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— Erledigt: Die 2. Schulstelle in Callen berg bei Waldenburg. Kollator: die oberste Schul behörde. Einkommen außer freier Wohnung mit Gartengenuß 1200 M. Gehalt, 165 M. für Turn- und Fortbildungsunterricht und beziehentlich 110 M. an die Frau des Lehrers für NadelarbeitSunterricht. Gesuche mit allen erforderlichen Zeugnissen, beziehent- lich einschließlich eines Militärdienstausweises sind bis zum 18. Sept, bei dem Königl. Bezirksschulinspektor Schulrath Lötzsch in Glauchau einzureichen. — Ueber den Stand der Schweine zucht schreibt die „Deutsche Fleischerzeitung": „Der heutige Marktbestand an Schweinen ist ein Beweis, daß die Schweinezucht und Schweinemast auf das Aeußerste im Argen liegt. Der heutige Schweinemarkt ist ein Beweis, daß, soweit der Berliner Markt, der größte in Deutschland, maßgebend ist die deutsche Landwirthschaft nicht in der Lage ist, Deutschland ge nügend mit Schweinen zu versorgen. Bei einem Auftrieb von 8668 Schweinen waren kaum 500 Thiere, welche einigermaßen im Stande waren, den berechtigten Ansprüchen zu genügen. Der größte Theil des Auftriebes bestand aus Schweinen, bei denen kein Mensch von Rasse oder Mast reden konnte, und diese Schundwaare mußte weit über den Werth bezahlt werden. Einigermaßen brauchbare Thiere er zielten 61 bis 63 Mark und darüber. Es waren Thiere aufgetrieben, welche, wie man zu sagen pflegt, nicht das Schlachtgeld und die Untersuchungsgebühren Werth waren; der Ueberstai d bestand aus absolut un verkäuflicher Waare, und diesen Zuständen gegenüber verschließt die Regierung die Grenzen gegen die Ein fuhr von Schweinen, dem gegenüber wagen es die Herren Agrarier, nach Schutz und höheren Zöllen zu rufen!! ? Sand in die Augen ist es, wenn auf Aus stellungen den Vertretern der Regierungen einzelne Musterexemplare vorgeführt werden. Warum follen sich auch die Herren Agrarier Unkosten gemacht haben, hält doch die Regierung schützend die Hand über diese Herren; die Grenzen sind geschlossen. Die Fleischer und das Publikum müssen nehmen, was sie kriegen, und müssen zahlen, was verlangt wird. Das ist unsere heutige Politik. Go!t sei's geklagt." — So urtheilt ein Fachblatt. — Oelsnitz i. E. Nach langen Leiden wurde am Dienstag der Buchdruckereibesitzer und Herausgeber des Volksbvten, Herr W. A. Kanis, vom Tode erlöst. Herr Kanis war früher Lehrer und übernahm von seinem Schwiegervater die Buchdruckerei und den Volksboten. Der Verstorbene erfreute sich nicht allein im Orte der allgemeinsten Werthschätzurg — er be kleidete bis vor wenigen Monaten eine ganze Reihe Ehrenämter —, auch in den Kreisen seiner Kollegen im Lande genoß er des besonderen Ansehens, da er nicht zu denen gehörte, die durch Preisschleuderei und Unkollegialität sich auszeichnen. — Werda«, 3. Sept. Die Aussichten zum Weiterbetriebe in der Ferd. Göldnerschen Spinnerei und Färberei sind äußerst trübe. Aller Voraussicht nach wird in 14 Tagen der Betrieb doch eingestellt werden. In der Motorenfabrik arbeiten von 120 Mann außer einigen Lehrlingen nur noch 19 bei verminderter Arbeitszeit. — Der in den letzten beiden Tagen hier stattgefundene Kirmcß - Jahrmarkt hatte ebenfalls in folge der traurigen Wirthschastslage zu leiden. Ver kehr war genug vorhanden, die