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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 02.08.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190108023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19010802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19010802
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-08
- Tag 1901-08-02
-
Monat
1901-08
-
Jahr
1901
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 02.08.1901
- Autor
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Raume« «inen matten Schein. Kurz entschloßen forschte «r nach der Ursache, aufs höchste erschrocken nahm er wahr, wie hier irgend jemand einen förmlichen Höllen apparat zusammengestellt hatte. In einem leeren Holz, kistchen brannte ein Lichtstümpfchen, das, wenn er es nicht sofort entfernt hätte, kurze Zeit darauf unfehlbar ein Quantum Petroleum in einer Blechschüjfel entzündet hätte. Von dieser Blechschüfsel auS führte ein zwei Meter langer, ebenfalls mit Petroleum getränkter Lampendocht über den Fußboden, auch dieser, und sogar ein Theil deS Deck bettes, das in die Nähe des Dochtes gebracht worden war, fow e die dorthin gelegten Kleider des Lehrlings waren mit Petroleum begossen. Endlich entdeckten die von dem Lehrling herbeigerufenen Hausbewohner eine eiserne Stange, die, mit Eisenlack — einem Brennstoff — bestrichen und durch die Wand nach dem angrenzen den Heuboden des Hausbesitzers Friedemann gesteckt, offenbar bestimmt war, das Feuer rasch m das leicht brennbare Futter zu leiten, Als Keinert von dieser Ent deckung erfuhr, stellte er sich erst unwissend, dann aber schärfte er denen, die darum wußten, besonders aber sei nem Lehrling, ein, keinem Menschen etwas davon zu er zählen. Selbstverständlich blieben die Vorgänge nicht verschwiegen, und da Keinert sich durch sein gesammtes Verhalten dringend verdächtig gemacht hatte, die Brand stiftung in der geschilderten Art und Weise versucht zu haben, erfolgte am Mittwoch früh 5 Uhr seine Verhaft ung. Was Keinert, der als ein fleißiger, ordentlicher Mann geschildert wird, dazu bewogen haben mag, erscheint nicht ohne weiteres begreiflich, da nach unseren In formationen der Versicherungsbetrag ein äußerst mäßiger sein soll. — Gersvorf. Die Direktion des Gersdorfer Steinkohlenbauvereins theilt uns mit Bezug auf die Notiz über den Betriebsunfall des Bergzimmerliugs Hermann Ludwig Leichsenring mit, daß nach neuer- lichen ärztlichen Gutachten keine lebensgefährliche Ver letzung vorliegt und keine dauernde Erwerbsunfähigkeit zu erwarten steht. — Glauchau, 30. Juli. Heute ist der 24 Jahre alte Kaufmann F. hier, welcher in seiner Eigen schaft als Agent und Vertreter einer größeren aus wärtigen Mühle Gelder in Höhe von über 8000 Mark unterschlagen haben soll, gefänglich eingezogen worden. — Glauchau, 31. Juli. Gestern Nachmittag von 3 Uhr ab fand im Sitzungssaale der Königlichen Amtshauptmannschaft die 5. diesjährige Bezirksaus schußsitzung statt. Hierbei fanden bez. bedingungsweise Genehmigung: ein Nachtrag zum Anlagenregulativ für Gersdorf, die Dispensationsgesuche in Dismembrations sachen Vogel's in Lobsdorf, der verehel. Unger in Rödlitz, Pfeifer's in Kuhschnappel, Rammler's in Ro thenbach und Frosch's ebendaselbst, das Gesuch des Hausbesitzers Müller in Gersdorf um Genehmigung zur Errichtung einer Schlächtereianlage, sowie das Gesuch der Firma L. Schmidt, chemische Bleicherei im Hüttengrund, Oberlungwitzer Antheils, um Genehmig- ung