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1876 rAPIER ZEITUNG Nr. 52 Gehilfenschaft gleich ehrende, aufopfernde und nachhaltig durch geführte Betätigung aller Beteiligten geschehen. Ein eigenartiges Schauspiel auf der gewerblichen Bühne des Lebens spielt sich in diesen Vorgängen ab, deren Nachwirkungen bei allen Berufsständen das grösste Interesse erregen müssen. Denn wegen ihrer Lässigkeit und ihres Mangels an Initiative haben die Buch druckereibesitzer durch die von ihnen ins Leben gerufene Organisation den erhofften gewerblichen Vorteil nicht erlangt, dagegen haben ihre Gehilfen dadurch fast überall erhebliche Lohnaufbesserungen errungen. In welchem Grade die unter hervorragender Mitwirkung sozial politisch denkender und handelnder Buchdruckereibesitzer immer mehr gestärkte Gehilfen-Organisation sich entwickelt hat, zeigt der vor Jahresfrist von beiden Vereinigungen gemeinsam erlassene Auf ruf an die »Nichtverbändler«, nunmehr von den Prinzipalen das fest gesetzte Minimum zu fordern oder die innegehabten Stellungen zu kündigen. Die Unterbringung etwa aus diesem Anlass entlassener Gehilfen übernahm dabei die Verbandsleitung. Eine solche demokratische Verbrüderung zweier Machtfaktoren, die sich vorher so oft feindlich gegenüberstanden, wäre vor 10 Jahren unmöglich gewesen. Schluss folgt Hamburger Brief Mitte Juni 1902 Der Geschäftsgang des Hamburgischen Buchdruckgewerbes ist seit dem letzten Briefe derselbe geblieben. Die überaus ungünstige Lage erhellt am besten daraus, dass 150 Setzer und Maschinenmeister in die Arbeitslosen-Liste des Buchdrucker-Vereins (Verband) ein getragen sind, denen sich noch etwa 40 männliche und weibliche Hilfsarbeiter anschliessen. Die Beerdigung des am 24. Mai verstorbenen Herrn J. C. W. Lütcke, Mitinhabers der Senatsdruckerei von Lütcke & Wulff, fand am 28. Mai unter reger Beteiligung der Hamburger Buchdrucker statt. Der Ver storbene, der 71 Jahre alt wurde, erfreute sich wegen seines warmen Empfindens für Hilfsbedürftige in den weitesten Kreisen der höchsten Wertschätzung. Am 4. Juni verschied im Alter von 83 Jahren Herr Otto Carl Meissner, Begründer und Senior-Inhaber der Buchhandlung von Otto Meissner. Unter vielen Entbehrungen, durch stete Arbeit und unermüdlichen eisernen Fleiss hat er es verstanden, sich eine hervorragende Stellung im hiesigen Buchgewerbe und die Achtung und das Vertrauen seiner Mitbürger zu erringen. Die Buchdrucker-(Zwangs-) Innung überliess laut Versammlungs beschluss der vor Kurzem gegründeten Typografischen Gesellschaft die noch von einer früheren Kunstvereinigung stammende Restsumme von 73 M. als Geschenk und zeichnete einen vorläufigen Jahresbeitrag von 50 M. Betreffs der von Gehilfenseite angeregten Hamburgischen Drucksachen-Ausstellung wurde beschlossen, es jedem Innungs- mitgliede anheimzugeben, ob es sich an der geplanten Veranstaltung beteiligen wolle oder nicht. Dem soeben erschienenen Bericht der Fortbildungs- und Fachschule für Huchdrucker-Lehrlinge für 1901—1902 ist Folgendes zu entnehmen: Am Fortbildungs-Unterricht nahmen durchschnittlich 105 Schüler teil. Der Schulbesuch war sehr regelmässig, wozu wohl die seit 2 Jahren bestehende Strafbestimmung für Schulversäumnisse beigetragen hat. Abhaltung durch Arbeit gilt nicht mehr als Entschuldigungsgrund, und die Prinzipale müssen die Strafe in diesem Falle aus eigenen Mitteln bezahlen. Der Unterricht beschränkte sich im Wesentlichen auf Deutsch und Englisch; einige Lehrlinge nahmen auch französischen und stenografischen Unterricht. Der Fachunterricht für Setzer lehrlinge, Leiter Faktor Mahn, wurde von 89 Schülern regelmässig besucht. Der Unterricht erstreckte