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UnterstützungSaesuch desselben mit Wohlwollen behan- dein. Die Kammer erhebt den Deputationsantrag emstlmmig zum Beschluß des Hauses. ES erfolgt die Schlußberathung über den mündlichen Bericht der Be schwerde- und Petitions-Deputation über die Petition des Berginvaliden Richter in Kreischa um Erlaß eines Gesetzes wegen ärztlicher Behandlung unheilbar kranker Personen. Der Petent ersucht um Erlaß eines Gesetzes, das den Aerzten gestatten soll, Kranken und unheilbaren Preßen den Hob '» geben, falls sie es wünschen. Der Äntrag der Beschwerde- Uno PetitionSdeputation (Berichterstatter Abg. Töpfer-Böhlau), welche auf da» Petitum, da dasselbe eine Aenderung des Reichsgesetzes betrifft, überhaupt nicht eingegangen ist, lautet: die Kammer möge die Petition auf sich beruhen lassen. Dieser Antrag findet einstimmige Annahme. Schließ lich erfolgt noch die Schlußberathung über den münd- liehen Bericht der Beschwerde- und Petittonsdeputa tion über die Petition des vormaligen Landgendarmen und späteren Bezirksanstaltsinspektors Weise in Marien berg um Gewährung von Pension. Abg. Andrä- Braunsdorf erstattet den Deputationsbericht, dem zu entnehmen ist, daß der Petent wegen respektwidrigen Benehmens gegen einen Vorgesetzten nach einer 16- jährigen Thätigkeil als Hausinspektor der Bezirksan stalt Olbernhan entlassen worden ist, und zwar ohne Pension. Obwohl der Petent droht, im Falle der Ablehnung seiner Bitte seinem gegenwärtig sehr ärm lichen Leben ein Ende zu bereiten, und zwar in den Räumen der Amtshauptmannschaft Marienberg, kam die Deputation zu einem negativen Antrag, weil die Ständekammern auf den maßgebenden Bezirksausschuß keinen Einfluß haben. Das Haus ließ aus diesen Gründen die Petition auf sich beruhen. SSchsisches. HoheusteiusErustthal, 5. Dezember 1901. vtttttztUuugen von allgemeinem Jnter«s>e werden dankbar ext- gegenzenommen und eventl. honorirt. — Gewerbeverein. Gestern Abend wurde im Vereinslokale eine Hauptversammlung ab gehalten. Herr Vorsitzender Dähne eröffnete dieselbe mit Begrüßungsworten, und es werden vorerst Mit- theilungen aus den neuesten Eingängen gemacht. Im Anschlusse daran schöpfte Herr Schuldirektor Dietze aus den Berichten über den jüngst stattgefundenen Stapellauf des transatlantischen Dampfers „Chemnitz" interessante Momente, um sie den Mitgliedern zum Besten zu geben. — Ausführlichen Bericht über die Thätigkeit des Vereins im verflossenen Vereinsjahr erstattete Herr Vorsteher Dähne. Er ließ die Blicke rückwärts schweifen, erwähnte alle Bereinsversammlungen und die wichtigsten der gefaßten Beschlüsse, zählte die Vorträge und alle sonstigen Veranstaltungen auf und ließ kein dem Vereinslebeu nahestehendes Ereigniß unberührt. Am Schluffe gedachte er auch der treuen Mitglieder, die im verflossenen Jahre durch Tod aus dem Verein geschieden sind; er bat die Versammlung, ihr Andenken durch Erheben von den Plätzen zu ehren. (Geschieht.) — Endlich bemerkte noch der Herr Vor sitzende, daß der Verein in der Berichtszeit durch Tod 4, überhaupt 16 Mitglieder verloren habe; neu aus genommen wurden 7 Mitglieder, gegenwärtiger Stand: 214. — Dem halbjährlichen Berichte des Herrn Kassirer Schmelzer übe: das Geldwesen des Vereins ist zu entnehmen: Steuereinnahmen Mk. 304,25, da zu Kassenbestand vom Jahre 1900 Mk. 319,12, zu sammen 623,37. Ausgaben Mk. 337,31, daher Kassenbestand Mk. 286,06. — Der Bibliotheksbericht des Herrn Schönsuß zählt auf, daß