Kauflust war aber eine flaue. — Werdau. In der letzten Stadtverordneten- sitzung gab ein Mitglied des Kollegiums seinem Be dauern Ausd.uck über das Wegfällen der in der Regel am Sedantage stattgefundenen Schulerausflüge wegen der den Lehrern überkommenen Haftpflicht bei vorkom menden Schäden, und stellte den Antrag, „der Stadt rath wolle Erörterungen darüber anstellen, auf w.lch' bestem Wege die Lehrer von der ihnen gesetzlich zuer- kannten Haftpflicht, vielleicht durch Eingehung einer bezügl. Versicherung der Stadtgemeinde, befreit werden könnten, damit die Ausführung der Schülerausflüge späterhi.. ermöglicht werde." — Der Verein für Gas bcleuchtung hier hat den Stadtrath um ein Darlehn von 100,000 M. gebeten, das derselbe für Beschaffung eines im Bau begriffenen Gasometers braucht. Der Rath hat das Darlehn genehmigt und das Stadtver- ordmten-Kollcgium stimmte dem zu. Chemnitz. Vor der 1. Ferienstrafkammer des hiesigen Landgerichts begann am Dienstag Vor- mittag ein Prozeß, welcher in weitesten Kreisen großes Aufsehen erregt. Als Angeklagter kommt der erst 24 Jahre alte Getreidehändler Eugen LouiS Nicolai in Frage, welcher eS verstanden hat, eine große An zahl Chemnitzer Geschäftsleute in empfindlichster Weise zu schädigen. N'colai, welcher seinem Vater als Hand lungsgehilfe zur Seite stand, machte schon im Alter von 20 Jahren erhebliche Schulden, wurde erfolglos ausgepfändet und drei Mal zur Leistung des Offen- barungSeideS veranlaßt. Im Jahre 1898 verheiratete er sich und nachdem seine Frau von ihrer Großmutter ein Vermögen von 32000 M. geerbt, fing er ein Ge treidegeschäft an. Seine Frau kaufte sich in Nieder rabenstein für 41000 M. eine Villa, auf welche sie 10000 M. anzahlte. Das Ehepaar führte nun Dienst mädchen und Hausmeister und gerieth immer tiefer in Schulden. Die Gläubiger machten gegen Nicolai nicht weniger als 59 Klagen auf Zahlung anhängig und ca. 65 Mal erfolgte Auspfändung. Der Angeklagte verübte nun, um Geld zu erlangen, eine große An zahl Schwindeleien. Es wird ihm vollendeter Betrug in 32 Fällen zur Last gelegt. Ursprünglich war auch eine Klage wegen Meineids erhoben worden, diese zog die Staatsanwaltschaft zurück. Seit 6. Septbr. v. I. befindet sich Nicolai in Untersuchungshaft. Da er jede Schuld leugnet, sind 37 Zeugen zur Beweisaufnahme geladen worden. — Lunzenau. Zu der bereits gemeldeten Pilzv rgiftung der Familie Pf. in Cossen muß be dauerlicher Weife weiter mitgetheilt werden, daß die Mutter trotz ärztlicher Hilfe nach entsetzlichen Qualen gleichfalls verstorben ist. Es bleibt nun noch abzu- warten, ob der ältere Sohn mit dem Leben davon- kommcn wird. Der jüngere, etwa 9jährige Sohn be findet sich auf dem Wege der Besserung. Dieser schreck liche Fall mahnt erneut auf das Ernsteste zu größerer Vorsicht beim Genuß von Pilzen. — Wilkau, 2. Sept. Dem hiesigen Konsum- Vereine waren mehrere Ehefrauen als Mitglieder bei- getreten. Das Amtsgericht hat jedoch ine Eintragung der Frauen in die Liste der Genossenschafter wegen nicht erfolgter Zustimmung der Ehegatten derselben abgelehnt. Das Landgericht hat auf erhobene Be schwerde hin in demselben Sinne entschieden. Von dem Oberlandesgerichte ist jedoch die Eintragung der Ehefrauen in die Genoffenschafterliste angeordnet worden, weil das Vereinsstatut