sich auf alle Fächer der Satz technik, namentlich dem Entwerfen von Akzidenzen wurde besondere Aufmerksamkeit gewidmet. In der Drucker-Fachklasse (9 Schüler), Lehrer Maschinenmeister Politscher, wurde neben eingehender Erläuterung der gesamten Drucktechnik auch die Herstellung von Tonplatten gelehrt. Der Buchdrucker-Verein für Hamburg-Altona begeht das diesjährige Johannisfest am Sonntag, 6. Juli, in Billthal bei Bergedorf. Der Maschinenmeister-Verein, der um die technische Weiterbildung seiner Mitglieder eifrig bemüht ist, wird nächstens einen Kursus im Ton plattenschnitt veranstalten. Die Liedertafel Gutenberg, deren Mitglieder dem Verbände angehören, erlässt aus Anlass ihres 25 jährigen Stiftungsfestes am 12. Oktober ein Preis-Ausschreiben für eine Fest karte und ein Titelblatt zu der Festschrift. Für beide Arbeiten sind drei Preise in Höhe von je 20, 15 und 10 M. festgesetzt worden. Das Preisrichteramt hat Aug. Müller, Herausgeber der »Schweizer Graph. Mitteilungen«, übernommen. Nur Mitglieder des Hamburger Orts vereins können am Wettbewerb theilnehmen. Die Meisterprüfung für das Buchbinder-Handwerk, die durch das am 1. Oktober 1901 in Kraft getretene Gesetz neu geschaffen wurde, hat als erster Prüfling Anfangs Mai Fräulein Marie Lühr bestanden. Die junge Dame, eine Holsteinerin von Geburt, hat ihre Ausbildung in den Werkstätten von Collin in Berlin, von Cobden-Sanderson in London und von Hendrik Schultze in Düsseldorf erhalten und ist seit längerer Zeit in der bekannten Kunst-Buchbinderei von Wilhelm Rauch, hier- selbst, tätig; sie wird demnächst nach Berlin übersiedeln, um dort in Verbindung mit dem Lette-Verein, auf dessen Veranlassuug ihre Ausbildung erfolgte, selbständig zu arbeiten. Das Meisterwerk, ein in Handvergoldung ausgeführter Bucheinband, ist zur Zeit im hiesigen Museum für Kunst und Gewerbe ausgestellt. Die hiesige Buch- und Steindruckerei von Schlachter & Rühger, Grimm 6, wurde am 26. Mai durch eine Feuersbrunst, verursacht durch Kurzschluss an der Dynamo-Maschine, arg beschädigt. Dieses Unglück trifft die Firma umso schwerer, als sie erst im Vorjahre von einem Schadenfeuer heimgesucht wurde. Der Betrieb ist mit 120000 M. versichert. Die Hamburger Wochenschrift »Der Lotsen, Verlag Alfred Janssen, stellte nach ungefähr zweijährigem Bestehen am 28. Juni ihr Erscheinen ein. Die Redaktion bemerkt dazu: »Die letzten Versuche, die Ham burgische Wochenschrift finanziell neu zu fundiren, sind gescheitert, wiewohl die stetige Weiterentwicklung des »Lotsen«, sein wachsendes Ansehen in Deutschland und auch im Auslande eine Gewähr dafür boten, dass das mit grossen Opfern an Geld und Arbeit geschaffene Unternehmen lebensfähig war«. Die Hauptschuld an dem Zusammen bruch wird von der Redaktion dem mangelnden Interesse der Ham burger an litterarischen Schöpfungen zugewiesen. Dies mag teilweise wahr sein, aber auch die Redaktion selbst wird sich, wie das »Hamb. Fremdenbi.« mit Recht bemerkt, von einer Unterlassungssünde nicht freisprechen können. Der Titel lautete Hamburgische Wochenschrift, aber die Hamburgischen Interessen und Verhältnisse wurden in der Zeitschrift kaum mehr berücksichtigt als in anderen angesehenen Wochen- und Monatsschriften. So trat der »Lotse« in die Reihe der deutschen Zeitschriften ohne eine eigentlich Hamburgische Tendenz ein. Der Mangel an Volkstümlichkeit erklärt sich auch zum Teil dadurch, dass Sch der Inhalt, so anziehend er auch für unterrichtete Leser war, wesentlich auf akademisch gehaltene längere Artfkel be schränkte. Der hiesige Journalisten- und Schriftsteller-Verein hat den Senat ge beten, im Bundesrat für die Beseitigung des journalistischen Zeugnis zwangs zu wirken. Der Verein geht dabei von folgenden Erwägungen aus: 1. Nicht nur eine berufliche Anstandspflicht, sondern ein starkes öffentliches Interesse, erwiesen durch den Verlauf wichtiger Reform bewegungen auf allen Gebieten des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens, fordert in zahlreichen Fällen die Diskretion des Redakteurs bezw. seiner Gewährsmänner. 