der Verein 522 Bände besitze, wovon im vergangenen Jahre 327 ge- lesen worden seien. Der Bericht empfiehlt die Bücher und Zeitschriften reger Benutzung. Auf Veranlassung des Herrn Kass. Schmelzer beschließt die Versammlung, Kataloge zur Bibliothek in Zukunft nicht mehr zu verkaufen, sondern gratis den Mitgliedern zu verab folgen. — Sodann erfolgt die Neuwahl des Gesammt- vorstandes. Die durch Zuruf vorgenommene Wahl ergab das Resultat, daß die Herren L. Dähne als 1., Schuldirektor Dietze als 2. Vorsitzender, H. Schmelzer als Kassirer, Lehrer Meier als 1., und F. H. Laux als 2. Schriftführer wiedecgewählt wurden. Zu Ausjchuß nitgliedern bestimmte man die Herren Ebert, Scheibel, Münch, Haugk, Nudelt und Beck, und zu Rechnungs-Revisoren die Herren Rannefeld, Nürn berger und Wächter. — Damit ist die Tagesordnung erledigt, Herr Dähne schließt die Versammlung. — Wir erhalten folgende Zuschrift: „In Nr. 282 Ihres geschätzten Blattes ist gedruckt, wahrscheinlich irr- thümlich, daß die Weberinnung ibeschloffen hätte, einen neuen Leichenwagen für die Altstadt zu beschaffen. Die Weberinnungen Altstadt und Neustadt haben sich zwangs weise vor 2 Jahren vereinigen müssen und in Folge dessen ist auch der Wagen für die Neustadt mit. Ich bitte dieses zu berichtigen. F. Reinhold, z. Z. Obermeister. — Auf den Sächsischen Staatsbahnen sind im November aus den sächsischen Steinkohlenbezirken 301,759 Tonnen befördert worden, d. s. 30,218 T. weniger gegen den gleichen Monat des vorigen Jahres. ES gelangten auS dem Zwickauer Bezirk 153,048 T. (— 14,632 T.), aus dem Lugau-OelSnitzer Bezirk i.13,280 T. (— 4566 T ) Steinkohlen zur Beförderung. — Gersdorf. Der Gemeinderath änderte in einer letzten Sitzung abermals das Anlagen-Regulativ und zwar in der Weise ab, daß das Maximum des Steuersatzes (5 Proz.) nicht erst bei einem Einkommen von 50,000 M„ sondern schon bei 20,000 M. ansetzt. Bei den Einkommen bis 1500 M. bleibt es bezüglich des Prozentsatzes der Steuer bei den früher beschlosse nen Sätzen. Zum Abwalzen der unteren Abtheilung der Dorfstraße will man versuchsweise anstatt der Oberlung witzer Steine Hartmannsdorfer „Granulit" verwenden Diese Steine stellen sich inklusive Fracht und Zerkleinern ca. noch einmal so hoch im Preis wie die andern, man glaubt indeß, daß man an Unterhaltungs- resp. Repara turkosten ersparen und eine bessere Straße bekommen wird. — Rtttzdorf. Der Fleischer und Restaurateur Paul Linus Schmiedel von hier war wegen Betruges und Betrugsversuchs vor dem Schöffengericht zu Alten burg angeklagt, weil er zu verschiedenen Malen beim Wiegen von Fleisch ein Kilogrammgewicht, das nicht 1000, sondern 1200 Gramm gewogen hat, angewendet und dadurch eine Anzahl Personen in ihrem Vermögen vorsätzlich geschädigt habe. Durch eine größere Be weisaufnahme gelangte das Gericht zu der Ueberzeug- ung, daß durch den Angeklagten in vier Fällen eine Mehrzahl von Personen je um etwa 4,80 Mark ge schädigt worden ist. Das Schöffengericht verurtheilte deshalb den Angeklagten wegen vollendeten Betruges in vier Fällen und wegen eines versuchten Betruges zu 6 Wochen Gefängniß und außerdem zu einer Geld strafe von 300 M., event. für den Fall deren Unein bringlichkeit zu einem weiteren Monat Gefängniß, indem eS die vom Angeklagten durch die Strafthaten bekundete Habsucht und niedrige Gesinnungsweife als firafschärfend in Betracht zog. — Chemnitz, 4. Dez. (Schwurgerichtssitzung.) Gegen die Anklage wegen Verbrechens gegen die Sitt lichkeit im Sinne von 8 176, Ziff. 1 und Z 176, Ziff. 3 des R.