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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 13.07.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190107137
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19010713
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19010713
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-07
- Tag 1901-07-13
-
Monat
1901-07
-
Jahr
1901
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 13.07.1901
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zwischen eine gewisse Beruhigung eingetreten sei, der KonkurSverwaltunader Leipziger Bank die guten Dienste der Kammer zur Beurtheilunz hiesiger Verhältnisse auf Wunsch zur Verfügung zu stellen, von weiteren Maß nahmen, wie von einzelnen Seiten angeregt, jedoch abznsehen. — Unter der Spitzmarke „Chemnitz und der Leipziger Börsenkrach" wird dem „Confectionär" von hier geschrieben: Hier in Chemnitz ist man jetzt mehr oder weniger getröstet über den Verlust, den unsere Industriellen beim Zusammenbruch der Leipziger Bank erleiden. Nicht, daß der Bankkrach nicht auch noch für viele Andere von schweren Folgen begleitet wäre — für viele vielleicht erst später, aber man ist doch im allgemeinen nicht mehr so aufgeregt, oder zeigt wenigstens nach außen Ruhe. Im ersten Schreck ver- riethen viele Betheiligte ihren Verlust, jetzt ist man ängstlich bemüht, nicht als Betheiligter angesehen zu werden. Die Leute, welche offenen Kredit bei der Leipziger Bank hatten, sind zum größten Theile durch Krediteröffnungen bei anderen Banken gerettet worden; nur solche Geschäftsleute sind stärker geschädigt worden, welche Wechsel auf die Bank laufen hatten und vorher schon Deckung dafür schafften. Diese müssen die Deckung noch einmal aufbringen, so schwer es ihnen auch fallen mag. Natürlich werden auch die unsinnigsten Geschichten erzählt, geglaubt und weiter kolportirt. Wer mit einigen tausend Mark betheiligt ist, hat mindestens eine halbe Million verloren; eS giebt kaum so viel Millionen, wie verloren sein sollen. Brachte doch ein hiesiges Blatt die Notiz, daß eine hiesige Firma auf der Schloßstraße mit 2000000 Mark betheiligt sei, was sie sofort in der nächsten Nummer dementirte. Für Manchen werden sich noch recht unangenehme Folgen aus dem Bankkrach ergeben, das ist gewiß, man muß aber solchen Gerüchten gegenüber sehr vorsichtig sein, da sie sich bis jetzt stets als unwahr herausgestellt haben. Das allgemeine Geschäft scheint sich in Chemnitz doch wieder etwas zu heben. Wie man hört, soll auct in der Maschinenbranche wieder mehr zu thun sein als bisher; mit Ausnahme der Werkzeugmaschinen. In den Textilwaarenbranchen ist das Geschäft nicht schlecht, aber auch nicht gerade gut. Zu thun giebt eS wohl, nur ist der Verdienst vielmals nicht entsprechend. So wird heute in der Strumpswaarenbranche jedenfalls manches Geschäft gemacht, ohne daß dabei mehr als die Spesen verdient werden. Wir haben schon vor drei Jahren billige Zeiten gehabt, aber heute sind die Löhne fast noch niedriger. Uns zwingt eben die aus- läntusche Konkurrenz, die Preise den ihrigen anzupassen, wenn wir unsere Absatzgebiete behalten wollen. Man sollte gerade jetzt im Herausgeben neuer Muster an unbekannte Häuser sehr vorsichtig sein, denn die ameri kanische Industrie macht unsere Neuheiten sofort nach, wenn nur einigermaßen Bedarf dafür