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1868 PAPIER-ZElTÜNG Briefkasten Anonyme Fragen bleiben unberücksichtigt Antwort erfolgt kostenfrei, aber ohne Gewähr, unter der Voraussetzung, dass sie ohne Namen abgedruckt werden darf 3658. Frage: Vor 6 Monaten bewarb ich mich um die Ver tretung einer Kunstanstalt, die Postkarten erzeugt und nur auf An fertigung Bestellungen übernimmt. Als Antwort erhielt ich Muster und Preise samt Bezugsbedingung, dazu ein Schreiben, dass keine Vertretung abgegeben wird, weil die Anstalt mit Grosshändlern in Verbindung treten will. Auf mein weiteres Schreiben, dass ich aus schliesslich mit Grosshändlern arbeite, und diese meine Kunden auch für sie anwerben könnte, wurden mir auf den Grosshandel 5 pCt. Provision zugesagt. Die Anstalt sandte vor einigen Tagen einen Reisenden herein, ohne mich vorher zu verständigen, und liess hier die Kundschaft be suchen. Ich erfuhr dies bei den Firmen, und mir wurde auch von der Kundschaft mitgeteilt, dass der Reisende, obwohl er noch für einige andere Firmen reist, erklärte, er wäre der alleinige Vertreter dieser Anstalt Hat die Anstalt das Recht, einen Reisenden hereinzusenden ohne mich zu verständigen? Hat der Reisende das Recht, sich als alleinigen Vertreter auszu geben, bevor ich von der Entscheidung der Anstalt in Kenntnis ge setzt wurde? Was kann ich tun, um von der Anstalt Genugtuung zu erhalten und bei meinen Kunden rehabilitirt zu werden? Welche Provisions-Ansprüche kann ich stellen? Habe ich ein Recht auf eine Kündigungsfrist oder kann das Ver hältnis so ohne Weiteres gelöst werden, wie es gelöst wurde? Antwort: Wir druckten nur einen kleinen, unseres Er achtens wesentlichen Teil der umfangreichen Frage ab. Aus der Darstellung geht hervor, dass Fragesteller nicht als Ver treter des Verlages angestellt war, sondern für diesen nur ge legentlich Geschäfte machte. Der Verlag hatte demnach das Recht, einen Reisenden als seinen Vertreter dorthin zu senden, und brauchte dem Fragesteller nicht zu kündigen. Anlass zu einer Genugtuung ist nicht vorhanden, da der Verlag nichts Nachteiliges über den Fragesteller verbreitet hat. Pro vision gebührt dem Fragesteller aus allen zustande gekommenen Geschäften, bei denen er mitgewirkt hat. 3659. Frage: In einer von uns vor etwa 2 Jahren abgelieferten Anfertigung Zellstoffpapier sollen sich neuerdings gelbe Flecke, wie an beifolgendem Muster ersichtlich, zeigen. Da wir für das plötzliche oder nachträgliche Auftreten dieser Flecke keine bestimmte Erklärung haben, so bitten wir Sie, uns Ihre Ansicht über Ursprung und Art dieser Erscheinung mitteilen zu wollen. Antwort: In dem Papier ist allem Anschein nach während des Lagerns freie Säure entstanden, welche die graublaue Farbe des Papiers in gelb und die Papierfasern in brüchigen Oxyzellstoff verwandelte. Befeuchtet man die noch blaugrauen Teile des Papiers mit starker Salzsäure, so erfolgt die Aenderung, zu der im lagernden Papiere Jahre nötig waren, in wenigen Sekunden. Vielleicht ist Säure auf die von Dr. Wurster an gegebene Art durch Wechselwirkung von Chlorverbindungen und Alaun frei geworden (vergl. »Chlor- und säurefrei« in Nr. 36 Seite 1286 der Papier-Zeitung von 1902). Vielleicht ist der Farbwechsel durch schweflige Säure veranlasst, die durch allmälige Zersetzung von Calcium-Sulfit, das sich anscheinend im Papier befindet, in Freiheit gesetzt wurde. 