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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 23.06.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190106237
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19010623
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19010623
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-06
- Tag 1901-06-23
-
Monat
1901-06
-
Jahr
1901
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 23.06.1901
- Autor
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MMDMiWckl TaMIt Amtsblatt. M, 144. Sonntag, den 23. Juni 1901. 2. Beilage. Eine bange Stunde. Von E. Kri ckeberg. (Nachdruck verboten.) Er lebte ein einsames, bescheidenes, genügsames Leben. In seiner frühesten Kindheit hatte er alle seine Geschwister verloren, später die Mutter, kaum konfirmirt den Vater und als dann noch sein bester Freund und die Tante, welche Mutterstelle bei dem verwaisten Knaben vertreten hatte, gestorben waren, war er ganz allein und sagte sich, daß er es blewen wolle. Lieber doch einsam durchs Leben gehen, als eine kurze Spanne glückseliger Gemeinschaft mit Jahren dumpfer Trübsal bezahlen müssen. Er fürchtete den Tod — nicht für sich, aber für die anderen, die ihm gehörten — und so verständig er sonst war, hatte sich unter der Grausamkeit des Geschickes die Idee in ihm festgesetzt, daß er unter einem Unstern geboren sei, und daß jeder, der mit ihm in nähere Verbindung trete, unrettbar dem Tode verfalle. Wie hätte er es auf sich nehmen dürfen, ahnungs lose Menschen unverschuldet einem schwarzen Verhäng niß zu überantworten! Man kann nicht sagen, daß er seine Mitmenschen floh, oder sich auch auffallend von ihnen zurückhielt, aber er ließ sie sich nicht nahe kommen — und die, für die er Sympathie empfand, am allerwenigsten. So stand er im Geruch der Kaltherzigkeit, man meinte, er hielte seine Lippen nur deshalb so fest ge schlossen, damit ihnen kein warmes Wort entschlüpfen könne, und die stille Resignation, die unverkennbar aus seinem Wesen lastete, legte man ihm als In differenz aus. Er war Oberlehrer der Realschule und seines ruhigen, würdigen, kühlen Wesens wegen hatte ihn die Vorsteherin einer Mädchenschule trotz seiner Jugend znm Litteraturlehrer ihrer Anstalt gemacht. Es war da auch eine Lehrerin, ein kleines un scheinbares, blasses Geschöpf, das sich zu allem anderen besser geeignet hätte, als eben zur Lehrerin. Ihre Mutter, eine Witwe mit geringer Pension, war eine Jugendfreundin der Vorsteherin und ihr zu Liebe hatte sie die Stelle erhalten. Welch ein Glück! meinten die Bekannten — sie selber empfand es als das Unglück ihres Lebens. Sie hatte ihrer unendlichen Güte und Geduld wegen die ganz Kleinen in die Geheimnisse des A. B. C. einzusühren — man hätte ihr keine aufreiben dere und undankbarere Aufgabe zuweisen können! Die kleine eigenwillige, an keine Disciplin gewöhnte Gesellschaft zu bändigen, ging über ihre Kräfte. Als eines Tages der Tumult iu ihrer Klasse gar zu arg war, ging er, der in der Nebeuklasse zu unter richten hatte, zu ihr. Mit finsterer Stirn, ein ent schiedenes Wort auf den Lippen, trat er ein, aber als er sie inmitten der Kinder sah, vergaß er seinen Zorn. Die Kleinen hatten sie umringt, an jeder Rock falte hing ihr eine, jede versuchte, sich liebkosend an sie zu drängen, die hinten Stehenden reichten ihr über die Köpfe der anderen Blumen zu — sie hätten das gute Geschöpf mit ihren Liebesbeweisen erdrücken mögen. Und sie stand da, rathlvs, Ivie sie sich ihrer er wehren, ihre Autorität ausrecht erhalten sollte, ohne ihnen wehe zu