die Zustimmung der Ehemänner nicht erfordert und weil die Ehefrauen auch ohne die Zustimmung des Ehemannes Rechts- gefchäste eingehen können. — Mittweida. Einen unvermutheten Gruß aus der Ferne erhielt dieser Tage ein bei der Stuhl fabrik von F. Winkler und Sohn Nachfolger hier be schäftigter Arbeiter. Diese Firma hatte vor ca. 3 Jahren einen Posten Sessel nach Südafrika geliefert, bei welcher Gelegenheit obiger Arbeiter auf einer Sitz zarge mit Bleist st den Wunsch vermerk! hatte, d r Finder der Bemerkung möge ihm eine Ansichtspostkarte senden. Am Donnerstag traf die gewünschte „Brief karte" mit dem Poststempel „Pretoria, Transvaal 28. Juli" und dem englischen Cenfurstempel „Pased", wel cher auf der Rückseite des Gouvernementszebäude von Pretoria zeigt, mit folgenden Worten ein: „Ich er fülle hiermit Ihren Wunsch, welchen Sie aus einer Sesselzarge geäußert hab n. Achtungsvoll Paul Legel, Tifchlergeselle, Pretoria Box 917, Südasrika." — Der Lohnarbeiter Herr Ernst Dörfel in Kauerridorf ist Vater von drei Knaben, die in den Jahren 1892, 1895 und 1899 am Sedantage das Licht der Well erblickt haben. Das ist gewiß ein merkwürdiger Zufall. Möge der Vater au siiner drei „Ssdankraben" viel Freude erleben. — Adorf, 3. Sept. Der Königl. G-enzober- kontrolle ging gestern ein stattlicher Ochse zu, den die Ebmacher Grenzbeamten unweit Tiefenbrunn im Walde erbeutet hatten. In der Voraussetzung, daß die Auf- sichtsbcamten als Militärvereinsmitglieder einer Sedan ovrfeier beiwohnen und die sonst übliche scharfe Wach samkeit aufgeeen würden, gedachten Viehschmuggler die Nacht zum Montag für einen Coup zu benutzen. Sie hatten sich indessen arg verrechnet. — Hainichen, 31. August. Gestern früh ent ¬ stand auf noch unerwittelte Weise im Wohnhaus des WirthfchaftSbefitzerS Wackwitz in Sreisendorf Feuer, wodurch dieses, sowie die angrenzende Scheune zerstört wurden. — Der erste juristische Stadtrath Dr. Krippen dorf in Reichenbach i. V. trat infolge Nichtwieder, wähl von seinem Amte zurück, das er seit 1. Septbr. 1895 verwaltet hat. Er wird sich als Rechtsanwalt in Dresden niederlassen. — Löba«. Der früh 5,OS von hier nach Dres den gehende Personenzug blieb am Sonnabend zwischen ven Stationen Großharthau und Arnsdorf auf freier Strecke stehen. Einer jungen Dame war, jedenfalls in- 'olge übermäßigen Lachens, die Kinnlade ausgesprungen, weshalb die Angehörigen die Nothleine gezogen hatten und einen Arzt verlangten Es war zufällig einer im Zuge anwesend, welcher sich in das betr. Coupee begab und die Backen wieder einrichtete, während der Zug seine Fahrt fortsetzte. — Königsbrück. Auf Flur Sella sind schon recht belangreiche Mengen Kohle zutage gefördert worden. Es zeigt sich jetzt, daß die Kohle in geringer Tiefe nicht mehr klar, fondern stückig ist. Doch ist es noch nicht gelungen, ein Kapitalisten-Konfortium für die Ausbeutung der Kohlenlager zu gewinnen. Finanz kräftige Personen, die das Unternehmen in größerem Maßstabe weiterführen könnten, würden sicher guten Gewinn erzielen, da die Praxis erwiesen hat, daß sich die Abbaukosten noch niedriger stellen, als die vorherige Berechnung erkennen ließ. — Pohlitz. Das 4jährige Töchterlein des Webers Schimmel hierselbst erlitt in der vorigen Woche beim Wäschemangeln so schwere Verletzungen, daß