ist. In der Handschuhbranche ist jetzt sehr gut zu thun, speziell in lace ^loves. Wie der Bedarf aber schließlich für nächste Saison gedeckt werden soll, ist nicht zu über sehen. Wenn auch in Rabenstein, dem Hauptfabrika- tionsplatz für diesen Artikel, stark gebaut wird, so ist die Produktion immerhin noch sehr klein, und mancher Käufer wird ohne Waare bleiben, wenn er nicht recht- Aufträge auSgiebt. In Fabrikhandschuhen wird auch gut bestellt, aber nur in Knopfhandschuhen. Jerseys gehen gar nicht oder nur in ganz billiger AtlaS- Waare. Dem „L. T." wird aus Chemnitz geschrieben: Am Sonnabend haben in hiesigen Fabriken wieder zahlreiche Arbeiter-Entlassungen stattgefunden. Man spricht von insgesammt 2000 Mann, doch dürfte diese Zahl stark übertrieb.» sein. Daß es aber um die Chemnitzer Industrie schlecht, sehr schlecht auSsieht, ist Thatsache. Man hörte schon mehrfach Urtheile des Inhalts, daß man hier eine derartige Krise wie die jetzige noch nicht erlebt habe. Und solche Meinungs äußerungen konnte man bereits vor den jüngsten Bank- Katastrophen vernehmen, welch letztere die Lage wahr lich nicht verbessert haben. Namentlich ist es die Maschinenfabrikation, welche Noth leioet. Einzelne Firmen haben ganz geschlossen, andere sollen mit der Absicht, dies zu thun, umgehen. Leider ist auch die Wahrscheinlichkeit, daß die Maschinenbranche sich bald wieder erholen werde, eine lehr geringe. Es ist eben während der letzten Hausse-Periode zu viel produzirt, zu viel auf den Markl geworfen worden. Wenn man bedenkt, daß eine Werkzeugmaschine gut ihre 20 bis 25 Jahre, m tsr Umständen auch noch länger, funk- tionirt, und sich die Masse der Maschinen vergegen wärtigt, die während der hinter uns liegenden „fetten" J-Hre aus den Werkstätten hervorgingen, so kann man sich nicht darüber wundern, daß auf die Fluth von Aufträgen einmal tiefste Ebbe folgte. — Voigtlaide, 11. Juli. Beim Futterhauen wurde hier eine brütende Rebhenne mit der Sense getödtet. Die Eier hat ein hiesiger Einwohner seiner Bruthmne untergelegt und nach 2 Tagen krochen bereits 10 allerliebste kleine Redhühnchen aus, welche von der Glucke sorgsam beschützt werden, bis in nicht zu langer Zeit der Tag kommen wird, wo sich diese Stiefkinder auf und davon machen. — Dem Knaben, der von dem tollen Hunde gebissen und nach Berlin zur Schutzimpfung gebracht wurde, geht eS gut, doch ist das Gift nach lluSspruch des untersuchenden Professors bereits bis in die Weichen vorgedrungen. — Zwickau. An einen Einwohner in Wilkau hatte die hiesige Kgl. Amtshauptmannschaft eine Straf verfügung in Höhe von 50 M. erlassen wegen Ver- rufS-Erklärung. Der Betreffende hat jedoch Widerspruch erhoben, woraufhin das Kgl. Amtsgericht auf Frei sprechung erkannte, weil die Verrufs-Erklärung nicht öffentlich, sondern in einer BereinSversammlung er- folgt sei. — Werdau, 11. Juli. Das 2>/zjähr. Söhn chen des Windmühlenbesitzers Heinrich Hertel in Ober albertsdorf fiel in einem unbewachten Augenblicke in den in der Nähe des Wohnhauses befindlichen Tümpel und ertrank. — Im benachbarten Fraureuth überfuhr ein dortiger Radfahrer zwei kleine Kinder, wodurch dieselben schwere Verletzungen erlitten. Das eine davon, ein Knabe, wurde bewußtlos vom Platze ge tragen. Der Radfahrer, welcher schuldlos sein soll, kam ebenfalls zu Fall und erlitt Verletzungen. — Der AufsichtSrath der Dampfbrauerei