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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 27.04.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190104275
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19010427
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19010427
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-04
- Tag 1901-04-27
-
Monat
1901-04
-
Jahr
1901
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 27.04.1901
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vaterj», aus daß, wenn Sie einst Ihr Haupt zur Ruhe legen, eS auch von Ihnen heißen kann, „ein frommer und getreuer Knecht". Auf diese Gesinnung, die Ich bei Ihnen Allen voraussetze, reibe Ick einen kräftigen Salamander auf Ew. Excellenz und den 8. L. Dieser Trinkspruch wurde mit der höchsten Be geisterung ausgenommen. Hieraus commandirte der Kaiser das Semesterreiben. Nach dieser studentischen Festlichkeit brachte Studiosus von AlvenSleben ein Hoch auf den Kronprinzen aus. Sofort nahm der Kronprinz daS Wort. Weitere offizielle Reden wurden nicht gehalten. Der Kaiser führte das Präsidium nach allen Regeln deS CommentS und zeigte durch seine Geschäftskenntniß, daß er seine Studentenzeit nicht ver gessen hat. Unter der allgemeinen großen Begeisterung litt der Durst der Festtheilnehwer nicht. Der hohe Präside unterhielt sich viel mit den activen jungen Borussen. Ebenso suchte der Kronprinz bald seine neum Corpsbrüder auf. Als um Mitternacht das fünfte Allgemeine: „Der Mai ist gekommen" erscholl, hatte der Kaiser daS Präsidium noch in den Händen und ließ klirrend den Schläger bei Abschluß der Strophen ausschlagen. Köln a. Rh. 26. April. Ueber den Besuch des Kaisers und des Kronprinzen in Maria Laach berichtet die „Kölnische Zeitung": Abt Benzler, den alle Patres und abkömmlichen Brüder umgaben, entbot dem Kaiser herzlichen Willkommen, auf welchen der Kaiser erwiderte, der Benedictinerorden dürfe seines Schutzes und seiner Huld stets versichert sein. Ueber- haupt könnten alle die Bestrebungen auf seine Unter stützung rechnen, welche darauf gerichtet seien, dem Volke die Religion zu erhalten, wie er, dec Kaiser, das auch gestern auf dem Studentencommers zum Ausdruck gebracht habe. Der L.-A. schreibt: Es sei daran erinnert, daß das Kloster bis 1873 von den Patres der Gesellschaft Jesu bewohnt, dann 1892 von den Benedictinern der Beuroner Congregation, die ihr Mutterhaus im Fürstenthum Hohenzollern hat, neu belebt wurde. Bis dahin ziemlich allen Schmuckes baar, begann die Abtei- kirche, ein hervorragendes Bauwerk der romanischen Kunstperiode, durch die vereinten Bemühungen der Regierung und der Geistlichkeit neu zu erblühen. Der Kaiser machte im Vorjahre der Kirche einen wunder vollen Hochaltar zum Geschenk; als ihm der Abt Willibrod Bennzler hierfür im Berliner Schlosse dantte, versprach er der Abtei seinen Besuch, sobald er den Kronprinzen nach Bonn bringe. Dieses Ver sprechen wurde jetzt eingelöst. — Nach der Begrüßung bot der Kaiser seiner Schwester, der Frau Prinzessin Victoria, den Arm und unternahm eine sehr ins einzelne gehende Besichtigung der Kirche. Einen ein fachen Imbiß, welchen die an strenge Lebenshaltung gebundenen Brüder boten, nahmen die hohen Herr