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Sonnabend, den 10. September 1S38 Pulsnitzer Anzeiger — Ohorner Anzeiger Nr. 212 Seite 14 Von oche zu Woche Im Mittelpunkt aller weltpolitischen Betrachtungen, Berechnungen und zum Teil auch vagen Kombinationen des Auslandes stand in der verflossenen Woche der grotze Nürnberger Kongreß, der sich nun dem Ende zuneigt. Selbst die dem neuen Deutschland nicht wohlgesinnten Vertreter der Auslandspresse konnten sich nicht dem überwältigenden Eindruck dieser Tage entziehen. Hier offenbarte sich die Größe und Stärke Großdeutsch lands der Welt, der Geist, der dieses neugeschasfene größere Reich beseelt, die enge Verbundenheit zwischen Führer und Volk, aber auch der Wille zu unermüdlicher, friedlicher Aufbauarbeit, gesichert durch eine starke Wehr gegen alle Friedensstörer. Viele Ausländskorrespondenten hatten in diesem Jahre noch etwas anderes erwartet, die sensationelle An kündigung von Abenteuern, die sie auf dem geduldigen Papier ihrer Gazetten den geduldigen Lesern schon vorher „aus unbedingt sicherer Quelle" angedeutet hatten. In dieser Beziehung wurden sie durch die politische Prokla mation des Führers enttäuscht. Darin war nicht von abenteuerlichen Plänen die Rede, sondern das von der ganzen politischen Welt stark beachtete Manifest war erfüllt von der ruhigen Sicherheit einer Staatsführung, die in weiser Voraussicht und nicht erlahmender Arbeit ihr Volk gegen die Gefährdung durch abenteuerliche Pläne von außen gesichert hat. Es gehört zu diesen Sicherungen, wenn der Führer feststellen konnte, daß die deutsche Volkswirtschaft nunmehr jederzeit auch gänzlich un abhängig von anderen Ländern auf eigenen Füßen stehen kann und der Gedanke an eine Blockade Deutschlands be graben werden mutz, weil es sich dabei um eine gänzlich unwirksame Waffe handeln würde. Auf Nürnberg waren auch die Blicke jener Staats männer und Politiker gelenkt, deren Gedanken in diesen Tagen um das internationale Problem kreisen, zu dem sich der Kampf der Sudetendeutschen in der Tschecho-Slowakei um ihrvölkisches Lebensrechi entwickelt hat. Durch ein politisches Taschenspielerkunst stück wollte man ja die Verantwortlichkeit vertauschen und alles auf die Frage abstellen: Was sagt Adolf Hitler? Das könnte natürlich eine ausgezeichnete Lösung sein, aber die Regierenden in Prag denken gar nicht daran, den in ihrem Lande wohnenden Deutschen die Gerechtigkeit zu gewähren, die das durch den Mund seines Führers sprechende deutsche Volk für sie verlangt. In Prag operiert man noch immer mit Versuchsballons. Da wird von end gültig letzten „weitgehenden Konzessionen" gesprochen, aber wenn man sich die so ausgeputzlen Sachen näher be sieht, kommen skizzenhafte Pläne zum Vorschein, schemen hafte, vieldeutige Versprechungen, mit denen die Sudeten deutschen nur etwas anfangen könnten, wenn die Tschechen von ehrlichstem Verständigungswillen beseelt wären, wenn sie also — auf deutsch gesagt — ihre innere Haltung vollkommen verändern würden. Das gilt auch von den Vorschlägen, die der Sudetendeutschen Partei übermittelt wurden, nachdem sie schon vorher von ausländischen Nach richtenagenturen bekanntgegeben und vielfach als das letzte Wort des Staatspräsidenten Benesch kommentiert worden waren. In englischen Regierungsorganen wurde sofort festgestellt, daß es sich nicht um ein letztes Wort, sondern höchstens um eine neue Verhandlungsgrundlage handeln könne. Die Unterhändler der Sudetendeutschen protestierten zwar gegen die eigentümliche Methode der vorherigen Stimmungsmache in der Auslandspresse, aber sie erklär ten sich trotzdem zur Verhandlung über die