zur vergrößerten Ausführung ihrer durch Explo sion zerstörten Hochdruck-Kochapparatanlage. Dagegen wurden mangels Bedürfnisses abgelehnt das Schank- erlaubnißgesuch P.ttasch's in Reinholdshain für einen Neubau daselbst und ein Gesuch Weise's in Mülsen St. Jakob um Erlaubnis zum vergrößerten Wieder aufbau feines abgebrannten Gasthauses mit Tanzsaal. Weiter wurde beschlossen, der Gemeinde Wernsdorf die erwachsenen Walzkost-m aus Bezirksmitteln zu erstatten. In der Verwaltungsstreitsache zwischen den Ortsarmen verbänden Oberlungwitz und Hermsdorf, Unterstützung der Spindler bctr., wurde der klagende Ortsarmenver band kostenpflichtig mit der Klage abgewiesen. — Werdau, 31. Juli. In der am Dienstag Nachmittag stattgefunvenen Generalversammlung des AufsichrSrathes der SpiunereimaschinenfabnkJ. H.Popp, A.-G-, hier, waren 6 Aktionäre anwesend, die 390 Aktien vertraten. Die Feststellung des Status ergab eine Unterbilanz von 698355 Mk., darunter 427 777 Mk., welche von den beiden Direktoren unrechtmäßiger Weise auf die Gesellschaft abgewälzt worden waren. Als Teichmann und Hennig die Fabrik mit 1 Million Mark gründeten, hatten sie nahezu 600000 Mark Schulden. Mit 400000 Mark hatten sie das Giro der Gesellschaft mißbraucht zur Deckung ihrer Privat schulden, außerdem waren sie aber der Gescllscdast noch ein« bis zweihunderttausend Mark schuldig. Da eine Sanierung des Betriebe- nur vorübergehende Hilfe gebracht hätte, so wurde damals vom AufsichtSrath die Anmeldung des Konkurse- beschlossen. Die beiden Direktoren haben den AufsichtSrath in der schmählichsten Weise betrogen und hintergangen. In unverschämtester Weise haben dieselben die Bohlewerke angekauft, um ihren Kredit zu heben. ES wurde l «schlossen, den Beschluß der Generalversammlung vom 18. Juni d. I., 4 Proz. Dividende zu vertheilen, aufzuheben. Die Zwangsversteigerung der Fabrik steht bevor. — Der Turnverein Germania in Werdau hat am 15. März ds. IS. in seiner Turnhalle Bier, das er vorher durch eine sogenannte Bierkaufskommission gekauft hatte, zum sofortigen Genüsse an eine größere Anzahl seiner Mitglieder zu einem höheren Preise verabreicht. Der dadurch erzielte Gewinn ist zur Vereinskasse geflossen und sollte zur Deckung von Ver einsverbindlichkeiten verwendet werden. Der Bierver- schank erfolgte durch folgende Mitglieder: Agent Ernst Immanuel Kramer, Selfaktormeister Max August Schürer, Webermeister Friedrich Emil Neumerkel und Handelsmann Franz Albin Müller in Werdau, wäh- rend der Hausmann August Richard Rentzsch daselbst dabei Kellnerdienste verrichtete. Kramer ist erster Vor sitzender, Schürer stellvertretender Vorsitzender, Schürer, Neumerkel und Müller außerdem Mitglieder der Bier verkaufskommission. In der Handlungsweise Vieser Personen erblickte die Behörde, da eine Genehmigung zum Schankbetriebe weder dem Turnvereine, noch einem der betreffenden Mitglieder ertheilt war, ein Vergehen gegen 88 33, 147,1 der Gewerbeordnung und erhob deshalb Anklage gegen sie. Das König!. Schöffengericht Werdau verurtheilte sie am 3. v. M. auch zu 20 M. Geldstrafe ev. 4 Tagen Haft, Rentzsch aber wegen Beihilfe zu 15 M. Geldstrafe ev. 3 Tagen Haft. Auf Berufung der Angeklagten hob jedoch die Strafkammer Zwickau das schöffengerichtliche Urtheil auf und sprach sämmtliche kostenlos frei. — Wilkau, 29. Juli. Der in der Stuhlfabrik von Bernhard Krebs hier beschäftigte Tischlergehilfe Fickert aus Aue ertrank am Sonntag Vormittag beim Baden unterhalb