schaften dankend an. Der Kaiser schrieb sich hiernach in das Buch der Abtei ein und zog sich alsbald mit dem Abte eine zeitlang in angeregtem Gespräche in den Garten zurück. Als sich der Kaiser in huldvoller Weise mit Händedruck von dem Abte verabschiedet hatte und die Equipage bestieg, läuteten wiederum alle Glocken. Ein auffällig starkes Aufgebot von Gen darmerie und Koblenzer Schutzleuten hielt die Chaussee zum Bahnhof dicht besetzt. In Bonn sind einige ausländische Arbeiter, be sonders Italiener, unter polizeiliche Obhut genommen worden; einige wurden internirt und sollen erst nach der Abreise des Kaisers entlassen werden. 1- * * Aus Anlaß der Bonner Festlichkeiten erinnert die „Rhein.-Westf. Ztg." an die schlichte Art, wie s. Z. der jetzige Kaiser als Kronprinz die Universität bezog: „Wie sich die Zeiten doch geändert haben! Als da mals Prinz Wilhelm die Bonner Hochschule bezog, weilten Kaiser Wilhelm l. und sein Sohn zur Jagd in Schlesien, die kronprinzliche Familie war in Wies baden, abends 11 Uhr kam der Prinz in Bonn an, es gab keinen Anlaß zu Empfängen, keine Immatri kulationsfeiern, keine Kaiserkommerse. Die Zeitungen schrieben damals am 23. Oct. 1877 nur ganz kurz: „Die Ankunft des Prinzen Wilhelm erfolgte gestern Abend spät mit dem um 11 Uhr von Köln kommen den Zuge. Alle Empfangsfeierlichkeiten waren ver- beten und so begab sich der Prinz sofort in Begleit ung des Majors v. Liebenau nach seiner Wohnung Villa Frank, Koblenzerstraße". Doch wie anders ist daS heute! — Der neue Kurs! . . . Damals weilte die Kaiserin Augusta in der Nähe in Koblenz, ihr stattete am 31. Oktober der Prinz in Koblenz einen Besuch ab. Ob der Prinz nicht damals glücklicher war, kein Mittelpunkt großer Festlichkeiten zu sein, sondern unbemerkt zu ernsten Studien und zu studen tischem Fröhlichsein alle Schlösser, Residenzen und Prunkmahle einmal hinter sich zu lassen? Als Redner scheint der Kronprinz jedenfalls nicht feines BaterS Sohn zu sein; ob er sonst gern Feste feiert, steht noch dahin. Wie der joviale Rektor, der Professor der Anatomie Freiherr v. La Valette St. George erzählt, hat der Kaiser selbst, als der Rektor zur Vorbesprech ung bei ihm in Berlin war, angeregt, daß ein Stu dentenkommers stattfinde, an dem er theilnehmen wolle und wo er das Wort ergreisen werde, nachdem der studentische Vertreter das Hoch auf ihn ausgebracht habe. „Dann wird die Studentenschaft aber auch einen Trinkspruch auf Se. Kaiser!, und König!. Hoheit den Kronprinzen ausbringen," hatte der Rektor hinzu gefügt. „Ja, ich weiß nur nicht," erwiderte der Kaiser, „ob ich den Jungen nur zum Reden bringen kann?" „Nun, er braucht ja nicht eine lange Rede zu halten," antwortete der Rektor, „es genügt ja: „Ich trinke einen Ganzen auf daS Wohl meiner Kommilitonen!" „Na," warnte der Kaiser, „so stark darf er doch nicht gleich trinken!" Sächsisches. 