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L L. Juli 19Z6 Nummer rs Spitze Giebel, buntbemalte und ver- göldete Holzschnitzereien, fromme Sprüche an den Balken des Fachwerkes, altersbraunes Gemäuer, holpriges Pflaster, zwischen dem es in den stilleren Gassen lustig grünt — das ist die alte kleine Stadl. Me läßt die Menschen der neuen Zeit ivr schnelles Leben abhaspeln und steht ibnen liebevoll zu wse eine gute, alte Oma, .die sich ihrer Ruhe freut und dem wichtigen Leben und Treiben der Heranwachsenden Enkelkinder voll Freude und Verständnis und doch auch mit etwas versteckter Ueberlegenheit zusteht. Die alte kleine Stadl ist nicht verlassen, und sie ist auch nicht, verachtet, weil sie das Tempo der" Zeit picht mehr innehält, son dern sich zur Ruhe gesetzt hat. Bewahre! Es ging ihr wie den Menschen, die da altern. Für eins gewisse Zeitspanne, so sn den Fünf zigern und Sechzigern, Da ist es nicht ganz einfach, mit sich ins reine zu kommen und sich auf de» Unterschied von der neu bauenden Fügend umzustellen. Vielleicht macht man sich ein bißchen lächerlich, viel leicht wird man ungeduldig, und die Jugend versteht auch gerade nicht, diese Schwierig keiten zu erleichtern. Und so kam im vorigen Jahrhundert die alte Stadt auch ein wenig in Verruß Sie galt-für nnkiutz, man wünschte sie .zu verjüngen, xpan brach ab und baute auf— selten zum Vorteil, es war ganz wie bei den Menschen; die Ver jüngungskur machte es nur schlimmer. Aber dann wurde die kleine alte Stadt noch einige Jahre älter, und da ging es ihr wie den Menschen, die nun in das Greisenalter kamen. Wenn ein Mensch erst achtzig und neunzig Jahre alt ist, dann gibt er den Wettlauf mit der Jugend auf, die Jugend wiederum betrachtet ihn nicht als hemmende, anspruchsvolle Konkurrenz, sondern verehrt das Ehrwürdige. Und so wird denn der siebenhundertste und der tausendste Geburtstag mit Stolz und Anteilnahme der ganzen Umgegend ge feiert. Die älteste Stadt der Provinz, das ist etwas Besonderes, und die letzten Ruinen der Stadtmauer, die Grabsteine der alten Kirche werden nicht mehr in Gedanken be trachtet, wie man diese Verkehrshindernisse beseitigt, sondern wie man diese seltenen Zeugen des Alters möglichst erhält. Bilder von allen Urkunden werden in der Welt verbreitet, und es geht nicht viel anders zu als bei den Hundertjährigen, denen der Rundfunk gratuliert und deren Bilder in den Zeitungen erscheinen. Man läßt sich gern von den Erinnerungen dieser Uralte» berichten, die so lückenhaft sind wie die Bau denkmäler der Stadt, und fühlt in ihrer Nähe eine Stimmung, die sich feierlich mischt aus Rührung, Mitleid, Ehrfurcht und Todesgedanken. Kleine alte Stadt — auch du gehst einem langsamen Ende entgegen, und der Spazier-- .gänger in deinen Gassen betrachtet mit Er barmen den rieselnden Putz, das zer mürbende Holz deiner Gebäude. Aber er fühlt sich unwiderstehlich ungezogen von dieser Magie stummer Erinnerungen, die über Jahrhunderte, Jahrtausende zurück gehen. Voll Liebe und Ehrfurcht Pflegen wir dich und achten deine wenigen Ansprüche, die du an das Leven stellst, das längst seine völlig anderen Wege geht. Und wenn wir dann an die Zukunft denken, fragen wir uns, ob unsere Städte, die neu ausvlnhend das Land bedecken, in vielen hundert Jahren einen ebenso geschlossenen Eindruck von Kultur und Schönheit in den Nachfahren er wecken und sie zur Liebe und Bewunderung zwingen werden. Ach ja — es ist eine Kunst, alt zu werden. Auch für Städte. Eva Leifer. schen Städten als NUtzbrunnen erhallen. Dort, wo das Wasser nicht erst wie bei den Zieh- und Schöpfbrunnen und Pumpen ge hoben zu werden braucht, sondern wo es durch Quellwasser oder künstliche Zuführung ununterbrochen aus den Brunnenrohren ausfließen kann, entstanden besondere Brunnenformen, so der Stockbrunnen, der im Stile der Frühgotik errichtete Maul bronner Brunnen und der der Hochgotik angehörende Altmarktbrunneu in Braun schweig entwickeln die Goslarer Bruunen- form weiter. Ein ältester Vertreter der gotischen Form des verjüngten Brunnen türmchens ist der „Schöne Brunnen" am Markt in Nürnberg. Die Renaissance lehnt Zeugen deutscher Vergangenheit vielfach mit seiner reichen Verzierung als Schmuckbrunnen anftritt, und der Schalen brunnen, der, da der praktische Zweck der Wasserentnahme nahezu ganz zurücktritt, als reiner Schmuckbrunnen anzutreffen ist. Hier müssen auch noch die Brunnen häuser erwähnt werden (Queckbrunnen in Dresden), die zutage tretende natürliche Immer steht, so scheint es, der Linden baum, in dessen Schatten der Jüngling so manchen süßen Traum träumt, am Brunnen vor dem Tore. An