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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 01.03.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190103017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19010301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19010301
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-03
- Tag 1901-03-01
-
Monat
1901-03
-
Jahr
1901
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 01.03.1901
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herrsche ein BertuschungSsystem, er würden vor dem Kriegsgericht Meineide aur Furcht geschworen; das habe sich erst gestern wieder bei einem hier verhan delten Prozeß gezeigt. Im übrigen gehöre zur Miß handlung durchaus nicht immer da» Dreinschlagen mit dem Kolben, auch die Drangsalirung durch fort währende Wiederholung gewisser Ucbungen sei eine Grausamkeit und könne die Leute zu Grunde richten. Gegenüber den Mißhandlungen sei doch die von dem Centrum so scharf verurtheilte Kölner Duellangelegen heit eine wahre Bagatelle. DaS gelte nicht nur von den Mißhandlungen geistiger, sondern auch von denen intellektueller Natur, wie Duzen, Schimpfereien usw. Dadurch werde die Ehre der Mannschaften verletzt, die doch eben so hoch stehe, wie die der Offiziere. Ueberhaupt müßten die Soldaten mehr geschont werden, bei großer Hitze dürsten längere Märsche nicht unter nommen, die Manöver sollten auf einen späteren Ter min verlegt werden. Die gegen die Mißhandlungen ergangenen Erlasse seien unwirksam geblieben, weil der Beschwerdeweg für die Mannschaften ungangbar sei. — Generalleutnant v. Viebahn bezeichnet die Be hauptung des Vorredners, daß die Mißhandlungen in der Armee zugenommen hätten, als unzutreffend; sie seien vielmehr in zehn Jahren prozentual auf etwa die Hälfte zurückgegangen. Auf alle Einzelfälle ein zugehen, erklärt der General für unmöglich, da ihm das Material nicht zur Verfügung steht; soweit er die Angaben des Vorredners kontroliren kann, sind sie nicht zutreffend. Alle Mißhandlungen, die zur Kennt- niß der zuständigen Stellen kämen, würden nachdrück lich bestraft. Er könne versichern, daß bei allen Be theiligten das Streben obwalte, die Mißhandlungen energisch zu bekämpfen. Auch die Bemerkungen des Abg. Kuneit über die Unzulänglichkeit des Beschwerde- Weges seien Unbegründet. Schließlich protestirt General Viebahn entschieden gegen die bei der im Hause herr schenden Unruhe verloren gegangene Aeußerung des Vorredners, daß der in Gumbinnen erschossene Ritt meister v. Krosigk ein Leuteschinder gewesen sei. Er überlasse es dem Hause, über eine solche Beleidigung eines durch einen Unglücksfall ums Leben gekommenen Offiziers zu urtheilen, der stets treu feine Pflicht er füllt habe. — Abg. Werner (Ant.) meint, die Aus führungen des Abg. Kunert hätten von gänzlicher Sachunkenntniß Zeugniß abgelegt. Die Verlegung der Manöver beispielsweise sei mit Rücksicht auf die Be dürfnisse der Landwirthe unmöglich. Daß die Heeres verwaltung jetzt mehr als früher direct bei den Pro duzenten kaufe, sei erfreulich, zu wünschen bleibe noch eine bessere Entschädigung für Flurschäden bei Ma- növern und Erhöhung der Verpflegungsgelder. Einen Excurs des Redners auf die Burenfrage unterbricht der Präsident Graf Ballestrem mit dem Hinweis, daß diese Angelegenheit nicht zum Militär-Etat gehöre.