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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 17.10.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190010175
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19001017
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19001017
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-10
- Tag 1900-10-17
-
Monat
1900-10
-
Jahr
1900
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 17.10.1900
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ungern unter Kitchener führen möchte, bereits abbe- rufen sein soll. Lord Kitchener hat einige Eigen- schäften, die ihn in der britischen Armee sehr unpopulär machen; er ist einerseits kein Berufssoldat, sondern war als Civil - Ingenieur in Egypten thätig, und andererseits ist er ebenso rücksichtslos wie grob gegen die untergebenen Führer. Sein Oberbefehl würde sich auch bei den Buren durch eine größere Schroffheit in der Behandlung fühlbar achen. Ob er im Stande fein wird, die schwierigen Verhältnisse zu lösen, ist eine andere Frage; die oft beklagte Betterwirthschaft in der britischen Armee wird er allerdings etwas einschränken. Die Buren machen zum großen Aerger der Briten noch immer keine Anstalten, sich beding ungslos zu unterwerfen, was den Engländern in der jetzigen Luge natürlich sehr unbequem wird. In d»- si'ruetöbenen Kolonien des englischen Riesenreiches ist noch immer keine Ruhe und Frieden wieder eingekehrt. Die Geschäfte liegen darnieder, in den Minen wird nur mit halber Kraft gearbeitet und in den Küstenstädten der Kapkolonie wartet eine große Menge von Flüchtlingen auf bessere Zustände, um die unterbrochene Arbeit wieder aufzunehmen. Vorläufig ist aber auf eine Besserung sehr wenig Hoffnung vor handen und die Abfahrt des ersten Zuges, der die Flüchtlinge aus Kapstadt nach Johannesburg zurück bringen sollte, ist bis auf weiteres verschoben worden. Unter diesen UmständensehntmanauchaufenglischerSeite örii Frieden herbei und ist aeneiat. etwülge Verhand- lunaen zu Unterstützen. Dem Reuterschen Bureau wird aus Prätoria gemeldet: Ein angesehener Burgher van Post, hat die Erlaubniß erhalten, sich in die Oranje-Kolonie zu begeben, um De Wet aufzusuchen und ihm vorzustellen, daß es thöricht sei, den Kampf weiter fortzusetzen, Schormann und ein anderer Burg- Her haben sich zu demselben Zwecke zu Botha be geben. — Anläßlich der Abreise des Generals Buller nach England ist ein Armeebefehl erschienen, welcher mittheilt, daß Buller das Commando über die Streit kräfte in Natal abgegeben habe und in welchen d-r Dank Roberts' ausgesprochen wird für seine großen Dienste und die Geschicklichkeit, mit der er seine Auf gaben erfüllt habe, während er unter dem unmittel baren Commando von Lord Roberts gestanden. Loreuzo-Marquez, 12. Oct. Die Officiere des holländischen Kreuzers „Gelderland" statteten heute dem Präsidenten Krüger im Gouvernementsgebäude einen Besuch ab. Nach einer Mittheilung der Brüsseler Transvaal- geMdtschaft wird das Kriegsschiff „Gelderland" mit Präsident Krüger an Bord, am 2. November ent weder in Triest oder in Marseille eintreffen. Es ist zweifellos, daß Krüger eine Rundreise durch die europäischen Hauptstädte, sowie nach Washington plant. London, 15. Okt. Krügers Enkel Eloff er klärte in Lorenzo-Marquez dem Korrespondenten des „Daily Telegraph", er, der Polizeikommissar Bredel! und Dr. Heymanns würden den Präsidenten begleiten! er glaube nicht, daß Krüger die Absicht habe, nach Südafrika zurückzukehren. Die britische Regierung würde ihn dort nicht wieder landen lassen. Krügen würde Donnerstag oder Freitag an Bord des „Gelder land" absegeln. Sein Ziel sei Brüssel. Er glaube, die einzelnen Burenkorps würden noch vier Monate aushalten können. Hohenstein-Ernstthal, 16. October 1900. LtittheUunger: von allgemeinem Inter-sie werden da kbar ent- zegengenommen uno eventl. honorirt. — Ihre