Zwenkau, Aktiengesellschaft, beschloß, einer für den 30. Juli einzuberufenden außerordentlichen General versammlung vorzuschlagen, das Aktienkapital von 2 Millionen auf 1 Million herabzusetzen und 1 Million Mark Vorzugsaktien neu auszugeben. Das neu be schaffte Kapital befreit die Gesellschaft von der Last eines größeren Kredits und der durch die Zusammen legung der Aktien von 2:1 erzielte Buchgewinn soll, da eine Unterbilanz nicht vorhanden ist, lediglich zur Herabsetzung der Aktiv-Konten bezw. zur Bildung von Reserven benutzt werden. — Crimmitschau. Gegen das Denunzianten thum macht nun auch unser Stadtrath erfreulicherweise mobil. Er giebt bekannt, daß wiederholt an die Be hörde Eingaben gemacht wurden, in denen Verdächtig ungen gegen dritte Personen ausgesprochen werden. Es wird seitens des Stadtraths ausdrücklich daraus aufmerksam gemacht, daß solchen Eingaben, wo der Verfasser nicht den Muth habe, seinen Namen zu nennen, keinerlei Beachtung geschenkt wird. — Schönheide, 11. Juli. In der verflossenen Nacht brannte das dem Bäckermeister Arno Schlesinger gehörige, im Ascherwinkel gelegene Wohnhaus vollstän dig nieder. Die Brandursache ist unbekannt. Einige Feuerwehrleute entgingen mit genauer Noth der Ge fahr, durch das unvermuthete Einstürzen der Esse und Giebelwände erschlagen zu werden. — Dresden, 11. Juli. Der hiesigen Schuh macher-Innung ist das seltene Glück beschicken, im September d. I. das Fest ihres 500jährigen Bestehens zu feiern. — Der 14jährige Pfützner aus Rief» wurde auf dem Dreschboden des Gutsbesitzers Wittig in Dörschnitz erhängt aufgefunden. — Beim Kirschenpflücken stürzte in Rieder- frauendorf bei Dippoldiswalde der Hausbesitzer Zimmermann von der Leiter, wobei er so schwere, auch innere Verletzungen erlitt, daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. — Bautzen. Ein Unglück kommt doch selten allein. Die Frau des beim Zerspringen eines Böllers auf dem Schützenplatze umgekommenen Wachtmanns Sieber liegt jetzt, nachdem sie heftig erschrocken war, als man ihren Mann blutig und verstümmelt nach Hause brachte, an Krämpfen hoffnungslos darni der. Der Verunglückte hinterläßt sieben noch kleine Kinder. — Oschatz, den 11. Juli. Die Landgemeinde Schöna erwarb für 226,350 M. das Vorwerk Laas, das, auf 256,000 M. gerichtlich geschätzt, vor einigen Jahren um 350,000 M. nicht feil war. — Leipzig, 11. Juli. Die Stadtverordneten beschlossen gestern den Ankauf von Tscharmanns Hause zum Preise von 1*/, Mill. Mark zum Zwecke dessen Niederlegung für Gewinnung eines freien Platzes für den Centralbahnhof. — Löbau, 10. Juli. Hmte Mittag stürzte der bei Posthalter Gründer beschäftigte landwirth- schasiliche A bester Nedon aus Oelsa so unglücklich durch das Schmnenloch auf die Tenne, daß er sofort starb. Der Verunglückte hinterläßt eine Frau und 6 Kinder, von denen die drei jüngsten noch die Schule besuchen. — Ebersbach, 1". Juli. Auf hiesigem Bahn Hofe war am Montag im Maschinenhaufe der Böh mischen Nordvahn ein Heizer mit dem Putzen der Lakomotwe beschäftigt. Plötzlich setzte sich dieselbe in Bewegung (jedenfalls war der Arbeiter dem Regula- tor zu nahe gekommen) und fuhr, die starke Mauer des Maschinenhauses durchbrechend, ins Freie. DaS MaschinenhauS wurde an dieser Stelle vollständig zerstört. — Freiberg. (Kind ausgesetzt.) In die Wohnung einer hiesigen Familie kam am