es jetzt daran starb. — In Mügel« b. P. stürzte am 1. ds. Mts. ei'« dreijähriger Knabe des Arbeiters Schwencke aus dem Fenster einer Mansarden-Wohnung in den Hof und brach das Genick. — Polenz. Ein amüsanter Vorfall ereignete sich am vorigen Donnerstag gelegentlich der Einquar tierung der 8. Batterie vom 2. Feldartillerie-Regiment Nr. 28. Zur Erklärung sei vorausgeschickt, daß be- treffender Truppentheil bereits im vorigen Jahre un gefähr 14 Tage hier verquartiert war; in diesem Jahre aber war sür den Geschützpark ein anderer Platz gewählt worden als im vergangenen. Kurz nach der Auffahrt der Geschütze ging ein vorübergehend auf sichtsloses Reitpferd durch. Ob ihm der Platz nicht recht passend erschien oder was sonst der Grund sein mochte, kurz, der Durchbrenner wandte sich dem früheren in der Nähe gelegenen Geschützplatze zu. Hier sah es aber gar nicht manöverlich aus, der Geschützplatz hatte sich in ein großes Krautfeld verwandelt. Das Pferd stutzt-, besann sich aber schnell, und fort ging cs im Galopp auf dem Kirchsteige nach Neustadt zu. Beim Feldwege des Herrn Gutsbesitzer Köhler bog es links ab und trabte dem Gute zu. Auf dem Hofe ange kommen, ging es vorsichtig zwischen zwei Erntewagen durch und begab sich in den nämlichen Stall, wo es im vergangenen Jahre gestanden hatte. Die Herren Quartiermacher mochten die Sache aber wohl anders geregelt haben, denn nach kurzer Zeit holte der Reiter fein Pferd ab, war aber nicht wenig stolz über die Findigkeit und Gedächtnißkraft seines Happels. — Jena, 31. Aug. Ein erschütternder Vorfall ereignete sich in dem Orte Magdala bei dem diesjäh rigen Kinderfest. Die älteren Schüler führten ein Festspiel aus, das in die Zeit des letzten deutsch-fran zösischen Krieges versetzt; sie sangen hierbei n. a. zum Auszug der Soldaten das Lied: „Morgenroth, Morgenroth, leuchtest mir zum frühen Tod". Kaum war das Spiel beendet, so wurde eine Frau Andritzk, die mit ihren vier klein n, von ihr hübsch geschmückten Kindern zu dem Feste erschienen war, von einem Herz schläge betroffen und verstarb ans der Stelle. Das Fest wurde, sofort abgebrochen. — Bayreuth, 30. August. Gestern Vormittag wurde der „Naturmensch" Gustav Nagel, welcher zur Beobachtung seines G-isteszustandes seit längerer Zeit in der hiesigen Kreisirrenanstalt untergebracht war, aus derselben entlassen und in Begleitung eines Kranken wärters über die bayerische Grenze nach Probstzella befördert. Tagesgeschichte. Deutsche« Keich. Die Ankunft des Sühne-Prinze«. Potsdam, 3. September. Zum Empfange de- Prinzen Tschun haben sich auf dem Hauptbahnhofe die Mitglieder der chinesischen Gesandtschaft mit ihrer Begleitung eingefunden. Die Herren nahmen im Wartesaal I. Klaffe Platz, um den Bruder ihre- höchsten Gebieters zu erwarten. Sie waren in sehr aufgeräumter Stimmung und schienen den Besuch eifrig zu diskutiren. Die Angelegenheit selbst macht auf sie übrigens, wie eS scheint, keinen besonderen Eindruck, sonst hätten sie wohl bei der Begleichung ihrer Zeche weniger Aufmerksamkeit auf dieses Geschäft verwendet als auf das große Ereigniß, das sie hätte beschäftigen sollen. Der Zug mit dem Prinzen Tschun lief vrogrammmäßig ein. Der Prinz stieg in Begleitung der deutschen Herren (v. Höpffner und v. Lüttwitz) aus. Der Prinz