-Str.-G.-B. hatte sich der am 24. Mai 1851 in Mülfen St. Niklas geborene, zuletzt in Chem nitz wohnhafte Weber Gotthard Eisenfeld vor den Ge schworenen zu verantworten. Aus der Beweisauf- nähme, welche nur insoweit unter Ausschluß der Oeffentlichkeit stattfand, als die Art und Weise der Verübung des Verbrechens selbst in Frage kam, kann das CH. T. folgendes berichten: Am Nachmittage des 9. Juli 1901, eines Dienstages, wurde an der im 12. Lebensjahre stehenden kleinen S. aus Oberlungwitz, welche mit mehreren anderen Kindern im Walde bei Wüstenbrand mit Beerenfuchen beschäftigt und welche, nachdem diese anderen Kinder bereits nach Hause sich begeben hatten, noch allein zurückgeblieben war, von einem unbekannten Manne, welcher sich zu dem Kinde gesellt hatte, ein Sittlichkeitsverbrechen verübt. Bier Tage später wurde in der Nähe von Hohenstein der Angeklagte festgenommen und in ihm von der kleinen S. und zwei anderen der in ihrer Begleitung befind- lich gewesenen Kinder mit aller Bestimmtheit der Ber- über des Sittlichkeitsattentates wiedererkannt. Eisenfeld bestritt gleichwohl damals und bestreitet noch heute alle und jede Schuld, vermag jedoch über seinen Ver bleib zur fraglichen Zeit verläßliche Auskunft nicht zu geben. Ec ist ein vielfach, auch wegen SittlichkeitS- verbrechen vorbestrafter Mensch. Der bei den Akten befindlich: Strafregisterauszug weist allein nicht weniger als 31 Voibestrasungen auf, es ist jedoch mit dieser Zahl die Zahl der von Eisenseld erlittenen Vorstrafen noch nicht erschöpft, da nebenbei noch eine Anzahl von Polizeistrafen wegen Exzesses, Trunkenheit rc. in Frage kommen. Unter den erwähnten 31 Vorstrafen befinden sich eine größere Anzahl, die Eisenseld wegen Bettelns und Landstreichens erlitten hat, auch halte Eisenfeld ein mal 6 Monate, daS andere Mal 1 Jahr lang Kor rektions-Nachhaft zu verbüßen. Der Umstand, daß der Thäter nach der übereinstimmenden Aussage der Kinder einen grauen, schwarzgetupften, oben eingedrückten Strohhut und eine blaue Schürze getragen haben soll, während er diese Bekleidungsstücke bei feiner 4 Tage später erfolgten Festnahme weder am Leibe trug, noch auch solche sonst in seinem Besitze vorgefunden wurden, veranlaßte eine längere Beweisaufnahme, durch welche festgestellt wurde, daß der Angeklagte sowohl vor der That, als auch am Tage nach der That allerdings eine blaue Schürze getragen, bezw. doch wenigstens eine solche, wie verschiedene Zeugen gesehen zu haben glauben, bei sich getragen hat. Der vom Angeklagten im Laufe der Voruntersuchung, und zwar nachdem eS ihm gelungen war, mit einem Angehörigen, der ihn während der Untersuchungshaft im Amtsgericht Hohen- stein-Srnstthal besucht hatte, zu kolludiren, unternom- mene Versuch, den Verdacht auf einen angeblichen Doppelgänger abzuwälzen, schlug fehl, ein solcher Doppelgänger existirt allem Anscheine nach überhaupt nicht. Im übrigen verlief die Beweisaufnahme mehr zu Gunsten, als zu Ungunsten des Angeklagten, ins besondere verloren die Aussagen der Kinder in einzelnen Punkten an ihrer Sicherheit und Bestimmtheit. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft sah sich demzufolge nicht in der Lage, den Schuldbeweis für überzeugend voll erbracht anzusehen und demgemäß die Bejahung der gestellten Schuldfrage zu beantragen, stellte viel mehr deren Beantwortung dem Ermessen der Geschwo renen anheim. Der Vertheidiger beantragte die Ver neinung der gestellten Schuldfrage. Die Geschworenen gaben mit ihrem Wahrspruche diesem letzteren Anträge statt und verneinten die an sie gerichtete Schuldfrage. Diesem Wahrspruche gemäß sprach der Gerichtshof den Angeklagten frei. — CheMttitz, 2. Dezember. Pferdehändler Sten zel, Besitzer des Tattersall, ist hier nach langem Leiden gestorben. Herr Stenzel hatte sich vor einiger Zeit durch eine Schnalle am Zügel, den er in dem Munde gehalten hatte, eine Verletzung an der Lippe zugezogen, worauf er weiter kein Gewicht legte. Es entstand eine Blutvergift ung, die den Kehlkopf ,in Mitleidenschaft zog und trotz mehrfacher Operationen nun den Tod des 40jährigen kräftigen Mannes herbeigeführt hat. — Zwickau, 2. Dez. Die erste Verhandlung der vierten diesjährigen Schwurgerichtsperiode richtete sich wider den der versuchten Brandstiftung angeklagten noch unbestraften Klempnermeister Karl Albert Keinert in Oberlungwitz, geboren 1875 in Gablenz bei Chem nitz. Derselbe wohnte feit 1897 in dem dem Hand- arbeiter Friedemann in Oberlungwitz gehörigen Haus- grundstücke Nr. 514. Zur Wohnung gehörte eine Bodenkammer, in der der damalige Lehrling Keinerts, Ernst Walter Päßler aus Mittelbach, schlief. Als dieser Montag, den 29. Juli Abends gegen 11 Uhr nach zweitägiger Abwesenheit zu seinem Meister zurück kehrte, fand er feine Schlaskammer verschlossen und mußte, um in dieselbe zu gelangen, einen Bretterver- ichlag überklettern. In der Kammer entdeckte er zu seinem größten Schrecken einen wohlvorbereiteten Brand herd. Zwischen den Betten auf dem Fußboden dicht unter dem Dach an einer Bretterwand, die den mit Stroh dichtgesüllten Futterboden abschließt, stand eine Kiste, auf deren Boden eine Blechfchüsset mit Petro leum und im Boden eine bis auf einen kleinen Stumpf verbrannte Kerze stand. Auf dem Kerzenhalter lag ein langer, mit Petroleum getränkter Lrmpendocht, dessen eines Ende nach dem Futterboden hinüber ge leitet und durch eine Spalte ins Stroh gesteckt war. Um die Kiste herum war der Fußboden mit Petroleum begossen, während in der Nähe Kleider und mit Pe troleum getränkte Knäuel Garn lagen. Der Lehrling Päßler hat sofort die Brandvorrichtungen zerstör:, den Hausbewohner Heidner geweckt und in Gemein schaft mit demselben den Brand, der mittlerweile ent facht war und bereits die Kiste und den Faßboden ergriffen hatte, gelöscht. Keinert wurde am Tage nach der Entdeckung der Brandlegung verhaftet, da der Verdacht der Thäterfchaft sofort auf ihn fiel. Die sämmtlichen zur Brandvorrichtung benutzten Gegen stände waren Eigenthum KeinertS, er hatte hoch ver sichert, befand sich in mißlichen Vermögensverhältnissen, er beabsichtigte am 1. Oktober auszuziehen und fein Ladengeschäft aufzugeben, hatte auch deshalb bereits den Ausverkauf feines Waarenlagers angezeigt. Am 5. August ist dann auch zu seinem Vermögen Konkurs eröffnet worden. Offenbar wollte er sich durch die Versichecungsgelder aus seiner mißlichen Lage befreien. Keineit gab das ihm Brigemessene heute nicht zu und versuchte, die Thäterschaft auf feinen ehemaligen Lehr- ling Päßler abzuwälzen. Die Beweisaufnahme fiel aber völlig zu Ungunsten des Angeklagten aus und ec wurde auch von den Geschworenen für schuldig er- klärt, worauf er ,zu 1 Jahr Zuchthaus und Verlust der Ehrenrechte auf 5 Jahre verurtheilt wurde. — Zwicks«, 5. Dezember. Der seit vergangenem Montag aushilfsweise bei einem hiesigen Meister beschäf tigte Schornsteinfeger Karl August Hensel aus Werdau stürzte gest ern Nachmittag vom Dach eines Hauses in der Schloßstraße auf das Trottoir hinab. Der Verunglückte wurde mittels SiechenkorbS in das städtische Kranken haus gebracht, wo ein doppelter Armbruch und schwere innere Verletzungen festgestellt wurden. Es besteht leider wenig Hoffnung, den Bedauernswerthen am Leben zu erhalten. — Dresden, 4. Dez. (Dr. Nachr.) Die schon seit längerer Zeit kritischen Verhältnisse der hiesigen Spar- und Vorfchußbank (Wallstr. 