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1292 PAPIER-ZEITUNG Nr. 36 zarten modernen Rahmen blickt ein schöner Frauenkopf den Beschauer an. Der Grund und der Kopf sind, fast möchte man sagen, irisirend in blau, grün und violett sehr geschmackvoll gedruckt. Auf beiden Seiten streben Schilfblätter empor und verleihen dadurch dem Bild etwas Nixenhaftes. Die Lilienfelder Cistercienser-Abtei hat ein heiteres Plakat von Liboroli zeichnen lassen. Ein dicker Kellermeister, dem man den frohen Weingenuss ansieht, ist wohl die beste Re klame für die Weine der Abtei. Guter Druck von A. Reisser, Wien. Le Griffon kommt noch immer mit dem alten Plakat: auf gelbem Grunde geben sich in schwarzen und rothen Drei ecken ein Herr und eine Dame Feuer. Ungleich lebhafter und wirksamer ist die Ankündigung des Zigarettenpapiers »Club«. C. Sigon zeichnete das fast lebensgrosse Bild einer eleganten Dame, die mit Behagen eine Zigarette raucht. S. D. Modiano, Triest, der Fabrikant des Papiers, hat der Ausführung alle Sorgfalt angedeihen lassen. Von August PateJc rührt der Ent wurf des von der Gesellschaft für grafische Künste in Wien gedruckten, durchaus modernen Plakates für das Teppichhaus Phil. Haas & Söhne her. Es zeigt eine moderne Frauengestalt mit einem noch moderneren Teppich. Die Zusammenstellung der Farben: violett, blau, grün, gelb und indischroth, ist wohl gelungen. Das kleine Mädchen, welches die Worte »evitez les contre- faons« an die Mauer schreibt, ist ein schon länger bekanntes Plakat des Chocolat Monier. Der Entwurf stammt von Firmin Bouisset, als Drucker nennen sich Affiches Champs, Paris. — »Schill-Seide«, von A. Reisser gedruckte Reklame, darstellend eine Modedame, welcher ein Dienstmann Pakete nach schleppt. — »Apollokerzen«. Eine riesige weisse Kerze auf schwarzem Grund, gelb gedruckter Text. — Ein Kolossalbild, das eine Alm mit lebensgrossen Kühen und prächtige Alpen- Szenerie aufweist, erinnert im Vorwurf lebhaft an Segantini. Zeichner und Drucker sind nicht genannt, ebenso ist die Wir kung durch keinerlei Text eingeschränkt. Doch die rundherum klebenden kleinen Plakate mit einem Halbdutzend sitzender Babys lassen keinen Zweifel übrig, dass es sich um eine ge lungene Reklame für Nestles Kindernährmehl handelt. Jules Mumm ist immer noch mit dem altbekannten mageren violetten Frauenzimmer vertreten. Zeichner Maurice Realier Dumas. Drucker Imprimerie Chaix, Paris. R. Wennerberg hat eine flotte Radfahrerin für Opels Fahrräder entworfen, sehr sauber gedruckt von Grimme & Hempel. Originell ist das lange und schmale Plakat einer Fischhandlung. Eine vom Meere heimkehrende junge Fischerin mit Fischen im Körbchen und diversen Seedelikatessen an der Angel, darüber Fischer boote am Meer als abschliessendes Ornament. Augenblicklich gastirt in Wien eine spanische Operetten- gesellscnaft, die sich italienische Plakate mitgebracht hat. Diese stellen vier Spanierinnen in Landestracht in einer Loge sitzend vor. Im Hintergrund sieht man ein Stiergefecht. Als Zeichner bekennt sieh E. Marchetti, Rom, als Drucker Ripamonti Petigliani, ebenda. »Francesca da Rimini, Tragedia di Gabriele d’Annunzio« lautet die Inschrift eines Plakats, dessen Mitte zwei Genien unter einem Blumenstrauss zeigt. Dies ist die vergrösserte Wiedergabe des Titelblattes der Dichtung d’Annunzios, die Eleonora Düse jüngst den Wienern vorspielte. Die Buchaus gabe dieses Werkes ist grossartig, glänzend, ein Meisterwerk. Man glaubt ein Prachtstück aus der Blüthezeit des Venetianer Buchdrucks im XVI. Jahrhundert, einen klassischen Druck aus den weltberühmten Olfizinen der Familie Manutius vor sich zu haben. In der Tragödie spielt das Buch »Lancelot vom See« eine Hauptrolle. In geschickter Weise wurde dieser Vorwurf zur künstlerischen Ausstattung des Umschlags verwendet. Gleichsam als Druckerzeichen wurde auf dem in Pergament gebundenen Buche aussen in Goldpressung das Symbol der Dichtung, ein altes Buch von einem Schwert gespiesst und von einem Lorbeerkranz umrankt, angebracht, mit den Worten aus der Dichtung Dantes »Noi leggevamo«. Der Druck zeigt die monumentale Schönheit der Antiqua aus der Renaissance-Zeit. Den Schmutztitel ziert der Namenszug des Verfassers. Einer Votivtafel gleicht die Titel-Inschrift »Francesca da Rimini, Tragedia di Gabriele d’Annunzio, rappresentata in Roma nell‘- anno 1901 a di 9 del meso di Decembre, impressa in Milano per i Fratelli Treves nell’anno 1902 a di 20 del meso di marzo«. Nun folgt eine poetische Widmung »alla divina Eleonora Düse« mit einer Medusa als Abschluss. Der Buchschmuck ist streng stilgerecht nach der italienischen Renaissance, der Text schwarz, alle Bemerkungen und Erläuterungen roth. Im Schlusstableau verabschieden sich Dichter, Zeichner und