thun. Ein angstvoll scheuer Blick aus ihren sausten Augen flog zu ihm hinüber. „Ich kann sie doch nicht schelten, wenn sie mich so lieb haben!" Er schalt sie auch nicht, er stand nur mit seiner gewöhnlichen imponierenden Ruhe, Energie in jedem Zug seines Gesichtes, vor den Kindern. „Geht auf Eure Plätze!" sagte er und sie folgten augenblicklich. „Und nun verhaltet Ihr Euch hübfch ruhig und thut, was Euer Fräulein Euch sagt." Ec verbeugte sich kurz und kühl vor ihr und schritt nach seinem Klassenzimmer hinüber. Als die Stunde beendet war und er nach Hause gehen wollte, erwartete sie ihn auf dem Flur. „Ich wollte Ihnen noch danken, Herr Doktor," sagte sie in ihrer schücht rnen Weise. „Sie haben ge wiß manchmal zu leiden von der Unruhe in meiner Klasse, aber ich . . . ich kann das nicht so wie Sie ... die Kinder folgen mir nicht so ... ich verstehe nicht zu befehlen." „Sie sind zu weich — Sie müssen viel ener gischer sein," sagte er. Und als er sah, daß sie resigniert den Kopf senkte, fügte er etwas verbindlicher hinzu: „Aber es ist ja nicht immer so schlimm mit dem Trubel, wie es heut war." „Wenn Sie . . . wenn Sie öfter einmal kommen wollten und mir Ruhe stiften helfen ..." Er sah sie erstaunt an; jede andere Kollegin würde sich eine solche Ueberwachung als unerhörten Eingriff in ihre Rechte ganz energisch verbeten haben. „Es ist nicht meinetwegen —" unterbrach sie sich schnell, „sondern damit Sie nicht gestört werden — — und dann ist es doch auch besser für die Kinder, wenn sie zeitig Respekt kennen lernen." Ihr schönes rehbraunes Auge, aus dem so viel Ehrlichkeit und Herzensgüte sprach, war mit einem Blick voll vertrauensvoller Bewunderung zu ihm auf geschlagen und er bemerkte zum erstenmal, daß das zarte, blasse, schmale Gesicht da vor ihm schön war. Er wandte sich rasch, wie ärgerlich, ab. „Wenn ich Ihnen einen Gefallen damit thun kann . . ." sagte er fast ungezogen kühl. Aber er hielt nicht Wort, selbst beim ärgsten Trubel in ihrer Klasse überschritt er deren Schwelle nicht wieder und seine Unfreundlichkeit hatte ihr den Muth geraubt, ihn noch einmal darum zu bitten. Die Kolleginnen hatten wohl recht, w nn sie meinten, daß er bodenlos stolz sei. Sie sahen sich täglich, aber sie gingen mit stummem Gruß an einander vorüber, als ob sie nie ein Wort gewechselt hätten, ja, während er in kollegialisch Harm loser Weise mit den übrigen Lehrern und Lehrerinnen der Anstalt verkehrte, mied er sie — nicht ausfällig, aber fystemati ch. Er verachtet mich wegen meiner Schwäche, dachte sie, und sie wurde imm:r stiller und scheuer. Dann kam ein gemeinsamer Schulaulflug und da passirte das Unerhörte, daß er, der als HiUslehcer keine eigene Klasse besaß, sich erbot, an ihrer Statt die Kinder zu amüsieren. „Sie rtiben sich auf dabei, den Ueberwuth der kleinen Gesellschaft im Zügel zu halten," sagte er, und sie hätte garnicht gewagt, „nein" zu antworten. Ganz blaß vor Erregung saß sie im Kremser neben ihm — er kam ihr vor, wir ein Halbgott, dem sie sich willig beugte. Und er . . er schien ihre Gegen wart völlig vergessm zu haben, er sprach und scherzte mit den Kindern und sie wunderte sich im Stillen, wie vorzüglich er mit den Kindern umzugehen wußte, er der stolze, herzenskalte Mensch. Im Walde, unter dem Rauschen der Launen, dem Jauchzen der Kinder, unter Scherz und Kurzweil fand sie ihr Gleichg wicht wieder, und sie betheiligtc sich mit voller Seele an dem von ihm g leiteten Spiel, aber nicht wie die Lehrerin, sondern wie eins der Kinder selber. Er beobachtete sie verstohlen uud sie wagte nicht, ihn anzu ehen, aus