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Nr. 35 PAPIER-ZEITUNG 1255 Strafbar hat sich der Besteller nicht gemacht, da er Eigen thümer der Entwürfe geworden ist und darüber nach seinem Belieben verfügen konnte. Er hat freilich die Anfertigung des Plakats dem Fragesteller, welcher darauf gerechnet hatte, ent zogen. Gleichwohl ist er nicht schadenersatzpflichtig, weil er nicht versprochen hatte, ihm die Arbeit zuzuwenden. Makulatur-Papier »Ich suche Makulaturpapier, welches sich infolge seiner Rauh heit, ohne zu fasern, zum Dazwischenlegen von frisch mit Farbe bedruckten Naturkartonpapieren eignet. Es darf nicht hoch im Preise stehen. Ich bitte Sie, mir geeignete Papiere zu be mustern. Ich lege zwei Proben bei, die dunkle ist zu stark Mir ist nur um ein Papier zu thun, das fest im Stoff ist und keine Fasern gehen lässt.« Auf vorstehenden an die Papierfabrik A. gerichteten Brief erhielt ich Muster unter der Bezeichnung »Handelspack« wie beiliegendes Muster, welches ich als Makulaturpapier geeignet befand. Das Papier wurde am 6. Oktober an mich abgesandt und zwar genau wie vorher eingesandte Probe. Infolge vorheriger anderer Auflagen kam das Papier jedoch erst Anfang Januar als Makulatur zur Verwendung. Als das Papier nun zwischen den mit Farbe zu bedruckenden Karton bogen lag, und ein Bogen nach dem andern gedruckt wurde, stellte es sich heraus, dass das Makulaturpapier voll Sand ist. Jeder Karton bogen, der aus der Makulatur zum Bedrucken weggenommen wurde, nahm viele Körner Sand mit, welche eich beim Herausnehmen der Kartonbogen vom Makulaturpapier losgelöst hatten. Bei der Um drehung des Zylinders wurden diese Sandkörner zwischen die Farbwalzen und auf den Lithografiestein gebracht, welche dort Schrammen ver ursachten und Farbe annahmen, die sich dann ebenfalls auf die zu bedruckenden Kartonbogen übertrugen. Gleich nach dieser Beobachtung theilte ich der Papierfabrik am 2. Januar 1902 mit, dass ich das Papier nicht verwenden kann, sie möchte es zurücknehmen. Sie antwortete, ich soll das Papier ge legentlich als Packpapier verwenden. Am 7. Februar ersuchte ich wieder die Papierfabrik, das Papier zurückzunehmen, es liege zu ihrer Verfügung. Ich sei mit der Fabrikation des Papiers nicht vertraut, folglich hätte ich nicht wissen können, dass es Sand lässt. Dagegen hätte die Papierfabrik als Sachverständige aus meinem vorstehenden Briefe wissen müssen, dass für meinen Zweck sandiges Papier un brauchbar ist. Hierauf erhielt ich von der Papierfabrik die Antwort, ich hätte dieses Papier nicht als Zwischenleg-Papier für lithografische Zwecke kaufen dürfen, da es die Bezeichnung »Handelspack« trug. Dass ich vor dem Kauf von dem Verwendungszweck gesprochen habe, ändere an der Sache nichts, da mir nachher Muster vorgelegt wurden, und die gewünschte Sorte von mir gewählt wurde. Was soll ich thun? Steindruckerei-Besitzer Aus Obigem geht hervor, dass Fragesteller nach einem Papier für einen bestimmten Zweck suchte, aber selbst nicht genau wusste, welche Eigenschaften dieses Papier besitzen muss. Er stellte der Fabrik die Bedingung, dass das Papier nicht fasern soll. Die Fabrik sandte ihm darauf einen Probebogen, und dieser wurde genehmigt; die Lieferung fiel mustergetreu aus. Wir sind der Ansicht, dass die Papierfabrik ihre Schuldig keit gethan hat; man kann nicht verlangen, dass sie die für das Papier erforderlichen Eigenschaften besser kennt als der Verbraucher