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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 16.10.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190010164
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19001016
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19001016
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-10
- Tag 1900-10-16
-
Monat
1900-10
-
Jahr
1900
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 16.10.1900
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Verständniß der Ereignisse wesentlichen Verhältnisses des Kaisers Kwangsü zu seiner Tarne (d. h. der Kaiserin-Wittwe) wäre alles in China gut gegangen und man hätte schließlich auch Kwangsü allein regieren lassen, wenn nicht der sür China schmachvoll endende Krieg mit Japan und in seinem Gefolge die sogen. Reformbewegung mit dem Kaiser an der Spitze die Situation geändert hätte. Der Kaiser und die Anhänger der von ihm be günstigten und von ihm ausgehenden Resormideen faßten diesen schnellen Sieg Japans als die Folge der Aneignung höherer europäischer Kultur Seitens der Japaner auf und glaubten demnach auch, China schleunigst diesen segensreichen Einflüssen zugänglich machen zu sollen. Die Folge war in überstürzter Hast in wenigen Monaten eine lange Reihe von Re- sormedikten des Kaisers, betreffend Eisenbahnen, Berg werke, Militärwesen, Handelskammern, Abschaffung überflüssiger Aemter, Hebung der Industrie und, was am meisten Anstoß bei den konservativen chinesischen Patrioten erregte, Aenderung der Examensbestimmungen. Die Edikte theilten das ganze chinesische Kaiserreich in zwei große Feldlager: 1) in eine Reformpartei, die der Einführung europäischer Kultur das Wort redete, und 2) in eine konservative Partei, die die alte chinesische Erziehung mit Consucius an der Spitze erhalten zu sehen wünschte. Zu alledem kamen die gleichzeitigen Gebietsabtretungen an europäische Mächte und vergrößerten den Mißmuth der Gegner der Reformpartei. Die Abtretung Kiautschous an Deutsch land hätte man noch ertragen, wenn nicht unmittelbar danach die Gerüchte aufgetaucht wären, Italien, Oesterreich, kurz alle Mächte Europas wünschten das Gleiche, und ganz China solle unter Europa aufgetheilt werden. Das führte im September 1898 zu jenem Staatsstreich, durch den der Sohn des Prinzen Tuan, Namens P'u Ts'uan, von der Kaiserin-Wittwe zum Nachfolger des verstorbenen Kaisers Tungtschi ernannt wurde, sie selbst sür den angeblich kränklichen Kwangsü die Negierung übernahm, damit Kwangsü's bisherige Regierung nach chinesischen Begriffen gewissermaßen aus den Annalen der Geschichte gestrichen wurde. Dieser, einer Absetzung des reformfreundlichen Kaisers völlig gleich kommende Streich fand aber im Reiche viel Protest, und mehrere Kundgebungen zu Gunsten Kwangsü's erreichten das Tsungli-Iamen. Darüber erbost, ordnete nunmehr die Kaiserin-Wittwe eine Verfolgung der Reformfreunde an. Viele derselben wurden hingerichtet, andere entkamen, unter letzteren auch der intime Freund des Kaisers, Kanghüwei. Den gewaltthätigsten Ausdruck fanden indessen alle diese Gährungen innerhalb der hochstehenden Re gierungskreise und der Parteien Chinas durch den jüngsten Ausbruch der Fremdenhetze, bei der speziell Aunglu und Tuan eine führende Rolle spielten. Die Verhandlungen mit dem chinesischen Hofe werden von den unbefangenen Beobachtern, wie .w^^^ ein langjähriger Kenner von Land Leuten be stätigt, für eine