2. Wie die Erfahrung lehrt, hat die Anwendung des § 69 St.-P.-O. auf Redakteure in Sachen ihres Berufs geheimnisses noch niemals einen Erfolg gehabt, dessen Wert das Odium des angewandten Zeugniszwanges und die Beeinträchtigung wichtiger Rechtsgüter auch nur entfernt aufgewogen hätte. 3. Die Verhängung einer sechswöchigen bis sechsmonatigen Zeugniszwangs haft gegen ihr Berufsgeheimnis wahrende Redakteure ist von hervor ragenden Juristen als eine dem Geist unserer Zeit und unserer Rechts pflege widersprechende Folter bezeichnet worden, ausserdem wider spricht sie dem Grundsatz unserer Strafrechtspflege, wonach Niemand gezwungen ist, sich selber zu belasten. 4. Die strafrechtliche Sühne der Pressvergehen ist äusser durch das allgemeine Strafgesetz durch das Pressgesetz in völlig ausreichendem Maasse und den bestehenden Verhältnissen hinlänglich angepasster Weise gesichert. Die Leitung des Hamburgischen Museums für Kunst und Gewerbe sucht die modernen Buch-Erzeugnisse unserer bedeutendsten Verleger auch einem grösseren Publikum vor Augen zu führen. Nachdem erst vor Kurzem die Berliner Firma Fischer & Franke zu Wort gekommen war, deren Bedeutung vor Allem in der Pflege der volkstümlichen aber doch künstlerischen Illustration liegt, ist seit voriger Woche eine Ausstellung der Zeitschrift »Kunstgewerbe fürs Haus« (Verlag von 0. Lienekampf, Berlin; Herausgeberin Frau Clara von Sivers) eröffnet. Die im Jahre 1900 gegründete Zeitschrift will das häusliche Kunst gewerbe fördern durch kurze, praktisch gehaltene Aufsätze und gute Abbildungen von Mustern und Vorlagen über alle möglichen Lieb haberkünste. Zu diesem Zwecke hat der Verlag neben den bewährten »Hauskünstlern« noch viele andere hervorragende Mitarbeiter heran gezogen; Peter Jessen, Eckmann, Fritz Stahl, 0. Fischel u. A. lieferten bereits Beiträge. Um ein klares Bild von ihren Bestrebungen zu geben, hat die Schriftleitung einen grossen Teil der kunstgewerb lichen Gegenstände, die in Abbildungen gebracht wurden, auch wirklich ausführen lassen und diese in der ziemlich umfangreichen Ausstellung vereinigt. Wilh. Rathol Süddeutsche Buchhändlermesse in Stuttgart. Die Buchhändler Süd deutschlands und der Schweiz tagen gegenwärtig hier. In der Generalversammlung des Süddeutschen Buchhändlervereins erstattete der Vorsitzende, Adolf Bonz, den Jahresbericht. Sein Bericht stellt eine rückläufige Bewegung fest, die mit der gesamten wirtschaftlichen Depression zusammenhängt. Im Sortiment machte sich der Rückgang am stärksten bemerkbar; der Verlagsbuchhandel musste infolge der früheren Uebererzeugung seiner Unternehmungslust Schranken setzen. Von Stuttgart aus gelangten 1901 insgesamt 4 488 720 kg Bücher zum Versand (148 755 kg weniger als im Jahre 1890). Die rückläufige Bewegung ist inzwischen zum Stillstand gekommen; das laufende Jahr lässt eine Besserung erkennen. Der württembergische Buch händlerverein, der im Anschluss an die Generalversammlung des Süddeutschen Buchhändlervereins seine 23. Mitglieder-Versammlung abhielt, nahm nach gründlicher Beratung den Entwurf neuer Verkaufs bestimmungen einstimmig an. Die neuen Bestimmungen, die sich den von Berlin und Leipzig ausgegangenen Reformen anschliessen, sollen mit 1. Juli d. Js. in Kraft treten. (Hamb. Fr.-Bl.) K.