den Brunnen geht auch das Mädchen, um ihren herztausigen Schatz Zu suchen. Am Brunnen spielt das Märchen von der Königstochter und dem Froschkönig, vom eisernen Heinrich und der Frau Holle; roten und weißen Wein läßt das Märchen bei den Festen der Herrscher für alles Volk aus dem Brunnen fließen, und so mancher Kaiser und König hat diesen Traum zur Wirklichkeit werden lassen. Man tut einen tiefen Blick in die Romantik des deutschen Volkes, wenn man sich mit der Romantik des Brunnens beschäftigt. Lassen wir die Jahrtausende an uns vor überziehen, dann merken wir, daß der schöne Brunnen eine bis in das früheste Zeitalter reichende Geschichte hat. Aus den ver schiedenen Entwicklungsstufen des Brunnen baues sind uns künstlerisch hervorragende Bauten erhalten geblieben, die Zeugnis da von ablegen, wie man den wichtigsten Platz einer Ortschaft, an dem ihren Bewohnern das zum Leben so notwendige Naß gespendet wurde, mit Liebe hegte und pflegte. Die älteste Brunnenart — der Schöpf- und Ziehbrunnen, ist natürlich in seinen An fängen noch recht primitiv, aber gerade in seiner schlichten Form doch auch von eigener Schönheit. Wie z. B. die Brunnen in den alten Patrizierhöfen von Rothenburg o.d.T. Später ging man daran, die Brunnen durch ein Dach vor dem Verschmutzen zu schützen, rvie wir dies an dem berühmten Brunnen im Hofe der Veste Koburg sehen. Oder man erleichterte das Heraufwinden des Eimers durch Balken, an denen die Eimerkette be festigt war. Ein schönes Beispiel hierfür bietet der Engelsbrunnen in Wertheim am Main, ein Brunnen von ganz erlesener Schönheit. Durch laubenartige Umbauten, durch bildhauerischen Schmuck oder durch Schnitzwerk, Inschriften oder sonstwie suchte man spät r die Brunnen gefälliger zu ge stalten. Ein Brunnen in Bruck an der Mur in der Steiermark, der seine letzte Aus schmückung durch Hans Prasser im Jahre 1626 erhielt, trägt die kernige Inschrift: „Ich, Hans Prasser, tränk lieber Wein als Wasser, tränk ich das Wasser so gern wie Wein, so könnt ich ein rechter Prasser sein." Die Ziehbrunnen und auch schon die anderen n^dern anmntenden Pumpen haben sich wohl fast durchweg in den deut- Quellen umgeben, die einen geregelten Wasserstand besitzen, oder die artesischen Brunnen, die man in Städten ebenfalls als Schmuckbrunnen zuweilen antrifft. Der Schalenbrunnen leitet zu den großen Pracht brunnen über, die meist Stock- und Schalen- brunnenformcn in sich vereinigen, wie der Brunnen Heinrichs des Löwen in Braun schweig. Einen Gegensatz zu den frei stehenden Brunnen bildet der Wandbrunncn, der sich fest an seine Umgebung anschmiegt und dessen Gestaltung von den vorhandenen Flächen zum Teil beeinflußt wird. Ein alter, sehr schöner Wandbrunnen, der einst als Nutzbrunnen erbaut ward, ist der Löwen brunnen in Kassel-Wilhelmshöhe. Auch sonst besitzen wir in Deutschland noch manche Bei spiele für Wandbrunnen in reizvoller male rischer Ausgestaltung, so den Prangerwand brunnen in Schwäbisch-Hall, der aus dem Jahre 1509 stammt und in eine verzierte Brunnennische eingebaut ist. Deutschland hat Brunnen, die die Stile wohl sämtlicher Kunstepochen aufweisen. In Goslar steht ein Brunnen au der romani schen Zeit, der mehrere üverZ. 'er ange- orduete taufbcckenartigck Schalen besitzt. Der sich an diese Form an, krönt aber die Säule mit Figuren der Kirche und der Sage. So mit Sankt Florian, wie an dem Brunnen zu Heilbronn. Das Barock stattet diese Säulen oder Pfeilerbrunnen mit seinem ganzen ornamental-üppigen Reichtum aus. Beispiele für die üppichen Pracht- und Monumental brunnen des Barock sind in vielen deutschön Städten zu finden; es sei hier auf dön Tugendbrunnen in Nürnberg hingewiesen. Selbstverständlich betonte man bei den bildhauerischen Darstellungen vor allem die Beziehungen des Brunnens zu dem Ele ment, dem er dient, nämlich dem Wasser und seinen Gottheiten. Davon zeugen u. a. die Neptunsbrunnen in zahlreichen deutschen Städten. Reben diesen Prachtbrunnen stellte man aber auch volkstümliche figürliche Brunnen auf. Meisterwerke dieser Art besitzt vor allem Nürnberg, wie den Gänsemänn- chenvrunnen, den Brunnen mit dem Dudel sackpfeifer und den Hänselbrunnen. Den Reiz dieser Brunnen erhöht noch das herr liche Gitterwerk, das von der hohen Kunst des damaligen Schmiedehandwerks Zeugnis ablegt. Geht man des Nachts durch die Straßen einer deutschen Stadt und steht an ihren bin .chen Brunnen, dann glaubt man sich zuweilen in die Vergangenheit deutschen Bürgertums versetzt, und man versteht auch, wie der Brunnen für den in der Fremde Weilenden Symbol seiner Sehnsucht werden kann. . . .. Paul Deparade..