DanaidenarMi^trachtet. Sie dürfte um so unfruchtbaren, weil die Diplomatie noch immer baare Münze nimmt, was nur falsche Paprere sind. Der Chinese ist gewohnheitsmäßig darauf angelegt, in einen Scheffel Luge nur immer ein Körnchen Wahrheit einzumischen, er hält dies für höchste Klugheit und Kultur und lächelt nur über die sremden Barbaren, wenn es ihnen nicht gelingt, das Körnchen zu finden oder wenn sie seine erfundenen Zulhaien leichtgläubig hinnehmen. Die Chinesen selbst sind im eigenen Verkehr daraus stillschweigend ein gerichtet, gegenseitig von den gegebenen Versicherungen oder Mittheilungen 99 Prozent als unwahr abzuziehen und nur den Rest des 1 Prozent zu glauben; die europäische Diplomatie hat für diesen chinesischen Seelenzug noch immer nicht das rechte Verständniß, sonst würde sie den alten Rath befolgen, daß man China wie eine Brennessel behandeln muß: fest an fassen, aber nicht leise berühren, weil man sich dabei nur die eigenen Hände mit Blasen bedeckt. Am besten hat noch unser Kaiser diese Methode erkannt. Als neue chinesische Jntrigue wird die von chinesischen Blättern verbreitete Nachricht angesehen, nach der die Kaiserin-Wittwe von China verstorben sein soll. Man nimmt an, daß die Kaiserin sich versteckt halten will, um sich nicht nur dec auf sie zurückführenden Ver antwortung für die Verbrechen hoher chinesischer Staatsbeamten zu entziehen, sondern auch um die fremdenfeindlichen Elemente zur Vertheidigung oder gar zum Angriff auf die internationalen Truppen im geheimen vorberciten zu können. Unmittelbar nach der Ausreise des deutschen Expeditionskorps nach China behaupteten social demokratische Organe, daß nicht nur Freiwillige in die Reihen der Chinakrieger ausgenommen, sondern auch Unfreiwillige „commandirt" worden seien. Vor dem Schwurgericht in Augsburg ist dieser Tage in folge eines PreßprozesseS gegen die „Augsburger Volkszeitung" diesen Behauptungen auf den Grund gegangen worden, und eS hat sich ergeben, daß auch nicht ein einziger Soldat commandirt worden ist. Von der ganzen Treiberei blieb nicht mehr übrig, als daß in vereinzelten Fällen mehrere Chinakrieger, um an Auseinandersetzungen mit den Ihrigen vorbeizukommen, diesen vorgegeben hatten, daß sie zur Theilnahme an der Expedition commandirt worden seien. Aehnliche Vorkommnisse sind auch damals in Norddeutschland vorgekommen und wie in Bayern klargestellt worden. Der Ärieg um Transvaal. Lord Roberts kann jetzt nur Hiobstposten vom südafrikanischen Kriegsschauplatz nach England melden. Von einer endgiltigen Pacificierung der sogenannten Transvaal- und Oranjeflußkolonie kann vor der Hand noch keine Rede sein, und an allen Theilen des Landes ist es wieder zu Zusammenstößen mit einzelnen Burenabtheilungen gekommen, in denen die Engländer nur schlecht abgeschnitten haben. Die Nachrichten von englischen Schlappen, die jetzt aus Südafrika förmlich auf das europäische Zeitungspublikum niederhageln, deuten darauf hin, daß alle Mißerfolge während der ersten entscheidenden Wahltage verheimlicht word.n sind und erst jetzt, wo sie den Bestand der Regierungsmehrheit nicht mehr ungünstig beeinflussen können, bekannt gegeben werden. Zugleich muß angenommen werden, daß die Kampfes lust und die Stärke der verstreut fechtenden Buren- commandos doch größer ist, als man vorauszusetzen wagte, und daß die Rücksendung der City-Freiwilligen sowie verschiedener Kolonialtruppen vom Kriegsschau plätze nicht deshalb