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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 10.03.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190103104
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19010310
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19010310
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-03
- Tag 1901-03-10
-
Monat
1901-03
-
Jahr
1901
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 10.03.1901
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UMm-LMWn ÄMl Amtsblatt 2. Beilage Sonntag, den 10. März 1901 in zu Der Oberlehrer kränkelte und konnte sich nicht erholen, mit auf. er an an Be im so knapp gehen beim Studium wie einst seinem Alten, schon jetzt unterschied er sich äußerlich bedeutend von den Seinen. Während Doktor Rosen jahrein, jahraus denselben schwarzen Schulrock trug, den er in der Klasse mit einem älteren vertauschte, Mutter und Töchter in denkbar einfachster Kleidung gingen, ließ man für Felix bei einem teuren Schneider arbeiten, ' zu Ostern erhalte ich Zulage und dann schränken wir beide, die Mutter und ich, uns noch etwas mehr ein, an uns ist nichts gelegen." Der junge Mann drehte sich um, damit sein Vater die hohe Röthe nicht sähe, die ihm ins Antlitz stieg. Zuni ersten Male war es ihm klar, wie große Opfer ihm Eltern und Geschwister klaglos gebracht und bange Ahnung erfaßte ihn, ob er der vielen Opfer würdig ei. Keinesfalls fand er jetzt den Muth, dem Vater ,u bekennen, daß Zeit und Geld nutzlos vergeudet. „Ich werde arbeiten", sagte er hart. Da fuhr die sonst so schweigsame ruhige Mutter „Du Felix — arbeiten, das leid ich nicht. Du Grete war in der Hauptstadt Turn- und Handarbeits lehrerin. Das, was der Oberlehrer ersparen konnte, war für den Jungen, für Felix. Dem sollte es nicht Felix blieb nun daheim, um sich vorzubereiten. In Wahrheit saß er auf seinem Zimmer und mühte sich, zu arbeiten. Mit Schrecken bemerkte er, daß er den größten Theil seines Wissens eingebüßt und kaum im Stande sein werde, so ohne weiteres alles nach zuholen. Im besten Fall sing er ganz von vorn an. Lo waren jetzt die großen Talente, die er besessen, wo sein Genie. Nicht einmal das Gedächlniß hielt «hm Stand. Der junge Mann war der Verzweiflung nahe. Mein armer Vater, dachte er schuldbewußt. Das Schicksal ersparte ihm den Schmerz, den Vater enttäuschen zu müssen. Den Oberlehrer traf inmitten der Seinen ein Schlag, der seinem Leben ein Ziel setzte. Noch am letzten Tage hatte er zu seiner Frau gesagt: „Wenn doch der Felix erst fertig wär. Das ist ein Genie, er längst an den Nagel gehangen, mithin blieb ihm das Studium als letzte Zuflucht. Der Vater hatte recht, es war das Sicherste . . . Wie aber sollte er es anfangen, dem allezeit Gütigen zu gestehen, daß er bis jetzt noch nichts gethan, sich noch am Anfang seiner Laufbahn befinde. Vergebens zerbrach er sich den hübschen Kopf, cs fiel ihm garnichts ein. Ge drückt kam er zu Hause an. Dort traf er böse Zeit. zwischen Furcht und Hoffnung hin- und hergerisien nicht gewagt, zu seiner Frau zu gehen, bevor nicht Alles entschieden. Nun hatte er den Sohn und er blieb vom ersten Augenblick an des Vaters Vorzug. )er kleine, blonde Bursch, mit dem rosigen Kinder esicht, aus dem große, blaue Augen seltsam ernst in >ie Welt blickten, war auch zum Verziehen. Wenn er, kaum 5 Jahre alt, in kleidsamem, blauen Ma trosenanzug an der Pforte des Gymnasiums stand, den Vater zu erwarten, war kaum ein einziger, der ohne Wohlgefallen dem hübschen Knaben nachsah, der tets so höflich die kleine Mütze zog. Der Vater ächelte geschmeichelt