macht einen durchaus knabenhaften Eindruck und steht sehr verschüchtert aus. Er begrüßte den zum Empfang erschienenen Stadtkommandanten und den Polizeidirektor, sowie die chinesischen Herren, und bestieg noch kurzem Aufenthalt im Empfangssalon den Wagen, um nach der Neuen Orangerie zu fahren. Kundgebungen fanden nicht statt, der Wagen batte keine militärische Eskorte, nur Spitzenreiter. Ueber die Verhandlungen, die der Ankunft des Prinzen vorhergingen, werden von zuverlässiger Seite noch folgende Einzelheiten berichtet: Was die viel er örterten Forderungen betreffs des Ceremoniells beim Empfang der Sühncmission anbelangt, so hat man deutscherseits niemals an den Prinzen Tschun persön lich das Verlangen gestellt, etwas zu thun, was seiner Stellung als Bruder deS Kaisers Kwangsü nicht ent- sprachen hätte. Dagegen wurde von den ankeren Mitgliedern der Gesandschaft die Erfüllung gewisser Formalitäten verlangt. Die Chinesen lehnten letztere ab und versuchten auf dem Wege der Verhandlungen eine Abänderung des Empfangsceremoniells zu erreichen. Darauf ließ man sich deutscherseits nicht ein, sondern erklärte, daß, wenn die Begleiter des Prinzen aus irgend welchen Gründen sich den deutschen Forder ungen nicht fügen wollten, so würde man eben darauf verzichten, sie überhaupt zu empfangen. Und dabei blieb es. Prinz Tschun wird also, wie wir bereits mitzutheilen in der Lage waren, vom Kaiser allein empfangen werden, und der neuernannte chinesische Gesandte am Berliner Hof Jing-Tschang wird bei dieser Audienz als Dolmetscher fungiren. — Das Programm ist also wesentlich vereinfacht worden. Eine Reihe von Ehrenbezeugungen, die man dem Bruder des Kaisers von China als solchem zu erweisen gedachte, fallen fort, und fein prunkvolles Gefolge tritt ganz in den Hintergrund. In einer Berliner, entschieden infpirirten Meld ung sagt die „Köln. Ztg.": Nachdem die Frage des Kotaus hinfällig war, erwog man eine andere Form des Abbitte-Ceremoniells, die im Niederknieen oder einer Kniebeuge bestand, welche aber nicht chinesischen, sondern europäischen Ursprungs war und deshalb in China als minderwerthig angesehen wurde: ihre An wendung erschien deshalb nicht angezeigt. Alles dies entbehrt jedoch des aktuell politischen Interesses, es bleibt nur die Thatfach?, daß der Auftrag des Prinzen nunmehr thatfächlich ausgeführt wird. Sobald der Prinz sich seines Auftrages beim Kaiser entledigt habe, ser die erste Etappe des Friedenswcges über schritten und es stehe zu erwarten, daß auch die end- giltige Unterzeichnung des Schlußprotokolls sehr bald folgen werde. Bafel, 3. Sept. Prinz Tschun hinterließ ein paar goldene Manschcttenknöpfe mit eingravirter chine sischer Widmung für den Hotelbesitzer; dessen Gattin ließ er ein kostbares Armband zustellen. Dein Hotel leiter Direktor Blecher überreichte er persönlich ein schwersilbernes Cigarrenetui, dessen Außenseiten in er habener Arbeit ein von Vögeln belebtes Waldidyll zeigen. Im Etui lag des Prinzen Tschuns chinesische Visitenkarte. Beim Ueberreichen machte der Prinz den Scherz, er werde allen seinen Bekannten das Hotel bestens empfehlen. Seinen Ruf als wißbegieriger junger Mann bestätigte er, indem er sich vor der Abreise noch durch alle Hotelräume führen und den Geld. Novelle von M. Böhm e. ?. Forts. (Nachdruck