erfolgt, weil die Kriegslage sich schon unbedingt günstig und beruhigend gestaltet hat, sondern weil man die wachsende Mißstimmung unter den Angehörigen dieser freiwilligen Truppen be schwichtigen will. Der Kleinkrieg, der ja freilich nicht mehr einen entscheidenden Sieg der Buren bringen kann, kann sich, wie es wiederholt vorausgesagt worden, wohl noch Monate lang hinziehen. — Der Kriegs-Correspondent des „Daily News" vertritt in seiner Correspondenz über die Kciegsoperationen in Südafrika die Ansicht, daß der Krieg schon seit Monaten beendigt sein könnte, wenn Lord Kitchener an Stelle Lord Roberts das Obercommando führen würde. Ueber den Stand der Dinge in Transvaal er klärte der erste Legationssekretär der Transvaal-Gesandt schaft in Vertretung Or. Leyds, welcher als Z--n° in einer Civilprozeßsache - i»- Hümourg eingetroffen, einem Inters- oer „N. Hamb. Ztg." Folgendes: Lite Sacye der Buren steht unleugbar schlecht, sehr schlecht; aber wir geben die Hoffnung nicht auf, so lange wir leben. Das Einzige ist: Aushalten und den Guerillakrieg fortsühren. Nicht vorauszusehende Komplikationen können unsere Sache verbessern. Ob wohl der Entschluß der Königin der Niederlande hochherzig ist, so bleibt es doch bedauerlich, daß es überhaupt soweit kommen mußte. Wir können nicht sagen, ob Krüger nach Deutschland kommt, da die Ge sandtschaft selbst ohne Nachricht ist und erst dann mit den: Präsidenten in Verbindung wird treten können, wenn er einen außer dem englischen Einflüsse befindlichen Ort erreicht Haden wird. Alle Aus streuungen über eine Flucht Krüger's sind einfach er logen. Schon im Juli hatte der Volksraad beschlossen, daß der Präsident nach Europa reisen und Schalk Burger ihn vertreten sollte. London, 13. Octbr. Lord Roberts telegraphirt unter dem gestrigen Tage: Die Buren haben ver schiedene, mehr oder weniger erfolgreiche Versuche gemacht, Eisenbahn- Telegraphenverbindungen zu zerstören. Die Hartnäckigkeit der Buren ist umsobemerkenswerther, als jeder angerichtete Schaden bald wiederhergestellt wird und ihnen stets die Strafe auf dem Fuße folgt. DewetS Leute befinden sich, in kleine Trupps aufge löst, in der Nähe des Vaal, viele von ihnen sind desertirt. Mchßiches. Hohenstein-Ernstthal, 15. October 1900. Tln^i'unger: von allgemeinen' Jnlerelje werden dankbar ent- gegengmomve- »na evensl Loi^rt. — Die schönen Oktobertage, die uns in diesem Jahre beschieden waren, werden alter Erfahrung gemäß als die Vorboten eines scharfen Winters ange ¬ sehen. Heißt es doch schon in einer uralten Bauern regel: „Ist der Weinmonat warm und fein, kommt ein strammer Winter hinterdrein". Was man alfo jetzt noch an Feuerungsmaterial spart, wird man später doppelt in den Ofen stecken müssen, und die Kohlen werden bis dahin auch nicht billiger sein. Aber wie häufig hat man in früheren Jahren schon im Oktober alle Stuben Heizen und das Wirthschaftsconto um bedeutende Auslagen für Holz und Kohlen erhöhen müssen. Daher wird der milde und sonnenwarme Oktober gewiß allen noch länge willkommen sein, selbst auf die Gefahr hin, daß der diesjährige Winter große Kälte bringen wird. Mit der Kälte müßte auch viel Wind verbunden sein, wenn eine andere Wetter-Regel Recht behalten sollte: Ist im Oktober das Wetter hell, bringt eS Wind im Winter schnell, oder — wie man im Spreewald zu sagen pflegt: Heller Oktober, viel Wind im Winter. Wer aber ganz genau wissen will, wie sich der nahende Winter zeigen wird, der