zu allen Lobreden und war auf einen Sohn nicht wenig stolz. Später, als Felix die Vorschule besuchte, gesellte sich zu diesem Stolz auch noch der ungleich größere auf die Begabung des Knaben. Es blieb wahr, Felix lernte gut und leicht und behauptete mühelos den ersten Platz. Daß er aber auch in Fächern excellirte, die man ihm nicht gelehrt, wie im Zeichnen und Ausmalen der gezeich neten Blätter, das regte in seinem Vater die Meinung an, sein Sohn sei ein Universalgenie und er brauche nur ein Fach zu wählen, um der höchsten Auszeich nung sicher zu sein, Felix wurde größer und besuchte das Gymnasium. Hier war er schon nicht mehr unter den ersten, doch das that auch richt noth. Der Ober lehrer fand, Felix sei viel zu genial, um sich auf die einzelnen Fächer zu konzentriren, das dürfe er getrost minder Befähigten überlassen, dafür leiste er auch in mancher anderen Hinsicht Phänomenales. Der Junge war noch nicht 15 Jahre alt, als er schon ein Theaterstück geschrieben hatte, das er mit einigen Freunden vor dem beglückten Vater aufsührte. So etwas war noch nicht dagewesen. Daß er dabei die Klassiker auswendig wußte, selbst eine Anzahl der verschiedenartigsten Gedichte verbrochen hatte, wird dabei nicht weiter Wunder nehmen. Zum Glück hatte der Junge von seiner Mutter her ein einfaches Ge- wüth ererbt, und wenn er auch die Ansicht des Vaters über seine Genialität vollkommen theilte, so gab er sich den Seinen gegenüber doch dankbar und bescheiden, empfindlicher Weise Bekanntschaft mit den Stuhl- und Tischbeinen gemacht, ohne daß ihn das heute sonder lich gestört hätte. Von Zeit zu Zeit zog er die Uhr. i Auf einmal wurde es in den vorderen Räumen laut. Man hörte Thüren auf- und Zuschlägen, vernahm er- i regte Rufe, die hin und wieder e n schriller Schrei < unterbrach. Bei jedem dieser Schreie fuhr Rosen leicht zusammen und machte Miene, die Thür zu öffnen, i immer aber ließ er von seinem Vorhaben ab. < „Ich kann cs nicht," sagte er leise. ' Das Geräusch draußen wird stärker, der Ober lehrer trommelt nervös auf die Fensterscheiben; da öffnet sich hinter ihm die Thür, eine ältliche robuste Frau sicht auf der Schwelle und: „Ein Junge, Herr Doktor, ein prächtiger, gesunder Junge ist angekommen!" ruft sie ihm zu. Er stürzte ohne ein Wort, ja ohne sie anzusehen, an ihr vorüber bis in das Schlafzimmer, in dem eine blasse Frau müde in den Kissen liegt. Ihr Gesicht ist vor der Zeit verblüht, Arbeit und Sorge schrieben ihre Ruven hinein und Anna Rosen mag selbst in ihrer Blüthezeit nicht schön gewesen sein. Heut aber liegt ein höherer Abglanz auf dem blassen Gesicht und wie sie jetzt dem Manne mit glücklichem Lächeln die Hand entgegenstreckt, beugt er sich zärtlicb zu ihr hinab wie seit langem nicht. Er küßt die harte, ver arbeitete Hand und sagt: „Hab' Dank, mein liebes, treues Weib, hab' Dank, so hast Du mir den größten Wunsch meines Lebens erfüllt, wir haben einen Sohn." Thränen der Rührung feuchteten die strengen Züge des Vaters, als er sich liebevoll über da- kleine weiße Bündel neigte, aus dem die groß geöffneten Augen des Neugeborenen ihn seltsam ernst anblicktcn. „Das also war sein Sohn." an dem erleben wir noch was, der hebt uns alle empor." So war der gute Vater im festen Glauben seines Sohnes Zukunft dahingegangen. Das Gin einz ger Sohn. Ein Lebensbild von Marie Prigge-Brock. (Nachdruck verboten.) Der Oberlehrer Doktor Franz Rosen, ein schon „Er ist doch ein Genie, unser Felix," pflegte er sagen, „paßt auf, von dem wird man noch reden." Trotzdem war er unzufrieden, als Felix, nachdem in München und Berlin gewesen, immer