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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 27.09.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190109277
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19010927
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19010927
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-09
- Tag 1901-09-27
-
Monat
1901-09
-
Jahr
1901
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 27.09.1901
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— Chemnitz, 2b. Sept. Bei der heutigen Wahl von Wahlmännern in der 3. Abtheilung für die Landstagswahl im ftädt. Wahlkreise wurden aus schließlich Sozialdemokraten mit sehr großer Mehrheit gewählt. — Das Kgl. Schwurgericht begann heute seine Tagung. Wie schon erwähnt, hat dasselbe über 13 Anklagen wegen Sittlichkeitsverbrechen abzu- uctheilen. Der heutige Tag brachte gleich zwei der artige geheim gesührte Verhandlungen. Ein italieni scher Steinbrecher wurde wegen eines bei Burgstädt aus der Straße verübten Verbrechens zu 7 Monaten 1 Woche Gefängniß, der bisher unbescholtene 37 Jahre alte Gutsbesitzer Ernst Rich. Eichler aus Thalheim wegen gleichen auf öffentlicher Straß; verübten Ver brechens zu 1 Jahr 3 Monaten Gesängniß verurthei't. — Chemnitz, 25. Sept. (Gerichtssitzung der Strafkammer III.) Am I. Juni 1901 wurde bei der Gendarmerie zu Grüna vom Geschäftsführer Schramm aus Wüstenbrand Anzeige dahin erstattet, daß in dem von ihm mitbewohnten Hause seines Vaters in Wü stenbrand in der vorhergegangenen Nacht ein Ein bruchsdiebstahl verübt und ihm hierbei außer einigen Waarenvorräthen auch ein baarer Geldbetrag von 250 Mark gestohlen worden sei. Der alsbald am That- orte erschienene Gendarm M. hatte zunächst zu kon- statiren, daß anscheinend ein Eindruchsdiebstahl statt gesunden hatte, zugleich aber hatte er auch festzustellen, daß ein gleicher Einbruch auch in die in der 1. Etage befindliche, verschlossen gewesene Wohnung des in jener Nacht nebst Ehefrau vom Hause abwesend gewesenen Privatmann I. anscheinend stattgefunden hatte. That- sächlich war aus dieser Wohnung eine eiserne Geld kassette, welche auf dem Boden eines in der Wohnstube gestandenen Kleiderschrankes festgeschraubt gewesen war, sammt Inhalt gestohlen worden. Der weitere Besund ergab jedoch dringenden Verdacht, daß der im Par terre verübte Einbruch nicht nur überhaupt, sondern auch, daß der im oberen Stockwerke verübte, soweit hier die Art und Weise der Ausführung in Frage kam, lediglich fiagirt war und daß, den zum Nach theil J.s verübten Diebstahl anlangend, dieser nicht, wie es nach den Vorkehrungen den Anschein erwecken sollte, von außen her stattgefunden hatte, sondern daß der oder die Diebe vielmehr vom Innern des Ge bäudes aus sich Eingang in die verschlossen gewesene J.sche Wohnung verschafft batten. Alleiniger Verdacht der Thäterschaft an diesem letzteren Diebstahle richtete sich gar bald gegen den Anzeigeerstatter Schramm selbst, und zwar weil derselbe einmal nicht gut beleu mundet und in der Diebstahlsnacht im Hause an wesend gewesen war, das andere Mal ihm im Hin blick auf sein nicht einwandfreies Geschäftsgebahreu und darauf, daß er am Tage nach der That einen Wechsel über ein paar Hundert Mark zu decken gehabt hatte, endlich aber der von ihm selbst zur Anzeige ge- brachte, zu seinem eigenen Nachtheile verübte Diebstahl nach der ganzen Sachlage zweifellos ein fingirter war. Als