Furcht, seinen Augen zu begegnen. In einer Spielpause wandte er sich dann plötzlich ihr zu. »Ich sehe Sie heut daS erste Mal wohl und frisch! — Sie sollten den L hrerinnenberus aufgcbcn, er ist viel zu schwer für Sie." Sie war bis in die Seele erschrocken bei seine: unvermittelten Anrede. „Ihre Worte enthalten eine bittere Verurtheilung für mich, denn es ist nicht der Mangel an Gesundheit, der mich für den Lehrberuf ungeeignet macht, sondern oer Mangel an Energie — ich bin schwach, dos weiß ich —" „Sie fassen meine Worte falfch aui! — Hängen Sie denn so sehr an dem Beruf?" „Ich liebe ihn, aber er b.deutet ein Martyrium »ür mich — ein lebenslanger, denn wie die Verhält nisse liegen, muß ich Lehrerin bleiben — wir sind arm und aus m.inen Verdienst angewiesen." Er konnte nicht antworten, die Kinder drängten herzu; aber als sie am Abend nach Hause fuhren, war er ihr beim Einsteigen behilflich und er legte einen Shaw! um ihre Schultern, damit sie sich nicht erkälte. Seit dem Tage sprach er mit ihr, wenn er sic traf, gleichgiltige Worte, aber sie bildeten den Sonnen schein ihres TagcS. Manchmal schien cs ihr, ws ob cS ihm Uebei- windung koste, diese wenigen Worte zu sagen, und sie meinte, er biete sie ihr wohl, wie man einem Bettler ein Almosen reicht, doch sie hatte nicht den Muth, ihren Sonnenschein zu fliehen. Sic litt — und er litt auch. Er war bleich und nervös geworren und er hielt sich noch einsamer da heim als früher, ä. os ärgerte die anderen Lehrerinnen; sie gaben sich Müh? um ihn und er wollte cs nicht sehen. Schließlich testeten sic sich damit, daß er ein Weiberfeind sei. Dann kam der Krieg 1866. Emes Tages, als sie aus dec Schule nach Hause ischritt, gesellte er sich plötzlich in der Promenade des alten Wallgrabens zu ihr. „Ich habe aus Sie gewartet," sagte er ohne Um schweife, „da ich mich vm Ihnen verabschieden möchte ich habe Oidre erhalten." Sie stand vor ihm, völlig gelähmt vor Eins tzen in fassungsloser Angst ihn anstarrcnd er hatt, es geahnt, daß sie ihn liebte, jetzt sah er cS. Aus dem Blick der treuen braunen Augen, aus jedem Zug dieses süßen, reinen Antlitzes konnte er cs lesen — und es überwältigte ihn „Es war unklug von mir — ich wußte es," stammelte er, „aber ich konnte nicht gehen ohne ein Lebewohl — einen guten Wunsch von Ihnen — Sie sind die einzige auf der ganzen Weit, die mir theuer ist." Ta brach sie in Thränen aus und nun war es um alle Selbstbeherrschung bei ihm geschehen. Er legte feinen Arm um sie und führte sie zu einer Bank im Gebüsch Dann saß er neben ihr und hielt ihre beiden Hände in den seinen „Ich habe gegen diese L ebe angckämpft aus feiger erbärmlicher Angst vor der Zukunft, ich wollte mich an keinen Menschen mehr binden, weil ich daS Ver- liercn fürchte. Ich habe immer denen, die mit mir vereint waren, Unheil gebracht, und Dich, die ich so über alles liebe —" Die Bewegung übermannte ihn „Was habe ich bei dieser erzwungenen, moMenlangeo Selbstbeherrschung gelitten! Höllenqualen, peinigend genug, au"' das grausamst- Geschick aussöhnen zu können. Vielleicht ist cS jetzt barmherziger mit mir — Hast Du Muth, cs mit ihm aufzunehmen, Hildegard?" Sie legte ihr Köpfchen vertrauensvoll fest an seine Brust. „An Deiner Seite kann ich alles ertragen — und ich glaube auch an einen gütigen Gott." Und dem einsamen, ernsten Manne war cS, als ob sich ein Schauer von unfaßbarer Seligkcit über ihn ausschütte. — Dies süße sanfte Geschöpf war sein! — Laut ausjubelu hätte er mögen, und ec wagte doch kaum zu athmen. » Er war nicht mehr gewöhnt an den Besitz eines geliebten Wesens. In seinem Herzen verborgen zitterte noch immer die alte Angst, daß der Tod an seiner Seite wandle. Und dies treue, hingebende Geschöpf, daS nur sür ihn lebte, verlieren zu müssm. wäre mehr gewesen, als er hätte tragen können Aber diese eingebildete Angst vor einer zukünf tigen Trennung konnte nicht standhalten vor dcm Weh des unmittelbar ihnen Bevorstehend.'