noch nicht Politische Wochenschau. Die vergangene Woche ist eine unruhige und wenig erfreuliche gewesen. Der Anschlag, der in Bremen von verruchter Bubenhand auf den allverehrten Kaiser auSgeübt wurde, erregte allenthalben Schrecken, Bestürzung und herzlichste Theilnahme. Wenn auch das Wurfgeschoß, das der hirnverbrannte Bube auf den Kaiser schleuderte, diesem leider eine schmerzende Wunde zusügte, so wandte doch ein fürsorgliches und gütiges Geschick schweres Unheil von dem Haupte des Kaisers urd damit auch von dem deutschen Volke ab. Als ein Trost konnte es von dem deutschen Volke bei diesem Ungemach, das den Kaiser betroffen, empfunden werden, daß es sich nicht um ein politisches Attentat, nicht um die Unthat eines mit anarchistischen oder sonstigen Wahnideen behafteten Verbrechers, sondern um die unheilvolle Handlung eines Kranken, eines Epileptikers, eines offenbar geistig Unzurechnungsfähigen gehandelt hat. Aber auch sonst ist es in dieser Woche auf dem Gebiet der Politik recht lebhaft und zumeist recht ungemüthlich hergegangen. In der China-Frage droht die von jeher recht wackelige sogenannte Einigkeit der Mächte noch kurz vor Thoresschicksalsschluß völlig aus den Fugen zu gehen, die freilich schon längere Zeit nur nothdürftig verkittet waren. Den Hecht im Karpfen- teich spielte auch diesmal wieder, wie schon so oft, Rußland, das gern in diesem chinesischen Karpfenteich im Trüben fischen möchte. Schon schien es, als ob nunmehr, wo die chinesischen Machthaber mürbe ge- worden waren und endlich zu Kreuze krochen, das chinesische Satirspiel seinem Ende zuneige, aber wie derum machten die russischen Sondergelüste, die sich jetzt von der Mandschurei bereit- auf das ganze nördliche China erstrecken, dem Konzert der Mächte einen Strich durch die Chi na-Rechnung. Sonderliche Klarheit ist auch jetzt noch nicht über diese neueste Phase der Chinawirren geschaffen. ES ist bekannt, daß die an der China-Sache be iheiligten Mächte mit Ausnahme Frankreichs zwar keinen Protest gegen Rußland, aber eine sanfte und zum Theil unsanfte Mahnung an die Adresse Chinas gerichtet haben, und es ist anzunehmen, daß sich — Rußland diesen nach China gerichteten kalten Wasser- strahl u6 notam nehmen wird. Wie sich indeß dieser „Zwischenakt in China" abwickeln wird, das ist fürs erste noch dunkel, und auch die Erklärungen, welche der Reichskanzler Graf Bülow im Reichstage über den Status quo der auswärtigen Politik Deutschlands ab gegeben hat, haben den Schleier dieses Sais-BildeS um nichts gelüftet, denn Graf Bülow hat aus Gründen, die unschwer zu verstehen sind, jedes Eingehen auf die chinesische Frage vermieden. Auch sonst haben die Erklärungen deS Grafen Bülow zu dem, was bereits bekannt war, wenig Neues mitgetheilt. Graf Bülow hat lediglich betont, daß die deutsche Politik eS nach wie vor als eines ihrer Axiome ansehe, ein gutes Verhältniß zu Rußland anzustreben, ohne daß er verrieth, ob dieses Streben in letzter Zeit, gleichviel durch wessen Schuld, etwa minder erfolgreich war als früher. Auch über das Verhältniß Deutsch lands zu England betonte er nur, daß sich hierin gegen früher nichts geändert habe. Wenn er damit widerlegte, daß ein festes Verhältniß zwischen Deutsch land und England bestehe, so war auch dies keine überraschende Botschaft, denn der Fehler, sich England gegenüber durch bindende Abmachungen sestzulegen, hat kein ernster Politiker der Leitung der deutschen Politik zugetraut. In England hat man Befriedigung über die Er klärungen deS Grafen Bülow zur Schau getragen. Man möchte in England so gerne Grund zur Bestie- digung