verbalen.) „Sie ist eine dumme Gans, eine Person, der die ehemalige Ladenmamfell noch zum Aermel heraus- guckt, ein hochmütiger, protziger Affe!" schrie Selm in ausbrechender Wuth. „Ich habe es längst bereut den Vorspiegelungen Ihres Bruders, der mir Gott ,'wnß was von dieser Frau vorquatschte und der mir die Geschichte mundgerecht machte, Gehör geschenkt zu haben. Ich habe meine Zeit versäumt und mein Geld deshalb verreist, — das ist alles!" Der Witwe schwebte sichtbar eine heftige Ent gegnung auf den Lippen, aber sie unterdrückte dieselbe. „Nun, wenn Sie Frau Beyer doch nicht leiden konnten, ist ja auch weiter nichts verloren," sagte sie ironisch, „ich dachte immer, sie gefiele Ihnen. Uebrigens giebt es hier in Leipzig noch viele reiche Damen, und wenn Sie mir versprechen, daß ich tausend Mark auch dann erhalte, wenn ich Ihnen direkt oder indirkt eine Be kanntschaft vermittle, die zu einer Heirat führt, ver spreche ich Ihnen, daß Sie noch zu Ihrem Ziel kommen." Selm antwortete nicht gleich. Dem Zimmer den Rücken wendend stand er am Fenster und sah auf die Straße nieder. Er dachte an den Brief, den er eben abgefchickt hatte, und der jetzt schon unterwegs war, an die Enttäuschung der Seinen, wenn nun doch alles umsonst war; er dachte an feine Gläubiger, die ihn drängten, an die Misere, der er wieder entgegensuhr, und Wuth und Empörung erstickten ihm minutenlang die Stimme, fo daß er erst nach einer längeren Pause antworten konnte. „Ich werde mich noch länger von Ihnen Hin halten lassen, daß ich ein Narr wäre —" „Ich hätte gar keine Interesse daran, Sie zweck los hinzuhalten," entgegnete die Witw», „was ick Ihnen sage, ist richtig. Ich werde Ihnen indirekt zu einer reichen Frau verhelfen, wenn Sie mir die lausend Mk. zuwgen." Von Selm besann sich eine Weile. „Was ich Ihnen versprochen habe, halte ich natürlich, nur wüßte ich nicht — —" „Sie werden sehen. Bleiben Sie heute nach- mittag in Ihrem Hotel, Sie werden Besuch erhaben — —" Selm sragte nicht weiter. „Natürlich bleibe ich zu Haus. Zum Ausgehen ist mir heute die Laune verdorben." „Gut, ich werde für Ihre und meine Interessen thätig sein." Mit kurzem Gruß ve-abfchiedete Selm sich von seiner hilfsbereiten Freundin. Mittlerweile war es Essenszeit geworden. Nach- dem er im Restaurationslvkol feines Hotels zu Mittag gespeist hatte, begab er sich auf sein Zimmer und warf sich auf das Sosa. Daen zündete er sich ein, Zigarre an, und während er den blauen, in der Lui: zerstäubenden Rauchwolken m chaniich nachblickte, drehten sich seine Gedanken unau'höllich um ein Wort, einen Gegenstand: — G-ld, G ld und abermals Geld. Er hatte Therese Beyer sehr gern gehabt, und die Art und Weise, wie sie ihn abfallen ließ, verletzte seine Eitelkeit auf das empfindlichste; aber trotzdem dachte er in diesem Augenblick an nichts anderes als an ihr Vermögen, in dessen Besitz er sich schon ge- glaubt hatte, und das ihm jetzt entschlüpft war. Gegen vier Uhr brachte ihm der Kellner eine Kart?. „Bruno Hirschfeld, Kaufmann." Gleich darauf trat der Angemeldete, ein kleiner geschniegelter, parfümierter jüdifcher Herr inS Zimmer. „Gestatten Sie, daß ich fofort auf den Zweck meines Besuchs komme, Herr Baron!" begann er nach vi n üblichen einleitenden Phrasen und nachdem er Selms