigung eine» Deutschen wendet, die in einem deutschen Blatte ge standen haben soll, daß die Buren feige seien und daß die Deutschen, die nach Transvaal gekommen wären, die Buren al» Helden betrachtet hätten, bis sie ent täuscht worden seien. Der Verfasser schreibt: „Sollte der Schreiber jenes Briefes geglaubt haben, daß die Buren einer mehr als zehnfachen Uebermacht gegen über überall hätten mit stürmender Hand vorgehen müssen, so beneide ich ihn um seine militärische Weis- heit! Im Anfang fehlte es den Buren an den rich- tigen Führern und der nöthigen Disciplin. ES ist vorgekommen, daß gute Stellungen, die gehalten wer den konnten, mit oder ohne Befehl geräumt wurden, und manches, was hätte im Angriff gethan werden können, wurde unterlassen. Darüber wird die Kriegs- geschichte zu urtheilen haben. Ich möchte mich darauf beschränken, aus meiner eigenen, in mehr als 80 Ge fechtstagen gesammelten Erfahrung einige Illustrationen zur angeblichen Feigheit der Buren zu liefern. Am 12. Februar 1900 stürmten 200 Engländer morgen»
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