Volltext Seite (XML)
Nr. 4i PAPIER-ZEITUNG 1607 Gründung einer neuen Zellstoff- und Papierfabrik in Wir erhalten von gut unterrichteter Seite folgende Ausführungen zu einem »Expose betreffend die Errichtung einer Zellstoff- und Papierfabrik in «: Die Entwicklung der Zellstoff- und Zellstoffpapier-Erzeugung war mit zahlreichen Enttäuschungen für die Unternehmer ver knüpft, und die Jahre schlechten Geschäftsganges sind weit zahlreicher als diejenigen, in denen flotter Absatz und annehm bare Preise sichere Verzinsung gewährleisten. Auch heute noch sind, namentlich in der Zellstoffpapier-Industrie, die Unter nehmungen, welche gute Erträgnisse bringen, sehr in der Minderheit, und ihre Ertragsfähigkeit erscheint, wie schon an anderer Stelle mehrfach dargetan wurde, durch die Art der Finanzierung und frühere Rücklagen in weit günstigerem Licht, als der Wirklichkeit entspricht. Nach wenigen erträglichen Jahren befindet sich zurzeit die Zellstoffpapier-Erzeugung in außerordentlich schwieriger Lage, da die Selbstkosten nament lich für diejenigen Fabrikanten, die den Zellstoff selbst her stellen, durch die maßlose Steigerung der Kohlen- und Holz preise sowie verschiedene andere Umstände erheblich gewachsen sind, während der Absatz äußerst schwierig ist, und es vielfach kaum gelingt, diejenigen Preise zu erhalten, welche bei weit geringeren Selbstkosten in früherer Zeit bezahlt wurden. Trotz dem tauchen immer zahlreichere Pläne für Neugründungen auf, welche aber meist nicht von Fachleuten herstammen, die in der Industrie erfolgreich tätig waren. In neuerer Zeit gesellen sich zu den Gründungslustigen, die bisher meist entweder Maschinen fabrikanten oder stellenlose Techniker waren, auch Banken, die unter den merkwürdigsten Darlegungen Kapitalisten zur Be teiligung auffordern. So enthält ein neuerdings durch ein rheinisches Bankhaus verbreiteter Prospekt folgende, zwischen »Anführungszeichen« gebrachten, vielfach unrichtigen Behaup tungen, unter die wir jeweils unsere Ansicht'darüber stellen: »Es ist eine für die Papierindustrie seit langem be kannte Tatsache, daß nicht nur der Papierbedarf an sich, sondern insbesondere der Bedarf an besseren Papieren in den letzten Jahren in ungeahnter Weise gestiegen ist, und sowohl im In- als auch im Auslande fortwährend kolossal wächst. Die Zeiten, in denen sich das Publikum die Waren usw. in alte Zeitungen oder ordinäre Lumpen papiere einwickeln ließ, sind längst vorbei.« Die große Steigerung des Papierbedarfs in normalen Jahren kann zugegeben werden, wenn auch in manchen Jahren Stockung der Zunahme eintritt. Leider ist aber die Erzeugung im In- und Auslande dem Bedarf meist vorausgeeilt, zumal sich der Vor gang, daß bessere Sorten zum Packen verwendet werden, schon längst vollzogen hat. »Von Tag zu Tag werden höhere Ansprüche an elegante, saubere und solide Packung gestellt.« Es ist richtig, daß beständig höhere Ansprüche an die Be schaffenheit der Papiere gestellt werden, welche die Selbst kosten erhöhen und das Geschäft erschweren; leider aber werden hierfür höhere Preise zumeist nicht bewilligt. »Von diesen Papiersorten wird neben größter Billig keit vor allem Festigkeit und vorteilhaftes Aussehen ver langt. Kein Papier entspricht diesen Bedingungen so gut als Zellstoffpapier.« Daß für diese Papiersorten neben vorzüglicher Beschaffen heit auch größte Billigkeit verlangt wird, ist richtig. Dagegen läßt sich gutes Zellstoffpapier nicht billig herstellen. Viele und selbst sehr gut gelegene, gut eingerichtete und gut geleitete Fabriken können das Papier nicht einmal so billig herstellen, wie es am Markte bezahlt wird. »Zellstoffpapiere werden wohl von einer ganzen An zahl Fabriken und mit gutem Gewinn erzeugt, doch herrscht durch den stark vermehrten Verbrauch fort während Knappheit in diesen Papieren.« Zellstoffpapiere werden allerdings von einer großen Anzahl Fabriken hergestellt. Dagegen läßt sich guter Gewinn bei diesen Papieren nachweislich nur in Ausnahmefällen erzielen. Es ist unwahr, daß fortwährend Knappheit in diesen Papieren herrscht. Leider ist sogar sehr häufig das Gegenteil der Fall. »Die meisten Papierfabriken, die Zellstoffpapiere her stellen, müssen den Rohstoff (Zellstoff) dazu kaufen, meist in Schweden, Norwegen oder sonst entlegenen Fabriken, wodurch große Frachtunkosten, Verluste, Verunreinigungen und Kosten für die Wiederauflösung des trockenen Zell stoffs entstehen. Diese Verluste und Unkosten fallen bei einem Unternehmen wie das geplante fort, wandeln sich also in Gewinn um.