achte auf die Mäuse im Felde und auf die Ameisen in Wald und Hain, denn untrüglich ist, was eine alte Bauern regel von diesen prophetischen Thieren sagt: Scharren die Mäuse tief sich ein, Dann wird's ein harter Winter sein, Aber viel härter wird er noch, Bauen die Ameisen hoch. — (Kirchliches.) Der Confirmandenunter- richt hat wieder begonnen. Jeder wahre Freund der Jugend wünscht von Herzen, daß diese Confirmations- zeit den jungen Christen eine Zeit rechten Segens, eine Zeit inneren Wachsens und Reifens, eine Zeit der Festigung und Zurüstung für den Kampf des Lebens wird. Kirche und Schule werden Hand in Hand treulich diesem Ziele zustreben. Aber auch das Elternhaus muß mit Hand anlegen, damit diese Zeit nicht fruchtlos an den Kinderseelen vorübergeht. Wie viel Schaden wird doch angerichtet, wieviel wird niedergerissen, wenn daheim etwa ein unvorsichtiges Wort fällt gegen die, die Autoritäten für das Kind sind, gegen Lehrer und Geistliche, oder wenn ein leicht fertiges Wort des Spottes über das Heilige zu ihren Ohren kommt! Dagegen wie starke Unterstützung empfängt das geistliche Amt in seiner Arbeit an den Confirmanden, wenn Eltern und Geschwister diesen voranleuchten durch einen gottesfürchtigen, frommen, kirchlichen Wandel. Aber weiter hängt der Gewinn der Confirmationszeit auch vom Verhalten derer ab, die Confirmanden und Confirmandinnen irgendwie in ihrem Brod und Dienst haben. Hier und da be schäftigen diese regelmäßig solche Kinder während des Gottesdienstes und es wird ihnen so die Möglichkeit genommen, ihren kirchlichen Pflichten nachzukommen. Oder es werden solche Aufwartungen und Laufburschen zawei^n dis m den späten Abend hinein anstrengend beschäftigt, so daß ihnen dann die Augen znfallen, wenn sie etwa noch ihren Katechismus sich einprägen wollen. Und zwar geschieht dies von den betreffenden Arbeitgebern und Herrschaften oft nicht aus böser Ab- sicht und Kirchenfeindschaft, sondern nur aus Gedanken losigkeit. Wie wird aber ein Kind sein Confirmations- gelübde, treulich zu Gottes Wort zu kommen, halten, wenn ihm dies nicht in der Confirmationszeit zu einer lieben Gewohnheit geworden ist? Und wie wird einem Christen später einmal in den Versuchungen und Nöthen des Lebens der Halt und Trost aus Gottes Wort fehlen, wenn er nicht einmal in der Confirma tionszeit wenigstens einen kleinen Vorrath aus der reichen Schatzkammer der heiligen Schrift fest sich ar- geeignet hat? So ist es also eines Jeden Pflicht, mitzuhelfen zu einem reichen bleibenden Ertrag der Confirmationszeit, zunächst um der Kinder willen, aber auch um seiner selbst willen. Denn jeder kennt die furchtbare Drohung des Herrn gegen die, die einem dieser Kinder ein Aergerniß geben. — Die Kohlenhändler des rheinisch-westfälischen Kohlenreviers bieten den Kleinverbrauchern des Be zirks Kohlen zu ermäßigten Preisen an in der Befürch tung, ihre Vorräthe nicht los zu werden, da in der Industrie Minderbedarf herrscht und das Hausbrand geschäft infolge des andauernd milden Wetters unbe lebt bleibt. Da auch vom Auslande nach Einführung des billigeren Eisenbahntarifs mehr Kohle eingesührt wird, so darf man doch noch die Hoffnung hegen, oaß bezüglich der Preissteigerung wenigstens die schlimmsten Befürchtungen nicht zutreffen werden. Der Oberschl. Anz. meint, die hohen Kohlenpreise werden sich höchstens bis ultimo October ar. behaupten können. Bis dahin wird allenthalben eine Verprovian- tirung auf mehrere