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DAPIER-UERARBEITUNG M BU CHGEWERBEN.27am Die 100000. Maschine Eigenbericht Am Sonnabend, 28. März, gab die Maschinenfabrik Karl Krause in Leipzig anläßlich der Herstellung der 100 000. Maschine sämtlichen Angestellten im Hauptsaal des Zoo logischen Gartens ein Festessen, an dem auch verschiedene Ehrengäste teilnahmen. Der große Festsaal war bis auf den letzten Platz gefüllt, denn mehr als 1300 Teilnehmer hatten sich eingefunden. Der Inhaber der Firma Karl Krause, Herr Kommerzienrat Biagosch, und sein ältester Sohn be finden sich zurzeit auf einer Weltreise und konnten daher an der Feier nicht teilnehmen. Die festliche Veranstaltung wurde mit einem vom Trom peterkorps des Sächs. 2. Husarenregts. gespielten Marsch eröffnet. Nach einem von Herrn Monteur Vopel verfaßten und von Herrn Dreher Hunger gesprochenen schwungvollen Prolog hielt Herr Karl Biagosch, Sohn des Firmen-Inhabers, eine Ansprache, die in einem begeistert aufgenommenen Hoch auf den Kaiser und den König ausklang. Ebenso freudige Aufnahme fand der vom genannten Herrn ver lesene, während des Festessens aus Tsingtau eingegangene Drahtgruß des Herrn Kommerzienrats Heinrich Biagosch. Nun folgte eine lange Reihe von Trinksprüchen und An sprachen. Herr Prokurist Liebner toastete auf die Familien Krause und Biagosch, Herr Prokurist Hüns auf die Firma Karl Krause, Herr Direktor Höfer auf die beiden Söhne des Herrn Kommerzienrats Biagosch usw., und bald herrschte unter den zahlreichen Festteilnehmern echte und rechte Feststimmung. Das Trompeterkorps mußte sich oft zu Zu gaben verstehen, und auch der Karl Krausesche Gesang verein erntete mit seinen vorzüglichen Darbietungen reichen Beifall. Die tagsüber eingegangenen und während des Fest essens ununterbrochen von Geschäftsfreunden usw. ein gehenden schriftlichen und drahtlichen Glückwünsche zur Verlesung zu bringen, war infolge ihrer großen Zahl nicht möglich, ein Beweis der Wertschätzung, die die Firma Karl Krause in allen Weltteilen genießt. Alles in allem nahm die Feier einen überaus schönen Verlauf und dürfte bei allen Teilnehmern noch lange in schöner Erinnerung bleiben. * * * In den Vormittagsstunden des Festtages vollzog sich ein sinniger Akt. Die Mitinhaberin der Firma, Frau Kommerzienrat Krause, stattete den Fabriksälen einen Besuch ab und war hocherfreut über die Fortschritte und Ausdehnung der Anlage. In einem der Fabriksäle war die mit Girlanden bekränzte Jubiläums-Maschine aufgestellt. Dort hatte sich der Karl Krausesche Gesangverein ein gefunden und begrüßte die Prinzipalin mit einem »Credo«. Die Jubelmaschine ist die patentierte Schnellschneide- Maschine »Krause« für Motorbetrieb (Rapid). Sie arbeitet ohne Gewichtsaufzug, also selbsttätig, und leistet das 2—3fache einer gewöhnlichen Schneidemaschine, ist über aus dauerhaft gebaut und eigens für schwere Arbeit ein gerichtet. Sie hat Selbstpressung für alle Höhen ohne jeweilige Einstellung des Preßbalkens. Sie ist nach Berlin verkauft, findet aber zunächst in der »Permanenten Aus stellung Karl Krause in Berlin« Aufstellung. * * * Das Bemühen der Firma, immer neue Verbesserungen zu schaffen, geht auch daraus hervor, daß sie wieder eine neue Maschine, den Schnell-Dreischneider ■»Krause«, fertig gestellt hat, die mit 3 Messern das Beschneiden von Papier und Büchern bewirkt. Diese Maschine kann Formate von 65X105 bis 500X580 mm bewältigen. Zur Erleichterung des Anlegens ist außer dem üblichen Anlegewinkel ein seit licher Anschlag vorgesehen. Der Papierstapel wird, sobald er aufgelegt ist, durch eine Vorpreß-Einrichtung mittels Fußtritts in dieser Lage festgehalten. Nach erfolgtem Be schneiden des Papierstapels wird die Pressung selbsttätig ausgelöst und die Maschine in Stillstand versetzt. Die Fabrik Karl Krause beschäftigt zurzeit 1250 Beamte und Arbeiter und ist mit 667 Werkzeugmaschinen aus gestattet. Sie versandte im ersten Jahr ihres Bestehens (1855) 22 Maschinen, 20 Jahre später 