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1758 Nichtamtlicher Theil. WS, 13. Mai. Vaters, macht in dessen Austrage verschiedene Reisen und darf den Gönner spielen. „Im Jahr 1761 aber war der Ambassadeur ab gesetzt, wenn nicht schon aus der Flucht, und später finden wir ihn in London als llcbersetzer untergekrochcn." Solches und nochMehreres sonst erzählt Gustav Schwab im ersten Band der deutschen Pandora, Stuttgart 1840, von Johann Friedrich Schiller. In seiner Londoner Zeit stand Schiller, der ehemalige Ltuäio- sus xbil., mit dem deutschen Buchhandel in Verbindung, u. a. auch mit Weidmanns Erben und Reich. In dem Hauptbuch dieser Firma beginnt sei» Conto mit dem Jahr 1775 und schließt mit dem Jahr 1780. Und er zeigt sich hier Ivie in seinen Briefen als in mannig facher Weise thätig. Er übersetzt nicht nur eine Reihe von englischen Büchern für Weidmanns — z. B. Robertsvn's Geschichte von Ame rika — sondern geht selbst, wie eine Anzahl andrer Männer, auf die Autoren- und Bücherjagd, macht die Leipziger Firma auf Ncuer- schienenes und Neuerscheinendes aufmerksam und sendet englisches Sortiment in größeren Portionen über den Kanal. Und er empfängt für seine Correspondententhätigkeit bis zu 52 Psd. St. jährlich. Aber das Glück ist auch an der Themse launenhaft und nicht von Dauer. Zu Anfang der achtziger Jahre verschwindet Schiller von London, vermuthlich nicht, lote Schwab meint, nachdem er Ei niges erübrigt, sondern kahl und verkommen, denn zu Anfang 1784 ist er am Mittelrhein und bewirbt sich „unterthänigst um das Kur fürstliche gnädigste Privilegium und einige Unterstützung zur Errich tung einer Buchdruckerey und Buchhandlung in Mainz, gegen deren Producte die auswärts verlegten Bücher hinfort größten Theils würden eingetauscht und jährlich beträchtliche Summen baaren Gel des im Lande behalten werden können". So ward Johann Friedrich Buchdrucker und Buchhändler zu Mainz. Denn die kurfürstliche Regierung ertheilte ihm nicht allein ein Privileg zur Betreibung einer Buchdruckcrei und Buchhandlung, sondern stellte ihm auch „zwch Gewölber im ehemaligen Jcsuitcn- Collegio für eine» Buchladen znm stärkeren Absatz seines künftigen Verlags durch Tauschhandel" in Aussicht. Und um Schillcr's Glück voll zu machen, schoß sie ihm auch obendrein noch in verschiedenen Posten eine Summe von 4310 sl. 32 kr. vor. Nun begann Schiller sein Geschäft, aber es währte nicht lange, so ward auch der Mainzer Himmel sehr trüb. Die Regierung glaubte ihr vorgeschossenes Capital gefährdet und verlangte bessere Sicher heit als die, welche ihr der Schuldner anfangs gegeben hatte. Schil ler, der diese nicht geben konnte, wehrte sich gegen das kurfürstliche Ansinnen, aber er kam mit seinem Sträuben nicht weit. Noch vor der Osternlesse 1788 sperrte die Regierung Schillcr's Verlag in der bewilligten Niederlage. „Fünf Leipziger Messen, klagt der Bedrängte — Sommer 1790 — in einer an den Kurfürsten gerichteten Ein gabe, sind mir nun durch diese schwehre Bedrückungen vereitelt und von 3600 fl. Werth an ganz neuen Berlagsbüchern im Rabattpreiße habe ich noch kein Blatt auf die Messen bringen oder versenden kön nen. Mein Verlag altert unter Arrest und verliert täglich an Kaus- werth." Und nicht nur des Aermstcn ganzer Verlag, übe» Ib is,000 sl. im Rabattpreise Werth, sondern auch sein Hauptnahrungs- iustrument, die Druckerei, war mit Beschlag belegt worden, dazu überdies noch die eine Hälfte seiner kleinen Besoldung. Denn, wie wir aus dein Rubrum des dünnen Actenfaseikels ersehen, war Herr Johann Friedrich auch kurfürstlicher „Sprachmeister". Schiller saß somit schlimm auf dem Trocknen. Was nützte ihm nun sein schönes Privileg, was sein kostenfrei erhaltenes Gewölbe, was sein Buchladen, den er noch nicht eine Stunde hatte öffnen oder benützen können, „blos der offenkündigen Sperrung meines Verlags in der Karthause wegen". Sein Privat- und Handclscredit in Mainz und in ganz Deutschland war dahin, wenn der