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1648 PAPIER-ZEITUNG Nr. 45 Briefkasten Anonyme Fragen bleiben unberücksichtigt Antwort erfolgt kostenfrei, aber ohne Gewähr, unter der Voraussetzung, dass sie ohne Namen abgedruckt werden darf Zu Frage 3496 in Nr. 27 und der dazu in Nr. 40 abge druckten Bemerkung eines Grosshändlers erhielten wir aus Gehilfenkreisen mehrere Zuschriften, die im Wesentlichen dasselbe enthalten wie der in Nr. 44, Briefkasten, abgedruckte Brief eines Handlungsgehilfen. Schriftleüung " 3604. Frage: Anfang 1902 wurde ich aus meiner Stellung ent lassen und erhielt Anfang April mein Zeugnis; in diesem war so auf fallend radirt, dass ich mir ein fehlerfreies aushat. Die Firma er widerte darauf, dass sie den Vorfall bedauere, bemerkte aber, dass sie übersehen hätte anzugeben, dass ich nicht freiwillig gegangen wäre, sondern hätte entlassen werden müssen und ersuchte um Rück sendung des Zeugnisses zum Umschreiben. Zu dieser Handlungsweise ist die Firma nach § 73 HGB nicht berechtigt (s. auch Papier-Zeitung Nr. 34, Antwort auf Frage 3530, 3. Abschnitt). Bin ich verpflichtet, das Zeugnis zurückzusenden, bevor ich das andere habe? Wenn ja, was habe ich zu tun, wenn die Firma dennoch diesen Vermerk dazu setzt? Ein gütlicher Ausgleich ist ausgeschlossen, sonst hätte mir die Firma einen derartigen Brief nicht geschrieben. Grund zu meiner Entlassung war nur persönliche Angelegenheit. Antwort: Fragesteller ist berechtigt, vom Geschäftsherrn ein Zeugnis zu fordern, das keine Radirungen enthält, denn ein Zeugnis mit Radirungen bringt den Fragesteller in Ver dacht, dass er am Zeugnis etwas geändert habe. Das Zeugnis, wie es einmal vorliegt, ist eine Urkunde und darf nicht ohne Genehmigung der Beteiligten geändert werden. Demnach ist der Geschäftsherr nicht berechtigt, bei Herstellung der Abschrift am Zeugnis etwas zu ändern. Fragesteller muss das Zeugnis einschicken, denn der Geschäftsherr benötigt die Urschrift zur Herstellung der Abschrift und braucht nicht 2 Zeugnisse im Verkehr zu lassen. Macht die Firma in das Zeugnis unerlaubte Eintragungen, so kann Fragesteller beim Amtsgericht der Firma Klage auf Ausstellung eines ordnungsmässigen Zeugnisses einreichen. 3605. Frage: Ist es unbedingtes Erfordernis, dass der Inhalt einer Druckschrift, welche vor Nachdruck geschützt werden soll und darum den Vermerk »Nachdruck verboten, alle Rechte vorbehalten« an der Spitze tragen muss, in einer Zeitschrift (Fachblatt?) bekannt gemacht wird, nachdem auf eine Verkaufsanpreisung sich kein Käufer gefunden hat, und darum der Inhalt zu Niemandens Kenntnis gelangt ist? Welche andere Veröffentlichungsweisen, vielleicht durch eine besondere Beilage in einer Zeitschrift (Fachblatt?), oder durch Aus stellen in irgend einer Weise, würde denselben Zweck erreichen? Wenn sich auch jetzt noch kein Interesse für das Schriftwerk kund gibt, so ist doch nicht ausgeschlossen, dass im Laufe der kommenden Jahre (bis zum Tode des Autors und weitere 30 Jahre) Interesse er weckt wird, und für diesen Fall wäre immerhin die Sicherung der Priorität ratsam. Antwort: Das Gesetz fordert keine Veröffentlichung. Mag diese wann immer erfolgen, stets bleibt das Vervielfältigungs- recht dem Urheber und seinen Erben Vorbehalten und erlischt nur 30 Jahre nach dem Tode des Urhebers. Auch ohne die Bemerkung »Nachdruck verboten« sind Schriftwerke gegen Nachdruck geschützt. 