!!. Er hätte ter H-ißgeliebten seine Hände immerta, behütend unter die Füße legen mögen, und nun solltc er von ihr gehen und die Zarte mit dem weichen Ge müth allein den aufreibenden Kamps vmS Dasein weiter kämpfen lassen! Und wenn daS unbeugsam Geschick nun diesmal ihn abberief? Wenn er nicht zurückkchrte? Dann sollte sie wirklich lebenslang ihr „Martyrium" tragen? Ein Fieber der Angst packte ihn und er hatte nui noch den einen Gedanken, sie vor seinem Scheiden mit den festesten irdischen Banden an sich zu fesseln, damit er daS Recht hatte, für sie zu sorgen auch aus der Ferne und wenn cs scin mußte über das G ab hinaus. So schütten am Tage darauf die beiden Menschen, die vor kurzer Zeit noch fremd und äußerlich kalt an eioandcr vorübcrgcgangcn waren, gleich io vielen an deren Paaren vor den Altar, um in letzter Stunde vor der Trennung noch den Segen deS Priesters als Eheleute zu co pfangcn. Und zu gleicher Zeit, als draußen an den Grenzen dcS Landes ein sicht barer Feind erfolgreich bekämpft und zurückgeschlagen wurde, schlich ein unsichtbarer Heimlich ins Land — und der war nicht mit F uer und Schwert zu bekriegen und er streckte nicht so schnell die Waffen wie jenci — die Cholera! Hier und da im Lande tauchte sie unvoiherg.schen plötzlich aus und während der Sohn im Felde unver sehrt dem mörderischen Kugelregen entging, raffte da heim im Frieden des Hauses die Scuche vullücht Vater und Mutter hinweg. — Unerwartet schnell war der Krieg beendet und mit brennender Sehnsucht im Herzen eilte d r Doktor heim zu seinem ju. gcn Weibe. Welcher Glück, welche Seligkeit erwartete ihn. Er na'm sich nicht Zeit zum Schreiben, unverhofft wollte er cintreffen und ermatte sich das Wiedersehen mit allen Farben einer himm lischcn Seligkeit aus. ES war Nacht, als er in der Heimat anlangte. Vor dcm Baynhos, mitten auf dem Felde, hatte er einen sonderbaren Scheiterhaufen gen Himmel auslohen ,ehen. „Ist das ein SicgeStanol ?" fragte er den Schaffner „Nein das sind die Hals ligkeitcn dtl an der Cholera G.storbenen!' sagte der gleichmüthig, „die werden alle Abende da verbrannt." Der an der Cbo'era Gestorbenen! Wie Hammcr- fchläge fielen die Worte aus scin ireudetrunkencS Herz Zn seiner Sehnsucht, hciinzukommen, batte er übcr- wupt nicht an dies Schreckgespenst gedacht, das qerad m seinem Wohnort bewndcrs unbarmherzig nüihetc Es mar öde und unheimlich still in den finsteren Straßen der Stadt und man hätte meinen können, in einem wüten Grabe dahin zu wandeln, wenn nicht von Zeit zu Zeit aus einem der niedrigen Fenster ein lautes Jammern und Stöhnen oder inbrünstig srommcS Singen und Beten in daS Schweigen der Nacht hinausgcdrungcn wäre. Ein kaltcs Grauen schlich sich in sein Herz. Die anfangs so hastig dahincilenden Füße wurden ihm schwer. Der Gedanke an daS Vcrhängniß seines Le bens hatte w.cdcr Besitz von ihm ergriffen und be herrschte ihn zuletzt vollkommen. — Wenn cr fein Wüb krank sterbend vi lleicht schon lodt fand! — Seit Tagen wußte er nichts von ihm — o natürlich, cS stand ihm Schlimme- bevor — cS war ja nicht anders möglich, — daS Allerschlimmstc viel leicht, jetzt, da er gerade aus dcm Gip'cl se u . S Glückes star.d. — Und nun packte ihn die Angst der