Vorschläge bereit. Da trat ein Ereignis ein, das das wahre Gesicht des Verhandlungspartners vor aller Welt enthüllte. Die brutalen Ausschreitungen sadistischer Tschechenpolizei in Mährisch. Ost rau gegen Parteimitglieder und Abgeordnete derselben Sudeten deutschen, mit denen man angeblich die Verständigung sucht, konnte von sudetendeutscher Seite nur mit dem Ab bruch der Verhandlungen beantwortet werden. Eine Re gierung, die nicht einmal ihre Staatsorgane in der Hand hat, kann selbstverständlich nicht der Garant einer Ver ständigung sein, selbst wenn diese Verständigung eine festere Basis hätte als die als „neuer Plan" fälschlich aufgeputzten, aber selbst nach dem Urteil vieler englischer Organe ganz ungenügenden Vorschläge. Das verbreche rische tschechische Wüten in Mährisch-Ostrau Hal politisch wenigstens die eine ante Wirkung gehabt, daß jetzt das Diele Millionen mal 2 Pfennige werden beim Einkauf von Erdal jetzt gespart und können zur noch besseren täglichen Erdal-Schuhpflege verwendet werden. Dann halten die Schuhe länger und bleiben länger schön. Der neue Preis für die Äormaldofe ist für schwarz 20 Pfg., für farbig 25 Pfg. Spiel mit der Vertauschung der Verantwortlichkeiten ein Ende hat. Heute weiß die ganze Welt, wo die Veraniworl- lichen dafür sitzen, daß der tschecho-slowakische Konflikt noch immer den Frieden Europas beunruhigt. Sie sitzen in Prag und sie tragen eine schwere Verantwortung, die sie nicht durch Scheinreformen und durchsichtige Presse manöver von sich abwälzen können. Die Stunde der Ent scheidung ist gekommen, nachdem die Tschechen zwanzig Jahre lang das Sudetendeutschtum brutal unterdrückt haben. Die Zahl der Lösungsmöglichkeiten ist gering. Als besten und radikalsten Ausweg aus der Krise hat die „Times" die Loslösung der nichttschechischen Grenzgebiete empfohlen, ein Vorschlag, der in der ganzen Welt stärkste Beachtung findet. 1M M Kinder mehr gehöre« In seiner Kongreßrede über „Rasse und Volksge-! sundheit" entwickelte der Reichsärztesührer Dr. Wagner ein lebendiges Bild derdentschen R a s s e n p o l i t i k, die allen Angriffen und dogmatischen Uebcrlegungen zum Trotz heule in politischen und wirtschaftlichen Kreisen auch jenseits der deutschen Grenzen als Notwendigkeit und Segen anerkannt worden sei. Im einzelnen zog der Rcichsärzteführcr unter dem lebhaf- testen Beifall einen Querschnitt durch die Erfolge unserer be völkerungspolitischen Maßnahmen. In den vier Jahren 1934/37 seien im Deutschen Reich insgesamt 1 179 MM Kinder mehr ge boren worden, als geboren worden wären, wenn die Geburten zahl so niedrig gewesen wäre wie im Jahre 1933! Besonders bemerkenswerte Mitteilungen machte der Reichs- ärzteführer über die v o l k sg e s u n d h e i t l i ch e n Maß nahmen der Partei. So haben 30 000 im Amt für Volks gesundheit tätige Aerzte in der Zeit vom 1. Juli 1937 bis j. Juli 1938 etwa zwei Millionen Untersuchungen durchgeführt, die der Betreuung zum Zwecke der frühzeitigen Er kennung gesundheitlicher Schäden dienen. Die Zahl der vom Amt sür Volksgesundheil lausend beaufsichtigten Betriebe sei ständig im Steigen begriffen. Die gleichen energi schen Maßnahmen werden sür die Jugend unternommen. j Aus aller Wett Lastzug durchbohrt Hauswand. Auf einer abschüssigen Straße in Mühlacker (Württemberg) fuhr ein schwcrbeladener Lastzug, dessen Fahrer die Herrschaft über das Fahrzeug ver loren hatte, in einer Kurve gegen ein Gasthaus, wo er sich buchstäblich durch die Hauswänd hindurchbohrte. Der Fahrer erlitt schwere Verletzungen, denen er kurz danach im Kranken haus erlag. Italienische Bauarbeiter in Salzgitter und Fallersleben. Mit Zustimmung