haben, denn es fehlt nur zu sehr an solchen Gründen. Die Dinge in Südafrika stehen gar nicht so gut, wie die Engländer die Welt glauben machen wollten. Die angekündigte Kapitulation Bothas ist zu „Essig" geworden und auch der wackere Dewet ist nicht der „verhungerte Flüchtling", als den ihn die Engländer schilderten, sondern er ist wieder mit aller Energie auf dem KriegSpfad, um den Engländern das Leben so sauer wie bisher zu machen. Von irgend welchen kriegerischen Erfolgen der Engländer hat man in letzter Zeit nichts gehört. Der einzige Sieg, den die Engländer erfochten haben, war der, den das englische Unterhaus über die 11 obstruirenden irischen Abge ordneten davontrug, wobei es nicht nur den Sieg sondern die Iren selbst davon getragen hat. Im österreichischen Reichsrath herrschte darob eitel Freude, denn man kann doch nun nicht mehr behaupten, daß nur im österreichischen Parlament geprügelt wird. Die Tschechen haben sich hier in ihrer wahren Gestalt enthüllt. Für sie giedt eS im politischen Kampf nicht mehr Grundsätze und Gründe, sondern nur noch Kehlen und Fäuste, wobei die ersteren sich als leistungsfähiger erwiesen haben. In Spanien ist der politische K impf Aller gegen Alle wieder in eine neue Phase getreten. Nach lange währender Krisis ist das konservative Kabinet Azcar. raga durch das lib.rale Kabinet Sagasta abgelöst worden. Sagasta hat e n schönes Programm, aber mit Programmen ist dem verarinten, durch innere Wirren zerrütteten Spanien nicht zu helfen. DaS vermag nur eine ernste, opferfreudige Resormarbeil und zu deren Durchführung fehlt dem degncrirten spanischen Volke die Kraft. In Bulgarien ist das „Beruhigung? Kabinet" Karawelow zur Regierung gelangt. Beruhigen wird dies allerdings nicht das durch innere Wirren zerrüttete Bulgarien, sondern höchstens Rußland, dem der russenfreundliche Karawelow allerdings sehr in den Kram paßt. „Mit der kleinen Pension der Mutter und unseren Einnahmen ließe sich das Leben schon sorgenlos ge stalten, wenn nicht die große Frage bestehen blieb, was soll aus Felix werden." Der junge Mann hob sein Gesicht, das von hoher Röthe überfluthet war. wozu man die modischsten Stoffe wählte. Nichts kann mit dem Gefühl des Stolzes verglichen werden, das der Oberlehrer empfand, wenn er seinen Sohn im Kreise seiner Freunde daherkommcn sah, unter ihnen der eleganteste, der hübscheste, der klügste. Daß Felix nur Verkehr mit Söhnen der allerersten Familien hatte, darauf hielt der Alte. Noch glücklicher war er indes, wenn er mit sei nem Sohne allein in seinem Zimmer saß und goldne Zukunftsträume spann. Nach Art der Jugend waren die des Sohnes sehr verschieden von denen seines Vaters, doch das that der Einigkeit keinen Eintrag, waren ja nur Lustgebäude, die man erstehen ließ, und deren Einsturz that nicht weh. Felix träumte davon, ein großer Dichter zu werden, ein Schriftsteller, Dramatiker, wie Hauptmann, Laufs, Wildenbruch, für die er zu Zeiten einzeln hfftig schwärmte. Auch Maler hätte er werden mögen, wie Menzel, Knaus, Böcklin, oder Bildhauer! Der Vater war für das Studium. Nur auf der Stufenleiter des Beamtentums sah er das Glück und unter den Fakultäten, die seines genialen Felix würdig schien, hatte er die Jurisprudenz erlesen. Felix sollte Jurist werden, als solcher stand ihm die Welt offen. Im Geist sah Doktor Rosen seinen Sohn schon im Reichstag sitzen, sah die Versammlung er leuchteter Männer an seinen Lippen hängen, sah ihn empoisteigen in glänzender Karriere, die im Minister- stuhl ihren Abschluß fand. Der alternde Mann be rauschte sich an solchen Träumen, Felix folgte