Drucker gemeinschaftlich vom Leser. »Gabriel Nuncius finxit, Adolphus de Carolus ornavit. Josephus Treves accuratissime impressit«. Soeben wird ein neues Plakat der Sezession angeklebt. Max Klinger stellt sein Meisterwerk Beethoven aus, Alfred Roller hat in dem Plakat, das zum Besuch dieses Kunst werks einladet, ein würdiges Seitenstück zu dem erwähnten Plakat von Klimt geschaffen. Die aussergewöhnlich weitläufige Ankündigung sieht mit ihrem stillos, willkürlich ineinander geschachtelten braunen und grünen Linienwerk wie ein schablonirtes Teppichmuster aus, oder besser gesagt wie ein aus Fetzen zusammengesetztes japanisches Bast- oder Holz mosaik. Für sich allein ist jedes Muster hübsch, ganz uner findlich jedoch ist, weshalb das eine gerade an der einen Stelle plötzlich von dem anderen verdrängt wird und geradezu einen Tritt bekommt. Eines dieser unverträglichen Master ist sogar brutal genug, einem ungefähr in der Mitte des Plakats waage recht gesenkten Mädchenkopf die Schädeldeoke glatt ’wegzu schneiden. Dieser Kopf im Profil übertrifft die extremste griechische Regelmässigkeit dadurch, dass er streng geo metrische Umrisse zeigt, was wesentlich zur Erhöhung seiner mystischen Starrheit beiträgt. Nach angelegentlichem Suchen entdeckt man rechts unter grünen Wellenlinien den zum Kopf gehörigen Leib genau in einem Winkel von 90" dargestellt. Die im Gegensatz hierzu sanft geschwungenen Linien des Körpers sind mit einem Tausendaugenkostüm ä la Sascha Schneider bedeckt. Der ausgestreckte rechte Arm trägt eine grell sich abhebende weisse Kugel und schliesst zugleich die Mosaik-Ornamente ab. Das Ganze macht den Eindruck eines in einem Strandkorb sitzenden Kegelschiebers. Die Inschrift ist ausnahmsweise leserlich und richtig eingetheilt. Die Farben zusammenstellung: oker, indischroth und olivgrün, ist ent schieden besser als die des Klimt’schen Plakats. Doch hätte die Druckerei A. Berger mehr Sorgfalt auf das Zusammen- passen der Farben des in zwei Hälften gedruckten Plakats verwenden können. Obgleich die Künstler der Sezession den Raum, wo Klinger sein Monument ausgestellt hat, in der selbst losesten Weise schmückten, muss man ausrufen: »Armer Klinger, in welche Gesellschaft bist du gerathen!« Dieses Spekuliren auf die Kritiklosigkeit der Masse rächt sich, denn das angeborene gesunde Schönheitsgefühl des Volkes straft mit dem Fluch der Lächerlichkeit. Klinger sagt in seiner Schrift Malerei und Zeichnung: »Geistreiche, beziehungsvolle Erfindung, die zur Deutung und Auslegung herausfordert, nimmt hier mit der Farbenkombination, der Rhythmik und Gliederung des Ganzen einen gleichbedeutenden Platz ein.« Das mögen Alle, die es angeht, beherzigen und in Thaten umsetzen. Alpha Postversand von Zeitschriften Reichsgerichts-Entscheidung. Nachdruck verboten Das Landgericht I in Berlin hat am 20. Oktober 1901 den Kauf mann Arthur Vrancken in Köln, den Prokuristen Hesse in Dresden und den Verleger der »Wochenschrift f. d. Papier- und Schreibwaaren- handel«, Dr. Hirschfeld in Berlin, von der Anklage, die Postgesetz- Novelle vom 20. Dezember 1899 übertreten zu haben, freigesprochen. Hirschfeld adressirte die Nummern seines Blattes und frankirte sie mit dem Porto für den Ortsverkehr. Dann schickte er sie durch einen Spediteur, der den Inhalt der Sendung nicht kannte, mittels der Eisenbahn an die Spediteure Vrancken in Köln und Lüders & Fischer in Dresden, deren Prokurist der Angeklagte Hesse ist. Diese Firmen gaben die einzelnen Nummern zur Post. Hierin soll nach der Anklage eine Verletzung des Postregals liegen. Das Land gericht hat die Angeklagten freigesprochen. Es hält diese Art der Versendung von Drucksachen nicht für strafbar, weil die Angeklagten diese Versendung nicht gewerbsmässig als »Anstalt« betrieben. Die Spediteure, so heisst es im Urtheile, haben lediglich auf Hirschfelds Verlangen die Pakete und Einzelsendungen befördert, jedoch nicht sich anderen Verlegern angeboten, sie haben eine derartige Beförde rung nur gelegentlich vorgenommen. Die Zeitung des Angeklagten Hirschfeld erscheint wöchentlich einmal. Allerdings hat er auch die Beilagen, die seiner Zeitung beigelegt waren, mit versandt, aber er hat die Zeitung nicht bloss als Nebensache mit den Beilagen ver schickt, er beförderte vielmehr die Beilagen nur nebenbei. Es müssten ja sonst alle Zeitungen strafbar sein, welche Beilagen mit ihren Zeitungen versenden. Gegen das freisprechende Urtheil hatte der Staatsanwalt Revision eingelegt. Der Begriff der »Anstalt« sei vom Landgericht zu eng gefasst, das Gesetz wolle alle Anstalten treffen, welche postpflichtige Sachen befördern. In der Verhandlung vor dem Reichsgerichte führte der Reichs anwalt Folgendes aus: Der Zweck der Postnovelle vom 20. Dezember