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SCHREI BWAREN-HANDEL A[GFESSg9€H-S€S,€5 I Nn 49 18. Juni 1908 [ Deutscher Papier-Verein Ortsgruppe Hamburg Nächste Versammlung am 2}. Juni 1908 in der Wolfs schlucht, Pelzerstraße. 50 Jahre in der Tinte Der in den weitesten Kreisen des Papier- und Schreib warenfaches bekannte Kommissionsrat Reinhold Tetzer wurde im Jahre 1844 in dem lieblich gelegenen Naumburg a. S. als Sohn eines sehr geachteten Lehrers geboren und be suchte das dortige Domgymnasium, um sich für das Studium vorzubereiten; durch den frühzeitigen Tod der Eltern wurde er jedoch gezwungen, diese Laufbahn aufzugeben, und so trat er in ein Medizinal-Drogengeschäft in die Lehre. Hier erfolgte seine Ausbildung hauptsächlich im Labora torium, welches unter der vorzüglichen Leitung eines früheren Apothekenbesitzers stand, und da Tetzer sich stets für Chemie und Botanik besonders interessiert hatte, so erfaßte er diese neue Laufbahn mit großem Eifer und stets unverdrossenem Fleiß. Bereits hier fand er Gelegen heit, die Herstellung der Tinten und Farben praktisch kennen zu lernen. Tetzer verblieb 8 Jahre lang in dieser Stellung und übernahm hierauf eine Reisestelle innerhalb ■des Faches, um sich während zweier Jahre auch die nötigen 'kaufmännischen Kenntnisse anzueignen. So ausgerüstet gründete er im Jahre 1868 in Berlin eine Tintenfabrik mit der Erbschaft von 800 Talern, sowie den Ersparnissen der vorhergegangenen Jahre. Er war Hersteller der Tinten, Verkäufer und Buchhalter in einer Person, und durch nie rastenden, eisernen Fleiß, große Sparsamkeit und strenge Redlichkeit gelang es ihm, sein Unternehmen schnell empor zu bringen. Seine Tinten er warben sich schnell große Beliebtheit; der Absatz stieg schon nach einem Jahre so, daß die erste Vergrößerung der Fabrik vorgenommen werden mußte, und heute gedenkt Tetzer dankbar der Abnehmer, von welchen eine ganze Anzahl noch ihr Geschäft betreiben und heute noch nach 40 Jahren, zu den treuen Kunden der Firma zählen. Für beide Teile gewiß gleich ehrenvoll! Nach der Gründung des Deutschen Reiches und Ausrufung des deutschen Kaiser tums brachte Tetzer die erste »Kaisertinte« in den Handel, welche heute mit demselben schwarz-weiß roten Etikett wie damals versehen, weltbekannt geworden ist und heute wohl von jedem Tintenfabrikanten hergestellt wird. Tetzer hat dem Fürsten Bismarck die Tinte zur Unterzeichnung des Friedens mit Frankreich geliefert und dafür ein Dank schreiben des eisernen Kanzlers, datiert: »Versailles, den 2. Januar 1871« empfangen. Immer mehr und mehr nahm der Absatz der Tetzer’schen Tinten zu, wiederholt mußte die Fabrik vergrößert werden, aber unentwegt arbeitete Tetzer weiter an der Vervoll kommnung der Tinten, und als das preußische Staats ministerium daran ging, besondere Normalien für die Liefe rung von Tinten aufzustellen, wurde Tetzer als Sachver ständiger zu den Verhandlungen hinzugezogen. 1889 erbaute Tetzer das ansehnliche und gut einge richtete Fabrikgebäude an der Oberbaumstraße, nachdem er die Fabrikation von Siegellack und Klebstoffen mitauf genommen hatte, aber schon heute erweist sich das Gebäude wieder zu klein und die Kontore mußten bereits nach dem Tetzer gehörigen Hause Schlesischestraße 42 verlegt werden. Tetzers Fabrikate sind auf zahlreichen Welt- und Fach ausstellungen preisgekrönt worden und vielfach wurde Tetzer als Vorstands- oder Ehrenmitglied in die Leitung derartiger Ausstellungen berufen. 1896 erhielt er die »Preußische Staatsmedaille für gewerbliche Leistungen«, und kein Land der Erde dürfte es heute geben, in welchem Tetzers Fabrikate nicht bekannt und regelmäßig gekauft würden. Trotz des rastlosen Arbeitens im eigenen Geschäft hat aber der Begründer der Firma immer noch Zeit gefunden, mitzuarbeiten für das Wohl seiner Mitbürger und Fach genossen. Wir sehen ihn bereits in dem verhältnismäßig jungen Alter von 30 Jahren als Bezirksvorsteher der Stadt Berlin und Vorsitzenden verschiedener Wohltätigkeits anstalten; 1882 wurde er zum Vorsitzenden des »Papier- Vereins Berlin und Provinz Brandenburg« und 1892 zum ersten Präsidenten des »Deutschen Papier-Vereins« gewählt, welches Ehrenamt er noch heute verwaltet. 1904 wurde er zum Königlich preußischen Kommissions rat ernannt. Herrn Kommissionsrat Tetzer, welcher während des Sommers auf seiner Besitzung in Buckow (Märk. Schweiz) lebt, war es vergönnt, am 13. Juni 1908 sein goldenes Be rufsjubiläum in voller geistiger und körperlicher Frische zu begehen und freudig steht er nach wie vor seinem Sohn Max Tetzer, welcher nach vorhergegangenem Studium der Chemie schon seit 10 Jahren Mitinhaber der Firma ist, bei der Leitung des umfangreichen Geschäftes mit Rat und Tat zur Seite. L. * * * Am Vormittag des Jubeltages, dem 13. Juni, glich das Kontor und die Wohnung des Jubilars in der Schlesischen Straße einem großen Garten. Von allen Seiten waren die herrlichsten Blumenspenden eingegangen und etwa 500 Telegramme und Briefe verdolmetschten die Glückwünsche von Freunden und Verehrern. Auch zahlreiche Mitbewerber des Jubilars befanden sich unter den Glückwünschenden. Ein besonders herzliches Schreiben lief von Herrn Kommerzienrat Max Krause im Auftrage des Papier-Industrie- Vereins ein. Der Deutsche Papier-Verein übersandte durch eine Abordnung seines Vorstandes eine in Rindleder mit farbigem Lederschnitt ausgeführte künstlerisch ausgestattete