selbst. Wir rathen von einem Rechtstreit ab und empfehlen das Papier zu behalten und gelegentlich zu Pack zwecken oder dergl. zu verwenden. Äusser obigem Grund ist Annahme-Weigerung auch deshalb nicht am Platz, weil die Beanstandung zwei Monate nach Erhalt der Waare, also zu spät erfolgte. Copyright (Urheberrecht) Aus Baiern Eine Schweizer Firma bestellte bei uns Plakate, Betraghöhe 200 M., mit englischem Reklametext, ohne uns zu sagen, dass dieses Plakat für England bestimmt sei. Das gleiche Plakat verkauften -wir an eine englische Verlagsfirma mit dem ausschliesslichen Vorkaufsrecht in England. Die Schweizer Firma sandte diese Plakate an ihre Kunden (hauptsächlich Detailgeschäfte) nach England, und als mein englischer Verleger dies bemerkte, liess er nach englischem Copyright mehrere dieser Plakate bei den Kunden der Schweizer Firma kon- fisziren. Der englische Verleger theilte der Schweizer Firma mit, dass sie nur unter der Bedingung von weiteren Konfiskationen Abstand nehmen wird, wenn die Schweizer Firma sich verpflichtet, vom Sujet mehrere Tausend Stück (Betraghöhe 1200 M.) von ihr zu beziehen. Die Schweizer Firma willigte in diese Bedingung ein, um ihren englischen Kunden keine derartigen Unannehmlichkeiten zu bereiten. Daraufhin sah sich die Schweizer Firma veranlasst, an unserem früheren Guthaben den genannten Betrag von 1200 M. zu kürzen, mit der Begründung, dass wir die Schuld an diesem Inter mezzo trügen. Die Schweizer Firma unterhält keinerlei Handels ¬ beziehungen zu Deutschland, wäre also auf Schweizer Boden zu verklagen. Da es uns bekannt ist, dass Prozesse in der Schweiz sehr langwierig zu führen sind, so wäre es uns sehr erwünscht, in Er fahrung zu bringen, ob ähnliche Prozesse schon einmal in der Schweiz ausgetragen wurden. Luxuspapier-Fabrik Aussprache erbeten. Im Verlag von Max Wieland, Berlin W 62, erschien im Jahre 1901 ein Buch: »Wie treibt man Schuldforderungen im Auslande ein«. Der die Schweiz be handelnde Theil kostet 1 M. 50 Pf. und wurde in Nr. 50 der Papier-Zeitung von 1901 besprochen. Er giebt Aufschluss über die zweckmässigste Art, Schuldforderungen in der Schweiz einzutreiben. Red. Wahl-Plakate in Frankreich Der »Magdeburgischen Zeitung« wird aus Paris unterm 27. März geschrieben: Im nächsten Monat stehen in Frankreich Kammerwahlen bevor, und das merkt auch der, der sich nicht mit der Politik be schäftigt, schon auf der Strasse. Denn geraume Zeit vor dem fest gesetzten Termine erscheinen an den Mauern der Häuser die Wahl plakate — les affiches electorales — und Paris erhält dann, obgleich wir über Karneval und Mi-Carme längst hinaus sind, ein Harlekin kleid, das ihm nicht grade gut steht. Ja, wenn sieh die Wahlplakate auf die öffentlichen Anschlagplätze oder wenigstens auf die Häuser beschränkten! Aber sie klettern in die höchsten Etagen und selbst auf Bäume hinauf und verschonen nicht einmal die Denkmäler. Den unermüdlichen »Afficheur hält kein Hinderniss, selbst kein Gesetz mehr auf. Nichts ist ihm zu hoch, nichts heilig. Man muss ihn ein mal bei der Arbeit sehen, wenn er mit seinem Kleister-Eimer, ange- than mit langem, weissem Kittel, aufs Feld seiner klebrigen Thätig- keit auszieht. Macht er irgendwo Halt, so ist er auch schon von einer Menge Neugieriger umgeben, die mit gespannter Aufmerksam keit sein Werk verfolgt, es mit den Augen verschlingt, sobald es beendet ist. In wenigen Minuten hat der »Afficheur« eine ganze