26. April iso,. MittheUungen von allgemeinem Interesse werden dankbar ent gegengenommen und eventl. honorirt. — Gestern Nachmittag wurde eine Kellnerin aus Limbach, welche seit dem 17. dss. dort verschwunden ist und einen größeren Kassenbetrag zum Schaden eines dortigen Gastwirthes unterschlagen haben soll, von der hiesigen Polizei festgenommen und dem Königlichen Amtsgerichte übergeben. — Wir haben schon einige Male darauf hinge wiesen, daß Fälschungen von Zeitungsanzeigen eine empfindliche Bestrafung zu gewärtigen haben. Kürz lich hat jemand in Ziegelheim den läppischen Jux einer derartigen falschen Anzeige gemacht. Die Altenb. Landesztg. veröffentlicht nämlich folgendes: „Am 21. Februar d. IS. ist uns auf einer Postkarte aus Oberarnsdors eine Anzeige, betr. die Geburt eines „strammen Jungen" mit der Unterschrift „R. Hüttig und Frau" übersandt worden, die von unbefugter Seite, also nicht von Herrn Hüttig, herstammt. Wer uns den unbekannten Absender dieser Karte so nach weist, daß wir ihn der Staatsanwaltschaft zur Ein leitung eines Strafverfahrens anzeigen können, erhält von unS eine Belohnung von 20 Mark. Die Karte liegt zur Einsicht und Vergleichung der Handschrift bei Herrn Eduard Kirsten in Ziegelheim aus." — Lichtenstein. (Ein theurer Tannenbaum.) Recht theuer ist dem Schlosser Schramm hier ein Tannenbaum zu stehen gekommen, den er vor Weih nachten aus dem fürstlichen Stadtwalde gestohlen hatte; er wurde von einem Forstgehilfen dabei ertappt, gegen den er sich vergriff. Wegen Forstdiebstahls und Wider stands gegen einen Forstschutzbeamten wurde er zu 2>/z Monaten Gefängniß verurtheilt. — Chemnitz. In der am Mittwoch abge haltenen Sitzung des Bezirksausschusses der Kgl. AmtS- hauptmannschaft fand das Konzessionsgesuch F. I. Schmidts aus Augustusburg für den Gasthof Wüsten brand Genehmigung. — Glauchau, 25. April. Eine aufregende Katastrophe, die, hätte man sie nicht vorhergesehen, leicht ein großes Unglück im Gesolge haben konnte, ereignete sich heute Vormittag. Gegen 10 Uhr stürzte unter lautem Krachen der nördliche Giebel sowie ein Theil der westlichen Hinterfront des Herrn Maurer Trommer gehörigen, aus 3 Stock bestehenden Hauses, Theaterstraße 21, ein. Zum Glück war schon gestern Nachmittag, nachdem sich in der nördlichen Giebelwand bedeutende Sprünge bemerkbar gemacht hatten, vom Bauamt das Absteifen des gefährdeten Giebels, sowie die Räumung des HauseS angeordnet. Die Räumung der Wohungen in dem gesährdetcn Theil des HauseS geschah noch während der Nackt, sodaß von den Be- vohnern niemand verletzt wurde. DaS Grundstück ist ns auf weiteres polizeilich gesperrt. Ein großer Trümmerhaufen von Balken, Lehm und Steinen bedeckt >en „Krähwinkelgrund", nach dessen Seite zu der Ein- turz erfolgte. Die noch in den gefährdeten Wohnungen icfindlichen Möbel rc. wurden von Mannschaften der Feuerwehr über Leitern hinweg geborgen. Der voll- kündige Abbruch deS hier unter dem Namen „Kaserne" allgemein bekannten Gebäudes ist nunmehr unerläßlich. Wahrscheinlich wird diese Abbruch von Mannschaften >er Freiwilligen Feuerwehr vorgenommen werden. Leider wird der Besitzer deS HauseS, ein recht fleißiger und thatkräftiger Mann, aber wenig bemittelt, schwer von dem Unfall bettoffen. Falls nicht die Feuerkasse n diesem Falle eintritt, ist ihm der Wiederaufbau )es Gebäudes unmöglich. Als Ursache des Einsturzes ist wohl vor allem die aus Lehmziegeln bestehende alte Grundmauer zu betrachten. Das Haus ist 1842 gebaut. — Glauchau. Eine Schwindlerin, die in Rothenbach und hier seil längerer Zeit Margarine tatt Butter verkauft hat, wurde jetzt festgenommen. Die Person