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Die Sortiments-Buchbinderei Zweiter Teil Der Buchschnitt Fortsetzung zu Nr. 28 Obgleich man auch bei gesprenkelten und Kleister schnitten Marmor- und andere Steinarten nachahmen kann und es anderseits beim Tauchverfahren nicht immer tut, spricht man doch nur bei diesem vom »Marmorieren«. Man marmoriert von altersher mit Galifarben auf Pflanzenschleim, in jüngster Zeit aber nach dem Hausmann’schen Verfahren auch mit Oelfarben auf Wasser. Wir beschäftigen uns zu erst mit dem älteren Verfahren, welches uns weniger be schränkt, vielmehr unsrer Phantasie und künstlerischen Befähigung weiteren Spielraum gewährt. Wir brauchen dazu einen Pflanzenschleim als Grund für die Farben, welche auf ihm zu Gebilden getrieben oder gezogen werden sollen, um dann mittels des Tauchverfahrens durch den Buchschnitt oder das Papierblatt abgehoben zu werden. Es gibt viele Pflanzen, deren zwecks Aufbewahrung ge trocknete Säfte (Gummi - Tragant), Blätter und Stiele (Caragheenmoos, Salep) oder Samen (Flohsamen, Lein samen) nach dem Aufweichen oder Aufkochen einen für unsern Zweck ausreichend dichten Schleim hergeben. Da ich hier aber keine gelehrte Abhandlung schreiben, son dern praktische Anweisungen geben will, übergehe ich alle Schleimlösungen, welche beim Marmorieren brauchbar sein könnten zugunsten derjenigen, welche es in allen Fällen tatsächlich ist und zugleich den Vorzug hat, die billigste zu sein, das ist eine Abkochung von Caragheenmoos, mit dem weniger schleimhaltigen sogen, isländischen Moose nicht zu verwechseln. Beide unterscheiden sich äußerlich dadurch, daß ersteres hornartig und weiß bis gelblich, letzteres fasrig und grau aussieht, was selbst bei für Heil zwecke zerschnittenen Moosen noch wahrzunehmen ist. Das Moos wird eingeweicht und dann gekocht. Ich habe über dieses Kochen und dann das Haltbarmachen der Ab kochung für längere Zeit so verschieden lautende An weisungen gehört und gelesen, daß ich zuletzt nicht mehr wußte, was das Richtige ist. Da habe ich selbst darüber nachgedacht, verfahre nun ganz selbständig und mache dabei meinen Grund auch ohne das Halfer’sche Konser vierungsmittel, welches durch das Glyzerin ungefähr drei mal so teuer wird wie der Grund selbst, nur durch Ver wendung der beiden anderen Bestandteile des Mittels: Borax und Salicyl, sowie durch dickes Einkochen des Grundes und Kälte so haltbar, daß ich wiederholt schon auf 6 Wochen altem, ja sogar während dieser Zeit mehr fach gebrauchtem Grunde noch ganz gute Schnitte aller Art herstellen konnte. Und anscheinend hält sich mein Grund noch viel länger. Ich bereite ihn in folgender Weise: In einen Emailletopf (irdene Töpfe zersprangen, wenn der Grund im Winter gefror), welcher etwa 8 1 faßt, tue ich 60 g bestes natürliches Caragheenmoos; (ich zahle für 5 kg davon 6 M) welches ich etwas zerpflücke, dazu 10 g Borax und 5 g Salicyl. Das Moos kostet etwa 7, der Borax etwa 3 und das Salicyl 5, die ganze Mischung also 15 Pfennige. Soll sich der Grund nur etwa eine Woche halten, kann das Salicyl wegbleiben. Auf die Mischung gieße ich 4 1 gleich 8 Pfd. reines Wasser. Alle umständ lichen Marmorier-Anweisungen schreiben Fluß- oder Regen wasser vor. Wer hat überall Flußwasser oder Regenwasser, wenn es nicht regnet, und ist es immer rein? Unser Fluß ist weit und das Wasser aus unserm Mühlgraben von frag würdiger Beschaffenheit, darum nehme. ich unser Quell leitungswasser und gebe ihm die zur Lösung des Moos schleims nötige Weiche durch den Borax, welcher die Abkochung auch seinerseits schon für einige Zeit gegen Verderben schützt. Die Mischung weicht nun etwa zwölf Stunden, worauf man die Moosstiele schon mit dem Finger nagel zerschneiden kann. Jetzt lasse ich die Mischung mehrere Male aufkochen, wozu der Topf eben groß genug