Wand beklebt, und zweifellos ist, dass sein Kleistertopf einen Theil des Kandidatenglücks birgt, dass er selbst ein Theil der Seele des Wahl kampfes ist. Die Deputirtenwahlen haben ihre geschäftliche Seite. Der Handel schlägt aus ihnen ein beträchtliches Kapital. Hat man doch berechnet, dass in Paris jeder Kandidat im Durchschnitt nicht weniger als 40000 Plakate anschlagen lässt! Etwa 10—15000 kleinere und etwa 10000 grössere Plakate tragen nur seinen Namen und seine politische Meinung, 5000 sein politisches Glaubensbekenntniss, 5000 die Anpreisungen des Wahlkomitees, und 10000 sind für die Antworten an die Gegenkandidaten bestimmt. Eine besondere Art von Wahlplakaten sind die »papillons« (Schmetter linge). Sie zeigen nur den Namen des Kandidaten auf verschieden farbigem Papier und werden in Mengen kreuz und quer angeklebt, sodass man von Weitem den Eindruck eines Schwarms von Schmetter lingen hat. Man darf übrigens nicht glauben, dass das Wahlplakat eine Erfindung der Neuzeit ist. Schon die alten Griechen und Römer bedienten sich seiner. Als Pompeji unter der Lava~des Vesuvs ver sank, wählte es grade seine Stadträthe, und bei den Ausgrabungen fand man überall in den Strassen Wahlplakate. Einige trugen die Aufschrift: »Vatia, der gute Bürger«. Auf anderen stand: »Der Du vorübergehst, stimme heute für Proclinius. Morgen wird er für Dich stimmen!« In Frankreich wurde das Plakat bis zur französischen Revolution nur bei Verordnungen und Bekanntmachungen der Be hörden angewandt. Zu Theaterankündigungen diente es damals noch nicht. Nur an den Thüren der Theater wurden Theaterzettel angeklebt und die Stücke in den Strassen durch Trompetenstoss und Ausrufen verkündigt. In den Theatern selber kündigte nach jeder Vorstellung ein Schauspieler an, was am andern Tage gespielt werden würde. Wahlplakate erschienen an den Mauern von Paris zum erstenmale im Jahre 1789, vor dem Zusammentritt der Etats Gnraux. Häufiger aber wurden damals die Kundmachungen von einem Ausrufer nach vorausgehendem Trommelwirbel auf den Plätzen und an den Strassen ecken verlesen. Erst nach der Revolution von 1848 kam das Wahl plakat in seiner jetzigen Anwendung auf, und erst durch das Gesetz vom 29. Juli 1881 wurde, wie man heute in Paris an öffentlichen Gebäuden und an Privathäusern lesen kann, der Plakatanschlag in den Strassen geregelt. Wird dieses Gesetz auch für gewöhnlich beachtet, so kehrt sich doch in der Periode der Kammerwahlen Niemand daran, denn eine andere Bestimmung begünstigt seine Um- gehung. Mit Geldbusse wird bestraft, wer ein Wahlplakat beschädigt und zerreisst. Wenn daher der Anschlag auch an den gesetzlich geschützten Stellen polizeilich verhindert werden kann, so ist -das Wahlplakat doch sicher, wie in Abrahams Schooss, wenn es einmal klebt, und gradezu unmöglich wäre es den Schutzleuten, den Tausenden von Anklebern überallhin nachzulaufen. Gegen das Bekleben der Denkmäler wurde schon oft protestirt, und man darf annehmen, dass dieser Unfug schneller durch die vernünftigen Worte der Künstler als durch ein neues Gesetz verschwindet. Dalou, Bartholdi und andere hervorragende Bildhauer haben ihn schon wiederholt in Acht erklärt. Namentlich Letzterer forderte die Bevölkerung auf, sich an seinem »Löwen von Beifort« zu überzeugen, welchen Schaden das Abkratzen der Wahlplakate der Bronze bringt. Daher erwartet man in diesem Frühling einen vorsichtigeren Flug der »Schmetterlinge«.