stammt aus Thurm, woselbst ihre Eltern größere Quantitäten Margarine mit Salz durch- zearbeitet und sodann in Butterformen gepreßt haben, )ie dann die krum 15 Jahre alte Tochter als „Ritterguts-Süßrahmbutter" an den Mann gebracht ;at. Die Polizei faßte das Mädchen beim Hausiren in Glauchau ab und nahm ihr den gesammten Vor rath ab. Allein in den letzten Monaten wurden nur in Glauchau über 300 Stück solcher ^„Butter" ab- lesetzt. Dabei ist das Geschäft schon seit Monaten betrieben worden. — Meeraue. Die Aktionäre der großen Kammgarn-Spinnerei A.-G. hierselbst werden ausge ordert, zum Zwecke der Tilgung der Unterbilanz eine Baarzahlung von 40 Prozent oder 400 M. auf jede Aktie zu 1000 M. innerhalb vier Wochen zu leisten. Die Aktien, auf welche diese Zahlung nicht geleistet wird, werden in der Weise zusammengelegt, daß von je drei eingereichten Aktien zu 1000 M. eine Aktie zu 1000 M. abgestempelt zurückgegeben wird. — Zwickau, 24. April. Straskammer II. Heute verhängte das Gericht über den vielfach vorbestraften, 51 Jahre alten Weber Gustav Hermann Schönfeld aus Glauchau, welcher in der Nacht zum 9. März ds. Ihrs, aus einem im Hinterhause des Fabrikanten Rießbeck in Hohenstein-Ernstthal gelegenen unver schlossenen Schuppen einen neuen Handwagen, ein paar Stiefeletten und mehrere Säcke im Gesammtwerthe von 22 Mk. gestohlen hat, wegen RücksallsdiebstahlS 1 Jahr 6 Monate Zuchthaus, 5 Jahre Ehrenrechtsverlust und Zulässigkeit von Polizeiaufsicht, außerdem wegen Bettelns drei Wochen Haft, welche jedoch als verbüßt erachtet wurden. — Zwickau, 25 April. Heute Nacht hat sich ein 36 Jahre alter Kaufmann aus Leipzig-Gohlis, der sich in Geschäften hier aufhielt und nach der Polizei- Haupiwache zu einer Erkundigung gekommen war, in einem unbeaufsichtigten Moment mittelst Revolvers in den Kopf geschoßen. Der Schwerverletzte wurde sofort nach dem Stadtkrankenhaus gebracht, ist aber bald darnach dort verstorben. Der Beweggrund der That ist noch unbekannt — Werdau. In Leubnitz ist das vierjährige Mädchen des Handarbeiters Rehbach in der Nähe der Stauanlage der Firma Wachs k Beckert beim Spielen in den Dorfbach gefallen und darin ertrunken. — Leipzig, 25. April. Der Vorstand der Ortskrankenkasse hat, dem „Leipz. Tagebl." zufolge, in einer noch gestern Abend abgehaltenen Sitzung dem Uebereinkommen bezüglich des AerztestreikS, wie es unter Zugrundelegung der von der Kgl. Knishaupt- mannschaft aufgestellten Einigungsvorschläge getroffen worden ist, zugestimmt. — Dresden, 25. April. Anläßlich des Zu sammentritts der 7. evangelisch-lutherischen Landes- Synode fand heute Vormittag ^10 Uhr in der evan gelischen Hofkirche ein Eröffnungsgottesdienst statt, bei dem der Vicepräsident des evangelisch-lutherischen Landeskonsistoriums Herr Oberhofprediger O. Ackermann die Predigt hielt, der er daS Schriftwort 2. Tim. 2,19: „Der feste Grund Gottes besteht rc." zu Grunde geletzt hatte und in welcher er das Thema behandelte: „Wird unsere Arbeit für unsere Landeskirche von Legen werden? Sie wird eS werden, wenn wir dabei auf dem rechten Grunde stehen und daS rechte Ziel erstreben". — Mittags um 12 Uhr trat die Synode im Sitzungssaale der Ersten Ständekammer zu ihrer ersten öffentlichen Sitzung zusammen. Zu dieser