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SCHREIBWAREN-HANDEL A GR£Se=N-SSKHRE5 I Nr. 29 r~^^~ i 9. April 1908 Geschäftsordnung In der Anlage habe ich für meine Papiergroßhandlung nebst Druckerei, Papierwarenfabrik und Schreibwarenhandlung eine Geschäftsordnung zusammengestellt, welche nach meiner An sicht einem Bedürfnis entspricht. Lassen Sie solche in der Papier-Zeitung abdrucken, womit Sie zweifellos das Interesse weiter Händlerkreise anregen werden. Ich hoffe, daß sowohl seitens der Geschäftsinhaber wie auch seitens der Gehilfen Er gänzungen oder Vorschläge dazu eingehen werden, welche dann jeder nach seinem Ermessen benutzen kann. X Geschäftsordnung Im Interesse geregelten Geschäftsbetriebes erlassen die Unterzeichneten folgende Bestimmungen: Vorwort: Die nachstehende Geschäftsordnung ist bestimmt, allen unseren Mitarbeitern, insbesondere aber den Neueintreten den, möglichst eingehend klarzumachen, welche Art der Ge schäftshandhabung die Inhaber wünschen, und was die An gestellten sich anzueignen bestrebt sein müssen. Wenn diese Geschäftsordnung ab und zu das Gefühl er weckt, daß ihr Zweck das Kontrollieren ist, so mögen die An gestellten dies nicht als Mißtrauen auffassen. Zweck der Ge schäftsordnung ist vielmehr, Irrtümern möglichst vorzubeugen, Mißverständnisse mit dem sich daran knüpfenden Aerger möglichst zu vermeiden. Stimmt Jemandes persönliche Ansicht nicht mit einem oder dem anderen der folgenden Absätze überein, so sind die Inhaber jederzeit zu einer Aussprache bereit, wie sie auch ein williges Ohr für andere bessere Vorschläge haben werden. Geschäftszeit. Die regelmäßige Geschäftszeit ist im Sommer von 71/2 Uhr morgens bis 8 Uhr abends, im Winter von 8 Uhr morgens bis 8 Uhr abends. Die Sommermonate beginnen mit dem r. April, die Wintermonate mit dem 1. Oktober. Falls es bei lebhaftem Geschäftsgänge nötig ist, die Arbeitszeit abends zu verlängern, so haben die Angestellten dieser Aufforderung ohne Anspruch auf besondere Entschädigung Folge zu leisten. Verlängerte Arbeitszeit am Abend berechtigt nicht zu späterem Erscheinen am nächsten Morgen. Ein- und Ausgang. Der Ein- und Ausgang für das Personal ist di? Haustür, nicht die Ladentür. Während der Arbeitszeit darf kein Angestellter das Geschäft ohne Erlaubnis verlassen. Verspätetes Erscheinen sowohl beim Oeffnen des Ladens als auch nach der Mittagszeit muß vermieden werden. Mittagspausen. Jeder Angestellte erhält Mittagspause von 13/ Stunden. Diese Zeit darf auch dann nicht überschritten werden, wenn die Verhältnisse rechtzeitiges Fortgehen nicht ge statten. Die Mittagspausen fallen in die Zeit von 12 bis 4 Uhr nachmittags. Essen und Trinken im Geschäft. Wer in der Geschäftszeit etwas essen will, hat das an dem dazu bestimmten Orte in möglichst kurzer Zeit und auf einfachste Weise zu tun. Stark riechende Speisen, wie Käse, Fische usw., dürfen nicht mit gebracht werden. Bier und Spirituosen im Geschäft einzu nehmen, ist untersagt. Speisen und Flaschen dürfen in den Börten nicht aufbewahrt werden. Die Einnahme des Früh stücks nach 11 Uhr morgens, des Vespers nach 6 Uhr abends ist nach Möglichkeit zu vermeiden. Mehr als ein Angestellter soll am Eßtisch zur Zeit nicht anzutreffen sein. Rauchen. Innerhalb der Geschäftsräume ist dem Personal das Rauchen streng untersagt, ebenso das Kommen und Gehen mit brennender Zigarre, m i a awos 8 --- ; Kleidung. Kleidung und Wäsche dürfen nicht vernachlässigt werden. Saubere Hände und Nägel sind wesentliches Er fordernis. Krankheit. Ist pünktliches Kommen in Krankheitsfällen nicht möglich, so ist sogleich Nachricht in das Geschäft zu senden. Bei längerer Dauer der Krankheit ist jeden dritten Tag Bericht über das Befinden erwünscht. Sonn- und Feiertage. An Sonntagen wird das Geschäft von 11 bis 1 Uhr geöffnet; das Personal hat mit Ausnahme des Januar, Februar und Dezember abwechselnd frei, doch muß mindestens die Hälfte der Angestellten anwesend sein. F'erien. Jeder kaufmännische Angestellte hat das Recht, einige Tage Ferien in der flaueren Geschäftszeit zu bean spruchen, und zwar nach dem 1. Jahre etwa 6 Tage nach dem 2. Jahre etwa 10 Tage nach dem 3. Jahre etwa 14 Tage Bei längerer Tätigkeit im Geschäft nach Uebereinkunft. Die Geschäftsinhaber behalten sich vor, den Urlaub, wenn nötig, zu beschränken. Militärdienst. Bei militärischen Uebungen der Angestellten wird bei einer Dienstzeit