3606. Frage: Anliegend sende ich Ihnen eine Probe eines neuen verbesserten negrografischen Lichtpausverfahrens und ersuche um Ihre Ansicht, ob das wirklich etwas neues ist oder nur ein gewöhn liches positives Lichtpausverfahren. Können Sie mir nicht sagen, aus welchen Chemikalien dies besteht? Die Lichtpausen können abends beim Lampenlicht oder elektrischem Licht gemacht werden. Antwort: Die Lichtpause ist augenscheinlich nach einem üblichen Verfahren zur Herstellung von positiven Lichtpausen hergestellt worden. Mit dem Namen »Melografie« wurde vor einigen Jahren ein solches Verfahren bezeichnet, das in Nummern 85, 90 und 92 der Papier-Zeitung von 1897 beschrieben wurde. Man kann positive und negative Lichtpausen aller Art bei geeignetem künstlichen Licht herstellen. 3607. Frage: Ich bitte Sie, mir Ihre Ansicht mitzuteilen über die Art und Beschaffenheit des inliegend bemusterten Papieres, be sonders darüber, wie und womit das Papier so fest, hart und wasser dicht gemacht ist. Das Papier ist amerikanischen Ursprungs, und es wäre doch seltsam, wenn man ein gleich festes Papier nicht auch in Deutschland herstellen könnte. Antwort: Das Papier scheint äusserlich mit einem wasser dichtmachenden Ueberzug versehen zu sein. Reisst man es schräg ein, so findet man, dass die inneren Fasern Flüssig keiten stark ansaugen. Wir glauben, dass das Papier so perga- mentirt wurde, dass die Pergamentirflüssigkeit nicht ins Innere eindrang, es ist aber auch nicht unmöglich, dass das Papier durch eine Lösung von wasserdicht machenden Stoffen gezogen wurde. Die Zähigkeit des Papiers ist staunenswert. Dafür, dass die Fasern pergamentirt wurden, spricht der Umstand, dass trotz andauernden Reibens und Knitterns von der Ober fläche nichts abgeht, was doch der Fall wäre, wenn das Papier einen Ueberstrich erhalten hätte. 3608. Frage: Einliegend sende ich einen Bogen Bücherpapier, welches aus 20 pCt. Leinen, 20 pCt. Kattun und 60 pCt. Zellstoff ge arbeitet ist. Das Papier hat die unangenehme Eigenschaft, auf einer Seite und zwar auf der oberen, nicht Siebseite, zu fusseln. Alle Ver suche, dies zu verhindern, sind fehlgeschlagen. Ich habe stärker ge leimt, die Stoffe getrennt und zusammen gemahlen, nichts hat den Uebelstand beseitigt. Meiner Meinung nach kommt der Uebelstand von schlecht aufgeschlossenem Zellstoff her, der nicht gründlich von Inkrusten befreit ist. Ich bitte um Ihren Rat, wie ich den Uebelstand beseitigen kann. Antwort: Jedes Papier ist auf der einen Seite rauher als auf der andern, dieser Glätte-Unterschied ist aber beim be musterten Papier grösser als gewöhnlich. In dieser ver schiedenen Glätte ist auch die Erscheinung begründet, dass das Papier auf der einen Seite Fasern an die Schreibfeder abgibt, die Oberfläche ist eben auf dieser Seite weniger ge schlossen. Welche Ursachen daran schuld sind, lässt sich ohne genaue Kenntnis der Papiermaschine nicht angeben. Die Stoff-Zusammensetzung wird es kaum sein, man muss eher vermuten, dass die Pressen und Trockenzylinder nicht so an geordnet oder gehandhabt wurden, dass beiden Seiten des Papiers eine gleichmässige Glätte erteilt werden konnte. Aus sprache von Fachleuten erbeten. 