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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 20.10.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190110200
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19011020
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19011020
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-10
- Tag 1901-10-20
-
Monat
1901-10
-
Jahr
1901
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 20.10.1901
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Amtsblatt. Nr. 246. Sonntag, den 20. Oktober 1901. 8. Beilage. Zigarette». Skizze von Curt Julius Wols. (Nachdruck Verbote».) Zwei — vier — sechs — acht — zehn — wieder eine Schachtel voll. Sauber uud gleichmäßig nebeueinanderliezend, den Goldaufdruck nach oben, Men die vom gelbbraunen, wie Honig duftenden, echt türkischen Feinschnitt rund- auSgepreßten PapyroS das elegante Schächtelchen; dann kommt der Deckel darüber, ein entzückend kolorirter Bilderdcckel, der neben einer märchenhaft gekleideten glutäugigen Orientalin in prächtigen Lettern den Namen „Cc'ila" trägt; dann wird der geschlossene Rand mit der Fabrikmarke verklebt, und die dritte Stoßreihe verkaufsfertiger Zigarettenschachtel» auf der Arbeits- tasel der Einlegerin Babette Grundlach ist wieder um ein paar Zoll höher gerückt. Ohne eine Minute auSzusctzen, zieht sie mit flinken Fingern vom Vorrath linkerhand eine neu: Schachtel heran, rafft mit der rechten die nöthige Anzahl Zigaretten, d:e sie vollkommen im Griff hat, aus dem SortimentSkasten und läßt die weißen, knisternden Dinger einzeln in die Schachtel rollen, mit der Linken nachhelfind und die Sardinenlaze herstellcnd. Dann ist wieder eine Schachtel fertig. So geht das an sich zwar flott, zusammengcnommen aber unendlich ermüdend im ewigen Einerlei. Tag für Tag, Woche für Woche. Die anderen Einlegerinnen verstehen cs eher, sich mit der Monotonie der Arbeit abzufindeu. Sic schwatzen vom Morgen bis Abend, tauschen mit so großem Interest: ihre beständig wechselnden Gedanken aus, daß cs den Anschein gewinnt, als ob die Arbeit Nebensache wäre. Dabei muß es lustig sein, was sic sich erzählen, fortwährend hört man sie kichern, oder wenn der Lagerhalter nicht in der Nähe, in laute« Gelächter auSbrechen. Besonder- lebhaft vollzieht sich der Gefühls- uud Gedankenaustausch an den Montagen, wenn die Gemüter noch voll von den Erlebnissen des Sonntag- sind und nach kurzem Freiheitsrausch de, erste Tag einer langen arbeitsreichen Woche sich ver- drossen und endlos in die Länge zieht. Mit halbem Ohr hört es die kleine Babette Grund lach zuweilen, wie man in Erinnerungen schwelgt. Sie könnte vielleicht auch manche hübsche Einzelheiten von ihrem Sonntag erzählen, den sie in der Vorstadt draußen bei der kranken Mutter verbringt; aber sie weiß, daß sie damit bei den Genossinnen kein Ver. ständniß findet, höchsten» ein halb spöttisches, halb überlegenes Lächeln Seit sie cS abgelehnt hat, sich an ihren zw.ifelhaften Vergnügungen zu betheiligen und dafür als „Gans" oder „Gründling" hingestellt wurde, ist sie froh, in Ruhe gelassen zu werden. So kommt, geht und arbeitet die kleine Babette still und cingeschlossen in ihre eigene, so ganz verschiedene Ge dankenwelt. Dazu immer einfach und nett gekleidet, bringt sie in die geschäftig lauten, von beizender Tabaks luft und aufreizenden Reden erfüllten Fabrikräume etwas von der frischen Luft der Vorstadt mit, von der fried lichen Abgeschlossenheit ihrer kleinen Giebelwohnung, die sie mit der Mutter