Verzweiflung und er raste vorwärts. Seine junge Frau bewohnte mit ihrer Matter noch immer dasselbe klein: GrrtenhiaSchen, das si schon frühcr mnegchabt hatten. Er nahm sich nicht Zeit, ton P örtncr herauszuläutcn, hastig übersprang er den Zaun — stürzte nach dem llcinen Hause. Tori und still lag cS vor ihm, nur aus einem ha b g'öff netcn Fenster schimmerte ein mattes L cht — mit wildem Griff stieß er cS vollends aus . . Er bemerklc nicht, daß cS leer von Möbeln war, er sah nur cms: unter einem w ißcn Lakeu einen ausgestrcckten Frauen körper Cm entsetzlicher Ausschrei rang sich aus seiner Kehle, wankend hielt er sich am Fcnstcibrctt. Im Z mmcr war cin Mann, der doü die Toten wache hielt, erschrocken aufgesprungen und an- Fenster geeilt. ES war der Pförtner und er erkannte den Ankömmling sogleich. „Herr Doktor, — um GattcSwillcn beruhigen Sie sich! Ihre Frau und Schwiegermutter wohnen seit gestern in der Villa vo'n. Die Frau Kommerziell räthin hat ihnen cin paar Z mmer eingeräumt, weil das Gartenhaus feucht ist und man doch jetzt bei der Seuche vorsichtig s.in muß. Sie sind a"e gesund — Mein Gott, wie crschr-ckt sie sind, Herr Dokloi! — Dies hier ist die alte Waschfrau, die daS Gnaden brot erhielt. Heule abend ist sie an AltcrSichwäch gestorben und wir haben sie hiechcrgcbracht." Langsam löste sich die Erstarrung von dem Doktor — langsam schritt er durch die Allee der Billa zu. Die himmclstürmende Freude hatte einer still gefaßten Seligkeit Platz gemacht. Süa ganzes Dei k:n töste sich in cin e nzizeS h-ißcS Dankgebct aus. Aus dieser bangen Stunde trug er einen Gewinn 'ürS ganze Leben heim: sie hatte ihn an ein gütiges Güchick glauben gelehrt. Sein Klcinmuth war für immer begraben Ter Krieg um Transvaal. London, 21. Juni. Das Abendblatt „Sun" verbreitet die bisher jeglicher Bestätigung von anderer Seite entbehrende Meldung, daß General Botha und seine Unterführer beschlossen hätten, sich zu ergeb», und daß man in Downing Street sogar glaube, daß die Uebergabe bereits erfolgt sei. (?) Gleichzeitig wird aus dem Haag gemeldet, daß die lebhaften Bemühungen, welche aufgeboten werden, um den Präsidenten Krüger sür die Einstellung der Feindseligkeiten in Südafrika zu gewinnen, die Unter- stützung der niederländischen Regierung finden. Kinger sei jedoch bisher in seiner ablehnenden Haltung nicht erschüttert worden. 4- * 4 Die Spaltung der englischen Liberalen, die wegen der entgegengesetzten Beurtheilung des südafrikanischen Krieges durch die bisherigen liberalen Führer Campbell Bannermann und Asquith erfolgt ist, steht in London und in ganz England im Vordergründe deS Interesses. Cr i pbell Bannermann und seine Anhänger verdammen aufs schärfste sowohl den südafrikanischen Krieg selbst, wie auch ganz besonders die Art und Weise, wie er seitens des englischen Heeres gesührt wird. Asquith und seine Anhänger billigen das Vorgehen der Re gierung und des Heeres und stehen somit in direktem Widerspruch zu Campbell Bannermann, dem alten und bewährten Führer der liberalen Partei. Die gesummte RegierungSpresse begrüßt Asquith und seine Gesinnungs genossen der Oppositionspartei mit salbungsvoll n Phrasen und lobhudelnden Worten. Von den großen Oppositionsblättern schlägt sich Daily Chronicle voll auf seine Seite, dagegen vernrtheilt ihn das Haupt organ der Opposition, die Daily NewS, aufs schärfste und ziebt ihm und seiner Clique den Lauspaß. Sie erklärt es für die Pflicht der Liberalen, ihre Loyalität für den parlamentarischen Parteiführer Campbell Bannermann emphatisch und wiederholt zu erklären; salls Asquith nicht