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3772 Nichtamtlicher Theil. 224, 26. September. zu publiciren. Es werden ja gerade jetzt Reformen verschiedenster Art angestrebt, und vielseitig macht sich das Bestreben geltend, alte Usancen durch neue zu ersetzen. Die Codificirung des jetzt Be stehenden unterliegt deshalb ernsten Bedenken. Der 2. von den Casseler Handlungen gestellte Antrag lautet: a) Jeder Buchhändler, welcher durch Verbindung mit einem Leipziger Kommissionär seine Zahlungen auf der Buchhändler börse leisten will, muß Mitglied des Börsenvereins sein. Der Vorstand des Börsenvereins wird mit dem Verein der Buch händler in Leipzig das Uebereinkommen zu treffen suchen, daß nur Mitglieder des Börsenvereins die Bestellanstalt benutzen dürfen. b) Die Aufnahme in den Börsenverein unterliegt bei sich neu etablirenden Handlungen dem Gutachten einer von dem Börsen verein niedergesetzten Commission. Der Börsenvorstand befindet sich in voller Uebereinstimmnng mit dem Antrag aä b), dessen Durchführung indeß nur durch Ab änderung unserer Statuten möglich ist. Der Antrag aä a) dürfte indeß zu weit gehende Forderungen enthalten. Die Bestimmung, daß nur Mitglieder des Börsenvereins ihre Zahlungen auf der Börse leisten und die Leipziger Bestellanstalt benutzen dürfen, er scheint zunächst in der Praxis undurchführbar, mindestens aber Würde diese Beschränkung auch den Mitgliedern des Börsenvereins Unbequemlichkeiten aller Art bereiten. Eine andere Erwägung ist die folgende. Als die neue Gewerbeordnung ins Leben getreten war und dem Buchhandel Elemente zweifelhafter Natur zugeführt hatte, wurde vom damaligen Börsenvorsteher, Herrn Julius Springer, mehrfach die Frage angeregt, ob es nicht angemessen sei, die Aufnahme in den Börsenverein zu erschweren und noch andere Bedingungen zu fordern, als den bloßen Nachweis, daß der die Aufnahme Nachsuchende den Buchhandel betreibe. Unsere Statuten haben indeß keine Handhabe für eine Ab änderung der Aufnahme-Bedingungen, und es wurde von einer weiteren Verfolgung dieser Angelegenheit Abstand genommen. Der Casseler Antrag stellt nun an mehrere tausend Firmen die Anfor derung, Mitglieder des Börsenvereins zu werden, falls sie gewisse, ihnen fast nothwendige geschäftliche Vortheile genießen wollen. Ein derartiger plötzlicher Zuwachs der Mitgliederzahl dürfte nach vielen Seiten hin nicht ohne Bedenken sein. Der 3. und 4. Antrag lauten: 3) Eine Art von Staatsanwalt für den Buchhandel zu ernennen, der Ausschreitungen überwacht und friedlich zu beseitigen sucht, der verletzte Interessen vertritt, an den Beschwerden zu richten sind, der die widerstrebenden Interessen zwischen Ver legern, Sortimentern, Antiquaren zu vermitteln sucht und be rechtigte Usancen vertritt. Ob die Befugnisse des Staatsanwalts nicht besser der von denCasselerHandlungenbeantragtenCommission zu übertragen seien, wird dem Börsenvorstand anheimgestellt. 4) Aufstellung einer Matrikel, d. h. eines officiell aufgestellten Verzeichnisses wirklicher Buchhändler, da es jetzt für den Ver leger kein Mittel gibt, die wirklichen Buchhändler von den Buchbindern, Schreibmaterialienhändlern re. zu unterscheiden. Diese beiden Anträge sind in der Eingabe des Vorstandes des Sortimentervereins irrtümlicher Weise als von Herrn August Velhagen in Bielefeld gestellt bezeichnet; sie sind indeß, wie aus dem Protokoll der Eisenacher Verhandlungen hervorgeht, von Herrn August Klasing in Bielefeld gestellt. Der Börsenvorstand kann diese Anträge nicht unterstützen, auch wenn die uns Allen wohl unsympathische Benennung „Staats anwalt" in „Friedensrichter" verwandelt würde. Es werden diesem Beamten Functionen auferlegt, die auch annähernd