ihm mit glühendem Gesicht. Einstweilen stand er vor dem Abiturium. In der Schule war er nur sehr mäßig fortgekommen. Statt der früheren Lobsprüche hatte der Vater Tadels worte hören müssen in der letzten Konferenz. „Der junge Felix zersplittere sich und es sei zu befürchten, daß ihn sein mangelnder Fleiß trotz guter Beanlagung auf unrechte Wege führe," hatte der Or dinarius der Prima gemeint, der Rosen nie sehr grün gewesen. Der Alte hatte nur grimmig gelacht. Zu seiner Frau sagte er: „Es ist alles nur Neid." Einmal trat Felix von dem Examen zurück, er sei nicht ganz sicher, erklärte er dem Vater. Das zweite Mal bat ihn der Direktor, noch zu warten, das dritte Mal glückte es ihm. Wer war zufriedener als Rosen, der jedem, der es hören wollte, versicherte, „eS gehe allen Genies so." Nun war der große Augenblick da, in dem Felix das Vaterhaus verlassen sollte. Er entschloß sich, zuerst nach München zu gehen. Dem Doktor war es nicht ganz recht, er hätte seinen Sohn lieber näher gehabt, allein er fügte sich. Das Leben in der lustigen Jsarstadt gefiel dem Bruder Studio, der von Hause aus einen ansehnlichen Wechsel mitbrachte. Er bist ein Genie und hast noch große Aussichten, was liegt an uns. Nein, Felix, Du mußt deine Studien vollenden." „Wie hast Du Dir das gedacht, liebe Mutter?" fragte Julie sanft. „Er wird sein Examen machen, dann seinen Doktor, dann arbeitet er bei einem Amtsgericht oder was weiß ich, macht seinen Assessor und —" „In der Zeit hungert Ihr Euch zu schänden," siel Felix ein. „Nein, liebe Mutter, das muß ein Ende haben. So lange der Vater lebte und seine Einnahme hatte, durfte ich ruhig nehmen, was er mir gab, nun aber wäre das Nehmen Sünde. Ich sehe keinen anderen Weg, ich muß das Studium aufgeben." „So willst Du auch Dein Examen nicht machen," klagte die alte Mutter weinerlich. Ich kann nicht, wollte Felix sagen, im letzten Augenblick fehlte ihm der Muth. Er durfte die alte gräbniß war vorüber, Mutter und Kinder saßen Zimmer des Verstorbenen und hielten Rath. Julie nahm zuerst das Wort: „Wir wollen ihn Felix heißen," bestimmte Rosen gedankenvoll. „Das mag dem Jungen ein gutes Omen sein. Felix, der Glückliche." sein Examen zu denken schien. Jetzt sollte er nach Hause, sich sür dasselbe vorzubereiten. Nun wurde es Felix schwül. Mit dem Schriftstellern ging es nicht, davon hatte er sich überzeugt, die Malerei hatte Es schien, als trüge der Kleine den Namen mit Recht. Er gedieh und wuchs heran zur Freude seiner Eltern, der Stolz und die Wonne der beiden um vieles älteren Schwestern, die den jungen Bruder vergötterten. ES war der kleinen Familie bisher nicht allzuwohl ergangen. Auf das kleinste Anfangszehalt hin heiralhele Franz Rosen seine Braut, die lange Jahre hoffnungs voll auf ihn gewartet; mit Einschränkungen und Sorge begann die junge Ehe. Die Mutter der jungen Frau lebte noch und bedurfte sorgsamer Pflege, war auch in pekuniärer Beziehung ganz auf die Tochter angewiesen, dazu kamen die Kinder, die sich in kurzem Zwischenraum nach einander einstellten. Alles in Allem war das Auskommen nicht leicht. Franz Rosen war Idealist und hatte sich trotz! aller Prosa, an der sein Dasein so überreich war, l eine Spur von Romantik bewahrt. Alles, was ihm l das Leben schuldig geblieben, sollte es seinem Sohn und Erben in reichem Maße spenden, und somit be- : deutete für ihn die Geburt seiner beiden Töchter eine! jedesmalig: große Enttäuschung. Das erste Mal fand s er sich noch leidlich mit ihr ab, das zweite Mal fiel! es ihm schon schwerer, dem kleinen schuldlosen Mädchen ein frohes Gesicht zu zeigen. Warum