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Nr. 30 PAPIER-ZEITUNG 1075 Stuttgarter Brief Typographische Gesellschaft München Anschlagsäulen. Der Magistrat von Köpenick bei Berlin beabsichtigt zunächst zwölf Anschlagsäulen aufstellen und zum Aushang von Plakaten gegen einen festgesetzten Tarif benutzen zu lassen. Nach den Bedingungen, welche im Rathhause öffentlich ausliegen, muss der Unternehmer die Säulen auf eigene Kosten aufstellen. Sie müssen aut massivem Fundamente stehen, aus Eisenblech gebaut und min- destens 2,30 m hoch sein. Die Pachtdauer beträgt 10 Jahre. Der Magistrat und die Polizei-Verwaltung behalten sich die Verwendung sonders der Umschlag bei derartigen Arbeiten den Beschauer von vorn herein fesseln müsse; daher müsse auf klare, deutliche Schriften ein Hauptgewicht gelegt werden, damit man mühelos und bereits aus einiger Entfernung den Zweck einer Broschüre oder eines Kataloges erkenne. Leider giebt es heute noch Besteller, die auf Druckarbeiten dieser Gattung in Bezug auf Ausstattung wenig Sorgfalt legen, um erhöhte Ausgaben zu vermeiden. Solche Besteller bedenken nicht, dass jede Drucksache desto sicherer Beachtung findet, je sorgfältiger und eleganter sie gearbeitet ist. Man scheut sich, solche Arbeit, auch wenn sie keinen dauernden Werth besitzt, dem Papierkorb zu über liefern. Dem Umschläge darf auch der Text nicht nachstehen; man nehme gutes Papier, auf dem sich eine kräftige leserliche Schrift gut abhebt. Solchen Drucksachen giebt man durch Abrunden der Ecken, durch Ausstattung mit farbigen Schnüren und Quasten, ge fälligeres Aussehen. Die ausgestellten Muster aus der Buchdruckerei Peter Luhn in Barmen zeigten die Richtigkeit dieser Ausführungen und wurden von den Anwesenden eingehendst gewürdigt. In der anschliessenden Diskussion wurde von verschiedenen Seiten, abge sehen von der vorzüglichen Ausstattung der Muster, auf mancherlei Stilwidrigkeiten hingewiesen. München sei, im Gegensatz zu anderen Städten, durch den altdeutschen Stil schon der »Freien Richtung« gegenüber selbständiger gewesen. Hierdurch werde München selbst heute noch vor Sinnlosigkeiten im modernen Stile bewahrt. Nach Erledigung verschiedener technischer Fragen schloss der Vor sitzende die zahlreich besuchte Versammlung nachts 12 Uhr. y. Anfang April Während in früheren Jahren zu Ostern immer sehr reger Ge schäftsgang in den grafischen Gewerben herrschte, ist dieses Jahr nichts davon zu merken. In allen Gewerben ist das Geschäft sehr flau, in der Buchdruckerei aber am ärgsten. Seit 8 Monaten sind am Platze ständig ICO und mehr Arbeitslose, und die Zahl nimmt nur durch Ab reise jüngerer Buchdrucker, welche durch Verbands-Unterstützung ausgesteuert wurden, gelegentlich ab. Im Jahre 1901 wurden in Württemberg an Arbeitslose, welche sich am Orte aufhalten, 34 990 M. 20 Pf. verausgabt für 27 167 Tage Unterstützung, wozu noch 1431 M. 60 Pf. ausserordentliche Unterstützungen kommen. Die Zahl der Kranken stieg von 675 im Jahre 1900 auf 701 im Jahre 1901, und die Zahl der Arbeitslosen von 306 auf 495! Auch die Auf stellung von Setz- und Zeilengiessmaschinen ist an- der zunehmenden Arbeitslosigkeit schuld, denn in Württemberg stehen z. Zt. 88 solcher Maschinen, davon 10 in Stuttgart. Im Landesgewerbemuseum soll in absehbarer Zeit eine Monoline Aufstellung finden, und für diese billigere Maschine dürften sich auch Käufer finden, da in Stuttgart und der Provinz