Majestät die Königin traf am Montag Nachmittag mit zwei Hofdamen in Begleitung des Herrn Staatsministers v. Metzsch und des Kgl. Leib arztes Herrn Geheimen Rath Dr. Fiedler auf Bahnho Schönheiderhammer ein, begab sich über Schön haide und Oberschönheide nach der ersten sächsischen Frauen-Lungen-Heilanstalt zu Carolagrün und wohnte der Eröffnung der Anstalt bei. — Kaplan Prinz Max von Sachsen ist, nachdem er noch in den letzten Tagen an ver schiedenen Orten des Landes Gottesdienste abgehaltcn, nach der Schweiz abgereist. — Hohenstein Ernstthal, 16 Oktober. Die Firma Robert Pfefferkorn beging gestern die Feier ihres 25jährigen Bestehens. 1875 mit bescheidensten Mitteln begründet, heute eine der bekanntesten deutschen Firmen, das ganze Vierteljahrhundert keine Arbeitspause, diese Thatsachen besagen genügend, daß der Chef der Firma mit vollster Befriedigung aus seine bisherige Thätig keit zurückblicken kann Die Herrn Pfefferkorn zu seinem gestrigen Festtage dargebrachten Beweise der Liebe und Achtung waren äußerst zahlreich; Vertreter der hiesigen städtischen Behörden, verschiedener Corporationen, vie Meister des Fabrikpersonals, deS Geschäftspersonals und zahlreiche Freunde der Firma brachten im Laufe der Vormittagsstunden ihre Glückwünsche und zum Theil reiche Geschenke dar. Die Antheilnahme des gesammten Personals ist auch ein Beweis, wie gut das Einvernehmen der Firma mit ihren Arbeitnehmern bisher stets gewesen ist. Wie wir hören, erfreute Herr Pfefferkorn s.ine Ar beiter durch je nach Dauer der Arbeitszeit bemessene, zum Theil beträchtliche Geldgeschenke und wird derselbe dem Personal in den nächsten Tazen noch Gelegenheit geben, das Jubiläum nachträglich durch eine Festlichkeit noch zu feiern. — Auf der Deutschen Bauausstellung in Dresden wurden 78 silberne Medaillen und 109 Anerkennungs diplome verliehen. Mit der silbernen Medaille wurden u. a. ausgezeichnet die deutschen Kunststeinwerke Karl Schlechte in Hohenstein-Ernstthal. — Heute, am 16. Oktober ist der „Gallustag". Bis zu diesem Tage müssen nach seiner alten Er fahrung der Landwirthe und Gärtner alle empfind- ichen Pflanzen geborgen sein. Zwar prangen noch die Bäume im Herbstschmuck, aber der Bauernregel nach ist dies eine Mahnung, sein Haus für den Winter zu bestellen; denn „sitzt Mitte Oktob-r das Laub an den Bäumen fest, sich strenger Winter bald erwarten läßt." — Billige Heringe. Durch die letzten reichen Fänge von Heringen an den rügenschen, pommerschen und mecklenburgischen Küsten rc. sind die Preise für die grüne Waare sowohl als für geräucherte plötzlich sehr heruntergegangen. Frische Heringe, die z. B. in Wittow bei den Fischern im Laufe der ver flossenen Woche mit 2—2,50 Mark pro Wall ge handelt wurden, konnten geräuchert in Berlin nicht einmal sämmtlich mit 1,75 Mark pro Wall verkauft werden. — Oberlungwitz. Unser treuverdienter, nun mehr aus seinem Amte scheidende Herr Pastor Laube weilte gestern Abend zum letzten Male im Kreise seiner Lungwitzer, die von allen Seiten herbeigekommen waren, um dem im Saale der „Post" stattfindenden, zu seiner Ehrung veranstalteten Familienabend beizuwohnen. Dieser kurze Abend nun führte es klar vor Augen, wie es der im Amte ergraute geistliche Herr in der langen Zeit seines Schaffens verstanden, die Zuneigung und Liebe der An gehörigen seiner Kirchgemeinde, aber auch die Achtung der vorgesetzten Behörden zu gewinnen. Es mußte ihn erfreuen und ehren zugleich, wie er gestern Abend den Saal betrat und nicht nur eine zahlreiche Versammlung, sondern auch seinen Ephorus und treuen Freund, Herrn Superii tendent Weidauer aus Glauchau, sah. Dieser Herr war es denn auch, der nach einleitendem Musik und Gesangsstück als erster seine Worte an Herrn Pastor Laube richtete, nicht als offizieller Vertreter der vorge setzten Behörde, so betonte Redner, obwohl er herzliche Grüße vom Herrn Amtshauptmann zu bestellen