2) haben nun doch noch zu einer Katastrophe geführt: Gestern ist der Konkurs der Bank angemeldet worden. Dieser Aus gang muß um so größere Theilnahme erwecken, als bei dem Zusammenbruch vornehmlich mittlere und kleine Leute, Handwerker und Gewerbetreibende hart betroffen werden, ja zum Theil wohl ihr ganzes Ver mögen, ihre Ersparnisse gefährdet sehen. Im ganzen kommen 140 Aktionäre mit einem Kapital von 1 Mill. Mark und ca. 7000 Einleger mit ca. 7 Mill. Mark Einlagen in Betracht. Bekanntlich ist diese Bank auS dem Spar- und Vorschußverein zu Dresden im Jahre 1897 hervorgegangen, doch ist hierbei zu beachten, daß die Liquidation des Spar- und Vorschußvereins jetzt noch nicht beendet ist. Die Verhältnisse des letzteren sind nach wie vor gute. Wie jener Verein hat die Bank die ihr anvertrauten Einlagen immer verhältniß- mäßig hoch verzinst, wozu sie sich insbesondere durch hochverzinsliche Beleihungen von Grundstücken und Baustellen in den Stand zu setzen wußte. Die hohe Verzinsung hat ihr von jeher zahlreiche Einleger zu geführt, obgleich dem Institut seit Jahren in der Ge schäftswelt mit Mißtrauen begegnet wurde. Andere Banken haben mit ihm keinerlei Verbindungen unter halten, so daß diese von der jetzigen Katastrophe auch nicht berührt werden. In den Jahren, wo die Kredit verhältnisse von dem allgemein herrschenden Vertrauen getragen wurden, hatte die Bank auch ansehnliche Ge winne zu verzeichnen. So konnten in den Jahren 1898—1900 7, 9 und wiederum 9 Proz. Dividende vertheilt werden. Der letzte Geschäftsbericht (über das Jahr 1900) weist ein Vorschußkonto von 10,478,000 Mark und einen Bestand in Wertpapieren von 870,000 M. auf. An Pafsiven waren vorhanden 1 Mill. M. Aktienkapital, 8,022,000 M. Spareinlagen, ein Kontokorrentkonto von 1,737,000 M., 200,000 M. Reserven und ein Gewinn von 352,200 M. — Die Bedrängniß, in welche die Bank seit ca. einem halben Jahre gerathen ist, ist hervorgerufen worden durch das natürliche Mißtrauen, welches sich durch den Zu sammenbruch großer Bankinstitute im allgemeinen der Geschäftswelt und des großen Publikums bemächtigt hatte. Seit Ende Oktober ist von verschiedenen Banken versucht worden, eine Hilfsaktion ins Werk zu fetzen. Zu diesem Zweck haben die weitgehendsten Feststellungen über die Verhältnisse der Bank stattgefunden. Hierbei hat sich u. a. freilich eine große Abweichung gezeigt der jetzt vorgenommenen Taxen der von der Bank be- liehmen Grundstücke von den früheren, auf Grund deren die Bank die Gelder dargeliehen hatte. Die Einlagen belaufen sich jetzt im ganzen auf ca. 7 Mill. Mark, von denen ca. 2 Mill, besonders nach Befrie digung drängen. Diese 2 Mill. M. sollten zunächst von den Banken vorgeschossen werden. Diese Absicht ist jedoch daran gescheitert, daß den betreffenden Ban ken einerseits nicht die erforderlichen Sicherheiten mit Hilfe dec dec Spar- und Borschußbank gehörigen Hy potheken geboten werden konnten, ohne das übrige Gros der Gläubiger zu schädigen, andererseits dadurch, )aß man seitens der Banken