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1412 PAPIER-ZEITUNG Nr. 36 Die Reform der Frakturschrift Von F. v. Biedermann, Steglitz Schluss zu Nr. 33 Der auf der bisher dargestellten Entwicklung aufge baute Fortschritt stellt sich nun in einer längeren Reihe in den letzten Jahren entstandener Frakturschriften dar, unter denen sich zunächst die Mainzer Fraktur (H. Berthold A.-G. in Berlin), Bild 15, ziemlich eng an ältere Vorbilder an schließt; sie läuft breiter, als es einer zu allgemeinem Ge brauche bestimmten Werkschrift sonst zukommt, die Majuskeln heben sich deutlich heraus und geben der Schrift ein be sonders charakteristisches Gepräge, das mit dem der alten Frakturen nahe verwandt ist. Die Maiensone sandte ihre ersten Strahlen in die Fenster. Sermann fprang auf von hem in hem er ruhelos die Macht verbracht hatte. St hätte wohl noc eine volle Gtunde Bild 15. H. Berthold. Mainzer Fraktur Die kürzlich von der Schriftgießerei Julius Klinkhardt herausgegebene Unger-Fraktur (Bild 16) trägt einen re formatorischen Charakter, allerdings älteren Datums, da sie nach den bereits erwähnten Ende des 18. Jahrhunderts ent standenen Schriften des bekannten Klassiker-Verlegers J. F. Unger neu geschnitten ist. Es ist nicht die Reformschrift, die Unger nur als einen Versuch veröffentlicht hat, sondern die »unübertreffbaren Lettern«, wegen deren Frau Sin Jahrtausend lang st in deutschen Xanden geklagt worden, das man de Duttersprache fremden Zungen hintenan segze. Darum fff es gut, baß einzelne Personen und Verene bie Bild 16. Julius Klinkhardt. Cicero Unger - Fraktur Rat Goethe dem »Herrn Unger Lob und Preiß« spendet. Einer der Haupteinwände gegen die übliche Fraktur, die zu sehr geschlossenen n und u, ist hier glücklich vermieden, wie überhaupt die Schrift einen offenen, freien Eindruck macht und daher an Lesbarkeit gewinnt. Die Vereinfachung vieler Formen, namentlich der Großbuchstaben, hilft dabei wesentlich mit und scheint der Gesamterscheinung zu wesentlichem Vorteil zu gereichen. Gs ist für den erfahrenen Buchdrucker stets eine undankbare Aufgabe, an Arbeiten von graphischen Künstlern Kritik zu üben. Dies liegt nicht etwa daran, weil ja nac Ansicht Bild 17. Bauersche Gießerei, Frankfurt a. M. Bauersche Fraktur Auf diesem Wege der Vereinfachung, ohne im allge meinen den Charakter der Frakturtype wesentlich zu ver ändern, haben eine Reihe anderer Gießereien sehr schöne Ergebnisse erzielt. Unter deren Erzeugnisse hält sich am engsten an die überlieferten Formen die Bauersche Fraktur (Bauersche Gießerei in Frankfurt a. M.), Bild 17, die aus einer Anstalt hervorgegangen ist, die seit Jahrzehnten als Erzeugerin von Brotschriften einen besonderen Ruf genießt. Ihr ehemaliger Inhaber ist als Stempelschneider in Fach kreisen wohl bekannt und hat sich seiner alten Firma mit dieser reformierten Fraktur aufs neue verbunden. In ähn lichem Geleise mit mehr oder weniger erheblichen Ab weichungen, mehr oder weniger begründeten Neuerungen, bewegen sich die Schriften Moderne Altfraktur (Aktien- Gesellschaft für Schriftgießerei und Maschinenbau in Offen bach), Alt-Fraktur (M. Gronaus Schriftgießerei in Berlin-Schöneberg), Reform-Fraktur (Heinr. Hoffmeister in Leipzig), Offenbacher Fraktur (Gebr. Klingspor in Offen bach), Leipziger Fraktur (A. Numrich & Co. in Leipzig), Amts-Fraktur (Schriftgießerei Stempel A.-G. Frankfurt), Dürer-Fraktur (Ferd. Theinhardt, Berlin), Goethe-Fraktur (W. Wöllmer, Berlin), Bilder 18—25. In ber Anlage erlaube ic mir, Thnen meine Erport-Preisliste 1908 über deutsche und ausländische Naturweine und Spirituosen zu übersenden mit ber Bild 18. Aktien-Gesellschaft für Schriftgießerei Moderne Altfraktur Gtrebsamkeit unb Arbeit sind ein paar Fuszsteige, bie nicht jeber gern betritt, doc finb es bie einzigen, welche in ben Tempel gründlichen Wissens führen. Bild 19 W. Gronau. Alt-Fraktur Die Bezeichnung ber vorliegenden Schrift Reform-Fraktur als eine neue deutsche Buchschrift, ist nicht in bem ©inne auf- zufassen, baß unser Erzeugnis etwas Bild 20. Hrch. Hoffmeister. Reform-Fraktur Für Auffassung ber Schönheit gibt es kein Waß unb Gesetz, ba ihre Beschaffenheit je nac Jndividualität bes Menschen in dessen Seele verschiedene Abspiegelungen sindet. Bild 21. Gebr. Klingspor. Offenbacher Fraktur Es sei bamit durchaus nicht gesagt, baß sich in ben Bewegungen in GGesellschaft, im Sause unb auf ber Straße heutzulage keine Anmut mehr fände. Anmut ist eine Bild 22. A. Numrich & Co. Leipziger Fraktur Solange wir Material unb 3weck als bie grunblegenben Stilgesetze beachten, jolange werben wir uns auf dem rechten Wege befinden; benn alles was nicht Bild 23. D. Stempel, A.-G. Amts-Fraktur Schicke nicht Worte mit fliegender Cile! 3ürnende Worte finb brennenbe Pfeile, töten bie Ruhe ber Seele schnell: schwer ist’s zu heilen, bodj leicht zu verwunden. Bild 24. Ferd. Theinhardt. Dürer-Fraktur Unter bem Mamen Buchgewerbe faßt man feit etwa zwei Tahrzehnten alle bie Gewerbe zusammen, bie mittelbar ober unmittelbar zur Herstellung eines Bild 25. W. Wöllmer. Göthe-Fraktur Mitunter tritt aber auch bei diesen schon das Bestreben hervor, durch Bild ungen, die der eigentlichen Fraktur fremd! sind, stärkere Unterschiede zu betonen, wie unter diesen die Offenbacher F raktur einige Anleihen bei der verwandten' Sippe der Schwabacherschriften nicht verschmäht, obwohl 1 ein durchschlagender Grund für diese Vermischung nicht