der Wilkau-Bockwaer Brücke. Trotz aller Anstrengungen hat man den Leichnam bis jetzt noch nicht auffinden können. — In Pulsnitz verunglückte am 22. Juli ein 13 Jahre altes Mädchen beim Feueranzünden in Folge Einschüttens von Petroleum in den Ofen. Das Kind wurde nach Dresden gebracht. Hier ist es am Montage an den erlittenen schweren Brandwunden gestorben. — In nicht geringe Aufregung wurden am Mon tag Nachmittag die Besucher des Markusfriedhofes in Pieschen versetzt. Daselbst sollte dieser Zeit das Begräbniß einer Frau stattsinden. Als man sich an- schickte, den Sarg in das frische Grab zu senken, sah man aus seinem Grund einen Mann liegen, in dem ein in Pieschen wohnhafter Arbeiter rekognoszirt wurde, der dem rasch herbeigeholten Gendarmen gegen über die Angabe machte, aus Verzweiflung über den Tod seines Bruders, dessen Beerdigung am Sonntag aus dem gleichen Friedhöfe erfolgt war, seinem Leben durch Lebendig-begraben-werden ein Ende zu machen. Man nahm den augenscheinlich sehr gemüthskranken Menschen, der überdies kürzlich durch den Tod seine Frau verloren hat, einstweilen in polizeilichen Ge wahrsam, entließ ihn aber bereits an demselben Abend. — Auf dem Bahnhof Klotzsche wurde ani Sonnabend Nachmittag der Stationsarbeiter Eilzer überfahren und sofort getödtet. Die Räder von vier Güterwagen gingen ihm über Arm und Brust. Er hinterläßt eine Wittwe und 4 noch kleine Kinder. — Die Sparkasse der Stadt Grünhain hat eine nicht unwesentliche Neuerung getroffen. Die Ein lagen werden von jetzt ab vom nächsten der Einzah lung folgenden Tage an verzinst, auch werden Rück zahlungen, die in der zweiten Monatshälste erfolgen, die Zinsen bis Mitte des betreffenden Monats ge währt. Der Zinsfuß beträgt für die Einlagen 3>/z Prozent. — Grünstädtel, 31. Juli. Heute Nachmittag brannte die Herrn Emil Kunze hier gehörige Präg- anstalt. Gleichzeitig ging aber auch in einem zur Zeit unbewohnten Bauerngut neben der A. Nestler'schen GutSwirthschast Feuer auf, wodurch das Objekt infolge der großen Baufälligkeit desselben vollständig zerstört wurde.WWDWWLWmi^ —^Reichenbach, 31. Juli. Heute früh stellten sich hier beim Amtsgericht freiwillig die Brüder Max und Paul Fifcher, die verdächtig sind, bei einer Schlägerei am 21. d. M. früh den Arbeiter Hörl hier erstochen zu haben. Seit dem Tage waren sie in der Umgebung umhergeirrt. — Plauen i. V-, 28. Juli. In einem Haufe an der Rosengasse hier hat eS in der letzten Zeit 3 Mal hinter einander gebrannt. Das Feuer ist jedes- mal beim Entstehen entdeckt und gelöscht worden, so am Mittwoch und Freitag. Jetzt hat sich herauSge- stellt, daß die noch jugendliche Tochter eines in jenem Hause wohnenden Mannes die Brandstifterin ist. Sie hat das Feuer aber nicht angelegt, um das Haus wegzubrennen, sondern um ihren Vater zu bestimmen, aus dem Hause, in welchem sie sich gefürchtet hatte, auszuziehen. — Leipzig, 29. Juli. In einem hiesigen Bank- geschäft erschien ein junger Mann und verlangte auf Grund einer gefälschten Quittung, sowie eines gefälsch ten Begleitscheines für eine Firma, die mit dem Bank hause in Verbindung steht, 8050 Mk. Dem Bank beamten mochte die Sache nicht recht sicher erscheinen, weshalb er, bevor er das Geld auSzahlte, telephonisch noch einmal bei der Firma anfragte. Dabei stellte sich nun der Schwindel heraus. Der Betrüger mochte in zwischen Lunte gerochen haben, denn er hatte sich schleunigst aus dem Bankhause entfernt. Heute früh ist derselbe nun ermittelt