annahm, daß mit jenen 2 Mill. M. noch nicht allen drängenden Forderungen Genüge geleistet werden könnte. — Welches Endergeb niß der Konkurs haben wird, ist jetzt noch von Nie mandem zu sagen. Die Verhältnisse werden selbst von den Personen, die den größten Einblick haben, sehr verschieden beurtheilt. Bon der einen Seite wird immer noch an der Hoffnung festgehalten, daß mit der Zeit nicht nur die Einleger sämmtlich befriedigt werden können, sondern auch auf die Aktien noch ein Tyeilbetrag entfallen dürste; andere halten zum min desten daS Aklienkapital für verloren und sehen auch die Einlagen gefährdet. Unter den Einlagen befinden sich auch Beträge von zusammen über 60,000 M, die verschiedenen kleineren Gesellschaften und Klubs gehören und jetzt zu Weihnachten zum größten Theil heraus- „Ludowika." Original-Roman von A. v. Gersdorf 23. Korts. Nachdruck verboten. Hm, man dürste auf diesen Bittgängen bei den Geschäften nicht zu elegant erscheinen. Also das schwarze Faillekleid, das Sammetcape und den Hut von der Gerstel. Dem sah man die fünfzig Mk. nicht an, die er gekostet Schauderhaft war er. Zu dumm bei diefen renommierten Geschäften, wo immer fo ent- setzlich viele Menfchen waren, daß man gar keine Zeit hatte, zu probiren, ob einem eine Sache zu Ge- sicht stände oder nicht. Fertig in Toilette, jung, hübsch, sehr elegan: aussehend, trat sie rauschend bei dem Gemahl ein. „Wie schön Du aussiehst und wie jung, meine Elli, sagte er mit einem matten Lächeln. Er hatte eine sehr schlechte Nacht gehabt. Sie küßte ihn zärt- lich auf daS volle weiße Haar. „Immer fagst Du mir etwas Liebes, mein Viktor." „Wie könnte ich anders! Wirklich, fchöner w>e je siehst Du heute aus, Elli. Man würde Dich und Wikchen für Schwestern halten." „Ja," lachte sie, „und mich für die schönere am Ende — leider!" Damit rauschte sie, ihm herzlich zulächelnd, hinaus. Am späten Nachmittag erst kehrte sie, aufs Böseste herabgestimmt, nach Haufe zurück. Sie hatte kein Glück gehabt. Die Bank hatte sie schon geschlossen gesunden. In den anderen Geschäften waren die Herren nicht anwesend gewesen oder für sie nicht zu sprechen. Elend, nervös abgespannt lag sie in den K ssen des Wagens, zitternd und schauernd, wie oft um diese Dämmerstunde. Das war ihre chlimmste Zeit. Als sie heim kam, schlief ihr Mann. Borstchlig, ihn nicht zu stören, schloß sie seine Thür wieder und fragte nach ihrer Tochter. Es war Diaerzeit. Fräulein Ludowika sei ausgegangen. „AnSgegangen? Wohin denn?" Die Jungfer wußte es nicht. — DaS war noch nicht dagewesen. „Ist LouiS mit dem gnädigen Fräulein?" „Nein, daS gnädige Fräulein ging allein." Auch das war noch nie dagewesen. Ihre Tochter allein zur Dämmerstunde, ohne anzugeben, wohin? Erst als sie ihr Ankleidezimer wieder betrat, dachte sie an den Exekutor und athmete auf, als die Miwxj noch da waren. 8. Kapitel. Louis öffnete geräuschlos die Flügelthüren zum Speisezimmer. Warmes, behagliches Licht strömte heraus, der fein gemischte Duft pikanter Schüsseln und der Nelkenduft auS den Jardinieren, welche stets die Mitte des Speisetisches zierten. Leichter Rheinwein fchimmrrtee goldig in einer hohen Krystallkaraffe, und in einer altdeutschen Kanne mit Silberbeschlag funkelte d e tiefe, köstliche Rubinfarbe des alten RothweinS, den allein der kranke Hausherr vertrug. Die Familie war allein. Es ging daher ver- hältnißmäßig einfach zu bei dem kleinen Diner, daS zur englifchen Tischzeit servict wurde. Ruhig und friedlich lagen die