blieb auch für l dieses Mal der heißersehnte Sohn aus. Auf ihn hatte 1 er gehofft, für ihn würde er gelebt, gespart, gedarbt 1 haben, damit er einst die Welt beherrsche. Das waren s so seine stillen Träume. Mit Gretens Geburt ver- ! sanken sie alle. ! Frau Rosen war eine gute aufopfernde Seele, ! die ängstlich bemüht war, das Gleichgewicht in Ein- l nahmen und Ausgaben zu halten und dabei Mann und Kindern die nöthige Pflege angedeihen zu lassen. Ihr waren auch die Töchter lieb. Julie, die älteste, mar ein begabtes Kind, das wohl imstande gewesen wäre, dem Vater manches zu ersetzen, doch das fiel Rosen nicht einmal ein. Gut für sie, wenn ihr das > Lernen leicht wurde, sie sollte doch ihr Examen machen, um einst auf eigenen Füßen zu stehen, da arme Mädchen doch heute selten oder nie heiraten. Auch das Zeichentalent der kleineren Grete sollte dem End zweck dienen, sür seinen Sohn freilich hatte der Ober lehrer andere Pläne gehabt. Den hätte er empor- gebracht mit aller Macht bis auf die Höhen des Lebens. Endlich, Grete vollendete schon ihr 12. Jahr, erhoffte Frau Rosen wieder Muttersreuden. Sie war darüber sehr betrübt, auch Rosen zeigte sich wenig froh. Nachdem man eben angefangen, sich aus den Schulden und Anschaffungen der ersten Zeit heraus- zuarbciten, drohte dieser neue Zuwachs, alles Behagen, das sich eben erst über die kleine Familie verbreitet halte, zu vernichten. Und dabei würde auch dieses Kind wiederum ein Mädchen sein, Frau Rosen war dessen gewiß. Daß ihr Mann hoffte, darüber ließ er sich nicht aus, erst viel später besann er sich auf seine maßlose Erregung an Felix Geburtstag, wie er höheren Semestern stehender Familienvater, ging aufgeregt in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Das Zimmer war nur klein und der in seine Gedanken vertiefte Doktor hatte schon verschiedene Male in rccht tauchte tief in den Strom des Lebens hinein. Als er nach ^jähriger Abwesenheit zum ersten Male die Heimat wiedersah, feierten Vater und Sohn ein früh- Uches Wiedersehen. Der Alte fand den Jungen ge reifter, männlicher, auch noch hübscher war er ge worden. Er brachte Studienköpfe mit, die, an sich gute Dilettantenleistungen, den Seinen wahre Meister werke erschienen, und Felix erklärte feierlich, er bringe ihnen ein großes Opfer, indem er der geliebten Kunst, für die er geboren, entsage, um nach des Vaters Willen Jura zu studiren. Das erschreckte den Doktor. Er ließ sich feierlich versprechen, daß Felix niemals Maler werde, daß er aber zu seinen juristischen Stu dien noch nichts gethan, verschwieg der junge Mann. Die nächsten Jahre gerieth er in einen Journalisten kreis. Wo alles schrieb, konnte Felix es nicht lassen, und so entstand nach manchem Ach und Weh ein Opus, dessen Titel vielversprechend lautete: „WaS uns die Mitwelt schuldet". Es sand sich für das kleine Schriftchen ein ge- fälliger Verleger, und nun war Rosen ein großer Mann. An seine Studien dachte er nicht mehr, er schrieb und schrieb, doch der Erfolg blieb aus. Daheim brüstete sich Vater Rosen mit dem Mach werk des Sohnes. was er ihnen allerdings auch schuldig war. Die Schwestern, gute, reizlose Mädchen warenltzazu kam, daß die Ersparnisse durch die theuren Stu- längst erwachsen. Julre hatte eine Lehrerinnenstelle dienjahre beinahe aufgezehrt waren. Es war fast wie m der gleichen Stadt, in der die Eltern lebten, und j Entschuldigung in Ton und Wort, als Rosen seinem Sohne diese Eröffnung machte. „Laß Dichs nicht kümmern," glaubte er ihn noch trösten zu müssen. „Die Sache hat nichts auf sich,
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