theilt, jenem hübschen Nest unter dem breiten Dach eines ehemaligen Bauern hauses, aus dessen blumenbesetzten Fenstern man weit hinaussieht ins flache Land, im Sommer die Kirchcn- glockm der Dörfer hört uns im Winter die pracht vollsten Sounenuntergänze beobachten kann. - Aber freilich, unter den tausenderlei eitlen und thörichtcn Forderungen, die rings um sie her aus lebensdurstigen Herzen an das Glück gestellt werden, hat sie auch ihre besonderen, mitunter recht sehnsüchtig hervorbrechenden Wünsche, Wünsche, die im Verlaus deran schlimmen Erfahrungen reichen Fabrikbeschäftizung längst schon feste Gestalt angenommen haben und unter allen diese», sich oft recht traurig vollziehenden Einzel- schicksalen Bilder einer besseren Zukunft vor ihr inneres Auge breiten. Wenn sie die Fabrik verlassen könnte, eine Näh maschine besäße uud dar, was sie gelernt hat, so lange der Vater lebte, berufsmäßig verwerthen könnte! Dann würde sie den ganzen Tag zwischen den Blumen am offenen Fenster oder an der schnurrenden Maschine sitzen, der Mutter eine treue Pflegerin sein und zu gleich den Lebensunterhalt verdienen, indem sie Kleider für Frauen und Mädchen, hübsche Sache für die Kleinen und Kleinsten fertigt. Eine Nähmaschine wünscht die kleine Babette Grundlach und denkt dabei an jene wunderbaren Ge schichten, die zuweilen in der Zeitung zu lesen sind, wenn eine arme Wittwe in der größten Roth und ge stärkt durch das Vertrauen auf Gott, sich an einen großmögenden Herrn gewendet hat, der im Ueberfluß lebt, mit der bescheidenen Bitte, ihr in dieser oder jener Gestalt ein Gran seines Nebenflusses abzulaffen. Wenn dann eine lange bange Zeit der Erwartung vergeht, bis eines Tages, nachdem sie die Hoffnung saft auf- gegeben, der menschenfreundliche KrösuS über ihre arme Schwelle tritt ein inhaltschweres Packet unterm Arm und das mit freundlichem Lächeln auf den Tisch legt: „H'er, liebe Frau, ist da» Gewünschte und nur ja tun Muth nicht verlieren." Gute und großmüchige Herren giebt eS gewiß viele in der Welt, denkt die kleine Babette weiter, in dem sie einen neuen Slvß fertiger Schachteln aufzu schichten beginnt; aber wo? Vielleicht sind cs diejenigen, die gerade diese Z-garette rauchen; denn die Marke Cella, das muß sie vom Lagerhalter, der ihr immer die bestcn Sorten auverlraut gehört zu den feinsten und teuersten, welche die Fabrik prosuzirt Darunter wird gewiß einer sein, der ihr helfen könnte; die Haupt sache ist, wie ihn finden, wie sich ihm anverttauen? Ihre rechte Nachbarin zum Beispiel, die große hübsche Frieda Leistenbrccher, kennt eine Menge reicher und vornehmer Herren, von deren Freigebigkeit si: di. ungewöhnlichsten Dinge erzählt. Aber die Frieda Leistenbrccher möchte sie am aller» enizlten ins Ver trauen ziehen und selbst jene Ort- aufsuchen, Tanz- salonS und andere öffentliche Lokale, wo man ihre Bekanntschaft machen kann, das brächte sie h nter dem Rücken ihrer kranken Mutter denn doch nicht übers Herz. Doch als sie eben die letzte Schachtel vorbereitet, die ganz versonnene, kleine Gründlach, da schießt ihr plötzlich ein überraschender Gedanke durch den Kopß verblüffend einfach im ersten Augenblick, aber freilich bei näherer Ucberlegung recht unsicher in Bezug auf den Erfolg. Allein warum soll dec Zufall, der so o't eine Sache wunderbar hinaussührt, nicht auch ihr ein mal zu Hilfe kommen ? Wird cs nicht ernst genommen, kann cs als Scherz gelten, aufdringlich ist cs auf keinen Fall. Nur ein Weilchen zögert Lie kleine Babette, dann holt sie mit dem Muth der Wahrheit