— Abg. Fürst Bismarck: Auf die gestrigen Aeußerungen des Abg. v. Jazdzewsky habe der Kriegsminister auf eine Weise geantwortet, welche allen deutschen Patrio ten zur Genugthuung gereichen werde. Abg. v. Jazd zewsky hat gestern behauptet, Fürst Bismarck habe 1894 zum Kampfe gegen die Polen aufgerufen. Fürst Bismarck hat aber in Wirklichkeit nie die Offensive gegen die Polen ergriffen, sondern war ihnen gegenüber stets in der Abwehr. Bei der heutigen Polenpolitik werde es hoffentlich auch in Zukunft bleiben. Die polnischen Uebergriffe gegen das Deutschthum nähmen von Jahr zu Jahr zu. — Abg. v. Jazdzewsky be hauptet demgegenüber, daß die Polen in der Abwehr seien, heute wie zu Zeiten des Fürsten Bismarck, der in seiner inneren Politik zweifellos vielfach sehr un- glüÄich gewesen sei, namentlich mit seiner Politik für Ausnahmegesetzgebung gegen Katholiken, Polen und auch gegen die Sozialdemokraten. — Abg. Herzfeld (Soz.) verliest einen Hunnenbries eines Offiziers und beschwert sich über das Eingreifen der Militärbehörden in WiSmar in einen Zwist zwischen den dortigen schlecht bezahlten Hafenarbeitern und den Kohlen händlern. Es seien Soldaten kommandirt worden, Kohlen zu löschen, und die Löschung sei durch Soldaten mit scharf geladenem Gewehr überwacht worden. — Generalmajor v. Einem: Es handelt sich hier um den Dampfer „Marie", der zu löschen war, weil er nach! Kiel zurückmußte, um wieder in See zu gehen. Es i standen hier große Interessen auf dem Spiel. Die i Soldaten sind aber nicht zum Löschen kommandirt worden, sondern freiwillig an diese Arbeit gegangen. Daß das Löschen mit geladenem Gewehr überwacht worden fei, davon weiß ich nichts, ich wüßte auch nicht, wozu da» hätte dienen sollen. Die Armee ist in der That nicht dazu da, um in den Dienst des UnternehmerthumS gestellt zu werden, aber wo Noth am Mann ist (lebhafter Wioerspruch link»), da müssen die Söldaten heran. — Abg. Sieg (natl.) konstatirt dem Abg. Jazdzewski gegenüber, seit mehr al» dreißig Jahren sei das Deutschthum im Osten in der Abwehr. Von den sechziger Jahren an datire der völlige Ab schluß der Polen gegen das Deutschthum. Die Deut schen dächten gar nicht daran, die Gefühle der Polen zu verletzen. — Abg. Bebel (Soz.) prophezeit Vieser Polenpolitik kein anderes Ergebniß, als das der Ver schärfung der Gegensätze, er verlangt eine bestimmte An weisung von oben an die Militärbehörden, wie sie sich in solchem Falle,wenn Unternehmer sich an sie wenden, zu ver halten haben. In dem Wismarer Falle hätte die Marine verwaltung nur auf ihrem mit dem Unternehmer Diedrich abgeschlossenem Vertrage bestehen und dessen Erfüllung verlangen sollen; der Unternehmer hätte jederzeit freie Arbeiter genug sinken können, freilich hätte er diesen etwas mehr Lohn zahlen müssen. Daß die Mißhandlungen in der Armee abgenommen haben, sei das Verdienst des Reichstages und der sozial demokratischen Partei, welche diese Mißhandlungen unablässig hier zur Sprache gebracht habe. Ebenso sei zu hoffen, daß der Duellunfug endlich ein Ende nehmen werde, wenn ihn der Reichstag immer und immer wieder zur Sprache bringe und oerurtheile. — Abg. v. Tiedemann (Reichsp.) vertheidigt die Polen politik von 1886 sowie der Gegenwart. Er möchte denjenigen polnischen Gutsbesitzer sehen, der auch nur einen einzigen deutschen Handwerker beschäftige, ohne durch dringendste Noth gezwungen zu sein: sonst kaufe der Pole jedenfalls lieber theurer und schlechter bei einem polnischen, als billig und gut bei einem deut schen Handwerker. So sehe es dort aus seit mehr als zwanzig Jahren. 