waren 74 Synodalmitglieder erschienen. Kultusminister vr. v. Seydewitz ergriff daS Wort, um im Namen der ia Lvan^elicis beauftragten Staatsminister die 7. ordentliche evangelisch-lutherische Landes-Synode Herz- lich willkommen zu heißen. Nachdem der Herr Minister zu den der Synode bereits zugegangenen Vorlagen einige kurze Erläuterungen gegeben und bemerkt, daß auch die gegenwärtige Synode berufen sein werde, wichtige kirchliche Fragen zu beruhen und zu ent scheiden, an der ruhigen und gesunden Weiterentwickel ung unserer äußeren kirchlichen Ordnung mitzuarbeiten und auf diesem Wege auch das innere kirchliche Leben zu stärken und zu fördern, schloß er mit folgenden Worten: „Bei der Eröffnung der letzten Synode habe ich hier ausgesprochen, daß erfreulicher Weise der evangelisch-lutherische Glaube in weiten Kreisen unseres Volkes noch fest eingewurzelt sei. Dies hat sich in den zurückliegenden fünf Jahren wiederholt lebendig bethätigt, und wenn ich damals hinzugefügt habe, daß wir in Lvsa^elicis beauftragten Staatsminister allezeit unsere ganze Kraft daran setzen wollten, um unserem evangelisch-lutherischen Sachsenvolke dieses theure, von den Vätern ererbte Gut zu erhalten, so sind wir dieser feierlichen Zusage in den zurückliegenden fünf Jahren eingedenk geblieben und werden auch in Zukunft ver hüten, daß Das irgendwie verkümmert werde, was uns das Höchste und Heiligste hier auf Erden ist. (Beifall.) Wir leben in einer Zeit gewaltig ernster Kämpfe. Sehnsuchtsvoll schaut das Volk nach Trost und Hilfe aus. Wir, die wir hier versammelt sind, hoffen Beides zu finden in unserer uns fest an's Herz und tief in's Herz hinein gewachsenen Kirche, denn sie kündet Frieden und Versöhnung!" Aus den Wahlen des Direktoriums gingen hervor als Präsident Herr Wirk!. Geh. Rath vr. Graf v. Könneritz-Lossa, als Vicepräsident Oberhofprediger v. Ackermann-Dresden, als erster Sekretär Herr Oberamtsrichter Scheuffler- Großenhain und als zweiter Sekretär Herr Kirchenrath Lic. theol. Noth-Schneeberg. — Nächste Sitzung morgen Vormittag 10 Uhr; Tagesordnung: Ausschußwahlen. — Schedewitz, 25. April. Gestern Nachmittag gerieth in der Kammgarnspinnerei Petrikowsky L Co. ein 15 Jahre altes Mädchen während des Reinigens der Maschine mit den Haaren in das Räderwerk, sodaß ihr dieselben vollständig vom Kopfe heruntergerissen wurden. Das unglückliche Mädchen wurde sofort dem König!. Krankenstift überwiesen. Eine furchtbare Explosion hat sich, wie ivir bereits gestern Abend mittelst Extra blattes in hiesiger Stadt kundgaben, in dem nahe bei Frankfurt a. M. gelegenen Orte Griesheim er eignet, und leider sind sehr viele Menschenleben dabei zu Grunde gegangen. Ueber das Unglück liegen unS heute folgende Nachrichten des Wolff'schen Telegraph. Bureaus vor: Frankfurt a. M., 25. April. Heute Nach mittag erfolgte in der chemischen Fabrik Griesheim eine furchtbare Explosion. Ein donnerähnlicher Schlag war hier in Frankfurt hörbar, und gleich darauf sah man dichte Rauchwolken emporsteigen. In dem Raume, in dem der Füllstoff für Granaten herzestellt wird, und in dem 18 je 100 Kilogramm solchen Füllstoffes enthaltende Röhren lagerten, fand die Explosion statt, bei der sofort die Fabrikgebäude in Brand geriethen. Eine