deshalb seitens des Amtsanwalts zu Limbach am 18. Juni Erhebungen an Ort und Stelle in Wüsten brand vorgenommen wurden, benahm sich Schramm bei seiner im F.schen Gasthause erfolgten Vernehmung dermaßen ungehörig und rabiat, daß er deshalb Anordnung des Amtsanwalts vom^Ge«^cm M. vor läufig festgenommen ^untz--Wch-de^ ab- geführ^wurd;. Hierbei leistete er nicht nur erheblichen —S-^ccstand, sondern belegte auch den Gendarm zu Angehör anderer Personen laut mit allerhand Schimpf namen, wie er endlich weiter, als er in der Orlszellc untergebracht war, sich des Vergehens der Sachbeschä digung dadurch schuldig machte, daß er vorsätzlich ein großes Loch in die Wand schlug, Ofen, Nachtstuhl und Pritsche zerschlug und den Strohsack und zwei Decken zerriß, dadurch aber der Gemeinde Wüstenbrand einen Schaden von 63 M. 64 Pf. zufüg'e. — Du dem I. gestohlene Kassette, deren Inhalt aus 11 Ein hundertmarkscheinen, 3 Sparkassenbüchern über Ein lagen von zusammen 1792 M. 35 Pf., einem Wechsel über 250 M., 2 LebensversichernngSpolicen, 1 Feuer- versicherungspolice und einem Notizzettel bestanden hatte, wurde Ende Juli völlig zertrümmert und ihres Inhaltes beraubt in einem Kornfelde unweit eines auf Wüstenbrander Flur gelegenen Steinbruches beim Kornmähen wiedergefunden. Der Angeklagte, der am 19. Dezember 1869 in Oelsnitz i. E. geborene, bereits mehrfach vorbestrafle und wegen weiterer schwerer Ver brechen mehrfach in Untersuchung gewesene Geschäfts führer August Oswald Schramm in Wüstenbrand, stellt auch heute den ihm beigemessenen Diebstahl auf das Beharrlichste in Abrede und verbleibt dabei, daß in der fraglichen Nacht in der That von außen her in das von ihm mitbewohnte HauS eingebrochen wor den sei, so daß sich eine sehr umfangreiche BeweiSauf- nähme nöthig macht und zu der Verhandlung eine große Anzahl von Zeugen hat vorgeladen werden müssen. Nach Eintritt in die Beweisaufnahme be schloß der Gerichtshof, sich an Ort und Stelle zu ver fügen und sich persönlich durch Augenschein von den in Frage kommenden örtlichen Verhältnissen ein klares Bild zu verschaffen, hierauf aber am morgenden Tage die Verhandlung, für welche überhaupt mehrere Tage in Aussicht genommen sind, fortzusetzen. Diesem Be schlusse gemäß begab sich der gesammte Gerichtshof mit dem Vertreter der Königlichen Staatsanwaltschaft u. s. w. am Nachmittage des h utigen ersten Berhand- lungstages nach Wüstenbrand. (CH. T.) — Chemnitz, 25. Sept. Heute Nachmittag stürzte sich aus dem Bodenfenster des vierstöckigen Bäcker Brücknerschen Hauses an der Königstraße ein 15 Jahre alter Bäckerlehrling in den Hof hinab. Der Unglückliche war sofort todt in Folge Genick- und Schädelbruchs. Was den jungen Mann zur That ge trieben hat, ist unbekannt. — Um den Bau eines neuen Stadttheaters in Chemnitz rascher zu fördern, besteht die Absicht, einen Theaterbauverein zu gründen, welcher durch private Mittel den Bau eines neuen Stadttheaters energisch betreiben will. — Meerane, 25 Sept. Seit heute Mittag stehen in dem an der Grenze gelegenen Dorfe Bornshain drei kleine Güter in Flammen. Die Feuerwehren aus Gößnitz und der ganzen Umgegend sind zur Hilse herbü- gecilt. Das Feuer brach gegen 1/^2 Uhr (vermuthlich durch cm Kind verursacht) im Kertzscher'fchen Gute aus und verbreitete sich infolge starken Windes auch auf die angrenzenden zwei Güter (Herren Hering und Gerth ge hörig). Die aus 9 Gebäuden bestehenden Bauerngüter sind vollständig