der beiderseitigen Regierungen werden in der Zeit vom 9 bis I2. September 6024 italienische Bauarbei- ler nach Dentschtand abreisen, um beim Bau der „Reichswerke Hermann Göring" in Salzgitter und der Volkswagensabrik in Fallersleben eingesetzi zu werden. Der Einsatz der Arbeiter ist durch Verhandlungen der Deulschen Arbeitsfront mit dem italienischen Industriearbeiter-Verband vorbereitet worden. Deutscher Blitzslug »ach Skandinavien. Der deutsche Kunstflicgei Gerd Achgelis, der mii dem neuen zweimotorigen Reise- und Verkehrsflugzeug Ago „Kurier" in Berlin nach Skandinavien gestartet war, traf in Göteborg (Schweden) ein, nachdem er zunächst in Kopenhagen seine Maschine vorgesührt halte Für die über 600 Kilometer lange Strecke nach Göte borg benötigte Achgelis nur etwas über zwei Stunden Flug zeit, erreichte also eine Geschwindigkeit von über 300 Stunden kilometern Der Blitzflug des „Kurier" Hal in Dänemark und Schweden große Beachlung gefunden. Achgelis setzt seinen Flug nach Norwegen und Finnland fort. Pilgcrzug in der Brelagnc entgleist. In der Nähe von Vannes in der Bretagne entgleiste ein Pilgerzug. Die Loko- molive sprang aus den Schienen, und die beiden ersten hölzer nen Wagen wurden säst vollkommen zertrümmert. Bisher sind fünf Tote und etwa 20 Verletzte zu beklagen. Französischer Dampfer mit 100 Personen gesunken? Nach einer Pressemeldung aus Hanoi brach an Bord des franzö sischen Dampfers „Claude Chappe" <4394 Tonnen), der sich auf der Reise von Haiphong nach Saigon befand, auf der Höhe der Paracel-Inseln Feuer aus. Es wird befürchtet, daß 40 Passagiere sowie neun französische Offiziere, 60 Soldaten mitsamt der Besatzung des Dampfers ertrunken sind, da — wie vermutet werden muß — der Dampfer unterging. , Luks Wetzl den Vogel ab R o mau von Llse Jung-Lindemann NU>«t«-Ne<bt»lchutz: vr«I OueUea-verlag. »Snig,brü<k Ive,. Dresden! iS) Wahrend Lenz in der grünen Herberge den ganzen Nach mittag verschlief und nicht merkte, daß die Sonne Laub und Gras und das feuchte Dach über seinem Haupt trocknete, sauste Luk« auf seiner Maschine, die sie den „Rasenden Ro- land" getauft hatten, in das nächste Städtchen. Mitten in der Nacht, als er kurze Zeit wach lag, war es ihm eingefallen, Laß er ausgezeichnete Verbindungen zum „Oberbayrischen Landboten" hatte; denn in der Schriftleitung der weitver breiteten Zeitung saß Toni Ambacher, ein prächtiger Kerl und guter Kamerad. Luks hatte ihn auf einer Skihütte kennengelernt, und dieser kurze Winterurlaub in der Gesell schaft der urfidelen Ambacher-Toni war eine richtige Er quickung für den in einer norddeutschen Kleinstadt eingespann ten Luks gewesen. Wenn er sich beeilte, kam er noch vor Redaktionsschluß zurecht und erwischte den Freund, mit dem er Wichtiges zu besprechen hatte. „Roland" pustete und schnaufte, gab sein letztes Benzin her und knatterte mit dem Glockenschlag drei durch die kleine Stadt. Geschafft! Nun durfte das brave Motorrad ausruhen. Luks aber eilte mit langen Schritten in das Haus und stand mit einem herzlichen „Grüß Gott!" gerade in dem Augen blick vor dem Ambacher Toni, als dieser seine braune Akten- mappe unter den Arm klemmte und zum Essen heimgehen wollte. „Ja ... woas is denn dös ...?" Toni Ambacher warf die Tasche auf den Tisch und fragte nichts mehr. Es genügte, daß Luks, an den er oft und oft gedacht hatte, da war, quick lebendig und noch ebenso blond, strahlend und unverbraucht, daß einem das Herz im Leibe lachen mußte, wenn man ihn ... Mit beiden Händen packte er ihn bei den Schultern und rüttelte und drückte sie in seiner Herzensfreude so kräftig, daß Luks Schmerz verspürte. Aber das