habe, sondern als des heute Abend Gefeierten langjähriger treuer Freund. In unseren Tagen, füh te der Herr Superintendent aus, mache nicht mehr das Amt den Mann, sondern umgekehrt, der Mann das Amt Herr Pastor Laube habe 38 Jahre treuer Amtsthätigkeit (18 Jahre in Ernstthal, 4 in Hohenstein und 16 in Ober lungwitz) hinter sich, er wolle deshalb versuchen, einmal seine Persönlichkeit vor Augen zu führen. Und nun eM warf der geschätzte Redner in kurzen Zügen ein Lebens bild des Herrn Pastor Laube, ohne Uebertreibung, wi? er schon eingangs bemerkte, obwohl seine Worte aus treuestem Freundesherzen hervorquollen. Er schilderte i m als den Sohn eines Schulmannes, der ihm schon im Elternhause eine innige Ehrfurcht vor Gottes Heiligthum einprägte, ebenso wie seine tiefe Demuth, Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit, welche Eigenschaften ihn fürs ganze Leben begleitet haben und besonders gab ihm die letztere den Sian, in bescheidenen Verhältnissen zu leben und darin Gottesgabe zu sehen. Nach der Kinderzeit brachte man ihn aus die Thomasschule nach Leipzig, darauf begann er mit seinen Studien an der Leipziger Universität. Die nächste Pforte endlich füh te ihn ins geistliche Amt: Im Jahre 1862 übertrug man ihm die Pastoralstelle zu Ernsttkal, mü der Anfangs auch das Rektorat verbunden war. Mit denkbar bestem Erfolge wirkte er hier 18 Jahre hindurch; dann kam die Be rufung nach Hohenstein, und endlich, nach 4 Jahren über nahm er die Oberlungwitzer Pastoralstelle. Der Herr Redner knüpfte hieran verschiedene persönliche Bemerkungen, u. A. die Frage beantwortend: Warum ist die Wirksam eit des Herrn Pastor Laube eine so gesegnete?, we ter auch seine vortrefflichen Eigenschaften als Seelsorger und Mensch beleuchtend, um endlich im Namen und Auftrage der Kirchenbehörde, sowie des Herrn Amtshauptmann herzlichsten Dank mit der Versicherung einer aufrichtigen herzlichen Erinnerung auszudrücken. „Des Morgens kühl, des Mittags schwül, Unruh' selbst beim Feste, der Abend ist das Beste", hat einst Gotthilf Schubert gedankenreich gedichtet; so sei auch für Herrn Pastor Laube der nach langer, anstrengender Thäti gkeit wohlverdiente Abend das Beste. Kein Abend jedoch des Nichtsthuns und der Thatenlofizkeit soll es sein; wohl Alle, die er zurückläßt, wünschen ihm nicht Ruhe, sondern Stille, damit er sich vorbereiten kann auf die ewige Stille. Ich habe, schjoß Redner, meinen Freund Laube zweimal eingewiesen, in Hohenstein und Oberlungwitz, und ich freue mich, daß ich ihn heute aus Oberlungwitz verabschieden kann. Der Herr behüte seinen und der Seinigen Ausgan z in Ewig keit. Die Schlußworte klangen aus in einem freudig auf genommenen Hoch auf Herrn Pastor Laube und seine Familie. — Hiernach ergriff der Amtsbruder des Schei- denden, Herr Diaconus Tammenhain, das Wort, um vor allen Dingen Herrn Pastor Laube zu danken, zunächst wie der jüngere Geistliche dem älteren, dann aber auch dem Meister der Rede und dem Meister, der Gott im Herzen hat, den Wunsch anschließend, daß ihn Gott an seinem Lebensabend segnen und diesen still und friedlich gestalten möge. - Auch Herr Ortsrichter Neubauer gab diesem Wunsche Ausdruck mit der Versicherung eines treuen Andenkens. — Herr Schuldirektor Or. Groschopp legte seiner Ansprache das Schriftwort vom Hauptmann zu Capernaum zu Grunde in welchem die Juden von diesem Hauptmann sagen: Er hat uns lieb gehabt, denn er hat uns die Schule erbauet. In dreifacher Eigenschaft habe Herr Pastor Laube segensreich für das Oberlung- witzer Schulwesen gewirkt: Als Ortspfarrer, Ortsschul inspektor und Vorsitzender des Schulvorstandes. In über 200 Sitzungen des Schulvorstandes wurde eine große Arbeitslast erledigt, u. A der Bau dreier Schulhäuser beschlossen. Zu großem Danke sei ihm die Gemeinde auch im Bezug auf das Schulwesen verpflichtet. Er habe nicht nur seiner Pflicht, den Religionsunterricht zu über