und verhaftet worden. Er ist ein wegen schwerer Urkundenfälschung und Betrug bereits vorbestrafter 18 Jahre alter Handlungslehrling von hier. — Leipzig, 29. Juli. In Berlin erfolgte auf Requisition der hiesigen Polizeibehörde die Festnahme des Malers Friedrich Kruschke, der, wie berichtet wurde, aus einer Wohnung in der Blumengasse einen Geldbetrag von 6600 Mk. entwendete. In seinem Besitz wurden noch 5218 Mk. vorgefunden. — In Eckartsberg bei Zittau starb am Frei- tag Nachmittag der frühere Gutsbesitzer Neumann im Alter von 96 Jahren, als ältester Bewohner des Ortes. — Freiberg. Die am Sonnabend Vormittag auf dem hiesigen Bahnhofe verunglückte 41 Jahre alte Wirthschaftsbesitzersehefrau Haubold aus Lichtenberg ist noch an demselben Tage im Stadtkrankenhause ihren schweren Verletzungen erlegen. Mit dem Gatten trauern zehn, zum Theil noch unerzogene Kinder um die Verunglückte. — In der Wagenbauerei von Ferdinand Gabert in Deutschneudorf wurde dem Arbeiter Walther aus Katharinaberg beim Schneiden auf der Kreissäge ein Holzriegel gegen den Unterleib geschleudert. Der Verunglückte liegt hoffnungslos darnieder. — lieber die muthige That eines Radfahrers, die sich dieser Tage auf der von Prödel nach Zwenkau führenden Landstraße abspiclte, berichtet ein Augenzeuge folgendes: Ich fuhr mit meinem Gespann von Prödel nach Zwenkau, als ich hinter mir in schärfster Gang art noch cin Gespann kommen hörte. Als ich mich umsah, bemerkte ich eine zweispännige Equipage, in der eine Dame mit zwei Kindern saß. Als das Gefährt näher kam, gewahrte ich, daß der Kutscher die Zügel verloren hatte. Die aufgeregten Pferde kamen in ge strecktem Galopp, die Kutsche hinter sich herreißend, so schnell herangesaust, daß ich kaum noch Zeit hatte, mit meinem Gespann zur Seite zu fahren, um einen Zu- sammenstoß zu verhüten. Ein ebenfalls in der Richt ung nach Zwenkau fahrender Radler hatte den Vor gang ebenfalls beobachtet und jagte nun hinter dem flüchtigen Gespann her. Bald hatte daS Stahlroß über die Pferde gesiegt und als der muthige Radlers- mann einen genügenden Vorsprung vor den Pferden hatte, da schwang er sich aus dem Sattel und fiel den gleich darauf heranstürmenden Pferden in die Zügel. Das kühne Rettungswerk war gelungen! Eine Strecke zwar wurde der kühne Retter noch geschleift, dann aber standen die Pferde und die Insassen der Kutsche konnten erleichtert aufathmen. Bescheiden den Dank der Geretteten abwehrend, bestieg der Retter wieder sein Stahlroß und fuhr in der Richtung nach Leipzig davon. — Colditz, 29. Juli. Im Begriff, die Pferd» seine- Dienstherrn einzuspannen, wurde gestern Nach mittab der beim Gasthofsbesitzer Henschel in Bockwitz in Dienst stehende Geschirrführer August Wagner von einem Pferde dermaßen ins Gesicht geschlagen, daß das eine Auge heraustrat und sonst noch schwere Ver letzungen verursacht worden. Der Verunglückte, welcher nach dem hiesigen Krankenhause überführt wurde, ist heute daselbst verstorben. — Dresden, 30. Juli. In der heutigen ge richtlichen Gläubiger-Versammlung der Aktiengesellschaft vorm. O. L. Kummer u. Co. erstattete der Konkurs verwalter Justizrath Dr. Mittasch einen längeren Be richt, nach welchem einem Aktivenbestand von 5545922 Mk. eine Passivenschätzung von 12189447 Mark gegenübersteht. Eine einigermaßen bestimmte Angabe über die Konkursdividende läßt sich noch nicht machen. Es wurde ein Gläubigerausschuß gewählt. Nach der Ansicht des Konkursverwalters der