Monate hinaus erfolgt sein, so daß eine totale Verstauung des Kohlenmarktes eintreten muß. Wer also jetzt Primakohlen von Kohlen-Wucherern noch zum Preise von 75—80 Pfg. pro Centner ab Grube kaust, wird im November d. I Kohlen derselben Qua lität zum Preise von 53>/,—60 Pfg. pro Centner an» geboten erhalten Eine Kohlen Knappheit existirt nicht, das Gegentheil ist zutreffend. Wie der „Vogtl. Anzeiger" ganz richtig bemerkt, werden die Kohlenpreise in absehbarer Zeit Wesentlich zurückgehen. Eine Kohlennoth besteht schon jetzt nicht mehr. Die Preistreiberei wird von dem Augenblicke an wesentlich nachlassen, an dem sich die Industrie wieder mit genügenden Kohlenvorräthen versehen hat. Es sind Anzeichen dafür vorhanden, daß dies zum größten Theile bereits der Fall ist. — Theater. „Karl Stülpner" wurde am Sonnabend zum zweiten Male, und zwar im Saale des Schützenhauses, vor gleichfalls ausverkauftem Hause gegeben. Das Stück wurde flott gespielt und deshalb nicht minder beifällig ausgenommen wie schon vor acht Tagen. — Die Vorstellung am Sonntag — „Das Leben ein Traum" — fand im Gewerbe haus statt. Die Handlung dieses Stückes ist in recht eigenthümliche Formen gekleidet. Zunächst versetzt uns der Dichter in eines der vielen, engen Dachstübchen Berlins und läßt uns schon hier einen tiefen Blick thun in das soziale Elend der unteren Volksschichten dieser Stadt. Marie, eine mit einer Freundin dort wohnende junge, schöne Putzmacherin, ist eben im Be griff, durch die Verlockungen der Lebewelt auf Irr wege zu gerathen; sie hört nur noch mit halbem Ohr die mahnenden Worte eines armen, aber sie ehrlich liebenden Freundes. Da hat sie plötzlich einen sonder baren Traum. Sie befindet sich mitten im Strudel des Berliner Lebens, besitzt eine elegante Wohnung, hat vornehme Freunde usw. Mit der Zeit aber kommt sie immer weiter herab aus der Stufenleiter der Sitt lichkeit und Moral; sie muß sich anfänglich als Sängerin, später als Wäscherin ihr Brot verdienen, und endet schließlich, als sie eines Diebstahls ver dächtigt wird, durch Selbstmord. Das Erwachen be lehrt sie darüber, daß dies alles nur ein Traum war u. mit einem Male ward sie inne, an welchem Abgrunde sie gestanden hatte, und glücklich eilt sie in die Arme des treuen Freundes, der eben kommt, um sich die Antwort auf seine Frage, ob sie sein Weib werden will, zu holen. Der Traum des Mädchens wird in 3 Akten dargestellt. Die Zuhörer hielten alles dies natürlich für den weiteren Verlauf des Stückes selbst und waren wohl durchweg höchst erstaunt, Marie, die Putzmacherin, im letzten Akt wieder jung und frisch zu sehen, während sie in der vorhergehenden Ab- thcilung, die noch zum Traumbild gehörte, als Greisin betheiligt und überdies in die Spree gegangen war. Das Stück ist ein fesselnd geschriebenes Lebensbild und wird belebt durch zwar nur wenige, aber gut ge zeichnete Figuren. Zunächst ist es Frl. Mimi Hahn, deren Spiel als Marie, die Putzmacherin, wir lobend erwähnen müssen; sodann Herr Ernst Kraft, ihr Freund, der gleichfalls den gestellten Anforderungen in bekannt vorzüglicher Weise gerecht wurde, wie jedoch auch das andere Pärchen unter den Mitwirkenden, Stubenmaler Lerche und Elise, eine Handschuhnäherin (Richard Neumeister und Marie Grosche). Falls aber das Stück nochmals aufzeführt wird, möchten wir der Regie empfehlen, das Couplet des Felix Lerche im 2. Bild zu streichen. Dasselbe reimt sich nicht im Geringsten mit den übrigen