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untersagt, die Umsetzung des Sulfates auf dem Kalzinierherd vor sich gehen zu lassen; sondern das mußte in den Nach glühkammern geschehen, die unter dem Ofen liegen; natürlich hatte man hier die Umsetzung nicht im geringsten in der Hand; denn Temperatur, Luftzutritt ließen sich da nicht regeln, und Bewegen, Bearbeiten der Masse war unmöglich; man war also auf den Zufall angewiesen, der doch ein höchst unsicherer Ge selle ist und bei keiner Fabrikation eine Rolle spielen darf. Nun kam nicht alle schwarze, teerige Masse aus dem Ofen in die Nachglühkammnern, sondern ein großer Teil füllte auch die Zuführungsschächte dazu aus, und in diesen gerade war die Um setzung die denkbar unglücklichste; es bildeten sich nicht bloß die tollsten Verbindungen, sondern es wurde auch hier eine Menge Kieselsäure aasgeschieden, welche die Laugenbereitung ganz verwickelt machte. Schon in den Kästen, in denen die wiedergewonnene Soda gelöst wurde, setzte sich die Lauge schlecht ab; die gallertartige Kieselsäure blieb in Schwebe und machte dann im Mischer, wie Ing. Ablin ja auch sagt, den Kalk so schlammig, daß er sich nicht einmal auf den Filtern, welche mit außerordentlich hoher Luftleere arbeiteten, auswaschen Heß. Er mußte trotz viel ihm nech anhängender Natronverbindungen entleert und weggefahren werden, da er die weitere Fabrikation hinderte. Hierzu kam folgendes: In den Nachglühkammern ver brannte nun ein Teil der Schwefelverbindungen zu schwefliger Säure, welche aber nicht ohne weiteres in den Schornstein ent weichen konnte, sondern erst die Masse durchstreichen mußte, welche noch in den Zuführungsschächten lag, und da kamen die erwähnten tollen Schwefelverbindungen heraus, welche wohl als Soda titrierten, aber entweder garnicht oder geradezu schädlich beim Kochen des Strohes wirkten; nur von dem nütz lichen und wertvollen Schwefelnatrium hatte man sehr wenig in der Lauge. Die Folge war, daß das Stroh hart und braunrot blieb und selbst nach zweimaligem Kochen noch nicht richtig weich und hell wurde und sich kaum bleichen ließ. Die Fabrikation stoppte geradezu! Ganz gegen meinen Willen hatte ich also damals schon mit »sulfitterten« Laugen kochen müssen, was später patentiert worden ist. Später gelang es mir, selbst mit den Nachglühkammern einigermaßen günstig zu arbeiten, indem ich einige Abände rungen traf, namentlich die Nachglühkammern nur zum Teil füllte und die Zuführungsschächte dazu leer ließ; es gab ja einigermaßen dann Sulfatstrohstoff, aber normalen doch noch lange nicht. Die Kieselsäure blieb immer noch in den Laugen. Nach einigen Monaten teilte mir die Fabrikleitung mit, daß sie das Sulfatverfahren wieder hätte ganz und gar aufgeben müssen, weil sie dadurch zu große Störungen beim Eindampfen der Laugen in den Röhrenkesseln gehabt hätte, welche sich in wenigen Tagen immer wieder ganz zugesetzt hätten und sogar vielfach durchgebrannt wären. Trotzdem ich ihr auseinander setzte, daß das Sulfatveriahren damit nichts zu tun hätte, blieb sie auf ihrer Meinung bestehen. Dieselbe Gesellschaft erließ einige Jahre später in einem Fachblatt einen Hilfeschrei, weil sie mit ihrer Strohstoff- fabrlkation festsaß und den Betrieb einstellen mußte; die Röhren kessel versagten vollständig. Jetzt endlich räumten die Herren ein, daß sie seinerzeit zu unrecht dem Sulfatverfahren die Schuld gegeben hatten, und nun dämmerte es ihnen, daß die Kieselsäure die Ursache sei; sie wußten sich nun selbst keinen Rat mehr. Meine früheren Vorschläge, wie sie die Kiesel säure leicht aus den Laugen entfernen könnten, hatten sie zurück gewiesen. In der ganzen Strohstoffabrikation sieht man noch heute vielfach mit Geringschätzung auf den Chemiker herab; viele Herren denken, daß er ganz überflüssig oder wenigstens zu ersparen ist; sie rechnen sich noch gar einen besonderen Gewinn für die Fabrik heraus, wenn sie den Posten eines Betriebs chemikers, dem sie vielleicht 5000 M. Gehalt zahlen, ganz ein gehen lassen. Daß dieser ihnen aber jährlich das Zehn- und Zwanzigfache an Nutzen einbringen kann, bedenken sie nicht. Wohl in jeder Strohstoffabrik findet man andere Ein richtungen und Betriebsweisen, nur leider sehr selten darunter gute; es wird in vielen gewaltsam nur mit dem einen Ziel ge arbeitet: »möglichst viel Stoff herzustellen«; wie er ist und was seine Herstellung kostet, ist oft Nebensache. Th. Knösel, Neustadt, Westpr. Neue Zellstoffabrik in Brasilien? In Rio de Janeiro fand vor kurzem die gründende Versammlung der Companhia In dustrial de Cellulose statt. Zweck der Gesellschaft ist die Verwertung des dem Ingenieur Alfonso Pimenta Velloso erteilten brasilianischen Patents, wonach aus den Preß rückständen des Zuckerrohrs, der sogenannten Bagasse oder Megasse, Zellstoff hergestellt wird. Das Gesellschafts kapital beträgt 500 Contos de Reis, das sind 1 415 000 Frank. 