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1150 PAPIER-ZEITUNG Nr. 32 Fabrik-Aufsicht in Baden Aus dem Jahresbericht 1901 der Grossh. Badischen Fabrik-Inspektion In den Fabriken Badens wurden während des Berichtsjahres 190 465 Arbeiter beschäftigt (1900 204780); davon entfallen auf die Papier-Industrie in 126 Fabriken beschäftigte 8882 (1900 8057) Arbeiter; hiervon waren Kinder unter 14 Jahren jugendl. Arbeiter von 14—16 Jahren Arbeiterinnen von 16—21 Jahren „ über 21 Jahre . . . erwachsene männliche Arbeiter . . männl. weibl. ZUS. 1 19 20 886 402 788 698 693 1002 1002 5879 5879 zusammen 6216 2116 888z Es wurden revidirt: 79 Fabriken mit 7064 Arbeitern insgesammt 96 Mal, darunter eine in der Nacht, 65 einmal, 11 zweimal und 8 dreimal. 17 Betrieben der Papier-Industrie wurde im Laufe des Berichts jahres Ueberarbeit für erwachsene Arbeiterinnen bewilligt, und zwar in 47 Fällen durch die untere Verwaltungsbehörde. 6 Bewilligungen läuteten für 1 Stunde, 1 für über 1 bis 1‘/2 Stunden und 40 für über l'/a bis 2 Stunden, zusammen für 963 Arbeiterinnen an 874 Tagen und insgesammt 11118 Stunden. Ueber die Thätigkeit eines weiblichen Aufsichtsbeamten, des Fräulein Dr. von Richthofen, ist im Bericht gesagt, dass die Ge nannte die Erwartungen, die man auf Grund ihres glänzend be standenen Doktor-Examens von ihr hegte, auch in der Praxis voll kommen gerechtfertigt hat. Jugendliche Arbeiter. In einer Pappenfabrik waren trotz einer vorhergegangenen Beanstandung Mädchen von 14—16 Jahren mit dem Aufhängen der feuchten Pappenstücke in einem überhitzten Trocken raum beschäftigt. Durch zeitweilige Abstellung der Dampfleitung hätte man diesem Uebelstand leicht abhelfen können, das sollte aber wegen des damit verbundenen Zeitverlustes nicht geschehen. So mussten die fast im Kindesalter stehenden Arbeiterinnen den ganzen Tag bei einer Temperatur von etwa 80 0 arbeiten. Dieses Mal wurde dem Unternehmer ein Verbot, jugendliche Arbeiter zu be schäftigen, in Aussicht gestellt, wenn er nicht für eine ihrem Alter angemessene Art der Beschäftigung Sorge tragen werde. Arbeitszeit. Eine Holzschleiferei- und Papierfabrik-Aktien-Gesell- schaft hatte an den Kalandern und Querschneidern auch Nachtbetrieb eingeführt, aber den an diesen Maschinen beschäftigten Arbeitern keine regelmässigen Ruhepausen gewährt. Diese Arbeiter sollten, wie die Papiermaschinenführer, Holländerführer, Kocherarbeiter, ihre Mahlzeiten nebenbei unter gegenseitiger Ablösung einnehmen. Darüber beschwerten sich die Arbeiter wiederholt zunächst bei der Fabrikdirektion, sodann bei der Fabrikinspektion. In einem früheren Falle hatte die Fabrikleitung erwidert, dass diese Nachtbeschäftigung an den erwähnten Maschinen nur vorübergehend sei. Inzwischen aber wurde diese Nachtarbeit zu einer dauernden Einrichtung, ohne dass die Arbeitsordnung eine entsprechende Aenderung erfahren hätte. Die Arbeiter verlangten, dass an den Kalandern und Quer schneidern auch nachts, unter Abstellung der Maschinen, Pausen ge halten würden. Dementsprechend machte die Fabrikinspektion die Fabrikleiter darauf aufmerksam, dass wenn sie an ihrem Entschluss, die Pausen nicht zu gewähren, festhalten wolle, die Arbeitsordnung Aenderung erfahren müsse derart, dass eine Bestimmung über die Nichtgewährung der Pausen aufzunehmen sei. Eine in der Zwischen zeit vorgenommene Nachtrevision ergab die Richtigkeit der Be schwerden der Arbeiter. Auch zeigte sich als Folge des Mangels einer Unterbrechung, dass einzelne Leute die Arbeit halb schlafend verrichteten, während andere sich einen versteckten Winkel ausge sucht hatten, um zu schlafen. Die Betriebsleitung wurde auf die vermehrte Unfallgefahr hingewiesen und auf die Folgen aufmerksam gemacht, die beim Eintreten eines Unfalles infolge der Weigerung, Ruhepausen zu gewähren, erwachsen könnten. Hierauf berief die Direktion die Arbeiter zusammen, um über Abänderung der Arbeits- Ordnung zu berathen, und willigte in das Verlangen nach Einführung einstündiger Pausen mittags von 12—1 Uhr und nachts von 12—1 Uhr. Hierzu