3660. Frage: 1. Mein ehemaliger Reisender verzichtete, als er noch in meinen Diensten stand, mündlich auf einen Provisions-An spruch von 100 M. Jetzt, nachdem er sieben Monate ausgetreten ist, fordert er die 100 M, und das Gericht hat sie ihm auch zuge sprochen. Glauben Sie, dass ich vor dem Berufungsgericht Erfolg haben werde? 2. Kann ich den Reisenden heute noch, nach sieben Monaten, wegen vorzeitigen Verlassens seiner Stellung mit Erfolg verklagen? 8. Ist die Mitnahme des benutzten Reise-Kommissionsbuches strafbar? Was kann ich dazu tun? Er leugnet die Mitnahme, diese ist aber sehr wahrscheinlich, da er das Buch zur Aufrechnung, die er einreichte, benötigt, und das Buch fehlt hier seit seinem Weggang. 4. Ist ein Protokoll als gefälscht anzusehen, wenn ein Rechts vertreter mit Nachvollmacht als Protokollzeuge aufgeführt, aber erst am Schluss des Protokolls Zeuge war, da er verspätet kam und keine Einsicht mehr hatte? 5. Kann derselbe wegen Verstosses gegen seine Pflichten haftbar gemacht werden? 6. Muss ich als Prozessgericht meinen Wohnort annehmen, oder kann ich auf Wunsch auch in naheliegender Hauptstadt (Sitz höherer Gerichte) verklagt zu werden verlangen? 7. Eine Fabrik bietet mir Seidenpapier 48X59 an. Auf meine Bestellung von 5000 kg kommt das Papier aber gebucht (gefalzt) 24x59 cm gross an, was ich nicht verwenden kann. Von »gebucht« wurde weder im Angebot noch bei Bestellung gesprochen. Bin ich zweifellos im Recht, auf Kosten der Fabrik anderes zu verlangen? Antwort: 1. Wir könnten diese Frage nur beantworten, wenn uns auch die Aussagen des Reisenden und etwaiger Zeugen bekannt wären. Der mündliche Verzicht müsste be wiesen werden. 2. Ist dem Fragesteller aus gesetzwidriger Handlungsweise des Reisenden ein Schaden erwachsen, und hat er auf Ersatz dieses Schadens nicht verzichtet, so verjährt sein Anspruch auf Schadenersatz in sieben Monaten nicht. 3. Die Mitnahme eines Geschäftsbuches ist als Unter schlagung strafbar, muss aber bewiesen werden. 4. und 5. Da der Rechtsvertreter anwesend war und seine Unterschrift gab, so liegt keine Fälschung vor. Wenn er seinen Auftraggeber geschädigt hat, ist er für den Schaden haftbar. 6. Wenn nichts Anderes vereinbart ist, so gilt derjenige Gerichtsstand, den die Zivil- oder Strafprozessordnung vor schreibt. 7. Wenn nach Handelsbrauch 48X59 cm grosses Seiden papier in gefaltetem Zustande gehandelt wird, so durfte die Fabrik so liefern, sonst aber nicht. Uns ist der diesbezügliche Brauch unbekannt. 3661. Frage: A. kaufte von B. Superior 68/90, per 1000 Bogen 30 kg schwer. B. offerirte A. das Papier das kg mit 46 Heller, be merkte dabei, dass 1000 Bogen darnach 30x46 = 13 K. 80 h. kosten und gab A. einen Musterbogen mit. A. bestellte bei B. 7500 Bogen, B. faktionirte 255 kg. Es stellte sich nachträglich heraus, dass das Papier ungleich schwer war, die Riese schwankten zwischen 30 und 34 kg. Ist B. verpflichtet, die ganze Differenz zu tragen? Es muss doch auch ein Ausschlag und Uebergewicht statthaft sein und ich bitte um Ihr Urteil hierüber. Antwort: Da Fragesteller (Böhme) das Papier von einer österreichischen Fabrik gekauft hat, gelten Mangels anderer Vereinbarungen die am 1. Januar 1901 in Kraft getretenen, zwischen den von ihrem Verein vertretenen österreichischen Papierfabrikanten und ihren Haupt-Abnehmern vereinbarten »Bedingungen im Handel mit Papier an der Wiener Börse.