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Nr. 31 PAPIER-ZEITUNG 1109 eines Kreuzes, eines Medaillons hervortrat. Und auf den meisten dieser Karten wetteiferten dann wie gewöhnlich Hühner und Hasen miteinander, dem Publikum die schönsten bunten Eier darzubringen, indem sie sich sogar bemühten, sie selbst zu kochen oder mit grellen Farben anzustreichen. Auf einer Anzahl Karten waren anmuthige Mädchengestalten in leichtem Sommerkostüm dargestellt. Sie jagten mit Schmetter- lingsfängern hinter den Hasen her, trugen sie in der Schürze oder im Korbe heim, beauftragten sie mit dem Fortbringen der Eier, die sie zu diesem Zweck in eine Kiepe packten, oder halfen ihnen auch beim Verstecken der Eier. Diese Szenen waren sehr lebendig in frischen Farben dargestellt. Ein Seitenstück zu diesen Karten war in Schwarzdruck gehalten. Die Mädchen, zu verschiedenen Gruppen mit Hasen oder Kaninchen vereinigt, trugen kleine Pelzmützen mit Hasen ohren, und sehr drollig wirkte die Ueberraschung der Thiere, wenn sie anstatt ihres Gleichen, wie die Ohren vermuthen liessen, sich plötzlich Menschenkindern gegenüber sahen. Diese friedlichen Lebensbilder wechselten ab mit tragi komischen Familienszenen. So hatte eine Henne eine gänze Anzahl Küchlein ausgebrütet, nur ein ungewöhnlich grosses Ei wollte sich nicht öffnen. Erstaunt und entrüstet zugleich macht sie sich daran, das Ei mit dem Schnabel aufzupicken, während ihre Küchlein erwartungsvoll zusehen. Und während sie pickt, springt plötzlich ein kleiner gehörnter Kobold aus dem Ei hervor. Sie fällt vor Schreck auf den Rücken, und ihre Kleinen flattern piepsend nach allen Richtungen davon. Ebenso spielt sich auf einer Reihe von Karten ein Hühner roman in verschiedenen Bildern ab. Frau Henne hat in einem Hasen ihren Verehrer gefunden. Er geht mit ihr spazieren, bringt ihr Blumen, steigt zu ihrem Fensterchen hinauf und sie setzt das Verhältniss fort, trotzdem ihr Gatte, der Hahn, ihr wiederholt seine Entrüstung und seine Eifersucht zu erkennen giebt. Wir sehen auf den Karten aber auch wandelnde Eier mit Menschenköpfen und -Gliedern, die sich im Freien be lustigen oder Skat spielen, Hasen und Kücken als Radler und im Automobil, oder die Hasen ziehen als Musikanten mit ver schiedenen Instrumenten durch die Frühlingslandschaft. Auch das Hasenpaar fehlt nicht, das den Ueberbrettltanz des lustigen Ehemanns ausführt. Es ist unmöglich, all die humor vollen Darstellungen zu schildern, die das Osterfest gezeitigt hatte, indessen habe ich gar keine Karten gesehen, auf welchen eine ernstere symbolische Darstellung des Auferstehungsfestes versucht worden wäre, die sich nicht direkt an Bibelworte anlehnt, es sei denn, dass ein Engel wie segnend durch die jung grünenden Gefilde schreitet oder eine ideale Frauen gestalt der aufgehenden Sonne wie zum Willkommensgruss die Hände entgegenstreckt. Viele Osterkarten waren auch in Eiform gehalten und liessen sich aufstellen. Das vordere Blatt gleicht z. B. einer zerbrochenen Eierschale, durch dessen Bruchstelle man eine Hühnerszene bemerkt, die auf dem angebogenen Blatt dar gestellt ist. Oder das Doppelblatt stellt vorn eine zerbrochene Mauer vor, neben welcher Hasen und Kaninchen sitzen, während die angebogene hintere Stützkarte oben einen Aus schnitt zeigt, der sich nach vorn überklappen lässt und auf diese Weise mit seinem Bildschmuck: Hennen und Küken, gerade hinter die Mauerbresche zu stehen kommt. Unter den neuesten Postkarten tritt eine Reihenfolge von Raphael Kirchner, die mit »Roma« bezeichnet ist, hervor. Auf den Karten bemerkt man Nachahmungen italienischer Wand malereien. Auf goldumrandeten Schildern von verschiedenster Form sind klassische Frauenköpfe dargestellt mit Stirnbinden oder blumengeschmücktem Haar und altrömische Bronzegegen stände: Räuchergefäss, die Wölfin als Pflegemutter des Zwillingspaares Romulus und Remus, Vasen, Pansflöte und allerlei Schmucksachen wurden in künstlerischer Anordnung auf oder neben den Schildern angebracht, während der Hinter grund mit schmalstreifigen Blumenborden oder Nachahmungen von Mosaiken verziert ist. Alsdann sind auch Postkarten er schienen mit den von Professor Bärmel im Meeressand mgdellirten Figuren; Karten in den Bannerfarben aller Länder mit den F’ototypien des betreffenden Regentenpaares, zwischen welchen das Nationallied in goldenen Noten mit Text aufge- druekt ist; Karten mit Ansichten aus Alt-Berlin (1789—1870) in Schwarzdruck; Havannakarten, auf welchen Zigarren ver schieden gruppirt, von Engeln als Reitpferd benutzt, oder von hübschen Mädchen geraucht, die mit Schmetterlingsflügeln ausgestattet sind, in Verbindung mit aufgeklebten Zigarren- ringen, dargestellt sind, und Karten aus dem alten Egypten in Schwarzdruck. Diese veranschaulichen in figurenreichen Szenen nach antiken Mustern Bilder des öffentlichen und häuslichen Lebens der Egypter. Betrachtet man die in fremd artigen Schriftzügen gegebenen Erläuterungen aber näher, so klingen bekannte Melodien in uns wieder, deren Texte lauten: »Muss ich denn, muss ich denn zum Städtle hinaus« oder »Grad aus dem Wirthshaus komm ich heraus«. Eine Anzahl Karten betitelt sich »Wetterlaunen«. Wir sehen auf diesen modern gekleidete Frauen, die in ihren Bewegungen und flatternden Gewändern ihren Kampf mit den Naturgewalten im Sturm, unter Hagel- und Regenschauern veranschaulichen oder sich des weichen Südwindes und des Sonnenscheins erfreuen. Alsdann sind noch die Katerkarten zu erwähnen, die in humor vollen Zusammenstellungen von gluthäugigen Katern, Bier krügen, Weingläsern und Häringen, gleich einem warnenden Mene Tekel, auf die tragischen Folgen übermässigen Alkohol genusses verweisen, und Karten mit Thier- und Kinderstimmen. Diese Karten sind wie ein kleines Polster, das dem Druck nachgiebt, indem es den Luftzug durch den geöffneten Mund der darauf dargestellten Figuren aus- und einströmen lässt. »Drück einmal mich, schrei Miau ich«, spricht die Katze zu uns, und »Drück zweimal mich, schrei Mama ich«, sagt das Wickelkind. H. P. Anfertigung von Buchbinder-Arbeiten Zu Nr. 26 Jeder Papierhändler dürfte denn doch wohl in jeder Beziehung das Recht haben, Aufträge auf Buchbinder-Arbeiten entgegen zu nehmen, wenn er nur einen tüchtigen Buchbinder an der Hand hat. Mancher Buchbindermeister, auch der Innung angehörend, ist herzlich froh, wenn er für Papierhändler zu thun hat. Kann der in Nr. 26 erwähnte Papierhändler A. nicht gegen den unterzeichneten Buchbinder-Innungsvorstand wegen Geschäftsschädi gung klagbar vorgehen? Ein Lausitzer Papierhändler Unseres Erachtens hätte Klage keinen Erfolg, weil man die Unwahrheit des vom Innungsvorstand Behaupteten nicht nachweisen könnte, und das Gericht voraussichtlich entscheiden würde, dass der Innungsvorstand in Wahrung berechtigter Interessen gehandelt hat. Red. Druckfirma auf Ansichts-Postkarten Wie die »Woche« mittheilt, finden nach einem Urtheil des Kammergerichts in Berlin auf Ansichts-Postkarten die Be stimmungen des Reichspressgesetzes Anwendung, wenn ihr Inhalt politisch oder sozial ist, daher müssen auf solchen Karten Drucker und Verleger angegeben werden. Auf gewöhnlichen illustrirten Postkarten sei dies nicht nothwendig, denn diese dienen ausschliessich den Zwecken des Verkehrs und Gewerbes und haben — wie die Entscheidung sich ausdrückt — »an sich keinen Gedanken-Inhalt«, polizeiliche Kontrolle erscheine hier also entbehrlich, weil ein Missbrauch der Pressfreiheit nicht zu befürchten steht. Probenschau Norwegische Aquarell-Postkarten, Verlag und Alleinverkauf von Jean Crassi, Berlin STP, Lindenstrasse 5. Die unter dieser Bezeichnung in den Handel gebrachten Postkarten tragen chromolithografische Bilder nach Originalen norwegischer Künstler. Die Bilder bedecken die ganze Rückseite der Karte, sodass für Schrift kein Platz bleibt, wenn man das Bild nicht verderben will. Die Karten haben schon durch diesen Umstand mehr den Charakter kleiner Kunstblätter. Um solchen Ein druck noch zu erhöhen, sind sie auf besonders starken Karton gedruckt, mit Goldschnitt versehen, und bei einigen Serien sind auch die Ecken abgerundet. Die von trefflichen Malern wie Max Müller und Eneret J. F. stammenden, eigens für diese Postkarten geschaffenen Bilder schildern zum Theil das Land Norwegen in seiner grossen landschaftlichen Schönheit, zum andern Theil die Bevölkerung in ihren malerischen Trachten bei den Beschäftigungen des Landlebens, der Fischerei und des volksthümlichen Skilaufens. Die Ausführung der Bilder ist vorzüglich, und man kann auf den meisten Karten noch die Aquarelltechnik erkennen. Auf der Adressenseite ist der Vordruck in neun gangbaren Sprachen, entsprechend den Wünschen der Postbehörde, in die linke Ecke gerückt, und auf dem Platz der Freimarke ist die für den Versand als Drucksache sowie als Postkarte nöthige Frankatur angegeben.