1886 sei das Deutschthum in der größten Gefahr gewesen, ganz verdrängt zu werden. — Abg. v. Jazdzewski bemerkt u. a., Caprivi habe gegenüber den Polen dieselbe Politik getrieben wie Fürst Bismarck. (Lebhafter Widerspruch.) — Abg. Eickhoff (frs. Vp.) erzählt einen Fall in einer rheini schen Stadt, wo das Bezirkskommando den Offizieren den Abbruch jeden gesellschaftlichen Verkehrs mit einem Kaufmann anbefohlen habe, weil dieser eine Duell forderung eines Reserve. Offiziers abgelehnt habe. — Abg. Graf Limburg-Stirum (kons) erwidert dem Abg. v. Jazdzewski, daß Fürst Bismarck sich 1886 lediglich in der Abwehr gegen die Polen befunden habe. Daß die Caprivi'sche Politik eine ganz andere war, werde doch durch die Bestätigung Stablewski's als Erz bischof von Posen zur Genüge bewiesen. — Abg. Sattler (natl.) äußert sich in demselben Sinne. Stablewski sei eines der temperamentvollsten Mitglieder der Polenfraktion gewesen und Nachfolger eines Erz bischofs deutschen Ursprungs geworden. Pflicht Preu ßens gegen die deutsche Nation sei es, in jenen Ge- genden die Polen zurückzudrängen, jene Gegenden deutsch zu machen. — Abg. Ledebour (Soz.): Indem Sie erklären, daß die Polen zurückgedrängt werden sollen, erklären Sie die Polen für minderen Rechtes; Sie sprechen damit auch Rußland und Oesterreich- Ungarn das Recht zu, die dortigen Deutschen zu ent- nationalisiren. — Der Titel Kriegsminister wird ge nehmigt. — Morgen Fortsetzung. Der Krieg um Transvaal. AuS London wird vom 25. Febr. geschrieben: Christian de Wet ist den Engländern wieder einmal endgültig entschlüpft. Wie zuversichtlich war man in der englischen Presse und infolgedessen im englischen Publikum in den letzten Tagen, daß „dieses Mal an ein Entkommen des Burengenerals absolut nicht zu denken sei", und nun ist all die Freude und all der Jubel, wie schon so oft vorher, wieder verfrüht und umsonst gewesen. — Bon Kapstadt meldet der Draht, daß die aufregende Jagd hinter de Wet von den ver schiedenen englischen Kolonnen unaufhörlich fortgesetzt wurde, bis daß cs dem Obersten Plumer mit seiner Brigade endlich gelang, den Feind am Sonnabend bei Disselfontein wenige Meilen westlich von Hopetown einzuholen und in einem auf beiden Seiten mit größ ter Hartnäckigkeit auSgefochtenen Kamps zu engagiren. Trotzdem de Wet kaum den vierten Theil seines Corps noch bei sich hatte, und trotz der Uebermacht der Eng länder ist eS Plumer aber nicht gelungen, einen besseren Erfolg zu erzielen, als die ungezählten anderen englischen Generale, welche bisher mit der „Verfolg ung" des schlimmsten ihrer Feiude beauftragt gewesen sind. Beinahe unbegreiflich bleibt es, daß die so sorg fältig angelegten britischen Operationen gegen de Wet trotz der verwendeten großen Truppenabtheilung immer im letzten, entscheidenden Moment versagen und den Burenführern dir Trumpfkarte in der Hand lassen. De Wet muß sich, nach den vorliegenden spärlichen authentischen Nachrichten zu urtheilen, thatsächlich sehr in der Klemme befunden haben, da er nicht nur durch die englischen Kolonnen von allen Seiten bedräng! wurde, sondern dieses Mal auch noch mit einem be deutend gefährlicheren Gegner, dem lange anhaltenden tropischen Regen und seinen Consequenzen, den unter ! gewöhnlichen Verhältnissen unpassirbaren Hochfluthen in den verschiedenen Flüssen im Hopetown-Bezirk zu rechnen hatte. Diesem Gegner war er insosorn nicht ganz gewachsen, als er mit seiner kleinen Armee, seinen Geschützen und seinem Transport natürlicherweise nicht in der sonst üblichen Schnelligkeit vorankommen konnte und sich schließlich sogar gezwungen sah, zwei seiner Geschütze bei dem Uebergang über den Oranjefluß am südlichen Ufer des