eingeäschert worden, auch sind mehrere Rinder und Schweine mit verbrannt. Der Schaden ist durch Versicherung gedeckt — Meerane, 25. Sept. Bei der heutigen Ersatzwahl von Wahlmännern zur Landtugsabgeord netenwahl wurde ein Kandidat der Ordnungsparteien und ein Sozialdemokrat, letzterer nur mit 2 Summen Mehrheit — mit 74 gegen 72 St. — gewählt. — Zwickau, 24. Sept. (Kgl. Schwurgericht.) Die heutige zweite Verhandlung richtete sich gegen den schon oft vorbestraften Handarbeiter Ernst Hermann Thiemer aus Remse und endete recht harmlos. Thiemer war des Straßenraubes beschuldigt; er hatte auf dem Wege von Remse nach Oertelshoin einem auf das Feld gehenden Kuhjungen ein Päckchen Butterbemmen und eine Flasche Kaffee weggenommen und den Raub alsbald verzehrt. Die Geschworenen erachteten jedoch nur Genußmittelentwendung sür vorliegend, wegen welcher Strafantrag nicht gestellt war, und so mußte der Gerichtshof auf Freisprechung erkennen. — Bockwa, 25. Sept. Der von Kirchberg 8 Uhr 54 Min. hier fällige Zug ist in der Nähe der Station Bockwa entgleist. Der Materialschaden soll bedeutend sein. — Drr -22 Jahre alte Kaufmann Franz Fischer aus Grünhainichen hatte als Contorist d r Sächsischen Waggonfabrik in Werdau aus dem GenossenschastS- Geldschrank nach und nach gegen 3000 Mk. gestohlen. Das königl. Landgericht Zwickau verurtheilte ihn zu 2 Jahren 6 Monaten Zuchthaus und 5 Jahren Ehren- rechtsverlust. — Crimmitschau, 25. Sept. Wegen Ueber- handnahme des Scharlachs und der Diphtheritis unter den Schulkindern des Vorortes Leitelshain hat die königl. Bezirksschulinspektion Zwickau den Schluß der Schulen auf 2 Wochen angeordnet. — Ueber die empörenden Vorgänge in Zinn wald i. E. am vorigen Sonntage wird den „Dresd. Nachr." noch geschrieben: Rasch ist die auf den ver schiedenen Katholikentagen ausgestreute Saat aufge- gangen, bald insbesondere der auf Aufwiegelung der Massen berechneten, von keinem Regierungsorgan ge rügt zum Fenster hinausgesprochenen Drohung des Leitmeritzer Bischofs Dr. Schöbl, daß der bisher un blutige Kamps noch zu einem blutigen werden würde, die That gefolgt: am letzten Sonntag Nachmittag hat in dem böhmischen Grenzorte Zinnwald, dessen Be wohner einst in der Zeit der Gegenreformation, um nicht „katholisch gemacht" zu werden, zum großen Theil auSwanderten, ja sogar ihre Häuser aus Balken über die Landcsgrenze schoben, ein wohlvorbereiteter, an Feigheit und Rohheit seines Gleichen suchender Ueberfall auf evangelische Ausflügler stattgefunden. Dort hatten sich Einwohner von Graupen, Klostergrab, Teplitz, Turn und anderen Gemeinden mit solchen aus den benachbarten sächsischen Grenzorten, zunächst aus Altenberg, Geising und Lauenstein, in dem Gasthause „Biliner Bierhalle" ein Stelldichein gegeben. Aus fälliger Weise waren hier auch zahlreiche katholische Z nnwalder Insassen erschienen, welche theilS inmitten der Ausflügler Platz nahmen, theilS jedoch den ein zigen Ausgang und die Treppe besetzt hielten. Als nach beiläufig einer Stunde des Beisammenseins das Lied „Ein feste Burg" gesungen worden war und der Vikar der Klostergraber Gemeinde, die Anwesenden begrüßend, auf die geschichtlichen Beziehungen der Evangelischen diesseits und jenseits der Grenze hinwies und hierbei der Zerstörung der evangelischen Kirche zu Klostergrab im Jahre 1617 gedachte, erfolgte plötz lich auf ein gegebenes Zeichen seitens der Katholiken ein Angriff mit Stühlen, Biergläsern, Stöcken