noch viele Zeitungen mittels Handsatzes hergestellt werden. Die Einführung des neuen Buchdrucker-Tarifs erfolgte in Stuttgart ganz glatt, und in den Provinz-Druckorten ist es auch nur in wenigen Städten zu Streitigkeiten gekommen. Folgende Resultate wurden aus 150 Druckereien Württembergs ermittelt: Von 1914 Gehilfen werden 1724 tarifmässig entlohnt und zwar 260 im Berechnen, 305 zum jeweiligen Minimum und 1159 über Minimum. Von den 1914 Gehilfen sind 1577 Verbandsmitglieder und 337 Nichtverbändler. Bei der Berathung des Etats der Stuttgarter gewerblichen Fort bildungsschule wurden erstmals 705 M. für eine Buchdruckerklasse (Deutsch, Rechnen und Zeichnen) und 1420 M. für zwei Setzerklassen (Deutsch, Latein, Rechnen und Zeichnen) bewilligt. Hiermit ist der Anfang für eine gesonderte Buchdruckerschule gemacht. Die Unter richtszeit dieser im Herbst ins Leben tretenden neuen Fachschule soll in die Morgenstunden von 7 bis 10 verlegt werden. Die Errichtung und Angliederung technischer Kurse dürfte in erster Linie Sache der grafischen Vereine sein. Im Anschluss an die im letzten Brief erwähnte Ausstellung »Die Kunst im Leben des Kindes« hielt Prof. Dr. Lange-Tübingen einen Vortrag über dieses Thema. Die Abrechnung der »Schwäbischen Tagwacht«, gewährt Einblick in die Verwaltung einer mittleren Tageszeitung. Bei einer Einnahme von etwa 94 000 M. an Bezugsgeld und 48 000 M. an Anzeigengebühren, denen ein Druckkonto von 59 000, ein Papierkonto von 81 000, ein Redaktionskonto von 11000, für Mitarbeiter 6000, für Expedition 9000, für Porto 6000, allgemeine Unkosten 7000 usw. gegenüberstehen, wurde im letzten Jahre ein Reingewinn von 8694 M. 98 Pf. oder etwa 6 pCt. erzielt. Die Entlohnung ist vollständig tariflich bei 8 stündiger Arbeitszeit, Handsatz und Druck mittels Rotationsmaschine. S. werden könne, zeige z. B. die Einführung des Metermaasses, die sich selbst in England und Amerika, wo man an nationalen Eigenthümlichkeiten im Allgemeinen sehr festhalte, leicht vollziehe. Von anderer Seite wurde darauf hingewiesen, dass die deutsche Schrift eine berechtigte Eigenthümlichkeit des deutschen Volkes sei und dem Volkscharakter mehr entspreche als die Antiqua. Uebrigens hätten auch be deutende Sprachforscher wie Professor Sanders sich für die Beibehaltung der Fraktur ausgesprochen, und Fürst Bismarck habe nicht mit Unrecht geäussert, er könne sich unsere Klassiker Goethe und Schiller nicht in Antiqua gedruckt denken. Ein Artikel über die Ecole Estienne in Paris, die Fach schule für alle grafischen Gewerbe, die von der Stadt Paris mit einem jährlichen Zuschuss von 250000 Frank unterhalten werde, wurde, wie Herr Schneider berichtete, in der französischen Zeitung l’Eclair einer abfälligen Kritik unterzogen. Die Schule, in welcher etwa 200 Schüler Kost, Wohnung und Unterricht finden, habe der Stadt Paris bereits 3000000 Frank gekostet, und man könne noch nicht bemerken, dass die ent lassenen Schüler irgendwelchen bemerkbaren Einfluss auf das Kunstgewerbe ausgeübt oder sich hervorgethan hätten. Man möge deshalb die Schule eingehen lassen und Abendklassen einrichten. Auf diese Kritik habe ein früherer Schüler der Anstalt geantwortet und darauf hingewiesen, dass die Schüler Hervorragendes bis jetzt wohl kaum geleistet haben könnten, weil keiner derselben bisher das Alter von 25 Jahren über schritten habe. In späteren Jahren würden sicher Zöglinge der Schule noch von