« Es ist ferner unwahr, daß die meisten Papierfabriken, welche Zellstoffpapiere herstellen, den Rohstoff dazu kaufen müssen, und noch unrichtiger ist es, daß dies meist in Schweden oder Norwegen oder »sonst entlegenen Fabriken« geschieht, vielmehr stellen die meisten Fabriken, welche diese Papiere erzeugen, ihren Zellstoff selbst her. Im übrigen haben deutsche Fabriken nicht nötig, den Zellstoff aus Skandinavien oder »sonst ent legenen Fabriken« zu beziehen, da die deutsche Zellstoff erzeugung wesentlich höher ist als der Inlandsverbrauch, sodaß Deutschland, selbst wenn keine Einfuhr stattfände, immer noch einen großen Posten Zellstoff ausführen müßte. Damit fällt auch die im Nachsatz ausgesprochene Folgerung fort. »Es sind Papierfabriken augenblicklich nur wenige vorhanden, die ihren Zellstoff selbst herstellen. Dies sind meist frühere Zellstoffabriken, die als solche nicht mehr konkurrieren konnten und sich deshalb gezwungen sahen, ihren Zellstoff selbst zu Papier zu verarbeiten.« Wie bereits angeführt, stellen fast alle maßgebenden Zell stoffpapierfabriken ihren Zellstoff selbst her, und vielfach sind dies sogar Werke, die ihren Halbstoff unter außerordentlich günstigen Bedingungen erzeugen. Nur diese können überhaupt Erträgnisse abwerfen. »Obwohl nun diese Fabriken, da sie ja früher diesem Zweck nicht dienten und zum Teil auch ungünstig ge legen sind, veraltet und unpraktisch eingerichtet sind, werfen sie doch hohe Renten ab.« Diese Behauptung ist vollständig irrig und enthält grobe Entstellungen. Die in Frage kommenden Fabriken, soweit sie überhaupt Gewinn bringen, und selbst diejenigen, die ursprüng lich nur Zellstoff herstellten, sind meist schon gleich mit Rück sicht auf den späteren Uebergang zur Papierfabrikation sowohl in bezug auf Lage, wie Einrichtung erbaut worden und vorzüg lich und aufs zweckmäßigste für ihre besondere Fabrikation eingerichtet. Dabei spielen eine Fülle von besonderen Er fahrungen eine große Rolle. Einer neuen Fabrik wird es sehr schwer werden, sich so gut und zweckentsprechend einzurichten, wie dies bei verschiedenen bestehenden Unternehmungen der Fall ist. Hohe Erträge, d. h. hohe Dividenden, ergeben nur ein paar vereinzelte Zellstoffpapier-Fabriken. Wie es mit den be liebten Schlüssen von diesen Dividenden auf die wirkliche Er tragsfähigkeit steht, ist an anderer Stelle bereits ausgeführt worden. Es gibt aber eine ganze Anzahl ebenfalls gut ein gerichteter Zellstoffpapierfabriken, auch solche mit eigener Zell stoffabrik, die seit Jahren mit Unterbilanzen arbeiten. »Eine Zellstoff- und Papierfabrik gehört an einen großen schiffbaren Fluß, erstens wegen der Abwässer und zweitens wegen der billigen Frachten, die sowohl für die Rohstoffe, Holz, Kohlen usw., als auch für das fertige Er zeugnis eine wichtige Rolle spielen. Die Vorzüge, die der Oberrhein für eine derartige Industrie bietet, können von keiner anderen Gegend geboten werden.« Diese Ausführungen sind zwar im allgemeinen richtig, falsch aber ist es, daß der Oberrhein »von keiner anderen Gegend« in bezug auf seine Vorzüge für eine derartige Industrie übertroffen werden könnte. Die außerordentlich große Konkurrenz gerade in jener Gegend und die schwierige Holzbeschaffung, zum Teil auch die Höhe der Arbeitslöhne, heben manche Vorzüge auf, und es gibt andere Gegenden, die für diese Industrie weit besser geeignet wären als die in Aussicht genommene. »Man kann das Holz aus dem Schwarzwald, Odenwald, Spessart usw., besonders aber auch aus Schweden, Nor wegen, Finland, Rußland, beziehen, denn man ist sozusagen am Weltmarkt.« Vorstehende Ausführungen ‘werden am besten dadurch ge kennzeichnet, daß Fabriken, die im Schwarzwald selbst liegen, schon heute teilweise ihr Holz aus Finland beziehen, und daß die Holzbeschaffung aus Finland und Rußland schon fast überaus schwierig ist. Dabei hat Finland schon einen Ausfuhrzoll auf Holz erhoben, der auf Drängen der dortigen stetig wachsenden Industrie im nächsten Jahre erhöht werden soll. Das russische Holz wird natürlich auch immer teurer und knapper, und ob es geraten ist, große Kapitalien in einer Industrie anzulegen, die, am Oberrhein begründet, ihre Hoffnung darin setzt, Holz aus Finland und Rußland zu beziehen, wo sie doch noch einige Mit bewerber im Einkauf besitzt, ist zum mindesten fraglich. Dabei ist es bezeichnend für die Zellstoffindustrie, daß das Bauen bei ihr nie aufhört, und Aktienkapitals-Vergrößerungen an der Tagesordnung sind, um nur die Werke auf der Höhe der Zeit halten zu können. »Aus all’ diesen angeführten Tatsachen geht hervor, daß eine in günstiger Lage am Rhein gelegene moderne Fabrik, die mit allen Verbesserungen und Erfahrungen eigens für die Herstellung der in Frage kommenden Papiere ausgerüstet ist, und welche den zur Fabrikation notwendigen Zellstoff selbst in. der bestgeeigneten Art herstellt, mit einem Wort, eine Zellstoff- und Papierfabrik, welche aus einem Guß erstellt ist, hohe Rentabilität in Aussicht stellt« Alle neuen Fabriken werden mit der Hoffnung auf hohe Erträgnisse begründet, sehr oft aber folgt bald ein böses Er-