und Messern auf die wehrlosen und überraschten Prote stanten, welche nach kurzer Gegenwehr vor der mehr fachen Uebermacht in einen Nebenraum zurückwichen und sich dort einschlossen. Unter wüstem Gejohle sprengten die Angreifer nun die Thür, nach deren lheilweiser Oeffnung auf die eingepferchten Ausflügler — meist Frauen und Kinder — erbarmungslos mit Biergläsern u. dergl. geworfen wurde, wobei sich be- sonders mehrere an ihren Uniformmützen erkennbare österreichische Rekruten hervorthaten. Das Zimmern und Schreien der schutzlos der Wuth der Katholiken preisgegebenen Frauen und Kinder war markerschütternd. In Angst und Schrecken sprangen mehrere der Ein geschlossenen von den Fenstern des ersten Stockwerks hinab. Während des Uebersalls waren sogar kleine Kinder mit Fußtritten bedacht und mit Messern be droht worden. Als die Römischen, nachdem sie ihre Rohheit auch an den zurückgebliebenen Gegenständen geübt, sich plötzlich zurückzogen und den Ausgang ver sperrt hatten, bot der Saal, dessen Boden mit Blut, Trümmern, Fetzen und Scherben bed.ckt war, ein Bild der Verwüstung. Nach kurzer Zeit erschienen einige der Rädelsführer und forderten unter Drohungen die sofortige Räumung des Hauses. Hindurch durch die auf der Treppe und vor dem Hausthor angesammelten schimpfenden und stoßenden Katholiken zogen nun die Protestanten ab, von rückwärts noch mit schweren Gegenständen beworfen. Auf der Straße erneuerten sich die Angriffe und die letzten den Rückzug deckenden Männer konnten sich nur durch schleunige Flucht über die nahe Grenze, selbst auf sächsischem Gebiet noch von den offenbar aufgestachelten Römischen mit einem Steinhagel verfolgt, vor der Ueberzahl retten. Au' Umwegen über Sachsen mußten Viele Nachts den Heimweg antrcten. Während des Tumultes und nach demselben war auf österreichischer Seite kein Sicher heitsorgan zu erblicken, dagegen soll der römische Orts- Pfarrer sichtbar gewesen und sich in das Gebäude der österreichischen Finanzwache zurückgezogen haben. Eine Aufnahme des Thatbestandes wurde verweigert. Das Verholten des Gemeindevorstehers sowie des WirtheS — das Gasthaus steht auf dem Grund des ultrakleri kalen Fürsten Lobkowitz und verzapft auch dessen Bier — ist befremdend und zweideutig zu nennen, im Uebrigen lassen die Umstände mit Grund aus eine planmäßige Vorbereitung deS Ueberfalles schließen. So hatte Tags zuvor, am Sonnabend, eine Besprech ung der Katholiken stattgesunden; die Zinnwalder Angreifer waren geschlossen angekommen, während die mit ihren Gebetbüchern erschienenen Frauen und Mäd chen aus ihrer Freude kein Hehl machten, endlich aber wurde, wie glaubwürdige Zeugen berichten, der römische Pfarrer nach vollzogener That mit lautem Siegesjubel empfangen. — Dieser Ausbruch künstlich genährten Fanatismus dürste von weittragender Bedeutung werden und wird im österreichischen Reichsrath zur Sprache kommen. Reichkraths bg. Dr. Eisenkolb erstattete die Anzeige an den Ministerpräsidenten v. Körber und an die Staatsanwaltlchaft. Erhebungen sind im Zuge. Ebenso ist zu hoffen, daß die Königl. sächsischen Be hörden, da sich unter den Verwundeten auch sächsische Staatsangehörige befinden und offenbare Grenzverletz ungen volliegen, Maßnahmen treffen werden, endlich aber dürste das Verhältniß der benachbarten reichs- deutfchen Bevölkerung insbesondere zu den Zinnwalder Katholiken — und dies ist zu wünschen — durch diese ebenso heimtückische als rohe Gewaltthat