Aktien-Gesellschast Elektrizitätswerke vormals O. L. Kummer k Co., Dresden, Justizrath Dr. Mit tasch, ist jetzt wohl der äußerste Termin da, an wel chem noch eine Rekonstruktion des Unternehmens möglich wäre; zu derselben würde sich ein reines Be triebskapital von 2*/, Millionen Mark nöthig machen. Wenn nicht bald ausreichende Hilfe gebracht wird, muß der Betrieb eingestellt werden; der Termin für die Einstellung ist zum 30. September ds. Js. beab sichtigt, bis dahin dürften die noch vorhandenen Auf träge verarbeitet sein. Den bisherigen Leitern kann in keiner Weise eigennütziges Handeln vorgeworfen werden, die technifche Leitung ist in guten Händen geo wesen, dagegen hat wohl die geeignete kaufmännische Kraft gefehlt, das große Unternehmen in richtiger Weise auszubauen. Namentlich bezeichnete der Kon kursverwalter das Unternehmen in Tsingtau, ganz be sonders aber die Murnau-Oberammergauer Bahn als verfehlte Dinge, das darin investirte Kapital, 687 000 Mark bezw. 7^ Millionen Mark, dürfte zum weitaus überwiegenden Theile als verloren zu betrachten sein Eine Schätzung der für die Gläubiger aus der Masse zu erwartenden Quote ist sehr schwer, da einerseits gar kein Maßstab vorhanden ist, wie sich die vorhan denen Aktiven verwertyen lassen werden, andererseits über die Höhe der Passiven kein Bild zu machen ist. — Das sogenannte Streikposten stehen bei Arbeitsausständen und jede dem ähnliche Handlung, die dazu bestimmt und geeignet ist, Arbeitswillige von der Arbeit abzuhalten oder einzuschüchtern, wird, weil dadurch die öffentliche Ordnung und Sicherheit ge stört, auch über die Kreise der Arbeitgeber und Arbeiter hinaus das Publikum beunruhigt und belästigt wird, durch eine Bekanntmachung der Amtshauptmannschaft Dresden-Altstadt noch ausdrücklich verboten und, falls nicht gerichtliche Bestrafung eintritt, nach Befinden auf Grund von 8 360 Ziffer 11 des Reichs-Straf- Gesetzbuches mit Geldstrafe bis zu 150 Maik oder mit Haft bis zu 14 Tagen bestraft werden. — Dresden, 30. Juli. Das hiesige König!. Schöffengericht verhandelte, wie bereits mitgetheilt, heute gegen den verantwortlichen Redakteur der „Dresd ner Rundschau", Rudolf Quanter, wegen Beleidigung. In dieser Sache waren sieben Zeugen vorgeladen. Dem Angeklagten wurde bekanntlich beigemessen, durch Aufnahme en es Artikels in die Nummer 25 vom 23. Juni d. I. der „Dresdner Rundschau" den Or. meck. Schaumann und Fräulein Kirsten, beide hier wohn haft, dadurch beleidigt zu haben, daß darin wahrheits widrig behauptet wird, Beide hätten theils in der Sprechstunde des Arztes, theils in einer ermietheten Wohnung, theils aus der Reise unlauteren Umgang gehabt. Quanter konnte in keiner Weise für die in dem inkriminirten Artikel aufgestellte Behauptung den Beweis erbringen, der Angeklagte hat denselben nur auf anonyme Mittheilungen zum Abdruck gebracht und nicht einmal für nöthig gehalten, inbezug aus die schweren Anschuldigungen Erkundigung einzuziehen. Das Urtheil lautete auf, wie gleichfalls mitgetheilt, 1 Jahr 9 Monate Gesängniß. Den Beleidigten wurde Publikationsbefugniß zugesprochen. — Bautze«, 31. Juli. Gestern Abend gegen 7 Ubr wurde auf der Bismarckstraße durch das Herablassen von Jalousien das Pferd eines hiesigen Droschkenkutschers scheu, so daß es mit dem Wagen gegen eine Säulen- Unter blonden Wilden- Priese einer Großmutter von N. Printzen. l. Forts. (Nachdruck verboten.) Gerade dadurch verlieren die Kleinen das Fein gefühl, auf die leis Mahnung