Sonntag Vormittag eine etwa 20 Jahre alte Frauensperson mit einem vier Wochen alten Kinde. Sie erkundigte sich nach einer bei der Familie aufhältigen Dame. Da diese sowie die Familie abwesend waren, erklärte die Frau wiederkommen zu wollen, bat aber ihr Kind zum AuSruhen in der Wohnung für kurze Zeit niederlegen zu dürfen. Die Bitte ward ihr vom Dienstmädchen gewährt. Die Frau entfernte sich — kam aber nicht wieder. Das Kind wurde emstweilen im Waisenhaus untergebracht. — Leipzig, 11. Juli. Zu der heutigen Sitzung der Handelskammer gelangten Schreiben des stellvertreten den Vorsitzenden Dodel, sowie der Mitglieder Mayer und Schröder (Mitglieder des Aufsichtsrathes der Leipziger Bank), in welchen diese um Genehmigung ihres Austritts aus der Kammer und Enthebung von ihren sonstigen von der Kammer ressortirten Aemtern bitten. Der Präsident, Kommerzienrath Zweiniger, sprach sein lebhaftes Bedauern über die Veranlassung des Austrittes aus und betonte, daß die Kammer den genannten Herren für ihre treue Mitarbeit ein gutes und dankbares Andenken bewahren werde. — Die „Leipziger Zeitung" meldet die Enthebung des öster reich-ungarischen Konsuls Dodel von seinen Funktionen. — Ein Leipziger Mitarbeiter der „Münch. Ztg." will wissen, daß auch der vorige Vorsitzende des Aufsichtsrathes der Leipziger Bank, Generalkonsul Eugen Sachsenröder, der vor etwa 10 Wochen plötzlich aus dem Leben schied, Hand an sich gelegt hat. Bewahr heitet sich dies, so hätte die Leipziger Finanzkatastrophe bis heute bereits ein halbes Dutzend Selbstmorde ge zeitigt, von den Unglücklichen abgesehen, die ob ihrer Verluste geisteskrank wurden. Ueber die Zurückweisung der Treber-Aktien an der Münchener Börse giebt die M. A. Z." nach stehende Einzelheiten. Am 23. August 1899 wurde der Antrag gestellt, 6 Mill. Mark Aktien derTreber- trocknungs-Gesellschaft zum Handel und zur Notiz an der Münchener Börse zuzulassen. Am 27. September 1899 lehnte die hiesige Zahlungsstelle für Werth- papiere nach eingehender Berathung den Antrag ab. Auf hiergegen erhobene Beschwerde hob die Handels kammer für Oberbayern die Entscheidung der Zu lassungsstelle auf und verwies den Gegenstand zu er neuter Behandlung an diese zurück. Kurz vor der endgilti zen wiederholten Beschlußfassung der Zulassungs stelle, über deren Beharren auf ihrem ersten Votum kein Zweifil bestand, wurde der ursprüngliche Antrag auf Zulassung der Treber-Aktien zurückgezogen. Der ablehnende Beschluß und die Zurückziehung des An- träges wurden allen Zulassungsstellen an der deutschen Börse vorschriftsgemäß mitgetheilt. Bekanntlich ent schloß sich daraufhin auch die Berliner Stelle zu einer ablehnenden Haltung. Aus diesen Reminiszenzen er- giebt sich, daß bereits vor knapp zwei Jahren die hiesige Zahlungsstelle die — richtige Ansicht über die Treber-Gesellschast hatte, zur Kenntniß brachte und damit München, bezw. seine Kapitalisten, von großen Verlusten bewahrte. Wie man der Prager „Bohemia" aus Leipzig tele graphisch berichtet, beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft unter den Papieren des Direktors Exner zahlreiche'Dcpot scheine über bei der Bank von England hinterlegte Gelder. — Die Lokalpresse und der Bankkrach. Die große Pariser Bank „Credit Lyonnais" theilt der „Fikf. Ztg." mit, daß sie durch die Artikel der „Frk;. Ztg." über die „Trebergesellschaft" und