geklärt sein. — Hinsichilich der Uevertrittsbewegung ist zu berichten: In letzter Z-N sind in den Ortschaften Dux, Hostomitz, sowie in der Gegend des böhmischen Mittelgebirges zahlreiche Uebertritte erfolgt. Am letzten Sonntag wurden abermals 34 Personen aus Teplitz und Turn durch Pfarrer Lumnitzer feierlich in die evangelische Kirche ausgenommen. Die Bewegung macht ruhige und stetige Fortschritte. — Pfarrer Ungnad schreibt noch an Herrn Superintendent Meyer in Zwickau: Der Angriff geschah von zwei Seiten (Lokal, Biliner Bier halle 100 Schritte von der Grenze), der Mob griff im ersten Stock in einem Lokale ohne AuSgang an, wäh rend von der Straße aus die fanatische Menge, welche um 1 Uhr „Gottesdienst" hatte, mit kindskopfgroßen Steinen bombardirte. Die Wucht war so groß, daß die Fensteikceuze eingeworfen wurden.' In den Hän den hielten die Leute ihre Gebetbücher und Rosen kränze. Alle Augenzeugen berichten, daß eS als ein Wunder anzusehen sei, daß die Kinder nicht schwer verletzt wurden — cs hat sichtlich Gott die Kleinen im Gläserhagrl geschützt. Anbei übersende ich den Katechismus der kleinen Otto, welche denselben als Schutz vors Gesicht hielt — Sie sehen auf der Vor- derseite die Spuren der Glasscherben, da die Menge mit zerbrochenen Biergläsern warf. Das Kind (8 Jahre) ist unverletzt geblieben. Der K Nechismus war nagelneu. Die schwerverletzte Frau S. ist 54 Jahre alt. Herr W., ein Kämpfer von 1870, beschreibt den Anblick der Scene als grauenvoll und haarsträubend. — In der Stahliser Rittergutsschmiede wurde letzter Tage bei einem Umbau ein 28 Pfund (!) schwerer Topf mit noch sehr gut erhaltenen Silber münzen von einem Maurer gefunden. Zur Zeit der Revolutionsjahre dürste das Geld dort verborgen worden sein. — Der Restaurateur und Fleischer K. aus Vie lau verlor in der Nähe deS Gasthauses zum Bogen stein in Niederhaßlau die Herrschaft über sein Rad und fuhr infolgedessen direkt in ein ihm entgegenkom mendes Geschirr hinein. Er verletzte sich hierbei so schwer, daß er bewußtlos und blutüberströmt vom Platze getragen werden mußte. — Ein Pflichtfeuerwehrmann in Markneu kirchen, der wegen Gehorsamsverweigerung seinem Dienstvorgesetzten gegenüber von dem dortigen Stadt- rathe mit 6 Mark Strafe belegt worden war, ist auf dagegen erhobenen Widerspruch vom Schöffengericht zu 15 Mark Strafe kostenpflichtig verurtheilt worden. — Ebersbach. 23. Sept. Gestern Abend ist der Besitzer der Schloßschenke hier, Gastwirth Baumann, bei der Heimkehr von einem Besuche in Neugersdorf, als er eben die letzten Häuser von Spreedorf passirt hatte, von seinem Fahrrade gestürzt. Zwar vermochte der etwa 36 Jahre alte, verheirathete Baumann noch nach Hause zu gelangen, wobei sich zunächst nur heftige Kopfschmerzen einstellten, über Nacht trat aber eine derartige Ver schlimmerung seines Zustandes ein, daß er heute früh ver schieden ist — Leipzig, 22. Septbr. Als heute Morgen ein aus der Anstalt Bräunsdorf entwichener Zögling aus der Wohnung seiner Schwester in der Poststraße, wo er sich aushielt, zwecks Zurückbringung in die An stalt abgeholt werden sollte, kletterte er durch ein Dachfenster auf das Dach und mußte von der Feuer wehr heruntergeholt werden. — Plauen i. V. Durch Ueberfahren ist am Montag Abend der 4 Jahre alte Sohn des in der Lettestraße 24 wohnhaften Handarbeiters Schrepser tödtlich verunglückt. Der Knabe spielte unweit des elterlichen Hauses, als er Plötzlich heftiges