Abtheilung des 81er Infanterie-Regiments ist nach dem Schauplatz d.r Katastrophe abgegangen, um möglich^ zu verhüten, daß das Feuer die großen Benzinbassins erreicht. Die Einwohner Griesheims flüchten in großen Schaaren aus Furcht vor weiteren Explosionen. Frankfurt a. M., 25. April. Das Feuer nimmt gewaltige Dimensionen an. Jeden Augenblick steht die Explosion weiterer großer Kessel zu erwarten. Bisher sind drei Kessel in die Luft geflogen. Auch auf das jenseits des Mains gelegene Dorf Schwanheim Mutter Ortlands Müder. » rziihlung von H e r m a n n B i r k e n s e l d. 7. z»rtpsung. Nachdruck verdat«» Gerhard Tobbe ging in die Hütte. Ihn ver mißte ja auch niemand. Dieses Abendessen verlief selbst nach Frau Ort lands Urtheil ganz leidlich und unbedingt in ange regterer Stimmung als das gestrige, wo die Pflüger' sehen Damen eben erst den Reisestaub abgeschüttelt hatten und man der Frau Oberomtmann allzusehr anmerkte, wie sie das Terrain noch sondierte. Frei lich — einem Baron gegenüber dm sie man sich schon ein bischen liebenswürdiger geben. Eine Seitenlinie der Finnenbergs war in Schlesien ansässig, und die Oberamtmännin, die, wie sie beiläufig mit Würde be merkte, selbst einer adligen Familie entstammte, kannte ein paar Glieder ders.lbev. Das waren gleich so kleine Beziehungen, wie sie, zumal bei Damen, ein Gespräch leichter in Fluß bringen. Und zudem ver- stand der Baron ein wenig von Musik — zwar war er nicht ein solcher Enthusiast wie Lutz, aber doch Kenner genug, mit Gertrud Pflüger Ansichten über das letztjährige Cäciliensest im Münster'schen Rathhause auszutauschen. Mutter Ortland hatte von Musik dagegen nicht das gelingst?, für Musik dagegen sehr viel Verständ- niß, das heißt, sie saß gern mit ihrem Stricksttumpf oder mit irgend einer Flickarbeit in einer Zimmerecke und lauschte dem Klavierspiel Herthas, die neuerdings antzefangen hatte, sich mit Lutz, dem Geiger, zu ge- meinsamen, genußvollen Vorträgen zu vereinen. So saß mm bei dem bischen kalter Küche — ein Glück, daß noch vom mittäglichen Rehzimmer ein genügender Rest zum Aufschnitt übrig geblieben war — länger als sonst, und Frau PflüoerS Bitte an die Geschwister, die Gesellschaft mit einem Musikstück zu erfreuen, fand selbst bei der Hausfrau Unterstützung. Nur wollte man erst ein paar Minuten ins Freie. Es war ein lauer, stiller Sommerabend, viel wärmer als vor acht Tagen. „Schmuddlig Wetter, Frau Ortland!" sagte Gerhard Tobbe, der mit dem Notizbuch vor dem Lagerhause stand, wo ein Händler seinen Wagen belud Frau Ortland nickte. „'s giebt Regen. Wo ist Hilde?" Gerhard zuckte die Achseln. „Der Wetterwechsel Großvater klagte über Reißen im Knie." „Hm!" machte Mutter Ortland, ließ ihre Gäste stehen und ging langsam über die Straße. Sie wollte bei Wilhelm To^ce mal eben nachschauen. Aus der Hütte hörte man daS Klirren der Glase.', daS Klappern der Hesieisen. „Habe den Zauber eigentlich lange nicht mehr gesehen," bemerke der Baron, und Fräulein Pflüger sagte lebhaft: „Meinem Wunsch komm n Sie zuvor. Bei unserer Ankunft gestern war Mama zu ermüdet, und tagsüber wurde heute nicht gearbeitet." „Wenn eS den Herrschaften Vergnügen macht —" „Und wie, Herr Ortland!" Denn eS ist be schämende Wahrheit, daß ich ein paar Jahre