Vorgängen und kontrastirt auch sonst gewaltig mit der Handlung. N. — Hohenstein-Ernstthal, 15. Oktbr. Aber mals liegt uns heute, nachdem wir bereits in letzter Nr. über einen ähnlichen Fall berichteten, die Nach richt vor, daß ein Kind durch Ueberfahren eines Last geschirres verunglückte. Am Sonnabend Abends gegen 6 Uhr fuhr ein beladener Wagen im raschen Fahr tempo die Logenstraße entlang. Dabei gerieth auf bisher noch nicht ermittelte Weise das 4jährige Söhn chen des Eisendrehers Hofmann unter die Räder des Wagens und blieb, mit furchtbaren Kopfverletzungen, auf der Stelle todt. Da der betreffende Geschirr führer auch noch die Rücksichtslosigkeit besaß, im Trabe weiterzufahren, dürfte der Fall für ihn noch ernste Folgen haben. — Am 13. Oktober 1850 wurde in der St. Christophori-Kirche zu Hohenstein-Ernstthal nicht nur die schon gemeldete Trauung des Hofmannschen Ehe paares vorgenommen, am gleichen Tage weihte auch, wie uns jetzt bekannt wird, der Geistliche den Ehe bund des Schneidermeisters Herrn Christian Friedrich Schlott und seiner Gattin Ernestine geb. Weickert, sodaß auch das greise Paar am Sonnabend gesund und rüstig die goldene Hochzeit feiern konnte. Herrn Schlott war es übrigens auch vergönnt, am 27. September gleichzeitig mit dem 50jährigen Bürger» jubiläum, anläßlich dessen ihm u. a. Glückwünsche des 3. Fortsetzung. (Nachdruck verboten. Das Corpus äsULti. Rovellette von Reinhold OrtmannH verhärten in eifersüchtigem Zorn. Wenn dieses Täsch chen, das sie ohne allen Zweifel sofort erkannt hatte, nicht wirklich ein Liebeszeichen gewesen wäre, hätte sie lei seinem Augenblick wahrlich nicht in solche Ver legenheit zu gerathen brauchen. Und wenn sie nun durch ihre heimlichen Beziehungen zu einem Un würdigen in eine höchst peinliche Situation versetzt worden war, so kam eS unter allen Menschen wohl gerade ihm am wenigsten zu, sie deshalb zu bemit leiden. Er ließ denn auch diesmal den langen, selt samen Blick, den sie während der eindringlichen Er mahnung des Untersuchungsrichters auf ihn richtete, scheinbar unbeachtet, indem er eifrig in dem vor ihm liegenden Aktenstück blätterte, und kein Zucken in seinem Antlitz verrieth die gewaltige Erregung, in der er auf ihre Antwort wartete. Wohl eine Minute verging, ehe dieselbe erfolgte, zögernd und mit merkwürdig gepreßter Stimme. „Ja, ich kenne es." „Sie geben zu, daß es das nämliche ist, welches Sie bei dem Lederwaaren-Fabrikanten Wellhausen ge kauft haben?" Ja." '^Sie hatten es zu einem Geschenk bestimmt — nicht wahr?" Fräulein Ilses Stimme wurde immer leiser und der Reserendar hatte, obwohl er nicht mehr von seinen , Akten aufsah, die Empfindung, daß ihr Blick noch be- ! ständig auf ihn gerichtet sei. l „Ja." Ihre stumme Unterhaltung durfte jedoch nur wenige Sekunden währen, denn der Untersuchungs richter, der seine feierlichste Miene aufgesetzt hatte, > schritt sogleich zur Vernehmung. Die arme Ilse! mußte ihren Namen und ihr Alter angeben, was sie glücklicherweise thun konnte, ohne sich als sitzen gebliebene alte Jungfer zu kompromittieren, und dann mußte sie dicht an den grün behangenen Tisch heran treten, um das Lorpus ckolioti, das der Herr Rath fürsorglicher Weise bis dahin unter einem Bogen Kanzleipapier versteckt gehalten, in Augenschein zu nehmen. „Kennen Sie dieses Täschchen, mein Fräulein?" fragte der Richter. Und noch ehe sie hatte antworten können, fügte er mit erhobener Stimme hinzu: „Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie Ihre Aus sage später wahrscheinlich zu beschwören haben werden, und daß es vielleicht einzig von Ihrer rückhaltlosen Offenheit abhängt, ob der Urheber eines fluchwürdigen Verbrechens entdeckt und der verdienten Strafe über liefert werden kann. Ueberlegen Sie also Ihre Worte wohl! Und nun frage ich Sie noch einmal: Kennen Sie dieses Täschchen?" Fräulein Ilse glühte wie ein purpurnes Röslein, und das Herz des Referendars begann sich angesichts ihrer hochgradigen Verwirrung allgemach wieder zu „Sehr wohl! So werden Sie mir nun auch sagen, wem Sie es geschenkt haben." Die Gefragte schwieg wie in einem schweren inneren Kampfe. Dann aber überraschte sie die beiden in äußerster Spannung lauschenden Herren durch die mit erstaunlicher Festigkeit abgegebene Erklärung: „Ich kann mich dazu nicht für verpflichtet halten, so lange mir nicht gesagt worden ist, zu welchem Zweck und mit welchem Recht man eine solche Auskunft von mir verlangt." Der Untersuchungsrichter räusperte sich. Er mochte fühlen, daß er bei der Vernehmung bisher nicht gerade mit übergroßer Geschicklichkeit zu Werke gegangen war, und da er in dieser Hinsicht vielleicht überhaupt nur ein mäßiges Vertrauen zu seiner Befähigung hatte, zog er es vor, dem Wunsche der Zeugin zu entsprechen, und ihr offen darzulegen, weshalb ihre Aussage von so hoher Wichtigkeit sei. Er erzählte ihr von der muthmaßlichen Ermordung des Waldhegers Birkner und von den Verdachsgründen, die nach seiner unerschütterlichen Ueberzeugung dafür sprachen, daß kein anderer als der Besitzer des am Thatorte aufgefundenen Visitenkartentäschchens der Mörder gewesen sei. Daß seine Eröffnungen eine tief erschütternde, ja, eine geradezu niederschmetternde Wirkung auf das junge Mädchen hervorbrachten, konnte ihm nicht entgehen. Die vorige Gluth auf ihren Wangen war einer um so tieferen Bläffe gewichen, ihre Lippen zuckten, und ihre weit geöffneten Augen hatten einen fast beängstigenden Ausdruck namenlosen Entsetzens angenommen. Aber diese entsetzten Augen hingen seltsamer Weise nicht an den Lippen deS Sprechenden oder an dem verhängnißvollen Lorpu» ctelieti, sondern unverwandt an dem Antlitz Walter Karstedt's, der sich dadurch um so mehr beunruhigt fühlte, als er bemerkte, daß ihn auch der durch dies sonderbare Benehmen der Zeugin befremdete Ländge- richtSrath wiederholt eigenthümlich prüfend ansah. „Sie wissen nun alles, mein Fräulein, was ich Ihnen nach dem gegenwärtigen Stande der Dinge über die Angelegenheit zu sagen vermag," schloß der alte Herr in zugleich eindringlichem und freundlichen Tone seine Rede, „und ich bin überzeugt, daß Sie nicht einen Augenblick in Versuchung sein werden, sich durch ein Verschweigen der Wahrheit zur Mitschuldigen des Uebelthäters zu machen. Wer auch immer eS sein mag, der dieses Täschchen von Ihnen empfing — Sie werden uns jetzt seinen Namen nennen. Ist er schuldlos an dem hier in Rede stehenden Verbrechen, so wird es ihm ja nicht schwer fallen, den Beweis für diese Schuldlosigkeit zu erbringen. Sind aber, wie wir fast als gewiß annehmen müssen, seine Hände mit dem Blute des unglücklichen WaldhegerS befleckt, so hat er wahrlich keinen Anspruch auf Ihre Theilnahme und Ihre Schonung. Also sprechen Sie, mein liebes Fräulein! Sie sehen, der Herr Protokoll führer wartet bereits darauf, Ihre Aussage nieder* zuschreiben." (Fouü^ng folgt.)
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