3609. Frage: Wie ist mit einer Unterbilanz beim Abschluss einer Gesellschaft m. b. H. zu verfahren, wenn keiner der Gesell schafter in der Lage ist, den Verlust in baar auszugleichen? Ist es zulässig, den Fehlbetrag im neuen Geschäftsjahre unter den Aktiven als Gewinnvorschuss der Gesellschafter aufzuführen mit der Absicht, denselben bei Eintritt günstigerer Konjunkturen zu tilgen? Antwort unseres rechtskundigen Mitarbeiters: Nein. Nachdem die letzte Bilanz eine Ueberschuldung der Gesellschaft ergeben hat, sind die Geschäftsführer verpflichtet, die Eröffnung des Konkurses zu beantragen (§ 64 des Gesetzes betr. die Gesellsch. m. b. H.) Von dieser Pflicht wären sie nur befreit, wenn das Gesellschaftsvermögen durch neuen Zuwachs um den Betrag der Ueberschuldung vergrössert würde. Dazu kann jedoch das vorgeschlagene Mittel nicht dienen, weil die Buchung auf einer Unwahrheit beruhen würde, denn die Ge sellschafter haben einen Gewinnvorschuss nicht eingezahlt. Auch das im § 42 Nr. 3 des Gesetzes angedeutete Mittel ver sagt; falls nämlich die Gesellschaft die Einziehung von Nach- Schüssen beschlossen hat, könnte dieses Recht der Gesellschaft als Aktivum in die Bilanz eingestellt werden. Diesem Anspruch müsste aber ein gleicher Betrag in den Passiven gegenüber gestellt werden, wodurch schliesslich die Ueberschuldung be stehen bliebe. Durch Unterlassung der Konkurs-Anmeldung machen sich die Geschäftsführer nach § 84 strafbar, ausserdem sind sie nach § 64 zum Ersatz der nach Ermittelung der Ueberschuldung geleisteten Zahlungen verpflichtet. 3610. Frage: Ende Januar bestellte ich auf Zureden des Agenten einer Lederwaren-Fabrik einen Posten Lederwaren, Portemonnaies usw. Ich wollte zuerst nicht kaufen, weil mein Geschäft noch sehr jung ist, aber L. sagte mir, dass die Zahlung keine Eile hätte. Ich liess mich überreden und bestellte für 150 M., nachdem L. meiner Ver käuferin eines der besten Geldtäschchen als Geschenk versprochen hatte. Am 27. Februar erhielt ich Rechnung über,165 M. 85 Pf., und heute (25. April) läuft schon Androhung der Klage ein, wenn nicht sofortige Zahlung erfolgt. Kann die Firma mit Erfolg klagen, oder habe ich 8 Monate Ziel? Die Sachen sind auch nicht nach Bestellung geliefert, nur die teuren Portemonnaies sind gesandt, die billigen fehlen ganz. Laut Bestellung sollten alle Preislagen gesandt werden für einen Gesamtbetrag von 150 M. Ferner fehlt die Geldtasche für das Fräulein. Auf der Kopie befindet sich der Vermerk: Ziel 80 Tage mit 2 pCt. Skonto. Ich betrachtete daraufhin als selbstver ständlich, dass ein Ziel von 3 Monaten ohne Skonto gilt. Ich bitte um Nachricht, wie ich mich in diesem Falle zu verhalten habe. Antwort: Die allgemeinen Versprechungen des Verkäufers entbinden Fragesteller nicht von der Zahlung innerhalb 30 Tagen. Ein allgemeiner Handelsbrauch, wonach Zahlung für Leder waren innerhalb dreier Monate erfolgen darf, ist uns nicht be kannt. Da Fragesteller die Sendung seit deren vor 2 Monaten erfolgter Ankunft nicht beanstandet hat, ist jetzt die Rüge verspätet. Der Umstand, dass die Verkäuferin keine Brieftasche bekommen hat, ist für den Fragesteller nicht maassgebend, denn die Brief tasche wurde der Verkäuferin und nicht dem Geschäft zuge sagt, daher hat nur sie das Recht, auf Erfüllung dieses Ver sprechens zu dringen. Wir empfehlen, allen Weiterungen durch Bezahlung der Ware vorzubeugen. Verantwortlicher Redakteur Siegmund Ferenczi, Friedenau. Zuschriften nur an Papier-Zeitung Berlin W 9 erbeten Druck von A. W. Hayn’* Erben, Berlin SW, Zimmer-Strasse 19. Papier von Sieler & Vogel, Berlin, Leipzig und Hamburg