schönen, behaglichen Gemächer im Schein weniger, aber ausreichender Lampen mit gelb lichen Seidenbchängen. Frau Holdewacht litt keine ganz unbel uchteten Zimmer. Sie mochte sie schon nicht passiren, um in ihren Salon, in ihr Boudoir zu gelangen. Ebenso war natürlich alles angenehm durchwärmt. Der kleine Tanzfaal allein war ge schlossen, als letztes der Gemächer. Im Boudoir Frau Ellinors brannte eine neue, reizende Kupferlampe, in welche der Glasschlauch mn Umständlichkeit hineingelegt war, über dem runden Tischchen vor dem zierlichen Sopha. Auch hier Mai glöckchen und andere frische Blüthen in bronzirten Schalen, zierliche Zigarrenschälchen, einige gelbe Librairieo ir-m^aises, moderne Witzblätter darunter. Hier und da standen bequeme Stühle umher. Auf einem derselben lag ein: Handarbeit, ein Stückchen rother Seidenplüsch mit vorgezeichnetem persischen Muster, an welchem Frau Holdewacht zuweilen mit Goldfäden hin- und Herzog, wenn sie einmal gar nichts anderes vor hatte und allein war. Etwa fo vor und nach Tisch ein halbes Stündchen hier traulich und gemüthlich sitzend, wie sie eben jetzt gethan, bis LouiS, geräuschloWber dem Teppich schleichend, melden kam, daß angerichtet sei. Draußen schien häßliches Wetter zu sein, man hörte in der Stille des schönen Gemaches das Tropfen des Regen gegen die Scheiben, das rasche Rollen de, Wagen draußen auf den Siraßen, und ab und zu einen pfeifenden W ndstoß um die HauSecke kommend, leicht an den wohlverwahrten Fenstern reißend. Frau Holdewacht fühlte sich, nachdem sie in ein elegantes HauSgewand gefchlüpft war und ein GläS- chen Sherry zu sich genommen hatte, wieder recht be haglich, und obwohl in leichter Spannung, was wohl ihre Tochter zu folchem ungewohnten Ausgang be wogen habe, nahm sie, ihrer und der Meldung harrend, daß fervirt fei, ihre Stickerei vo»-, an der sie mit lässiger Hand das bcquem vorgezeichnete Muster nachzog. Sie konnte wirklich an die Menschen erinnern, di am Fuße eines feuerspeienden Berges, jeden Momente eines furchtbaren AusbrncheS gewärtig, ruhig und sorglos wohnen, das Land bebauend, und auf Jahre hinaus Pläne machend, während daS Verderben allen Anzeichen nach nicht mehr lange auf sich warten lassen wird, immer starke Rauchwolken sich dem Krater un heildrohend entwinden. In dieser Stunde war ja noch nichts geschehe«, aß sie noch, trank sie noch, saß sie in behaglicher Um gebung. Es war fo ganz undenkbar, daß das auf einmal nicht mehr da sein sollte, was doch so lange ruhig gewesen war. Wie oft hatte das Unheil der Untergang doch angeblich schon so nahe über ihr geschwebt und war immer wieder vorbeigegangen. —i „Luffa oa s'sccoatume" las sie lächelnd die letzten Worte eines Kapitels in einem der gelben Bücher, das sie flüchtig blätternd aufgeschlagen, während die Arbeit in ihren Schoß sank. Im Souterrain herrschte keine so friedliche sorglose Stimmung. Da witterte man irgend ein böses Wetter, einen überraschenden Zu sammenbruch, irgend ein sehr unangenehmes häus liches Drama, das mehr oder weniger unangenehm auch in die Existenzen und Lebensfragen der Dienst leute des reichen Mannes Hineindringen mußte. Eins und das andere war erlauscht, gelesen, errathen und kombinirt worden. Die Leute waren alle erst kurze Zeit im Hause. Irgend ein theilnehmendeS Interesse klang aus ihren gelegentlichen Unterhaltungen nicht heraus. Nur die Besorgniß, daß etwas faul sei, eS auch sie angehen könne, und das man ihnen zu ver bergen strebte. Fortsetzung folgt.