letzteren im Schlamme stecken zu lassen und aufzugeben. Vorher machte er aber noch einen recht guten Gebrauch von diesen Feldstücken und trieb den Obersten Plumer so nachdrücklich unter schweren Verlusten zurück, daß er mit dem größten Theile seines Corps, soweit er das letztere nicht ge- theilt hatte und unter den verschiedenen Commandanten Frohmann usw., in anderen Richtungen nach seiner üblichen Taktik getrennt marschiren ließ, unbehelligt über den hochangeschwollenen Fluß setzen und in der Richtung auf Belmont weiter vorrücken konnte. Die heute vorliegenden Nachrichten vom Buren kriege geben noch immer kein sicheres Bild von der Situation, in der sich de Wet gegenwärtig befindet. Eine gestern mitgetheilte, der Times aus Kapstadt zugegangene Meldung besagte: „Die Streitmacht, welche de Wet begleitete, wird aus 500—800 Mann ge schätzt; außerdem folgen ihm die Ueberreste seines ganzen Commandos und Hertzogs Commandvs von Calvinia aus." Also Theile der aus dem Süden der Kapkolonie unter Hertzog herbeigeeilten Truppen haben sich mit de Wet vereinigt. Man ist dieser Meldung gegenüber, die durchaus nicht mehr so hoffnungslos für die Buren lautet, berechtigt zu fragen, ob die Trennung der Burenschaaren unter de Wet und Hertzog nicht wieder beabsichtigt war, um der Ver folgung der britischen Uebermacht besser zu entgehen. Man ist auch berechtigt anzunehmen, daß de Wet wiederum der englischen Umklammerung entgangen ist, denn sonst müßte er entweder gefangen oder über den Oranjefluß entkommen sein. — Ueber die Vorgänge im Osten Transvaals wird aus Prätoria gemeldet, General French leidet Proviantmangel, setze aber die Versolgung der Buren fort und mache immer zahl- reichere Gefangene. Auch hier heißt es, die Buren- commandos hätten sich in kleinere Abtheilungen auf gelöst. Botha soll nicht bei der Haupttruppe sein, die sich vor French nach Pongola Busch zurückzieht, son dern Lucas Meyer befehligt sie; Botha ist zwischen Ermelo und Middelburg. Daraus würde folgen, daß sich Botha bei der Burentruppe befindet, die die bri tischen Linien nach Westen durchbrochen hat und die sich nun im Rücken von French befindet. — Ueber eine Erklärung des englischen Kriegsministers zu der britischen Kriegführung in Südafrika berichtet folgen des Telegramm: Londsn, 27. Febr. Dillons im Unterhause gestelltes Amendement besagt, den Regierungen von Transvaal und dem Oranjefreistaat sollten Friedens- bedingungen angeboten werden, die tapfere und ehren- werthe Männer annehmen könnten. Kriegsminister Brodrick bemerkt dazu: Er bestreite, daß in Südafrika eine allgemeine Landesverwüstung stattgefunden habe. Viele Farmen, die von den Buren verlassen waren, seien von Kaffern niedergebrannt worden. In anderen Fällen habe es sich um Farmen gehandelt, die nieder- gebrannt wurden, weil ihre Bewohner verrätherisch gehandelt hatten, oder weil es sich um den Schutz der Verbindungslinien vor Angriffen handelte. Der Krieg in Südafrika könne, was Humanität der Kriegführung betreffe, mit jedem bisher geführten Krieg sehr wohl den Vergleich aushalten. (Beifall.) Was da» Ange- bot von FriedenSbedingunzen für die Buren allgehe, so habe er seinen früheren Erklärungen nicht» hinzu zufügen. Die Absichten der Regierung feien ja be kannt. Dillons Amendement wird mit 243 gegen 91 Stimmen abgelehnt. London, 27. Febr. Lord Kitchener telegra- phirt aus Middelburg von heute, General French habe ihm über folgende weitere von ihm bis zum 2S. Febr. gemachte Beute berichtet: Eine 19 - Pfünder - Krupp- Kanone, eine Haubitze, ein