zu hören und ihr zu gehorchen. Wahrscheinlich hätten Deine veidm Söhne gestern bei Frau Landrath einen liebenswürdigeren und wohlerzogeneren Eindruck gemacht, — sie hätten sich nicht so auf den Möbeln herumgerekelt und fort- während gegähnt und über Hunger geklagt, denk D-r, sie bot den Kindern nichts an — wenn Euer Prügel- system sie nicht für meine sanftere Erziehungsmethode verdor'.en hätte. Ich will Dir gewiß keinen Vorwms damit machen, meine Lilli, ich weiß ja, wer schuld daran ist! — Dein seliger Vater hat Dich nie ge prügelt. Und wenn Du auch unser einziges und nur ein Mädel warst, — Kinder sind Kinder, und Da bist doch wahrhaftig gut genug gerathen! Es Heiß auch nicht umsonst in dem alten Bibelwort: „Ihr Väter, reizet Eure Kinder nicht zum Zorn!" In alter Liebe Deine treue Mama. Ich habe vorhin den beiden Jungen beim Gute? nachtsagen klar zu machen versucht, daß und warum ich sie nicht prügeln werde. Sie schienen auch alles gut zu begreifen und sahen mich so verständig und nachdenklich mit ihren großen Blauaugen an. Rothenhusen, 6. August 1899. Liebe Lilli! Heute Morgen sollst Du einen herzlichen Sonn tagsgruß von mir haben, ehe ich mit Deinen beiden Aeltesten zur Kirche gehe; ich denke mir, es wird ihnen Freude machen und wohl thun. Uebrigens krochen sie heute morgens um 5 Uhr beide in mein Bett herein. Sie behaupteten, das sei ihr gutes Recht; an jedem Sonntagmorgen würden sie von Euch „gebuckelt" und „geküßt." Daraufhin abe ich denn nach besten K> ästen das meine gethan, um Euren Kindern auch in dieser Beziehung Euch Eltern zu ersetzen. Aber als Walter dann verlangte, ich sollte „Trampelkrieg" mit ihnen spielen, — ich denke mir, daS Spiel hat Dein Mann erfunden, — streikte ich und klingelte nach Marie. Etwas ange griffen hat mich diese Morgenunterhaltung doch. — — Eben kommen sie herunter in ihren blauen Matrosenanzügen mit den weißen Strohhüten, — wenn Du sie doch sehen könntest! Marie hält mit jeder Hand einen fest und behauptet, wenn ich nicht sofon mit ihnen losginge, würden sie sich so unsagbar schmutzig machen, daß sie überhaupt nicht mitkommen könnten. Also Schluß! Deine Mama. Rothenhusen, 7. August 1899 Mein geliebtes Kind! Es ist alles gut und unverändert hier. In der Kirche gestern mar es übrigens garnicht so angenehm. Ich glaube, Deme Kinder sind nicht in genügender Weise religiös angeregt. Du hast Dich jedenfalls in dem Alter ganz anders in der Kirche benommen! Beim Gesänge waren die beiden noch verhältnißmäßig ruhig, aber während der Predigt fingen sie an, unge duldig zu werden und fortwährend leise Fagen zu stellen : „Großmama, wann gehen wir nach Hause?" „Großmama, wann ist die Kirche aus?" „Wenn der Pastor Amen sagt," antwortete ich in meiner Herzens angst und verbot ihnen dann energisch jedes weitere Wort. Das hals fünf Minuten lang, dann schrie Willi laut durchs GotteShauS: „Der Pastor soll Amen sagen !" Glücklicherweise sagte der gute Pastor Röper wirklich bald Amen; aber mir war ganz elend vor Schreck und Scham zu Muthe und von einer Er bauung ist unter diesen Umständen keine Rede ge wesen. So habe ich die Kinder gestern abend noch Stündchen zu mir genommen und ihnen allerlei Gutes erzählt. Besonders gerne schienen sie von den Schutzengeln zu hören, die sie allezsit begleit n und behüten. Wie rührend lieb und zärtlich können die wilden Buben in solchen Momenten sein! Immer Deine alte Mama. Rothenhusen, 9. August 1899 Liebes Kind! Heute Morgen ganz früh