machte nichts. Auch er freute sich, und Freude mußte sich austoben, besonders wenn man noch so jung war und so gern lebte und herrliche Winter tage in blütenweißem Schnee miteinander verlebt hatte. Ein Stuhl stand in der Nähe, Toni drückte Luks auf den Sitz, und nun sprangen die Fragen hin und her. Ver gangenheit und Gegenwart rollten sich auf, und ein paar mal lachte Toni Ambacher dröhnend, als Luks von seinem Abschied aus Pillewitz und von seinem Onkel Tobias Hahn erzählte. „Aber diesen Onkel Hahn, diesen zockelnden, ewig nör gelnden und unzufriedenen Vogel, schieße ich auch noch ein mal ab! Weißt du, was er mir prophezeit hat? Die Land straße! Er sähe mich schon als verkommenes Subjekt auf der Landstraße wandern und betteln!" Wieder lachte Toni Ambacher, und sein volles, gesundes Gesicht legte sich in viele Fältchen. „Na ... und was tatest du?" „Ich habe begonnen, seine Prophezeiung wahrzu machen!" „Geh ... mach'n Witz!" „Ernsthaft! Ich treibe mich seither auf der Landstraße herum, habe sogar unterwegs einen alten Freund von mir aufgegriffen, und wir zwei sind unter die Walzbrüder ge gangen. Das heißt: gegangen stimmt nicht ganz. Wir fahren mit dem .Rasenden Roland', einer schweren Maschine mit Beiwagen, und nächtigen bei Mutter Grün im Zelt." Der Ambacher-Toni war platt, einfach platt. „Herrschaft Million, ja gibt's denn dös? Und das soll ich glauben?" „Auf Ehrenwort! Mit der Walzbrüderschaft hat es seine Richtigkeit, nur betteln wollen wir nicht, sondern musizieren und die Leute erfreuen. Kein gewöhnliches Dudeldei und Tschingbumderassassa. Heute vormittag haben wir bereits geprobt, und ich sage dir, die Sache klappt, sie wird sogar van b-sf-r klemp-m Mein Freund in!?!) P-h- Harmonika, und ich streiche die Geige. Daß ich sie gut streiche, weißt du. Dazu singen wir oder pfeifen, je nach Laune. Hast's begriffen?" „Vollkommen!" Toni Ambacher sagte die Wahrheit. Er hatte sehr gut begriffen, und sein Gesicht strahlte. Das war wieder einmal etwas nach seinem Sinn. O Romantik ... du bist noch nicht auLgestorben! „Da braucht ihr aber einen Gewerbeschein." Donnerwetter! Daran hatte Luks noch nicht gedacht. „Gut, daß du mich an das Ding erinnerst! Wird gleich morgen besorgt." Toni reichte dem Freunde eine Zigarre. Er war jetzt ernst geworden, und man sah es ihm an, daß er etwas auf dem Herzen hatte. „Hör mal zu, Luks", sagte er nach einer Weile, „daß du bei dieser Art Vagabundentum deinen Mann stehen wirst, davon bin ich überzeugt, aber auf die Dauer ist das doch kein rechter Beruf für dich." Luks lachte. „Stimmt auffällig, mein Lieber, und das ist auch der Hauptgrund meines Überfalls. Erstens wollte ich mich zu gelegentlicher Mitarbeit bei eurer Zeitung anbieten, und dann fiel mir ein, daß du einen Schwager hast, der einen Namen in der Verlegerwelt hat. Was verlegt der eigentlich?" „Schöne Literatur ... ausgezeichnete Romane, soviel ich weiß. Hast du etwa die Absicht ..." „Ein gutes Buch zu schreiben, jawohl! Die Idee dazu spukt mir schon im Kopf herum. Ich glaube, das war's, was mich einen so schnellen Entschluß fassen ließ, von Pillewitz fortzugehen. Ich mußte frei sein, und ich brauchte die Natur qm mich herum. Du glaubst nicht, wie mich manchmal die Sehnsucht nach der Heimat, das Verlangen nach Freiheit und eigener, schöpferischer Tätigkeit in meinem Pillewitzer Ge fängnis gequält hat. Ich weiß, daß ich mehr kann, als ich bisher geleistet habe, und ich will so lange arbeiten, bis es mir gelingt, mich durchzusetzen. Aber ich weiß auch, daß der Rat und die Unterstützung eines tüchtigen und erfahrenen Verlegers mir den Weg zu diesem Ziel erleichtern können.'"