Maximgeschütz, 20 000 Patronengürtel mit Munition, 143 Gewehre, 388 Pferde, 52 Maulthiere, 834 Zugochsen, 5600 Stück Rindvieh, 9800 Schafe und 287 Wagen und Karren. Die Buren verloren noch 4 Tobte und 5 Verwundete, sowie etwa 300 Gefangene. Auf britischer Seite war kein neuer Verlust. Kapstadt, 26. Febr. Heute sind hier 7 neue Pestfälle angezeigt worden, davon 1 bei einer Euro päerin im unteren Stadttheil und 1 bei einem Euro päer im vornehmen Stadttheil. In einem Hause nahe der Kathedrale ist ein Kaffer an der Pest gestorben. Neuerdings sind mehrere Weiße und Farbige, die mit Pestkranken in Berührung gekommen waren, isolirt worden. Die Regierung verstärkt angesichts der weiteren Ausbreitung der Pest die Sanitäts maßregeln. Die chinesische» Wirre». Die neue Chinavorlage. Dem Bundesrath ist ein Nachtrag zu dem Reichshaushalts-Etat für das Rechnungsjahr 1901 zugegangen. An fortdauernden Ausgaben werden darin gefordert 2,302,738 Mk., an einmaligen, und zwar aus Anlaß der Expedition nach Ostasien 120,682,000 Mk. Zur Erläuterung dieser letzteren Forderung wird gesagt: An den Zielen, welche das Reich mit seinem militärischen Vorgehen in Chin« verfolgt und welche in der Denkschrift zum dritten Nach tragtetat dargelegt sind, hat sich nichts geändert. Das thatkräftige Eingreifen der Mächte hat die Lage in China, wenn auch langsam, so doch merkbar und stetig gebessert. Mit dem deutschen Oberbefehle kam Einheitlichkeit in die militärischen Operationen der verschiedenen Contingente. Die günstigen Wirkungen sind nicht ausgeblieben, größere militärische Unternehmungen über das besetzte Gebiet hinaus werden voraussichtlich nicht mehr erforderlich sein und nur noch kleinere Beruhigungsstreifzüge innerhalb jenes Gebiets in Frage kommen. Unter dem Eindrücke des gemeinsamen militärischen wie politischen Vorgehens der Mächte hat die chinesische Regierung die von den diplomatischen Vertretern in Peking in einer Note zu sammengefaßten und von allen Mächten für unerläßlich erachteten Friedensbedingungen ohne Vorbehalt angenom men und nur zu einzelnen Punkten „Wünsche" geäußert. Eine befriedigende Beendigung der chinesischen Wirren erscheint nunmehr gesicherter, wenn sich auch über den Zeitpunkt, bis zu welchem das Ziel erreicht sein wird, eine bestimmte Voraussetzung noch nicht machen läßt. Die weiteren Verhandlungen werden sich mit Einzelfragen, namentlich mit der von China zu leistenden Entschädigung und den dafür zu treffenden finanziellen Veranstaltungen, zu beschäftigen haben. Da es, um die chinesische Regier ung zum Eingehen auf eine befriedigende Regelung zu nöthigen, eines militärischen Druckes bedarf, ist die un verminderte Belastung der in China vorhandenen deut schen Streitkräfte vorläufig noch unerläßlich. Peking, 26 Februar. Auf derselben Stelle, wo im Juli vergangenen Jahres die Minister Tschisin und Hsutschengyu der Hinrichtung der fremdenfreundlichen Würdenträger beiwohnten, fiel heute Nachmittag 3'/z Uhr ihr eigenes Haupt unter dem Richtschwert des Henkers. Zahlreiche Offiziere aller Truppencontingente, hohe chine sische Würdenträger, sowie eine ungeheure Menschenmenge, die den Richtplatz umdrängle, wohnten der Hinrichtung bei. Als Vertreter des Grafen Waldersee fungirte Major Lauenstein, während die chinesische Regierung den etzigen Justizminister als Delegirten entsandt hatte. Ja- ranische Truppen escortirten die beiden Delinquenten Im Reiche Ses Confuzius Roman nach chinesischen Quellen von Reger Ten-Costa. 21. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „La-Tso! La-Tsi! Geliebte Schwestern!" stammelte er dann. „Helft mir, daß ich ein rechter Christ werde". „Bedenkst Du auch, was Du thun willst," ermahnte ihn La-T'v streng. „Wenn Du eil Christ n erden willst, so m»ßt Du auch ferner au Deine ehrgeizigen und habsüchtigen Pläne, noch ein Mandarin werden zu wollen, verzichten, denn in China wird kein cingcboiener Christ zu einer Beamtenlauf bahn zugelaffen." Tiu-Dang seufzte schwer, und man hörte an seinem keuchenden Athem, daß es ihm nicht leicht wurde, mit allen Hoffnungen und Plänen, die er sich vom Leben trotz seiner niedrigen Stellung noch ge macht hatte, zu brechen. Ein hohes, inneres Glück durch selbstlose Nächst nliebe sich erwerben zu können, dies war ja auch ein Gedanke, den der ganz in den chinesischen Traditionen erwachsene und erzogene Tsu- Tsang noch gar nicht recht fasten konnte. Trotzdem hatte er doch soeben die überirdische Macht der christ lichen Lehre an den Worten und Thaten La-Tso'S und La-Tai'S an sich tief empfunden, feine Verzweiflung hatte sie in Hoffnung verwandelt und seinem inneren und äußeren Elende ein Ende bereitet, und dieses Be- wußtsein wirkte entscheidend für sein Thun. „Ich will ein Christ werden, helft mir dazu!" flehte er. „Ich weiß es, daß ich dies nicht gleich er reichen kann, denn ich muß erst ein ganz anderer Mensch werden, aber ich will es, denn die neue Religion zieht mich geheimnißvoll an, und ich glaube auch, daß unser großes chinesisches Reich deshalb innerlich so zerfallen, so schwach uud machtlos geworden ist, weil wir nicht die richtige Religion haben" La-Tso nickte dem Vetter beifällig zu und ihm die Hand reichend sagte sie: „Tsu-Tsang, Du bist jetzt aus dem rechten Wege angelangt, den mußt Du weiter verfolg n und dann wirst Du ein Christ werden. Morgen früh sollst Du wieder zu uns kommen, damit wir Dich zu einem Missionar bringen können. Inzwischen rathe ich Dir, dies kleine Buch als erste Vorbereitung für Deinen Uebertritt zum christlichen Glauben zu lesen." Sie hatte inzwischen aus einem Schubfache eine in chinesischer Sprache gedruckte Missionsschrift, welche die Grundzüge der christlichen Religion nach dem Evangelium Johannis enthielt, hervorgenommen und vieselbe Tsu-Tsang übergeben." „Ich danke Dir für diese» Büchlein", erwiderte er, eS eifrig ergreifend, ich werde es noch heute fleißig lesen." „Thue dies und wir werden dann morgen sehen, ob Du Deinem Vorhaben treu bleiben und noch Auf nahme in die christliche Missionsgemeinde begehren wirst," bemerkte La-Lso. „Es würde uns eine große Freude sein, Dich als unseren Vetter und als gebildeten Chinesen unter den Bekennern deS neuen Glaubens zu sehen", sagte nun ebenfalls La-Tai herzlich zu ihm. „Auch bleibt Deine Absicht, Christ werden zu wollen, bis auf Weiteres Dein und unser Geheimniß. Selbst Deinem Vater, der ganz in Furcht vor dem ränkevollen Li-Ha-Tung, welch r der größte Feind aller christlichen Chinesen ist, lebt, darfst Du jetzt von Deinem Vorhaben nichts sagen, denn es kann die Zeit kommen, wo Du schwere Prüfungen wegen Deines neuen Glaubens erwägen, und Vater und Mutter verlassen mußt." Tsu-Tsang war verständig genug, um einzusehen, daß er allen Stockchinesen und selbst seinen nächsten Verwandten gegenüber die größte Vorsicht in Bezug auf seinen geplanten Religionswechsel ausüben mußte, und indem er noch La-Tso und La-Lai gegenüber eine Verschwiegenheit betheuerte, verabschiedete er sich nit dem Versprechen, morgen früh wiederkommen zu wollen, um mit seinen beiden Cousinen zu einem Missionare zu gehen. 