Einladung, Platz zu nehmen, gesolgt war. „Madame Putzbach hat mir in diskreter Weise Ihre Wünsche unterbreitet. Sie wünschen sich zu verheirathen. ?ehr > ut, ich verstehe. In Ihrem kleinen Wohnort finden sich keine standesgemäßen Partien, aber hier in Leipzig, ich versichere Sie —" „Sie sind Agent?" unterbrach ihn Selm. Hirschfeld lächelte. „O nein. Ich bin nur Madame Putzbach gefällig. Sie bat mich, zu Ihnen zu gehen. Aber ich kenne eine Dame, eine fehr feine, liebenswürdige Dame, die es sich zum besonderen Vergnügen anrechnet, das Glück ihrer Nächsten zu be gründen. Sie verkehrt in den Kreisen der Geburts- und Finanzaristokratie, sowie in vornehmen Bürger häusern, sie hat bereits zahlreiche glückliche Ehen ge stiftet, und sie würde eS sich gewiß zur besonderen Ehre anrechnen, auch Ihnen dienen zu dürfen und Ihnen zu Ihrem Glück zu verhelfen. Wenn es Ihnen recht ist, gehen wir gleich 'mal zu ihr. Ich habe mir erlaubt, ihr unsern Besuch telephonisch anzumelden; sie erwartet uns". Selm willigte nach kurzem Zögern ein. Eine innere Stimme warnte ihn zwar vor unvorsichtigen, übereilten Schritten; aber vorläufig war m seinem Innern nur Raum sür einen Gedanken, und dieser Gedanke hieß: Geld, Geld! — Am nächsten Drofchkenstandplatz bestiegen beide Herren einen Wagen, und nach kaum halbstündiger Fahrt hielt derselbe in einer ziemlich stillen Stadt gegend an einer Straßenecke. „Hier steigen wir aus," sagte Hirschfeld. „Frau Schützet liebt cs nicht, wenn man per Wagen bei ihr vorfährt." S.4m fand diese Marotte der menschenfreund lichen Dame freilich etwas eigenthümlich; aber seine Neugier war einmal erregt, und mit einer gewissen Spannung wartete er die weitere Entwickelung dn Dinge, die sür ihn allmählich den Reiz eines ver- gnügten Abenteuers annahmen, ab. Frau Schütze! wohnte im Parterre eines unan sehnlichen Haufes. Ein sauberes Dienstmädchen öffnete die Wohnungsthür und führte die Herren in ein dämmeriges, geräumiges Zimmer, das der Bewohnerin als Salon und Arbeitszimmer zu dienen schien. Nach einigen Minuten trat die Dame herein und begrüßte ihre Besucher. „Sie wünschen sich zu verheiraten, mein Herr!" sagte sie im alltäglichsten Geschäftston, während sie sich den Herren gegenübersetzte und Selm fixierte. „Dürfte ich um Ihren vollen Namen bitten ?" „Otto von Selm," entgegnete dieser, während er im Stillen mit einigem Unbehagen konstatierte, daß nun schon ein viertel Dutzend fremder Leute von seinen Absichten wußten und sich n it verblüffender Gelassen heit darüber äußerten. „Baron?" fragte die Dame mit Betonung. „Alter Adel?" Selm zögerte eine Minute mit der Antwort. Sein Vater hatte sich noch schlichtweg Selm genannt; er selbst hatte vor etwa zehn Jahren das Adelsdiplom der Familie herausgegrab n und von der Regierung bestätigt erhalten. „Ja!" sagt er kurz. „Konfession?" „Evangelisch." „Haben Sie besondere Wünsche in Bezug auf die Persönlichkeit Ihrer künftigen Gattin?" „Sie muß in angemessenen Verhältnissen leben. Auf Aeußrrlichkeiten lege ich keinen Werth." Frau Schützet spielte mit ihrem goldenen Kneifer. „Sie sind zu einer glücklichen Stunde gekommen, mein Herr," sagte sie nach längerem Schweigen. „Ich habe nämlich gerade eine brillante Partie an der Hand, die mir wie geschaffen für Sie scheint." Fortsetzung folgt.