kamen sie wieder bar- fuß und in ihrem Nachtröckchen an mein Bett und versuchten, vom Fußende aus, unter meine Decke zu kriechen. „Großmama, wir wollen nur unsern Laubfrosch suchen," sagte Walter. Du weißt, erführt m ist das Wort und giebt den Ton an, aber der decke Willi ist sein getreues Echo. „Wir wollen nur ein mal nachsehen, ob der Laubsro ch nicht bei Dir in D inem Bett ist," erklärte Willi mir, „er ist aus sem-m Einmacheglas im Kinderzimmer ganz fortge- laafin!" Du kannst Dir denken, Lilli, daß schon der Gedanke an diese schaudervolle Möglichkeit mich gänz lich um meinen Mo genschlas brachte. Ich begreife überhaupt nicht, wie Ihr den Buben erlauben könnt, solch widerliches Tierzeug zu halten und so viel Un nützes und Schmutziges ins Haus einzuschleppen. Walter sammelt Käfer, Raupen, Todesanzeigen, Schneckenhäuser, Krebsschalen, Briefmarken, Bindsaden, Kieselsteine, — und Willi hilft dabei und hat außer dem noch einige Privatsammlungen. Damit füllen sie im liebsten durcheinander ihre Hosentaschen und Schieb laden. Wenn ich ihnen etwas sortnehmen will, schreien sie wie die Wilden: „Großmama, das sammle ich ja gerade!" Liebes Kind, ich würde meine Kinder etwas mehr an Ordnung und Reinlich keit gewöhnen. Ich weiß ja, mein Herz, daß ich offenherzig sein darf und soll, und daß Du jeden guten Rath gerne annimmst von Deiner treuen Mama. Rothenhusen, 12. August 1899. Meine liebe Lilli! Meine Postkarte wirst Du erhalten haben. Ver zeih, ich komme kaum zum Schreiben, es ist doch viel mehr Mühe und Unruhe in Deinem Haushalte, wie ich mir in meiner stillen Etage vorgestellt habe! Marie beschränkt sich darauf, die Kleine zu hüten und überläßt mir vertrauensvoll die beiden „Großen". Sie kommen mit all ihren Anliegen zu mir; bald wollen sie einen Bindfaden, bald eine Geschichte, dann hat sich der eine gestoßen oder sie gezankt, nun, Du kennst das aus Erfahrung, Lilli, und ich fange an, zu begreifen, daß Du hier nervös ge worden bist! Heute sind Deine Söhne übrigens merkwürdig ruhig, die große Hitze scheint sie zu besänftigen! — Soeben hörte ich, wie Walter sich leise inS Eß zimmer schlich und im Büffet herumkramte. Ich rief ihn an, aber er lief in den Garten hinunter und ich natürlich so schnell wie möglich hinterher! Er klet terte an der schiefen Föhre in die Höhe, aber glück lich faßte ich ihn noch an einem Beine und hielt ihn nun mit aller Gewalt fest. Er sollte mir sagen, was er aus dem Büffet gestohlen hätte. Da schrie er im vorwurfsvollsten Tone: „Großmutter, ich muß doch mein Weibchen füttern! Siehst Du denn nicht, wir spielen Vögel und Willi brütet da oben unsere Kinder aus. Und ich bin das Männchen und mußte Zucker für ihn holen!" Vor Erstaunen ließ ich das Bein loS und wie eine Katze kletterte der Junge am Baum herauf. Richtig, hoch oben saß Willi ganz bequem im Grünen und beschäftigte sich seiner eigenen Ueberzeug nach eifrig mit Brüten! Die Sache war fehr komisch, hat aber doch auch ihre ernsten Seiten, da die Buben sich Arm und Beine dabei brechen könnten. Als ich ihnen das vorstellte, sagte der dicke Willy ganz ruhig: „No, da kann denn doch unser Schutzengel dafür ssorgen, daß wir nicht vom Baum herunterfallen, — wozu hat man den denn sonst?" Ich bleibe dabe>, sie sind Prachtkerle, Deine Söhne, aber ein Stück Arbeit ist doch, sie zu hüten und in Ordnung zu halten! Dir und Deinem Ehe herrn viele Grüße von der alten Großmama. (F. f.)
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