7. Kapitel. Der Mandarin der fünften Rangstufe, Ho-Hang-Lo war vom großen Rathe in Peking beauftragt worden, die Oberleitung der wissenschaftlichen Expedition zur Erforschung der Zustände in den Bergwerken der Provinz Schansi zu übernehmen. Als er aber diese Expedition bilden wollte, hatte er wohl bald die nöthigen Tataren unter dem Befehle eines Mandschu- Offizieres zusammen, aber die ihm von der kaiserlichen Universität als Fachleute beigegebenen Ingenieure Davison und Guthaus waren nirgends zu finden. Das Verschwinden dieser beiden Männer war um so weniger ausgefallen, als sie wegen ihrer Vorbereitungen zu der Expedition und auch zur Stärkung ihrer Ge sundheit Urlaub hatten. Zunächst regte sich bei den argwöhnischen Man darinen der Verdacht, daß die beiden fremden In genieure ans Angst vor den Gefahren der Expedition die Flucht ergriffen hätten und sich bereits in Taku auf einem Schiffe befänden. Die übrigen europäischen und amerikanischen Mitglieder der kaiserlichen Universität in Peking hielten aber eine solche Möglichkeit bei dem ehrenwerthen Charakter ihrer Collegen Davison und GuthauS für ausgeschlossen und da blieb nun weiter nichts übrig, al» anzunehmen, daß den Männern ein Unglück zugestoßen sei. Nun begab sich der Mandarin Ho-Hang-Lo als bald zu dem Taotai, der als Oberhaupt der Bezirks polizei Alles in Bewegung setzte, um die beiden Ver schwundenen zu entdecken. Binnen vierundzwanzig Stunden wollte der Taotai die Fremdlinge zur Stelle schaffen oder über deren Verbleib sichere Auskunft geben. Als aber der Mandarin am anderen Tage wiederkam, machte der Taotai ein verlegenes Gesicht und erklärte, daß seine geriebensten Polizisten noch keine Spur von den verschollenen Personen entdeckt hätten. Ueber diese schlechte Nachricht machte der Man- dnin einen großen Lärm und schwor bei seinem Zopfe, daß er den Taotai und seine ersten Beamten bei dem Großen Rathe als ganz unfähige Leute, die das ganze himmlische Reich in Verlegenheit und Schande brächten, bezeichnen müßte, wenn in weiteren vierundzwanzig Stunden die beiden verschwundenen Ingenieure nicht gefunden würden, denn schon regten sich di? fremden Gesandten in Peking über den Fall auf und wollten bei dem Tsung-Li-Damen Beschwerde einreichen. Aus Angst um seine gute Stelle hielt nun der Taotai mit den schlauesten seiner Beamten nochmals Rath darüber, was in dieser Nothlage zu thun sei, und als diese auch keine anderen Vorschläge hatten als gestern, daß man eben nochmals die ganze Stadt nach den Fremdlingen durchsuchen müsse, so befahl zwar der Taotai, daß dies nochmals peinlich genau geschehen müsse, aber er nahm auch eine Anzahl seiner Polizisten, denen er eine Spürnase zutraute, einzeln vor, um vielleicht von ihnen etwas darüber auSzu- kundschaften, wo die Gesuchten sich befinden könnten. Dieses Ausforschen war eine recht mühselige und vergebliche Arbeit für den wohlbeleibten Taotal, dem vor Erregung fortwährend dicke Schweißtropfen auf die Stirn und den glattrasirten Scheitel traten, und mit vielen Schimpf- und Spottnamen über ihre Dummheit mußte er ohne jedes Resultat diese Leute wieder entlasten. Der Taotai dachte schon daran, sich an einem Hanfstricke aufzuhängen oder Gift zu nehmen, um der Schande schimpflicher Absetzung und Bestrafung wegen Unfähigkeit im Dienste zu entgehen. Da in seiner höchsten Noth erschien dem Taotal ein rettender Engel in Gestalt eines kleinen, pockennarbigen Gefängmß- wärters. (Fortsetzung folgt.)
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