sich reden machen. In der englischen Fachschrift Printer’s Register werde die Frage erörtert, wann in England die erste Setzmaschine in Gebrauch genommen worden sei. Während von einer Seite hierfür das Jahr 1851 genannt werde, legen die Gegner dieser Ansicht diesen Zeitpunkt bereits in das Jahr 1845. Schliesslich wurde auf einen Aufsatz der Papier - Zeitung aufmerksam gemacht, welcher sich mit der Lesbarkeit der auf Kunstdruck papier gedruckten Werke beschäftigt. Von Herrn Julius Müller wurde darauf hingewiesen, dass es sich dabei nicht um das eigentliche Kunstdruckpapier, sondern um das mit Hochglanz versehene Chromopapier handle. Kunstdruckpapier könne ganz stumpf sein und dessen ungeachtet die gute Druckfähig keit besitzen, die für Autotypien nöthig sei. Nunmehr gab der Vorsitzende Herr Könitzer eine Rund schau über die buchgewerbliche Litteratur der letzten Zeit und hob dabei besonders die im Verlage der Firma Hermann See mann Nachfolger in Leipzig erschienenen Werke über Kunst und Kunstgewerbe hervor. Sodann gab er einen Bericht Über die übrigen deutschen grafischen Vereinigungen und konnte hierbei mittheilen, dass sich auch in Hamburg eine Typographische Gesellschaft gebildet habe, welche bereits 50 Mitglieder zähle. Mehrere Stimmen aus der Versammlung sprachen ihr Bedauern darüber aus, dass auch diese fach- technische Vereinigung ebenso wie die in Hannover und Bremen für die Mitgliedschaft eine Schranke gezogen hätten, indem nur Verbandsmitglieder aufgenommen werden sollen. Schluss der Sitzung 127a Uhr. Versammlung vom Donnerstag, 3. April, im neuen Vereinslokale, Restaurant »Belvedere«, Rumfordstrasse 13. Nach Erledigung der ge schäftlichen Mittheilungen, wobei u. A. eine Einladung der Typo graphischen Gesellschaft in Leipzig zu ihrer am 12. und 18. April im Buchhändlerhause stattfindenden 25jährigenStiftungsfeierzurKenntniss- nahme der Mitglieder gelangte, sowie Vollziehung von Neuaufnahmen, erhielt zunächst Herr Fr. Fleischmann das Wort zu einem Bericht über das im Seemann'schen Verlage erschienene Buch »Die Entwicklung der modernen Buchkunst« von Otto Grautoff. Redner schilderte den Inhalt dieses Werkes, welches mit Recht für hervorragend in der Fach- litteratur gehalten werde. Anhebend mit der Schilderung des in- und ausländischen Buchgewerbes, behandelt Verfasser darin die gesammte Technik im modernen Buchdruck; besondere Kapitel widmet er dem Vorsatzpapier, Druck, Satz und Papier sowie den neugeschnittenen Schriften, die er auf ihren Werth und Unwerth prüft. Grautoff zeigt eich als gründlicher Kenner der modernen Buchkunst. Anschliessend hieran machte Herr B. Bammes auf zwei andere Bücher aufmerksam, die von Hilmar Kiasing in Leipzig verlegt wurden: »Die praktische Organisation des Buchdruckereibetriebes« und »Die Buchführung im Buchgewerbe«. Beide Werkchen verdienen Beachtung und füllen eine -ücke in der Fachlitteratur aus. von Plakaten aus ziegelrothem Papier allein vor. Nach dem Tarif kann Ho Ht' *—uu.u —o. der Unternehmer für je 3 Tage Aushang einschl. Ankleben für Vortmerr W. Schäfer erhielt dann das Wort zum zweiten Theil seines 1/4 Bogen Affischenpapier 2 M. 50 Pf., für ' 2 Bogen 4 M., für den ioragesi,Ueber uncl D^katesstattung von Broschüren und Kuta- ganzen Bogen 6 M. und für Sonderformat 7 M. erheben. Auswärtige v aer technischen Industrie. (Vorgl.Nr.28) Redner führte aus. dass be- zahlen für die ersten 3 Tage 50 pCt. mehr.