« Danach ist dem Fabrikanten gestattet, bei in Bogen ge schnittenen Papieren die Riese um 21/2 pCt. leichter oder schwerer als bestellt zu liefern, ohne dass die Uebernahme der Lieferung deshalb verweigert werden darf. Nach denselben Verkaufsbedingungen erfolgt die Berechnung des Gewichts ohne Rücksicht darauf, ob das Papier um 21/2 pCt. schwerer oder leichter geworden ist, auf Grund des aufgegebenen Ries- gewichts. Demnach braucht Fragesteller für ein Ries nicht mehr zu bezahlen als 30 Kilo zum bedungenen Kilo-Preis von 46 Heller, also für 7500 Bogen 7,5x13,80 = 103 K. 50 h. 3662. Frage: Bin ich verpflichtet, bei einer Ladung Papier, wo runter man 5000 kg versteht, eine Mehrlieferung zu übernehmen? Der Lieferant hat einen Abschluss gemacht, es war aber mündlich vereinbart, dass diese Lieferung unterbleiben sollte, weshalb ich mich anderweit nach Papier umsah. Der Lieferant zwang mich nun zur Abnahme, und weil ich nichts schriftlich in Händen hatte, nahm ich die Ladung. Da aber der Abschluss in einer Zeit gemacht wurde, als der Papierpreis sehr hoch war, lehne ich die Mehrlieferung ab, weil ich dadurch Schaden hätte, denn ich kann das Papier anderwärts zu viel niedrigerem Preise erhalten. Habe ich mit der Ablehnung Recht? Antwort: Diese Frage gehört in das schwierige Gebiet der Mehrlieferung von Papier, worüber in Nrn. 47 und 48 ein ausführliches Gutachten in der Papier-Zeitung erschien. Auf Grund einer umfassenden Umfrage wird dort gezeigt, dass der Handelsbrauch einen Unterschied darin macht, ob ein Grosshändler oder ein Verbraucher vom Papierfabrikanten bestellt, ferner ob ein Verbraucher vom Grosshändler oder vom Fabrikanten bestellt. Wir sandten dem Fragesteller einen Ab zug dieser Entscheidung. Falls »eine Ladung« bestellt war, so kann genaues Ein halten von 5000 kg nicht gefordert werden. Einige Prozent mehr muss Fragesteller bei so ungenauer Bestellung nehmen. 3663. Frage: Wir haben von einer Papierwarenfabrik einseitig glatt weiss Cellulose mit Druck 1000—1100 kg bezogen zum Wieder verkauf zum Preis von 42 M. die 100 kg. Diese Firma hat nach träglich das Gewicht der Holzrahmen oder 1 Pf. fürs Kilo Rahmen in Ansatz gebracht, wenn wir die Holzrahmen nicht franko returniren wollen. Ist es allgemeiner und stillschweigender Gebrauch, dass bei Pack- und Einwickelpapieren die Holzrabmen mitgewogen oder be rechnet werden? Antwort: Es ist nicht Handelsbrauch, dass die Holzrahmen der Verpackung dem Papierkäufer in Anrechnung gebracht werden. Es heisst auch im Punkt 14 der Verkaufs-Be dingungen für Papier des Vereins deutscher Papierfabrikanten: »Packpapiere werden brutto für netto gerechnet, jedoch wird das Gewicht der Holzrahmen in Abzug gebracht«. Verantwortlicher Redakteur Siegmund Ferenczi, Friedenau. Zuschriften nur an Papier-Zeitung Berlin W 9 erbeten Druct von A. W. Hayn’* Erben, Berlin SW, Zimmer-Strasse iS. Papier von Sieler & Vogel, Berlin, Leipzig und Hamburg Hierzu eine Beilage von H. Keferstein, Civil-Ingenieur und Spezialist für Dampfkessel-Anlagen, Braunschweig