in Schlesien in unmittelbarer Nähe einer Glashütte ge- wohnt habe, ohne je den Fuß hineinzusrtzeu." „Eine alte Erfahrung", meinte der Baron- „Etwa so wie ich in Münster niemals in den Friedens' saal des RathhauseS gekommen wäre, wenn ich nicht hätte Tante Josephine jährlich einmal hinsühren müssen. „Immer wieder?" fragte Hertha verwundert. Fmnenberg verneigte sich. „Sie hat da ihre stille Liebe — den Pantoffel der Elisabeth Wandscherer —" „Einer der Frauen Jans von Leiden?" „Die Seine Zionistische Majestät höchst eigen händig köpfte, jawohl. Meine Tante schwärmt für diese Talmikönigin wie ihresgleichen für Hunde oder Papageien und küßt ihren Pantoffel mit mehr In brunst, als andere Gläubige den deS alten Mannes in Rom." Hertha sah furchtsam zu ihm auf. War er denn nicht gut katholisch? In der Hütte traten ihnen ein paar junge Arbeiter mit yalbflüssigen GlaSballen an ihren Eisenstangen entgegen — so dicht, daß Fräulein Pflüger unwill kürlich nach Lutzens Arm griff. Er lächelte. „Kein Grund zur Besorgniß, Fräulein Pflüger. Es ist nur der übliche Willkomm." Hatten die Glasmacher aber ihr Zurückweichen mißverstanden? Sie wandten sich rasch um, dem „Fräulein" zu, und indem sie ihre Gasballen ver einigten und rasch auSeinandergingen, umspannen sie HerthaS Füße. „Jungsräulein, Wir spinnen Dich ein; Bald ziere Drin Haar der Brautkranz fein," sprach der ältere von beiden. „Wenn Ihr nichts GescheidtereS wißt!" ries Hertha. Den Spruch hatte sie schon oft genug gehört. Dennoch stand sie gluthübergossen. Oder war das nur ein Abglanz aus dem Hüttenofen? Mit neuer Glasmasse stellten sich nun die Leute vor den Baron. „Wenn hohe Herren mal zu unS kommen —" begann der Sprecher. „Ach was, Job! Ich weiß was Neues," rief sein Genosse und blitzschnell die leuchtenden Fäden um den Baron ziehend, improvisierte er: „Alle guten Geister! Lang lebe der Herr Rittmeister!" „Als ob sie den Gottseibeiuns beschwören müßten!" lachte der Finnenberger und zog seine Börse. „Nun?" fragte Lutz erwartungsvoll, als die Reihe doch noch an ihn und Fräulein Pflüger kam. „Zäh ist das Glas, so lang es warm, Doch wird's erst kalt — daß Gott erbarm! Dann splitterl'S leicht in tausend Stücke, Just so ist's mit der Liebe Glücke." Auch dos war ein alter Spruch so gut, wie der für Hertha. Nur, ob Absicht oder Zufall — die Leute hatten ihren Herrn und die fremde Dame zu sammen umsponnen. Gertrud Pflüger lachte dazu, warf aber einen scheuen Blick nach ihrer Mutter, die erhobenen Hauptes dabei stand, mit vorwurfsvoll starrem, hartem Aus druck in den regelmäßigen Zügen. Lutz machte, als man auch ihm wie den anderen sein Bündel GlaSsäden reichte, ein unwirsches Ge sicht, daS sich nicht aufklärte, als er seine Mutter mit Hilde durch die Hüttenthür treten sah. „Ihr habt Euch umspinnen lassen?" fragte Hilde Er nickte. „Albernheiten!" murmelte er: Sie zuckte nur die Achseln. Regungslos stand sie vor der Feuerungs telle und starrte mit großen Augen in die Gluth. „Wie geht's Eurer Frau und dem Kinde, Hellermann?" fragte sie nach einer Weile den Schürer. „Na, 'S geht ja so." „Und Eurem Franz?" Der Mann wischte sich mit der rußigen Hand über die Stirn und stöhnte. (Fortsetzung folgt.)
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