und eines recht schaffenen Herzens, das an die Güte der Menschen glaub,, einen Zettel aus ihrem Fach, feuchtet die Blci- üistfpitze zwischen den Lippen an und schreibt, während die Stärke des Entschlusses ihre Bäckchen höher färbt, sieben Zeilen auf dar weiße Blatt. „Guter Herr, der diese Schachtel gekauft hat, wollen Sie nicht einem armen Mädchen, das gern aus der Fabrik fortmöchte, um ganz bei der kranken Mutter zu bleiben, zu einer Nähmaschine verhelfen? Achtungsvoll Babette Grundlach, Zigaretten-Einlegcrin, Bernburgerstraße 1." Die Mädchen an den Seitentischen, denen so leicht nichts entgeht, was um sie hsrgeschieht, sind aufmerk sam geworden durch das ungewöhnliche Treiben der kleinen Babette. „Stille, Kinder," sagt die eine, „die Sache macht sich; sitzt schreibt sie schon Liebesbriefe" Und die Leistenbrccher, die große, hübsche, freche Person trällert mit spöttischem Lächeln: „Unser Gründling aber voll Verlangen, Sucht die Sache praktisch anzufangen." Darüber erschrickt die kleine Babette doch ein wenig, fcuerroth im Gesicht verbirgt sie rasch der Zettel im Schub ach; aber nur so lange die andern sich mit ihr beschäftigen, im nächsten unbewachten Augen blick kommt cr wieder zum Vorschein, um diesmal in der letzten fertigen Zigareitenschachtel zu verschwinden Nun noch die Marke aus den Rand, dann ist auch der letzte Stoß vollzählig. So, jetzt wär'- gcschch'N. Vom Saaleingang her nähert sich der Lagerhalter mit dem Kommissionszettel, der eben aus dem Kontor gekommen ist. Der Packec, einen Korb in der Hand, begleitet ihn. Beide machen Halt bei dcr kleinen Babette, der das Herz bis zum Halse heramschläat. „Lindau und Winterjeldt: 100 Stück ,Cella"' verliest der Lagerhalter. Und ehe sie es hindern, die inhaltschwere Schachtel zurückziehen kann, hat dcr Packer die beioen letzten Stöß: vo r der Tafel in den Korb gehoben. Jetzt helfe dir Golt, kleine Babette! »Die Zigaretten! Ich sehe die Zigaretten nicht." „Leider noch nicht besorgen können" „Ja, aber cs wird doch nun höchste Zeit, was denken Sie denn! — Friedrich!" „Gnä' Frau?" „Gehen Sie doch mal rüber zu Lindau L Winter feld. Ich lasse um eine gute Zchnpsennig-Zizarctt bitten, eventuell auch von einer Dame zu vertragen. Bringen Sie — füm, jawohl fünf Schachteln." „Sofort, gnä' Frau." Friedrich geht über die Straße zu Lindau und Winterfeld. „Frau Baronin von Korff," bestellt er, trotz der Eile mit heraus'.ckehrter Domestikenwürde, „lass.» um eine gute Zehnpfennig-Zigarctte bitten. Frau Baroniu sprachen vcu einer Dame." „Schön," sagt der Verkäufer, „na, was nehmen wir denn da. — Ja, hier sind gleich welche mit einer Dame drauf. Kann sie auch sonst wirklich empfehlen." Er eutnimmt dem Glasschrank die fünf obersten Schachteln d:r Marke „Ceila" und händigt sie dem Diener auS. Jetzt, kleine Babette, wenn du Glück hast und deine Schachtel dabei ist, kannst du dich freuen. In eine bessere Gesellschaft könnte sie garnicht gerathcn. Friedrich plazirt die fünf Schachteln auf dem Rauchtischchen im Salon und stellt sich dcr Gnädigen wieder zur Verfügung, die an den Arrangements noch mancherlei zu ordnen, zu ergänzen findet und den Dienstboten gegenüber durchaus nibt mit scharfen Kritiken spart. Sobald aber die ersten Gälte erscheinen, werden sie in altberühmter Weise von der lieben, lächelnden hochverehrten Baronin begrüßt, deren bezaubernde Liebenswürdigkeit ebenso unbestritten bleibt, wfi der sublime Geschmack, der aus diesem glänz-nden Milien lichtfluthender und stimmungsvoll dckorirter Festränme spricht. Sie