450 Contos wurden durch die Gründer gezeichnet und für den Rest die öffentliche Zeichnung eingeleitet. (Zeitschr. f. angew. Chemie) Aus Argentinien Eigenbeircht Rosario, April 1908 Seit meinem letzten Bericht vor 2 Jahren (s. Nr. 83 von 1906) hat sich hier manches geändert. Im großen und ganzen macht das Land gute Fortschritte. Immer größere Flächen werden bebaut; Häfen und Eisenbahnen sind im Bau. Gegen Heuschrecken, Moskitos und Krankheiten wird gekämpft, Kanalisationen und Bewässerungsanlagen werden eingerichtet, und viel mehr würde getan, wenn nur das Geld nicht immer so schnell zu Ende ginge. Es geht hinein in das große Land wie in ein Sieb. Die großen Zusammenbrüche nach der vorjährigen mangel haften Ernte sind immer noch nicht verschmerzt, und es kracht noch jetzt ab und zu, obgleich die diesjährige Ernte glänzend ist, sowohl in Mais wie Weizen und Leinsamen. Aber das Geld geht sehr langsam wieder in die breite Bevölkerung, zwei Drittel der Ernte sind noch unverkauft und die Preise sehr gedrückt. Außer den zahlreichen Banken hat es jetzt auch noch eine französische für nötig befunden, hier ihre Filiale zu eröffnen. Die Banken geben seit kurzem wieder Kredit, dessen Versagen selbst manchen an Besitz sehr Wohlhabenden zum Umwerfen veranlaßte. Wer außerdem das Gewissen dazu hatte, und derer waren genug, machte ein Areglo (einen Vergleich) mit 30 oder gar nur 20 v. H. Es konnte kein besseres Geschäft für die Leute geben, um dann neu gestärkt Im besseren Jahre von vorn an zufangen. - Zum großen Teil Schuld daran sind die Einfuhrhändler selbst, denn der von ihnen gegebene ausgedehnte Kredit ent spricht In keiner Weise dem noch so unbeständigen Lande. Er übersteigt hier oft den 4fachen Betrag des wirklich vorhandenen Kapitals. Manchem angesehenen, fleißigen Menschen drüben wird es oft sehr schwer, sich über sein Vermögen hinaus Kredit zu verschaffen, und hier wirft man das Geld manchem Gauner geradezu In den Hals. Es braucht nur so ein schmutziger Türke oder russischer Auswanderer zu kommen, er mietet einen Laden, hängt zwei Tücher an die Tür und schreibt »Tienda« (Laden) darüber, dann kommen die Herren Lieferanten und packen ihm den Laden voll Kisten und Waren, soviel er haben will, er unter zeichnet ein Pagar (Wechsel) auf 9 Monate Ziel, und nach drei Monaten ist er schon »herum«. Büher gibt es nicht, ganze Warenlager werden auf die Seite geräumt, und ein Areglo ist das Beste, denn bei einem Prozeß kommt nichts heraus. Es gibt nur wenige Firmen hier, die die Kosten nicht zu scheuen brauchen und deshalb rücksichtslos auf Bestrafung . dieser Gauner dringen können. Vor einigen Monaten verschwanden hier vom Stapellager am Hafen auf Nimmerwiedersehen 6000 Sack Weizen. Da die Säcke mittels Rutschbahn (canaleta) in den Dampfer be fördert werden, läßt sich dies Geschäft mit einer Anzahl Arbeiter in kurzer Zeit erledigen, denn 5000 Tonnen-Dampfer werden oft schon in 24 Stunden vollgeladen. Das große elek trische Hebewerk am neuen Rosariner Hafen ist zu der dies jährigen Ernte nicht ganz fertig geworden. Es soll Korn ein- und ausladen, in vielen Abteilungen lagern, mischen, selbst tätig wiegen; es überspannt ein großes Gebiet mit breiten Riemen, die loses Korn und Säcke mit großer Geschwindigkeit nach allen Richtungen befördern. Sämtliches Zubehör liefern deutsche Firmen. Die Druckindustrie war bisher durch die letzte schlechte Ernte nicht sehr in Mitleidenschaft gezogen worden; doch wird in Buenos Aires jetzt sehr über Arbeitsmangel geklagt. Hier in Rosario haben die Druckereien bis jetzt gleichmäßig gut zu tun. Besonders eine Firma vergrößerte sich sehr und zieht durch bedeutende Unterbietung so viel Arbeiten wie möglich an sich. Trotzdem hatte es eine andere Firma mit 5 Schnell pressen bis jetzt noch nicht nötig, Reisende auszusenden, um ihren Betrieb im Laufen zu halten. Und der Chef ließ sich bei seiner Hauptbeschäftigung, Rauchen und Zeitungslesen, nicht aus der Ruhe bringen. Aber wie lange wird es noch so gehen? Der Wettbewerb wird doch zusehends schärfer. Nach dem Verhandlungen betreffs Uebernahme der Firma A. Pongs durch eine neu gegründete Aktiengesellschaft gescheitert sind, richtet sie einen neuen Betrieb ein unter: Comp. General de Artes graficas »La Rosario«. Als Kapital sollen 250000 Dollar gezeichnet, aber nur der vierte Teil eingezahlt sein. Eine andere Idee, die wohl schon mancher hatte, aber wegen