nur dann durch führbar sind, wenn eine straffe Exekutivgewalt ihm zur Verfügung steht. Wir müssen aber auch befürchten, daß eine Einrichtung, wie sie in dem Anträge des Herrn Klasing angestrebt wird, in erster Linie ein Denunciantenwcsen der gehässigsten Art erzeugen würde. Wohl zu erwägen möchte es aber sein, ob das Amt eines Friedensrichters in der Weise, wie solches beim Verein Schweize rischer Buchhändler seit Jahren eingeführt ist, nicht den Provinzial vereinen oder größeren Genossenschaftsverbänden von Nutzen sein dürfte. Der Vorstand beschränkt sich auf diese Andeutungen und wird bei der mündlichen Discussion der Anträge Veranlassung nehmen, seinen Standpunkt näher zu erörtern. Wohl Niemand von Ihnen, meine Herren, die Sie an unseren Verhandlungen theilnehmen, wird mit der Hoffnung hierher ge kommen sein, daß es uns gelingen wird, allen Klagen Abhilfe zu schaffen und alle Wünsche zu befriedigen. Wir haben mit unzähligen Uebelständen zu kämpfen, die Niemand aus der Welt zu schaffen vermag. In erster Linie ist hierher zu rechnen, daß der deutsche Buch handel nur einen geringen Umsatz zu erzielen im Stande ist, daß nur wenige Verlagsartikcl eine angemessene Rente abwerfen, und daß die meisten Sortimentshandlungen trotz aller Anstrengungen sich mit einem bescheidenen Gewinn begnügen müssen. Und dieser, in Fällen kaum den Lebensunterhalt gewährende Ertrag, wird durch zunehmende Betriebsspesen geschmälert; er wird durch eine übermächtige Concurrenz bedroht, die alle Hebel in Bewegung setzt, neues Terrain zu erobern, und der die erleichterten Verkehrsmittel es ermöglichen, mit geringen Portokosten Absatz in weiter Ent fernung von ihrem Domicil zu erlangen. Verhehlen wir es uns aber nicht, daß alle Vereinbarungen, Beschlüsse oder Resolutionen nicht im Stande sind, gewisse Strö mungen des geschäftlichen Verkehrs in andere Bahnen zu lenken. Unsere Aufgabe hier wird es sein, bei der Krisis, in welcher sich der deutsche Buchhandel unzweifelhaft befindet, klar zu stellen, welche Mittel zur Abwehr von Uebelständen überhaupt möglich und durchführbar sind, und welche Vorschläge wir in dieser Beziehung der Gesammtheit unserer Genossen machen können. Gelingt es uns, diese Klarstellung zu erzielen, dann wird un sere gemeinschaftliche Arbeit keine vergebliche sein!" Der nachfolgende Bericht, welcher die Resultate der Weimari- schen Versammlung so schnell wie möglich zur Kenutniß des Buch handels bringen soll, wird sich im Wesentlichen ans die Mittheilung des Wortlautes der gefaßten Beschlüsse beschränken, ohne auf die Referate und Debatten selbst einzugehcn. Die Herren Bericht erstatter hatten mit einer ebenso hingebenden als verständnißvollen Sorgfalt die ihnen gestellte Aufgabe gelöst, so daß ihre Referate nicht nur für die Gegenwart eine hervorragende Bedeutung haben, während die Debatten, welche sich an die Berichterstattung knüpften, so inhaltreiche, anregende und bewegte waren, daß der Versuch, die selben in flüchtigen Umrissen vorzuführen, Niemandem genügen und der Sache selbst nicht dienen würde. Deshalb hat der Vorstand be schlossen, sowohl die Berichte als die stenographischen Protokolle der Verhandlungen demnächst als ein besonderes Heft erscheinen und unter die Mitglieder des Börsenvereins vertheilen zu lassen. Um im Nachfolgenden die in der Eröffnungsrede des Herrn Vorstehers bereits in ihrem Wortlaut aufgeführten sechs Fragen nicht nochmals zu wiederholen, werden die Leser gebeten, dieselben an dem ange führten Orte, wenn das Bedürfniß dies im einzelnen Falle erfor dern sollte, zu vergleichen. Zu Frage I. (Referenten: die Herren Alt, vr. Kapp und Wigand.) Beschluß: „Die Conferenz verkennt nicht, daß die Gewerbe-