sind denn auch von dem besten gefüllt, was d e Residenz an Trägern alter Namen und junger Ehren, an Vertretern dcr Geist- und Geldaristokratie aufzuweisen hat. Entblößte Fraucnschultern, wie inkarnirter Marmor schimmernd, neben bätzmdcn SchnürencpauletteS, duftig" Seidene, den vor dem toten Schwarz dcr Fracks zu Boden rieselnd, da? farbige Blitzen kostbarer Steine, den Glanz goldener Reifen und der Lackschuhe überstrahlend, lächelnde Fcauen- lippm und hochgcpreßte Kaiselschnurrbärte — so wogt die Gesellschaft der Baronin von Korff als blendend, s Bild dcs Luxuslebens unter Palmenwedeln und klystallencn Lustren. uud keinen Augenblick stockt die leichlflu sigc, virtuose Unterhaltung dieser bevorzugten Meufchenklasse. Auf du» Rauchtisch stehen im Licht der Anzünde- kerze die fürs Zigarcttcnschachteln. Wtnn wirklich eine gewisse Schachtel, einen kleinen vollgekntzckien Zettel enthaltend, darunter ist, wie wird vor diesen, vom F stzerä.isch widerhallenden Ohren deine lächerliche demüthige Bitte klingen, kleine Babe te? Rach dem Souper, wenn die alten Herren das Spielzimmer aufsuchen, gruppieren die Kavaliere sich an den Wänden, um beim Nasenprickel einer guten Zigarette den malerisch über die Fauteuils verstreuten, Himer dem Fächer plänkelnden ued plaudernden Damenflor mit Balllöwenaugen zu krilisircn. Drei vier von ihnen haben schon die oberste Schachtel ge öffnet, den beschriebenen Zettel entdeckt, auch gelesen und sind mit erhabener Ruhe, aber ohne Zigarette, an ihre Plätze zurückgckehrt Alsbald gespanntes Aufblicke» jedesmal, sobald wieder einer zum Rauchtisch schreitet, ein leises, mokantes Lächeln di- Wand entlang, wenn Ser Betroffene mit tadellos markirtcr Gelass nhert das fatale Kästchen zurückschicbt und dann zwischen Be obachter und Objekt ein fast instinktiv.r Blickwechsel: auf der einen Seite die verständnißvollc Jntcijekoon: „Auch Du, mein Sohn Brutus ?" und auf der anderen die ebenso stumme und v rwundcrte Frage: „Weißt Du, G ntleman, was zum Teufel das bedeutet?" So war also thatsächstch deine Schachtel unter den gekauften, kleine Babette. Aber sind das auch oic richtigen, die guten und großnüthigen Herren, an die du beim Schreiben dieses Zettels gedacht hast? — Arme Babette! Die AnfangStakte der Polonaise klingen, das Schwirren der Gespräche durch den ersten Wohllaut unterbrechend, vom Balisaal herüber uns die Scene belebt sich. Die Kavaliere verlassen die Wand und mischen sich unter den Damenflor. Glänzende Scheitel verbeugen sich tief, und aus dem farbigen Gewühl löst sich Paar um Paar, mit erhellter Miene dem Ratten iängcrzaubcr der Musik nachstrcbcnd. Es wird last leer iw vorhin noch übervollen Raum. Nur ein paar verlegene Mauerblümchen beginnen wüthcnd zu plaudern, und die tanzunlustigen Einzelerscheinungen an der Wand g den sich den Anschein, als bemerkt n sie von Hamen nichts. Unberührt stehen auch die fü"fZigarcttcvschach»c!n noch auf dem Rauchtisch. „Ouh, wie langweilig das deutsche Walz?!!" sagt die Marquise O'Bym, eine rothblondc Saisoiffchö hcU von amerikanischer Herkunft. „Kommen Sie, zu plaudern, meine Herren, plaudern ist angenehmer wie zu tanzen." Von ihren Verehrern qe'olzt. die beinahe das Dutzend vollmachcn, k.hrt sie m t schleppender Robe in den Safim zurück, um es sich echt amerikanisch au' der nächsten Chaiselongue bcqa m zum machen. »Ah, Z.garetten!" ruft sic erbeut, die sün' Schachteln Zigaretten enideckend. „Mister v. Friesen, wollen Sic bringen? Der elegante Offizier in der dunklen, ungemein klcidsamcn