deren Verbin- düng mit der „Leipziger Bank" schon im Jahre 1898 veranlaßt wurde, ihre Beziehungen zu lösen. Die Leipziger Bank schuldete damals dem Credit Lyonnais mehrere Millionen und genoß bei ihm daneben einen Blanco-Credit von ebenfalls mehreren Millionen für Trassirungen. — Hierzu glaubt das „Meißener Tgbl." bemerken zu müssen: „Was die „Frkf. Ztg." gewußt hat, hätten die Leipziger Blätter erst recht wissen müssen. Sie haben leider unterlassen, rechtzeitig zu warnen. Hätten sie es gethan, so wäre die Sach: jedenfalls schon eher zum Klappen gekommen und das Unheil nicht so groß gewesen". — Man schreibt der Dorf-Ztg. aus Groß Ta barz: Im vorigen Jahre kam der Direktor der „Cassler Treber-Gesellschast" Schmidt mit einer eigenen Konzertkapelle hier an und nahm mit derselben in ein m Hotel Wohnung. Er gab nie unter 20 M. Trinkgeld; sein täglicher Aufwand wurde auf 1000 Mk. geschätzt. Nach einigen Tagen reiste er mit seiner Kapelle von hier nach dem JnselSberg und von da weiter, überall mit fürstlichem Aufwand auftretend. — Vera, 12. Juli. In Lehesten. Oberland tödtete der Aufseher Goetz sich und seine Tochter durch Gift. Das Motiv des Doppelselbstmordes sind Familien zwistigkeiten. — Ein Hagelverftch-rungsprozetz, wel- cher vor dem Landgericht Dessau vor einigen Tagen seine vorläufige Beendigung erhielt, dürfte weitere landwirthschaftliche Kreise interessiren. Die Klage richtete sich gegen die Gesellschaft „Ceres", deutsche Versicherungsgesellschaft gegen Hagelschaden auf Gegen seitigkeit in Berlin, und war erhoben von dem Guts besitzer Heinrich Baake in Rotleben bei Roßlau. Der Schadenfall war durch den schweren Hagelschlag am 23. Juli 1899 verursacht, welcher in dortiger Gegend so manchen Acker verwüstet hatte. Ein Beamter der Gesellschaft taxirte den Schade: auf 800 Mk.; dies zu zahlen, erklärte sich die Gesellschaft bereit, der Ge schädigte forderte aber mehr, und nunmehr lehnte die Gesellschaft jeden Schadenersatz ab, indem sie ein wandte, der Geschädigte hätte verschiedene seiner Pflich- ten nicht erfüllt. Hierdurch in Angst versetzt, erklärte der Geschädigte sich bereit, mit den gebotenen 800 M. zufrieden zu sein; die Gesellschaft verweigerte aber nun jede Zahlung. Durch den Rechtsanwalt Groepler in Dessau ließ Baake die „Ceres" mahnen, jedoch erfolg los; dann wurde Klage angestrengt und zwar auf Zahlung von 2500 Mk. Jetzt bot „Ceres" erneut 800 Mk., doch nunmehr lehnte der Kläger ab und forderte 2500 Mk. nebst Zinsen und Kosten, wofür er sich bereit erklärte, auf eine Erhöhung seiner For derung, zu der er sonst vielleicht im Laufe des Pro zesses kommen könnte, zu verzichten. „Ceres" hielt dies für Hohn und ging auf das Anerbieten nicht ein. Der Prozeß nahm seinen Lauf und die Zeugen und Sachverständigen sagten so günstig aus, daß Baake seinen Klageantrag erhöhen konnte und das Gericht die „Ceres" zur Zahlung von 3163.60 Mk. nebst Zinsen verurtheilte. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. (Zur NichtbestLiigung Kauffmanns). Freisinnige Blätter melden, daß die Nichtbestätigung der Wahl des Stadtraths Kauffmann zum zweiten Bürger meister von Berlin auf die Initiative des Kaisers selbst zurückzusühren sei. Der Minister des Innern sowohl wie der Reichskanzler hätten die Wahl befürwortet, der Kaiser hätte sich daran nicht gekehrt, sondern die Nichtbestätigunz verfügt. Demzufolge sei der Rücktritt des Reichskanzlers wahrscheinlich. Diese Auffassung ist durchaus unzutreffend; in conservativen Zeitungen wird daran erinnert, daß Stadtrath Kauffmann, der gleichzeitig Reichstagsabgeord- neter ist und als solcher der freisinnigen Volkspartei an gehört, am 6. Juni v. I. gegen die Flottenvermehrung gestimmt hat. Hierin dürfte der Hauptgrund für die Nichtbestätigung Kauffmanns zu suchen sein. Höhnisch bemerkt ein Berliner Blatt, wenn die Freisinnigen sich jetzt über vie Maßregelung ihrer Parteimitglieder beklagen, so mögen sie gefälligst bedenke", daß sie jetzt mit der selben Ruthe gezüchtigt werden, die sie seiner Zeit für Kanalgegner gebunden haben. Sie verlangten damals Maßregelung der kanalgegnerischen Landräthe, und sie können sich nicht darüber beklagen, wenn jetzt einer der ihrigen gleichfalls gemaßregelt wird, weil er als Abgeord neter gegen eine Vorlage gestimmt hat, in der sich die Politik und der Wunsch des Kaisers, verkörperte. Die freiconservative Zeitung die „Post" führt auS, daß seit längerer Zeit das System bestehe, freisinnige Parlamen tarier nach dem Herzen Eugen Richters in die Berliner Stadtvertretung zu la iciren. Diesem System fei nun mehr durch die Nichlbestätigung Kauffmann's offen ent gegengetreten worden. Frankreich. Paris, 10. Juli. Der Ausschuß des französi schen Bergarbeiter-Bundes beschloß unter Bezug auf die Beschlüsse des Londoner Kongresses, das interna tionale Bundescomite davon zu unterrichten, daß die Möglichkeit eines allgemeinen internationalen Berg arbeiter-Ausstandes am 1. November zu erwägen sein werde. Wenn die Forderungen der französischen Bergarbeiter nicht erfüllt würden, so würden sie am 1. November in den allgemeinen Ausstand treten. Der Ausschuß hat ferner beschlossen, das internatio nale Comite zu ersuchen, die verschiedenen Regierungen zur Veranstaltung einer internationalen diplomatischen Konferenz auszufordern, durch die ein Mindestlohn für alle Länd r eingeführt werden soll. Rußland. Rußland verhandeln mit Frankreich schon wieder Hella. Novelle von C. Kühns. I. Forts. Hochdruck verboten.l „Gott! So macht's ja jeder vernünftig-Mensch!" klagte die alte Dame. „Kind, wenn Du bloß Ver nunft anne^men wolltest!" „Vernunft!" stieß die Baronesse gereizt hervor, „die überlasse ich Philister- und Krämerseelen!" Her ausfordernd sah sie Herrn von Müller an. Dieser lächelte nur; Hella wurde nervös dabei, dieser Mensch lächelte sie noch aus ihrer Haut heraus! Da ging noch einmal die Thür auf und ein ver späteter Gast trat ein, ein hochgewachsener junger Mann mit einem freundlichen und ehrlichen Gesicht; in Haltung und Auftreten verrieth sich Bescheidenheit und doch Selbstbewußtsein. Er trug eine schlichte, von Sturm und Wetter schon stark mitgenommene Joppe, wie sie Bergsteiger zu tragen pflegen. Der junge Mann erhielt vom Ob rkellner seinen Platz neben Herrn von Müller angewiesen, der Baronesse schräg gegen über. H rc von Müller stieifte seinen Nachbar mit e nem i er ironischen Blicke, zum Aerger der Baronesse, die alles, was der lange Mensch drüben that, zu reizen schien. Ihr war der juige Mann mit seinen ehr- Uchen Augen, in denen ein ganz eigenthümlicher tiefer Ernst lag, entschieden sympathisch, um'omehr, als sekundenlang sein Blick mit unverhohlener B wundei nng auf ihr ruhte. Sie wäre zu gern mit dem jungen Bergsteiger in