Nasenbluten bekam, das ihn veranlaßte, nach Hause zu gehen. Das Kind bedeckte mit feinen beiden Händchen das Gesicht und lief so direkt in einen um die Ecke der Lettestraße fahrenden Bierwagen, der Günnelschen Brauerei ge- hörig, hinein, wurde zu Boden geworfen und über- fahren. Dem armen Kinde wurde die Schädeldecke und die Kinnlade vollständig zertrümmert. Der Tod trat sofort ein. — In Reichenberg i. B. hat sich eine entsetz liche Älut'hat abgespielt Als der Hausbesitzer Blaschke Abends nach Hause kam, fand er alle Thiiren verschlossen. Nachdem er durch ein Fenster eingestiegen, entdeckte er, vaß ihm aus eimm Kasten 700 Kronen gestohlen waren. Nun wurde die Polizei herbeigeruftn, und bei weiterer Untersuchung fand man die 56 Jahre alte Frau Blaschke in einer Blutlache mit einer klaffenden Kopfwunde. Kurz nach der Auffindung starb die Frau. Als der Thai ver dächtig verhaftete die Polizei den 17 Jahre alten Bäcker- gesellen Wenzel Kasper. Letzterer soll ein verstockter Bursche sein Die Gerichtsärzte sind der Ansicht, daß der Mord mit einer Hacke verübt wurde; der Angriff muß von hinten erfolgt sein. Gel». Novelle von M. Böhm e. 15. Forts. (Nachdruck verboten.) Mit dem beinahe weißen Bart, den eingesunkenen Schläfen, den tiefliegenden düster brennenden Augen, um die breite, schwarze Ränder lagen, und der eigen- thümlich braungelben Gesichtsfarbe machte er einen beinahe unheimlichen Eindruck. Trotzdem Helene ihre Ankunft telegraphisch an gemeldet, hatte er sie nicht vom Bahnhof geholt. Nun faßen sie einander gegenüber am Kaffeetisch, ohne ein Wort zu sprechen, jeder mit seinen Gedanken be- fchästigt. Helenens Bemühen, eine Unterhaltung an zubahnen, war vergeblich gewesen. Selm hatte die gesüllte Tasse von sich geschoben und lehnte mit finster gerunzelter Stirn und verschränkten Armen im S-ssel zurück. Was mag passiert sein? wiederholte Helene in Gedanken mit klopsendem Herzen. Eine rasende, be klemmende Angst schnürte ihr plötzlich die Kehle zu sammen, so daß sie keinen Bissen mehr herunlerbrachte. Und dennoch war keine Bitterkeit in ihr. Die letzten Wochen halten einen wunderbar besänftigenden, heilen den Einfluß auf ihr krankes Gemüt geübt, und zu gleich etwas in ihr erwcckt und großgezogen, was bis dahin nur ein unbewußtes, traumhaftes Dasein in ihrer Seele führte: Die Sehnsucht zu lieben und geliebt zu werden, die Sehnsucht des Weibes nach der Liebe des Mannes, und da ihrem reinen Frauensinv das Gebot der Pflicht zugleich das höchste und heilig- ste Gesetz war, hatte sie diese erwachte Sehnsucht naturgemäß dem zugeleitet, dem sie vor Gott einst Treue gelobt hatte: ihrem Gatten. Ich will ihm alles verzeihen, dachte sie in dem dumpfen Vorgefühl eines kommenden Unglücks, ich will alles vergessen. Kein Borwurf soll über meine L ppen kommen, keine Klage, wenn er nur einmal, wie damals an Vaters Todtenbett gut und liebreich mii mir sprechen wollte. Ich will alles verschmerzen, alle Kränkungen, alles Herzeleid; ich will Noth und Armut mit ihm tragen, wenn es sein muß, nichts soll mir zu viel sein; arbeiten und entbehren will ich mii ihm, — — wenn er fitzt meine Hand nimmt und ein einziges sreundliches, herzliches Wort zu mir sagt. — Lieber C ott, nur ein bischen Liebe, und alles, war ich ihm geopfert, soll tausendfach damit vergolten sein. „Gut, daß Du da bist. Ich hätte Dir heute telegraphirt," sagte er ruhig, aber mit eigentümlich heiserem Kehlton. Helene zuckte