Jägerunisorm, springt schneller auf als cr sie kurze Entfernung bis znm Rauchtisch zurückiegt. Leiber sucht ihm diesmal keine' von den Rebenbiihler» zuvorzukommcn. Dcr alberne Zettel da in der obersten Schachtel! Was ist zu machen? Schnell entschlossen streikt er die erste Schachtel vom Stoß herab und präsentier: dcr Marqu se die zweite. Die Marquise aber hat das Manöver b:mcrkt. „Warum die zweite, Mr. v. Friesen?" „Ah, pardon — natürlich ohne besond r n Grund Gnädigste — übrigens ein und diesclbe Ma ke." „Das macht nichts. Ich will immer das erste haben." „Bitte." Dienstfertig, aber mit fataler Vorempsindung roll- zieht er den Umtausch. Was nun, kleine Babllte? Dein kümmerliches Anliegen, aus dcr Verborgenheit ans Licht gebrecht und diesen schlanken, wunderbar weißen, von Diamanten blitzenden Luxushänden anvertraut — was soll dak werden? Wenn schon di: Kavaliere, aff die du so große Hoffnung g setzt, ohne Mitleid sina, wis soll die glänzende und gefeierte Weltdame Interesse haben für die Herzenswünsche einer geringen, kleinen Zigare'tm- cinlegerin ? Die Marquise hat den Z ttcl g lesen, außer ihm )ann noch eine Zigarette herau-genommen, für die sie mit unverändert liebenswürdiger Miene nm Feuer bittet. Die ersten Züge nimmt sie voll, fast krä'tiz von der Streichholzflamme weg, den Rauch kcrzcngrad: von sich blasend; aber dann würden die Züge kleiner verhaltener,-tändelnd wirbeln die aromatischen Wö.kchm von ihren blühenden Aphroditenlippeu und über das weißschimmernde Rvsstgcsicht, das sich leise gegen du Polster lchnt, huscht ein nachdenklicher Schatten. Das graue mondäne Auge wird plötzlich weit und we blich tief; auf einen Augenblick versenkt sich diese unbuechen- bare Näthselseele in die enge, arme nothoers^räa.tc Welt der Bedürftigen, die üü.rzangSloS und lern von dieser g'änzendeu Umgebung liegt. „Still, Ihr Edlen des Volkes!" sagt der klein: GesandtschaftSattathä von Wessen, dcr entsch edc» eine poetische Ader besitzt, „still! — die Königin träumt Im Dämmer der Narkose taucht südliche Landsch ff! leuchtend empor, ultramarinblauer Himmel, der roth- A?z des Jussuss, ein grauer Eselsrückm. dunkclg ünc Chpressen und die gclb-weißen Mauern einer Moschee Vom Spargelstangcnmiuarct herab ruK dcr Muezzin mit dem melodischen Baß alle Gläubigen zum Gebet. Und die frommen Türken liegen im Staub mit ih^en Frauen und flehen und beten: A"ah ist groß! Die gelb: Sichel aber zieht leuchtend herauf über den Bosporus, Miriaden von Sternen spiegeln sich im Wasser und im Hawn die Lichterrcihcn verankerter Schiffe. Indessen singt im Rosenzcbüsch am Ufer die Bülbül liebeselig von den Wundern der tausend uns einsten Nacht." Einige Kavaliere lachen; aber die Marquise raucht ernst und nachdenklich weiter. „Gnädigste," beginnt nach einer Weile der Ober leutnant von BrcSkvw, der kein Auge von ihren Lippen wenden kann, „mein Kompliment — Sie verstehen zu rauchen. Unsere Damen, die ich bisweilen dilctticrcn sehe, halten die Zigarette, wie das Licht aus dem Heu boden. Das ist kuu D lettantismus hier, das ist die kennende Kunst dcs Kenners, der zerstreuende Opter- brand des b.klemmten Philosophen, dreifacher Genuß, erstens für Ihren Geruch, zweitens für Ihren Geschmack, drittens für mein Anze. Gnädigste," schließt er in Serbe Hulsigunz ousbrechend, „bitte, schenken Sie mir Ihre Zigarette." „Zigarette, wo ich haben geraucht?" »Ja." „Wozu?" »Zum In den-Mund-steckut," siel dcr kleine Wessen scherzens ein. „Woll, was geben Sie, Mr. v. Brcskom?" „Was Sic verlangen." „Gut. Mr. v. Fc-esen, wollen