ein Geip äch gekommen. Herr von Müller sah es ihr an, lächelte, — ein gräßlicher Mmich! — und sagte zu seinem Nachbar: „Wir sprachen »den über die Gefährlichkeit der Berge hier herum. Sie werden wohl ein zuverlässiges Urtheil darüber abgeben können. Ist hir znm Halsbrechen eine günstige Gelegenheit?' „O ja!" versetzte der Angeredete, „einige Touren hier sind bösartig, z. B. das Großhorn." „Beabsichtigen Sie, das Großhorn zu machen, wie die Herren Bergsteiger sagen?" „Nein!" erwiderte der junge Mann, „ich mache nie lebensgefährliche Touren." Herr von Müller sah zur Baronesse hinüber und lächelte abermals. Die Baronesse trat unwillig mit dem Fuß auf. „S e haben in der Baronesse drüben eine Kollegin," fuhr Herr von Müller fort, „oder eine Konkurrentin, sie wird das Großhorn jedenfalls besteigen." „Das werde ich auch!" jagte Hella mit einem zornigen Blick auf Müller, über den dieser lächelnd quittierte, „dazu bin ich hauptsächlich hergekommen." „Maria, Joseph!" rief die alte Baronin, die Hände ringend. „Fordere das Schicksal doch nicht heraus! W-nn selbst ein Mann das nicht mehr mocht —" „Ach, ein Mann!" versetzte die Tochter. „Die Männer Haien leinen Schneid :-ehr!" „Da haben wir's!" sagte Müller, „wir müssen vor dem kommenden Am'zonenreiche flüchten!" „Das wird wohl noch so kommen!" versetzte die Baronesse wegwerfend. „Warum machen Sie keine lebensgefährlichen Touren, wenn ich fragen darf?" wandte sie sich an ihr Gegenüber. „W il ich es, da es völlig zwecklos geschieht, für ein Gottversuchen halte!" entgegnete derjungeManrr kurz. „Bah!" sagte die Baronesse, was haben Sie dar n von Ihrem Bergsteigen? Md setzt Ihr nicht das Leben ein, nie kann das Leben gewonnen sein!' sang Schiller. Ach! tempi pussali!* „Kind," bat die Mutter, „gieb doch diesen Ge- danken auf!" „Nein!" versetzte Hella. „Die Tour ist nicht nur gefährlich, auch an strengend!" sagte der junge Bergsteiger. „Ich habe einige Erfahrung und möchte Ihnen dringend abrathen, gnädiges Fräulein!" „Ich berathe mich selbst!" entgegnete diese hochmüthig. Die Tafel war indessen beendet und die Gäste erhoben sich. Die Baronin forderte die beiden Herren auf, mit ihnen Kaffee zu trinken. Die Herren nahmen dankend an, der junge Bergsteiger stellte sich vor: Eberhard Kunow. „Rauchen Baronesse?" fragte Müller, der jung! n Dame feine Cigarettentasche anbietend. „Danke, ja!" Die Baronesse entzündete eine Cigarette. Eberhard Kunow sah ihr mit großen Augen fast erstaunt zu. Mit heimlichem Wohlgefallen sah die Baronesse auf sei::e offenen männlichen Züge. Schade, dachte sie, sich abwendend, auch er ist kein Mann! „Sn wundern sich wohl," sagte sie laut, „daß ich rauche? Was ein Mann kann, kann eine Frau auch." „Allerdings!" entgegnete ihr Müller. „ES er innert dies zwar etwas an das Wort: Md wie er sich räuspert und wie er spuckt, das hat man ihm glücklich abgeguckt.'" „Sie denken, wir ahmen nach?" fragte di« Baronesse. „Jawohl, Gnädigste! Sie ahmen nach!" ver setzte Müller. „Dann will ich diesmal," fuhr die junge Dam« mit einem sprühenden Blick auf Kunow fort, „in Be zug auf das Großhorn den Herren etwas vormachen !*> Nachdem die kleine Schale Kaffe getrunken war, forderte die Baronesse zu einem Spaziergang auf. Sie ging mit Kunow vornweg, Herr von Müller folgte mit der Mutter. (Fortietzung folgt.)
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