von 14 Tagen der Gehalt voll aus bezahlt, bei längeren Uebungen dagegen nur die Hälfte des Ge haltes. Der militärisch Uebende kann im Uebungsjahre keinen weiteren Urlaub beanspruchen. Käufe der Angestellten. Angestellte, welche Waren aus dem Geschäft zu kaufen wünschen, haben sich deshalb an die Kassiererin zu wenden. Das Personal erhält auf die Verkaufs preise 25 v. H. Rabatt, soweit die Selbstkosten der Ware diesen Rabattsatz zulassen. Solche Einkäufe sind außer der Geschäfts zeit zu machen und müssen sofort bezahlt werden. Benutzung der Hausdiener. Niemand hat das Recht, Arbeiter oder Hausdiener zu Privatbesorgungen zu verwenden. Geschäts- wege für die Hausdiener sind an der Kasse zu melden; von dort aus werden zur Vermeidung doppelter Wege die Boten beauftragt. Privat-Unterhaltungen. Privatunterhaltungen im Geschäft so wohl mit den Kollegen als auch mit Fremden sind zu ver meiden. Zu Privatgesprächen soll der Fernsprecher möglichst wenig in Anspruch genommen werden. Das Stehen in der Ladentür ist untersagt. Privatsachen. Die Angestellten mögen dafür Sorge tragen, daß Privatkorrespondenzen so wenig wie möglich unter der Ge schäftsadresse an sie gerichtet werden. Das Schreiben von Privatbriefen, die Erledigung von Vereinsangelegenheiten, das Lesen von Zeitungen usw. ist während der Geschäftszeit nicht gestattet. Aufenthalt in den Arbeitsräumen. Das Betreten der Arbeits räume (Druckerei, Setzerei, Buchbinderei, Prägerei) ist nicht gestattet. Der Verkehr mit den Arbeitern und Arbeiterinnen ist auf geschäftliche Mitteilungen zu beschränken, die durch das Sprachrohr oder durch das Fenster zu geschehen haben. Handschrift. Gute Handschrift ist eine besondere Empfehlung ; auch bei den im Laden nötigen Schreibarbeiten soll auf hübsche Schrift Wert gelegt werden. Höflichkeit. Nicht nur im Verkehr mit den Käufern (gleich viel welchen Standes), sondern auch im Verkehr untereinander wird größte Höflichkeit anempfohlen. Streitigkeiten, Wort wechsel usw. müssen außerhalb des Geschäfts ausgefochten werden. Behandlung der Käufer. Eintretende Kunden hat der Nächst stehende freundlichst zu begrüßen, möglichst nach ihren Wünschen zu fragen, nötigenfalls um etwas Geduld zu bitten, wenn zufällig kein Verkäufer frei ist. Den Käufern ist durch freundlichste Behandlung und Bedienung sowie durch sorg fältiges Eingehen auf ihre Wünsche der Aufenthalt im Laden so angenehm wie möglich zu machen. Den Damen müssen Stühle angeboten werden. Ueberflüssiges Mustern der Käufer und hörbare Bemerkungen über diese müssen vermieden werden. Kein Kunde darf unbefriedigt fortgehen, ehe er nicht seine An gelegenheit einem Erfahreneren mitgeteilt hat. Man streite nicht mit den Käufern und werde ihnen gegenüber niemals persönlich. Pfeifen, Singen und Summen ist ungebührlich. Arbeitsfreudigkeit. Jeder Angestellte muß zunächst sein Arbeitsfeld in Ordnung halten. Er muß aber seine Augen und Ohren überall haben und sich nicht als Maschine, sondern als Mitarbeiter fühlen. Er versäume keine Gelegenheit, sich mit dem System der Geschäftsführung vertraut zu machen. Wer weiterkommen will, muß seine Kenntnisse bereichern und viel Fleiß und Rührsamkeit zeigen, der Arbeit nicht ängstlich aus weichen unter dem Eindruck, zu viel zu tun oder »es geht mich nichts an«. Ein strebsamer junger Mann soll an jedem Ge schäftsvorkommnis Anteil nehmen. Rasche Etledigung. Auswärtige Aufträge sollen in der Regel am Tage des Eingangs zum Versand kommen, hiesige Be stellungen vom Lager sind sofort zu erledigen. Anfertigungen sind am Tage des Einganges zu bearbeiten und weiter zu geben. Eilig ist alles, was nicht ausdrücklich als »gelegentlich« bezeichnet wurde. Mündliche oder Fernsprecher-Aufträge, die nicht sofort erledigt werden können, müssen in den Annahmebüchern ver merkt werden. Häuft sich die Arbeit in einer Hand so, daß die Erledigung, wie oben gesagt, nicht möglich ist, so muß dies un verzüglich den Inhabern gemeldet werden. Versprochene Lieferfristen. Sind mündlich erteilte Aufträge zur Lieferung auf bestimmte Zeit versprochen worden, so hat der Angestellte, der die Bestellung entgegengenommen hat, da für zu sorgen, daß die Lieferzeit eingehalten wird und die Ab lieferung pünktlich geschieht. Besser ist es, den Kunden keinerlei Versprechungen zu machen, für deren Erfüllung man nicht eintreten kann. Kredit geben. Kredit kann] nur solchen Personen gegeben