sein muß, damit sie nicht zu schnell überläuft. Die nun entstandene Schleimmasse drücke ich nach einigem Ab kühlen durch ein dünnes Leinwandsäckchen, koche dann den Moosrückstand mit 2 1 Wasser ohne Zusatz so lange nochmals aus, bis das Moos ganz weich geworden ist, drücke den Schleim durch das Säckchen zum andern und schicke die zugedeckte Lösung in den Keller, aus welchem sie 24 Stunden vor Begipn des Marmorierens, welches nur mit mindestens 2 Tage altem Grunde möglich ist, wieder heraufgeholt und in denselben Raum gestellt wird, in welchem marmoriert werden soll. Was von dem Grunde dabei nicht gebraucht wird oder beim Gebrauch nicht allzu schmutzig geworden ist, kommt wieder in den Keller. So kann ich mit Grund im Werte von 15 Pfennigen mindestens. 6 Wochen lang oder Hunderte von Büchern hintereinander marmorieren. Vom Kochen des Grundes »nur 4—5 Minuten, weil er sonst trübe wird,« halte ich nichts, denn der Schleim wird dem Moose nicht ganz entzogen, der Grund aber auch nicht dick genug, um sich lange zu halten, und man treibt Verschwendung. Bestes Moos liefert auch bei starkem Kochen klaren Grund und trüber Grund wird durch das wiederholte Durchseihen nach dem Kochen und vor dem Gebrauche klarer. Aber selbst auf etwas gefärbtem Grunde sieht man das Farbenbild noch gut genug, wenn man am Boden des Marmorierkastens ein durchweichtes weißes Papierblatt in genauer Größe des Bodens glatt anreibt. Nach dem Grunde brauchen wir Ochsengalle. Diese wird in eine Flasche gefüllt, mit 1/4 ihrer Menge reinem Alkohol tüchtig zusammengeschüttelt, nach 24 Stunden filtriert und ist dann schon brauchbar, wird aber mit dem Alter immer besser und hält sich in gut verschlossener Bild 1 Flasche jahrelang. Der Bodensatz der Galle, Fett, darf niemals aufgerührt werden. Für den laufenden Gebrauch wird etwas davon in einem Tropffläschchen aufbewahrt. Die Farben kann man sich selbst zubereiten, wenn man Zeit zum Reiben hat. Man verwendet dann die schon für Sprenkel- und Farbenschnitte angegebenen Farben, reibt sie in einer Reibeschale erst trocken zu möglichst feinem Staube, netzt sie dann mit Galle, reibt wieder und setzt dies unter langsamem Gallenzusatz fort, bis man einen Farbenteig hat, welcher dann mit filtriertem Wasser auf Streichfarbendicke gebracht und zum Gebrauch beim Mar morieren mit filtriertem Wasser und Galle nach Bedarf weiter verdünnt wird. Hat man aber zum Reiben der Farben nicht Zeit oder Neigung, so kauft man fertige Mar morierfarben, welche aber konsistenter sein könnten. Zum Treiben der Farben braucht man das sogenannte »Sprengwasser«, welches man richtiger »Treibwasser« nennen sollte. Wenn dazu nicht nur Wasser mit etwas Galle verwendet wurde, stellte man es früher aus veneziani scher Seife, destilliertem Wasser und reinem Alkohol her. Davon und von dem jetzt statt dessen verwendeten Seifen spiritus genügen wenige Tropfen in Wasser, um auf dünnem Grunde selbst stark gegallte Farben kräftig zu zerteilen. Neuerdings habe ich es mit ganz gewöhnlichem Seifen wasser versucht und erziele dabei fast noch bessere Ergebnisse, da Spiritus (im Seifenspiritus) oft zu stark treibt. Ueberhaupt läßt sich als Treibmittel auch Spiritus allein sowie jedes magere, in Wasser lösliche Fett verwenden und es kommt nur darauf an, was für Farbenbilder man erzeugen will. Die beim Marmorieren erforderlichen Geräte und Werk zeuge wurden schon unter »Einrichtung einer Sortiments buchbinderei« genannt und werden in der Folge wiederkehren. Wenn nun jemand das Marmorieren erlernen will, so beginne er mit den getriebenen Schnitten und zwar mit dem einfachsten und leichtesten derselben, dem einfarbigen Aderschnitte und versuche erst später auch den zwei farbigen. Mehr als zwei Farben kann ich bei Feinader schnitten nicht empfehlen. Die Abbildung 1 stellt einen