hätte die Fabrik nicht gezwungen werden können, weil die Gewerbeordnung keine Pausen für erwachsene männliche Arbeiter vorschreibt. Bisher wurde aber diese Lücke des Gesetzes in keinem Falle dazu benutzt, den männlichen Arbeitern Ruhepausen — und als solche sind nur diejenigen Zeiträume zu verstehen, in welchen die Arbeit zum Zwecke der Ausspannung des Körpers vollständig ausgesetzt wird — zu verweigern. Arbeitsniederlegung. Von kurzer Dauer war eine Arbeitsnieder legung in der Abtheilung für Buchbinderei einer grösseren Buch druckerei in Konstanz. Die dem Deutschen Buchbinder-Verband an gehörigen Arbeiter forderten einen Mindestlohn von 18 M., wie er in den anderen Betrieben am Orte schon im Jahre zuvor bewilligt worden war. Weil nun die Antwort auf das die Forderungen der Arbeitgeber enthaltene Schreiben nicht innerhalb der von den Arbeitern gesetzten kurzen Frist erfolgte, und inzwischen zwei der Arbeiter die Kündigung erhalten hatten, fasste ein Theil der übrigen Arbeiter diese Kündigung als eine Maassregelung auf, und sechs von zwölf derselben traten in den Ausstand. Vermittelungsversuche des Vorstandes des örtlichen Buchbinder-Verbandes hatten den Erfolg, dass der Arbeitgeber noch am gleichen Tag unter gewissen von den Streikenden anerkannten Bedingungen sich zur geforderten Lohnerhöhung bereit erklärte. Erwerbsverhältnisse. Nachstehend sind die Löhne der Arbeiter von 4 Lahrer Kartonnagenfabriken mit 282 Arbeitern dargestellt. Im Ganzen werden in den dortigen geschlossenen Fabriken über 500 Per sonen beschäftigt. Äusser diesen hängen von den Fabriken 8 bis 400 hausindustriell thätige Arbeiterinnen ab, deren durchschnittlicher Tagesverdienst bei 9 bis 10 stündiger Arbeitszeit nach den Wahr nehmungen der Fabrikinspektion sich auf etwa 1 M. erhebt. Kinder helfen in ihrer schulfreien Zeit in ausgedehntem Maasse mit. Eine ältere Arbeiterin, welche ihren 12 jährigen Sohn an schulfreien Tagen 11 Stunden und ein 10 jähriges Kind 10 Stunden beschäftigt, verdient mit diesen Kindern noch nicht 1 M. 50 Pf. im Tag. Ein Uebelstand, auf den hingewiesen wird, liegt darin, dass die Heimarbeiter für neue Muster den ihnen bewilligten Akkordsatz erst am Ende des Monate bei der Abrechnung erfahren. Sie sind daher nicht in der Lage, zu schlecht bezahlte Arbeit zurückzuweisen, abgesehen davon, dass sie den ganzen Monat im Ungewissen über ihre Einnahmen sind. Wenn der Bundesrath von der ihm nach § 114a G.-O. zustehenden Befugniss Gebrauch machte, so könnte dieser Missstand leicht beseitigt werden. Durchschnittliche Wochenverdienste der Arbeiter in vier Kartonnagenfabriken in Lahr (Jahr 1901) Durchschnittlicher Wochenverdienst sämmtlicher Arbeiter über 16 Jahre = 14,48 M „ „ der männlichen „ „ „ » = 16,57 » „ . „ weiblichen „ „ „ = 10,80 „ Arbeiterkategorien mit Bezug auf die Beschäftigungsart Durchschnittliche Zahl der Arbeiter in jeder Klasse bei einem Durch schnittlicher Wochen verdienst Bemerkung über Tagelohn und Akkord Wochenverdienst in Mark: unter 5 5 bis 6 6 bis 8 8 bis 10 10 bis 12 12 bis 15 15 bis 18 18 bis 21 21 bis 24 24 bis 27 27 bis 30 30 bis 35 über 85 Summa der Ar beiter Mk. Pf. Aufseher A — 2 4 1 8 — — 10 25 80 Gehalt Gelernte Kartonnagen- 52 Tagelohn arbeiter — — — 1 2 4 29 9 8 4 — — — 17 54 undAkkord Ungelernte Kartonnagen arbeiter Goldpräger, gelernte und — — 1 3 3 13 2 — — — — — — 22 12 58 Tagelohn Tage!, u. Akk- 75 ungelernte. . . . — — — — — 2 4 2 — — —• 1 — 9 18 Holzarbeiter, Schreiner . ---- — — 5 8 — — 1 — — — 14 16 48 » » Packer und Tagelöhner Lehrlinge und jugend- — — 1 1 5 9 9 — — — — — — 25 24 13 87 07 Tagelohn liehe Arbeiter . . . Gelernte Kartonnagen- 8 11 7. 8 — — — — — — — — — 6 » Akkord 80 Arbeiterinnen . . . - — * — 2 24 83 19 — — — — — 78 10 Lehrmädchenundjugend- 88 liehe Arbeiterinnen . 2 19 17 10 — - — — — —— — — — 48 6 Tagelohn Summa 5 80 28 42 48 52 52 18 7 6 8 1 — 282 In Prozenten 1,77 10,64 9,93 14,89 15,25 18,44 18,44 4,61 2,48 2,18 1,06 0,36 — 100% Summa männl. Arbeiter 3 11 9 8 10 83 52 13 7 6 3 1 — 156 » weibl. „ 2 19 19 84 88 19 — — — a — 126