Kurfürst hier nicht hals. Aber der Kurfürst hals nicht. Der Rath, der über die Sache das Referat erhielt, reiste in Geschäften nach Frankfurt a/M., ward krank und starb. So verging ein Jahr und cs drohte die gerichtliche Versteigerung. Da entschloß sich Schiller zu einem erneuten Schmerzensschrei und sandte eine frische Eingabe an den Kurfürsten ab. Er bat darin, daß der Arrest auf Verlag, Druckerei und übrige Effecten sowie aus seinen Sprachlehrcrgehalt endlich ausgehoben und ihm für den erlittenen Schaden einige Entschädigung bewilligt wer de» möchte. Er erklärte sich dafür seinerseits bereit, unter Einhal tung der ihm noch zu bewilligenden bestimmten billigen Fristen, die Forderungen des Klägers, bessere Garantien für Sicherstellung des vorgeschossenen Capitals, Zahlung der rückständigen Zinsen u. s. w. bctr., erfüllen zu wollen. Aber auch diese Vorstellung war umsonst. Bald nachdem sie abgegangen war, erschien ein kurfürstlicher Feldwebel mit vier Sol daten, dann auch verschiedene Gerichtsbeamte, in deren Anwesenheit das ganze mit Arrest belegte Schiller'sche Vermögen, „Verlag, Drukkerey und Möbeln" auf Wagen verladen und fortgefahren wurde, mit Ausnahme des Allernöthigste», das Schiller mit einer Anweisung auf die nicht beschlagnahmte Hälfte seines Gehalts loskaufte. Wieder verging ein Jahr. Der Sommer 17S2 sah die Ange legenheit Schillcr's noch aus dem alten Fleck und es ist nicht abzu sehen, wie die Sache noch weiter hätte gehen sollen, ohne daß es endlich zur Versteigerung der Pfandobjccte kam, wenn nicht ein für Schiller günstiger Umstand erschienen wäre. Am 17. Okto ber 17S2 war noch eine Sitzung in der Streitsache abgehalten wor den und der Vertreter der Mainzer Universität hatte da klar nach gewiesen, daß die von ihm Vertretene völlig in ihrem Rechte sei, aber am 18. Octobcr sah man vom Stephansthurm aus die ersten Hausen des anrückenden französischen Heeres. Kurfürstliche Gnaden hatten sich schon längst in Sicherheit gebracht, die von ihr hinter- lasseue Regierung aber beeilte sich im Einvcrständniß mit den Festungsbehörden, Stadt und Land dem anrückenden Feind zu über geben. Und Johann Friedrich durfte nun hoffen, „nach lang und tiefgefühlten Bedrückungen unter den, Schutz der biederen Franken und Ihrer allgemeinen Administration endlich selbst zu Mainz noch eine unpartheyische Justitzpflcge zu finden". Er wies nun in einer Eingabe namentlich nach, daß der aus die Druckerei gelegte Arrest verwerflich sei. Denn es verstieß gegen die Landesgesetze, ebenso aber auch gegen des Klägers eignen Bortheil; denn der Kläger be raubte damit den Beklagten nicht nur der Aussicht, seine „Ver- mögeusmasse und Bezahlungsmittel täglich zu vermehren", sondern auch der Möglichkeit, seine „zwey wichtigsten Verlagsartikel, die moralischenBersuche und moral lalos zn vollenden, indem er gleich zeitig eben dadurch die schon gedruckten und in Umlauf gebrachten zweh Drittheile derselben von einem Werth, der allein schon Klä gers ganze Forderung auswog, zum Desect- und Maculaturpreiß herabwarf". Schiller war damit nichts geblieben, als der „dürftige und ungewisse Erwerb durch englische Lehrstunden", aber auch auf diesem Gebiete verdienender Thätigkeit hatte die kurfürstliche Regie rung sich hemmend erwiesen, ganz davon abgesehen, daß durch „die Entfernung des Adels, die Kricgsunruhen und die Universitäts- fericn" dieser Unterricht völlig aufhörte. Doch hätte sich dann wieder Verdienst für Schiller, den Buchdrucker, gezeigt. Dieser hatte sich daraufhin an die Kameraldeputation gewandt mit der Bitte, provisorisch den Gebrauch der Druckerei zu gestatten und zwei Bal len des beschlagnahmten Druckpapiers herauszngeben. Die Depu tation war auch dazu wohl geneigt gewesen, falls Schiller einen tauglichen Bürgen beschaffe, der „für das ganze, als auch soviel sich bey der Rückgabe der geminderte Werth hiervon ergiebt, ox xroxriis" hasten wollte. Dazu aber, der Kameraldeputation einen ihr zusagenden Bür-