Sic geben auch mr Zigarette von mir, was ich verlange?" „Mit Wonne." „Mr. v. Wessen ebenfalls?" „Ebenfalls MU W., mit Wchmuth aber, Gnä-igste." „Und die anderen zerren auch?" „Natürlich." „-HInFüt! Ich rauche Zigarette und träume nicht von dcs kranken Mannes Land, nicht von Tausend und eine Nacht, wo ist lä'gst vorbei. Ich träume von das kleine Mädchen, wo hat diese Zigarette ge macht. Seine Mutter ist krank zu Bet', und sind viele schlechte Menschen in derselben Fabrik, wo cS nicht ble.ben will." Und sich «»'richtend, sieht sie die Kavaliere dcr Ruhe noch m t ihren wunderbaren Augen an: bann 'rügt sie mit iein abgewogenem aläche.n um den Mund „Bitte, was kosten c>ne Nähmaichiuc?" Dcr lange von Breskow kommt allen zuvor. Er st au'gcsprung n und wint sich in die Brust. „Endlich weiß ich," sagt cr lachend, „wo da hinaus soll. Ja — ja — bravo — bravo! Bitte, bemühen Sie sich nicht länger, Gnädigste — zehn Ritter, wenn auch zu Ihr n Füßen, sind ja doch kein Pappenstiel. Wir geben gern und freiwillig, was uns in Anbetracht dcr guten Sache — eine von Götter tippen angcrauchlc Zigarette werth ist." Und während die schöne Amerikanerin nach und nach zehn Zigaretten zwischen die Lippen nimmt cm zündet, in Zug bringt und dann den verliebten Kavalieren einzeln in den Mund schiebt, füllt sich dcr kleinen Babette leere Schachtel mit rundzcpräztun, klingendem Golde. Welch' 'cohcr Tag für Sich, kleine Babette, wenn sie Thore dcr Fabrik mr immer hintec dir zufallen, wenn Lu zum ersten Mal sür alle Zeit am offenen F nster bc> der Mutter bleiben kannst, die DorfglocOn über die sonnigen Felder klingen, Kinder au» dcr Straße jauchzm und das alles doch nur halbübcrhörtc Begleitmusik ist zum Schnurren dcr neuen Maschine. Glückliche Babette! Einfuhr nmtnknmfchtr kohlen nach Deutschland. Wenn auch nicht zu leugnen ist, daß die a neri- kanische Kohle »der europäischen wachsende Konkurrenz macht, so ist doch diese Gefahr für die deutsche Kohle sehr gering. Seit Anfang dieses Monats ist der H. BH. zufolge nur eine Ladung amerikanischer Kohlen in Hamburg angr kommen, und die Importe im vorigen Quartal haben die Ziffer von etwa 2000 Ton. kaum überschritten. Zum Ende des Monats wird ein Dam pfer mit ame> ilanischen Kohlen in Hamburg erwartet, und fernere Verhandlungen für spätere Lieferungen sind noch im Gange. Nach der Ostsee ist cin Dam pfer mit amerikanischen Kohlen unterwegs. In Rücksicht ans die Bedeutung der oben an gedeuteten Fragen muß cs von anßerordentllichcm In teresse sein, die Meinung eines Pfannes über dieselbe zu hören, der als Luter einer der beiden größten Reedereien der Erde einen Einblick in daS Wirih- ichastSleben Deutschlands hat, wie es nur wenige Mensche» besitzen. Generaldireklvr Dr. Wiegand vom Nordd. Llopd ist dcr Ansicht, daß die amerikanische Kohle zwar nicht unmittelbar, wohl aber mittelbar in nicht allzu ferner Zeit einen Einfluß aus den euro päischen Kohlenmarkt auLüben werde. Eine dirrtle Einsuhr amerikanischer Kohte in größerem Maße nach nordeuropäisch.m Häfen halte ec für ansgeschlossni, und zwar deshalb, weil trotz der nicht uneiheblich ge ringere» Föcdenlngskosten der amerikanüchcn Kohle die Differenz zwischen diesen Fvrdermigskosten und denen der englischen und deutschen Kohle noch immer niedriger sei als der Betrag der Seefracht zwischen den Vereinigte» Staaten und den nordenropäischen Häfen. Diese Seefracht werde für den Transport amerikanischer Koh e stets vuchältnißmäßig hoch bleibe»
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