914, nach weiteren 20 Jahren 3315, im Jahre 1905 bereits 5305 und 1906 über 6000 Maschinen. Die Fertigstellung der 50000 Maschine erfolgte in einem Zeitraum von 41 Jahren, das zweite 50000 wurde in n Jahren voll. Die vor 2 Jahren durch Groß feuer vernichteten Anlagen sind inzwischen neu erbaut und in jeder Hinsicht zweckmäßig eingerichtet worden. Aber auch diese umfänglichen Neubauten werden bereits zu klein, sodaß sich die Firma genötigt sieht, einen weiteren Neubau vorzunehmen. Hoffen wir, daß die der Firma Karl Krause gelegentlich der jetzigen Jubelfeier entgegen gebrachten Glückwünsche in Erfüllung gehen zum Nutzen der gesamten Papier industrie, in deren Dienst ja die Fabrik steht, und zur Ehre der Firma Karl Krause! pk. Handwerker-Erziehung Hierüber sprach Stadtschulrat Dr. Georg Kerschensteiner aus München am 25. März im Verein für Deutsches Kunstgewerbe zu Berlin. Der Redner, der durch seine Organisation der Münchener Fortbildungsschulen berühmt ist, führte etwa fol gendes aus. Die Aufgabe der Handwerkererziehung ist un- gemein verwickelt, doch ist dabei weitaus am wichtigsten die gründliche Erziehung des Nachwuchses. Diese wird, wie alle Erziehung, am besten gefördert, wenn wir ihr als Grundlage die Arbeitsfreude geben. Diese Schaffensfreude aber hat das Können zur Voraussetzung. Solches Können besteht nur dann, wenn der Knabe sein Material gründlich kennt, wenn er alle Arbeitsweisen beherrscht und sich ihrer geläufig zu bedienen weiß, wenn er eine gewisse Vielseitigkeit in seinem Handwerke erlangt, wenn er die Arbeitsvorgänge denkend durchdringt, wenn er die technische Weltsprache, das Zeichnen, sicher hand habt, wenn er im kaufmännischen und wirtschaftlichen Teile seines Gewerbes Bescheid weiß und auch seinen staatsbürger lichen Aufgaben ein immer mehr reifendes Verständnis ent gegenbringt. Auf den bisher eingeschlagenen Wegen war es sehr selten möglich, dieses Können zu erreichen. Die Meister lehre erzieht den Lehrling vorwiegend durch Ueberlieferung und Nachahmung; oft ist sie mit einer gewissen Einseitigkeit verbunden, denn der heutigen Arbeitsteilung kann sich kein Meister auf die Dauer entziehen. Manche Gewerbe sind durch die Ungunst der gewerblichen Verhältnisse auf Flickarbeit hin gewiesen, die keinen Lehrling zum Können, geschweige denn zur Schaffensfreude führt. Andere Meister nehmen wieder grundsätzlich keine Lehrlinge, weil sie üble Erfahrungen ge sammelt haben, und wieder andere Meister, die am bereit willigsten Lehrlinge aufnehmen, sind nicht selten die schlech testen, denn sie benutzen den Lehrling meist nur zu unter geordneten Arbeiten. Die Fabriklehre krankt wieder an andern Fehlern. Sie muß mit zwingender Notwendigkeit stets einseitig ausfallen; sie hat nichts, was persönlich fesselt, persönliches Interesse an der Arbeit gewährt; sie verliert noch mehr durch den Umstand, daß sie immer nur nach dem allgemeinen Ge schmack sich richtet und mehr vom Erwerbssinn als von der Schaffensfreude getragen ist. Allerdings kann auch der Lehr ling ungeeignet sein. Gegen Mangel an Einsicht und gegen grundlegende Erziehungsfehler beim Lehrling kann man nicht ankommen, wohl aber kann man die Lust an der Arbeit, die so vielen Lehrlingen heute fehlt, in vielen erwecken. Man hat mit Lehrwerkstätten, Innungsfachschulen, Handwerker- und Fort bildungsschulen dem Uebel abhelfen wollen. Die Lehrwerk stätten, wie sie vielfach außerhalb Deutschlands bestehen, schalten die Meisterlehre aus. Auch führen sie leicht zu einer Ueberfüllung des jeweiligen Berufes und entziehen den besten Meistern oft die tüchtigsten Lehrlinge. Die Zeit, wohl das Wichtigste im gewerblichen Leben, spielt auf der Lehrwerk stätte nicht die gebührende Rolle, und die Einrichtung und die Verhältnisse dieser Schulen treiben sehr oft einen jungen Mann über seinen eigentlichen Beruf hinaus. Auch machen die Kosten solcher Anstalten.eine Massenerziehung unmöglich. Die Innungs fachschulen wären ein vortrefflicher Ersatz, wenn sie nicht oft