zusammen. „Ist etwas vorgefallen? Willst Du es mir nicht sagen? Hast Du wieder Verluste gehabt?" „Ja!" „Hast Du viel verloren?" „Alles! Und leider mehr als das." „Wieso?" „Ich habe Schulden." Zwischen jeder Frage und Antwort verstrich eine Weile. „Schulden?!" Helene blickte auf. „Biele?" „Für solche, die's haben, eine Lumperei, ein Bettel, nicht der Rede Werth. Für mich eine be- ventende Summe: Fünszehntausend Mark." „Nur sünfzehntausend! " Helenr atmete auf; dann wurde ihr wieder bang. „Ist denn von meinem unserm ganzen Vermögen nicht mehr soviel — —" „Nichts! Nichts! Nichts! Keine hundert Mar besitzen wir mehr an Baarvermögen. " Er war aus einem Punkt angelangt, wo ihm alles Vertuschen und rücksichtsvolles Verschweigen lächerlich, blödsinnig erschien. Erfahren mußte sie es doch; ob so oder so. Aber eine Erklärung setzte er doch, wenn auch widerwillig, hinzu. „Der Frankfurter Halunke hat mich 'reingeritten. Der Teufel soll den Schuft holen. Wir haben Ge schäfte auf ultimo gemacht, - - ach, das verstehst Du doch nicht. Genug, bis zum Ersten im nächsten Monat haben sie mir aus Gnade und Barmherzigkeit Frist geben, dann heißr's zahlen oder — eine Kugel. Uebrigens habe ich auch meinen Posten in der „Bank" aufgegeben; mit der Bande war schlechterdings kein Auskommen mehr. Du wirst begreifen, daß ich in einer schauderhaften Klemme stecke." Helene saß da wie zu Stein erstarrt. Ja, sie begriff. Ratlos schlang sie die plötzlich eiskalt ge- wordenen Hände ineinander. „Könntest Du nicht — — eine Hypothek aus dem Hause " Er lachte; es klang beinahe lustig. „Wie bist Du klug! Fünsundzwanzigtausend Mk. kostet der Kasten und sechsundzwanzigtaus-nd Mk. Hypolhcken liegen darauf ... sie drücken beinahe das Dach ein. Kein Stein gehört mehr uns. Nun weißt Du's!" Helene schwieg. Wie aus weiter Ferne glaubic sie Therese Beyers Worte zu hören: Der verspielt Ihnen das Dach überm Kopf und das Hemd vom Leibe Die Stimme verhallte und in ihr blieb nichts zurück als der nagende, verlangende thörichte Hunger nach einem guten Wort. Sie wartete darauf, jetzt mußte er es sprechen, — er mußte. Selm hatte die Arme auf den Tisch gelegt und den Oberkörper etwas vorgeneigt. Ein wunderliches Licht glühte in seinen Augen, etwas von dem phos phoreszierenden Blick einer großen Raubkatze, die ihr Opfer belauert. Jo, ja, nun ging gleich das Heulen und Jammern um den verlorenen Mammon an; dann folgte der Platzregen von Borwürfen und An klagen, Verzweiflungsausbrüchen — 0, das kannte er schon. Knirschend malmten sich seine Zähne aufein ander, ein Zug grausamer Brutalität lag in seinem Hohnlächeln, das die Lippen umzuckte. In diesem Augenblick haßte er seine Frau, ohne zu wissen wa rum, vielleicht aus dem Grunde, weil er sich ihr gegenüber schuldig, beschämt, gedemütigt fühlte. Er hätte sie schlagen mögen, ihr irgend etwas anthun, waS sie erniedrigte. Krachend schlug seine Faust auf die Tischplatte; eins der alten Meißner Täßchen sprang herunter und zerschellte auf dem Fußboden. „Wenn Tu über eine Moralpauke simulierst, Weib, so laß Dir sagen, daß ich nicht in der Laune bin, so was anzuhören!" brüllte er heraus. „Ich — ich bin in einer gefährlichen Stimmung," setzte er drohend, mit mühsam gedämpfter Stimme hinzu, „in einer Stimmung, wo ich alles, was mir in die Quere kommt, Niederschlagen könnte. — Nimm Dich zusammen!, Reiz mich nicht!" (Forschung folgt.)
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