länger zu seinen Anhängern ge zählt werden wolle, könne man seinen Entschluß nur bedauern, müsse aber anerkennen, daß ein gemeinsames Handeln unmöglich geworden sei. Asquiths Revolte könne mit seiner Ausschließung aus der liberalen Partei beantwortet werden. Wie das „freie England" politische Ltras- ttefanstene behandelt. Man schreibt auS Kapstadt unter dem 22. Mai: „Das engl sche Regiment, welches gewöhnlich gerade in politischer Hinsicht vorgiebt, dem Ideal der weitgehendsten persönlichen Freiheit zu hulvigen, scheint denn doch seine ähr dunklen Schattenseiten zu besitzen. Wie die britischen Machthaber hier in Südafrika in den jetzigen Kriegszeiten es mit der so viel gerühmten Preßfreiheit zu halten ge denken. das hat sich in jüngster Zeit bei ihrem Vorgehen gegen die verschiedenen unbequemen Zeitungen und vcren Herausgeber in Kapstad! so recht deutlich gezeigt, und die Redakteure Cartwright, Malan und verschiedene andere Leidensgefährten, die den Muth hatten, selbst als ge borene Engländer oder als britische Unterthanen hol ländischer Abkunft den Burcnkrieg als das zu bezeichnen, was er in den Augen der ganzen civilisirten Welt, mit Ausnahme Großbritanniens, ist, können jetzt davon ein Liedchen singen. Es ist geradezu e n Skandal und eine Schande sür die Kapregierung, wie man diese Männer hier im Gefängniß dafür stra't und behandelt, daß sie sür ihre politische Ueberzeugung rückhaltlos und apser eingetreten sind. Dieselben wurden h ec in Kapstadt in dem gewöhnlichen Gesängn ß, wo die Auslese des wider lichsten Gesindels, welches Kapstadt kennt, gefangen ge halten wird, ausnahmslos wie ganz gemeine Verbrecher behandelt. Sie mußten die gewöhnliche Gesängnißkleidung tragen, in ihren Zellen den Fußboden unv die Wänve unter Aussicht von Wärtern dreimal in der Woche reini gen und waschen, erhielten weder Meß r noch Gabel mit hrer Gesängnißkost und dursten pur einmal wöchentlich ein Bad nehmen, mährend sie an den anderen sechs Tagen wie die übrigen Gefangenen in dem affinen Gefängniß- Hofe Morgens ihre Waschungen vorzunehmen hatten. Einmal in der Woche nur erhielten ihre Frauen die Er- lanbniß zu einem Besuche, der genau lü Minuten daue:n Durfte, wobei Mann und Frau in den cntgeg»geletzten Ecken der Zelle sitzen mußten, während ein Aus'cher an dcm Tische in der Mitte des Raumes Platz nahm und nicht einmal eine Umarmung oder auch nur einen Hände druck bei der Begrüßung und beim Abschiede gestatten durfte. Räuber und Mörder hätten nicht peinlicher überwacht und controlirt werden können wie diese v.r- urtheilten Journalisten. Wenn sie Morgens zwecks körperlicher Bewegung ihren halbstündigen Svanc-.aava 'm Gesängnißhofe machten, so bildete die gance Schaar der übrigen Verbrecher ihre Gesellschaft und sie muß: n mit denselben ,im üblichen Gänfimarich im Schn:: und Laufschritt zwischen den hohen Mauern dabmtiaden Man scheint mit dem größten Raffinement d:e Ge'än .n ßüra'e für diese Herren so peinlich und unerträglich als nur eben möglich gemacht zu haben, und erlaubte ihnen nicht ein mal, für ihr eigenes Geld die erbärmliche Getangenenkosl in etwas auszubessern. Schreibmaterialien und Büch r wurden von vornherein einfach abgeschlagen und Bri s- schreiben mit der Begründung vom Gouverneur des Prisons unterfigt, daß die Gefangenen ihre Frauen ja einmal in der Woche zu sehen bekämen Eine unwürdi gere und gehässigere Behandlung von we en politischer Preßvergehen verurtheilcen Zeitungsmännern ist wohl kaum denkbar, und alles dieses nur, weil zwei Redakteure
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