wachen, mit größter Gewissenhaftigkeit genügt, sondern auch durch Anregung der Einführung der Gehaltsstaffeln treue Lehrerarbeit gewürdigt. „Wir müssen also", faßte Redner zusammen, „wie dort die Juden in der heiligen Schrift, bekennen: Er hat uns lieb gehabt, denn er hat uns die Schule erbauet." Mit der herzlichen Bitte, unserer nie vergeßen und immer an unsere Schulgemeinde, Lehrer und Kinder denken zu wollen, spreche ich Ihnen de - Dank aller Schulgemeindeglieder, des Lehrercollegiums und unserer Kinder, sowie denjenigen des Kgl Bezirks schulinspektors Herrn Schulrath Lötzsch aus. Der Herr Schuldirektor fügte ebenfalls hieran die herzlichsten Segens- wünsche; Gott möchte den Abendhimmel seines Lebens nicht unklar gestalten. Nach ihm betonte Herr Gemeindevorstand Opper mann das gute Einvernehmen der geistlichen und welt lichen Behörden des Ortes, wie Herr Pastor Laube in diesem doppelten Sinne stets ein treuer Freund, Lehrer und Berather gewesen sei und sich immer be müht habe, Schroffes zu mildern und Gegensätze aus zugleichen. Es sei deshalb die Pflicht der Gemeinde und Gemeindevertretung, dem scheidenden Seelsorger aufs Innigste zu danken; Gott möchte ihn und die Seinen geleiten. — Nunmehr nahm Herr Pastor Laub? die Gelegenheit wahr, für alles, was er heute Abend erfahren — Erscheinen des Herrn Ephorus unter den zahlreich versammelten Oberlungwitzer Ge- meindegliedern, alle die ihm geltenden und ihn ehrenden Ansprachen — seinen herzlichsten Dank auszudrücken. Die heutige Abschiedsfeier erwecke auch in ihm eine Erinnerung, und zwar an die Zeit, in welcher er sein geistliches Amt in Oberlungwitz angetreten habe. Viel sei inzwischen geschaffen worden, una wenn auch er weniger daran betheiligt sei, vielleicht nur hier oder dort eine kleine Anregung gegeben habe, so freue es ihn doch, daß es gerade in die Zeit seiner Amts ¬ thätigkeit falle. Zunächst sei es die Beschaffung der Altar- und Abendmahlsgeräthe, Kanzelbekleidung, des Teppichbelags für den Ältarplatz, ferner die Einrich tung der Heizung und Beleuchtung dec Kirche; end lich auch die Einführung der Kindergottesdienste, Abendgotlesdienste, Erbauung der Herberge zur Hei- math und deren Ausstattung durch Liebesgaben; Ein führung der Bibelstunden in der Herberge, der Fa milienabende und Weihnachtsspiele, die Erbauung der drei großen Schulhäuser, Gründung des Diakonats und Schuldirektorats, und endlich: Die Gründung der Gemeinde-Diakonie. Herr Pastor Laube erzählte noch einiges über die Vorgeschichte der Gründung und den augenblicklichen Stand dieser Einrichtung und er- innerte sich der vielen frohen Stunden, die er in der Gemeinde Oberlungwitz erlebte. Ueberrascht hätten ihn besonders die Geschenke und Aufmerksamkeiten bei Ge- gelenheit seines 25jährigen Amtsjubiläums und seiner ilbernen Hochzeit. Heute danke er nochmals für Alles. Zum Schluffe bat er, einzustimmen in ein Adch auf den Ephorus, Herr Superintendent Wei- aouer. — Im Namen des Frauenvereins dankte Frau Gemeindevorstand Oppermann, während Herr Fabri kant Hoermann den Anwesenden mittheilte, daß das Kuratorium des Frauenvereins für Gemeindediakonie beschlossen habe, Herrn Pastor Laube auf Lebenszeit zum Ehrenvorsitzenden zu ernennen. — Den Dank des Ev. Arbeitervereins zu Oberlungwitz brachte Herr Dittmann dar. Nochmals, und nun zum letzten Male, erhob sich Herr Pastor Laube, um Allen das Wohl der Ge- meindediakonien besonders ans Herz zu legen. Gottes Segen möchte auch die Gemeinde stets begleiten und sie immer mehr emporblühen lassen, dies sei sein aufrichtigster Wunsch. „So ziehen wir denn hin," sprach er mit bewegter Stimme, „Gott sei mit Euch, ich wünsche Euch ein herzliches Lebewohl; guten Abend, meine Lieben!" — Manch Einer drängte sich heran, um dem alten, wackeren Pastor noch ein mal die Hand zu schütteln. Nach einer Pause folgte eine dramatische Aufführung durch den Jungfrauen verein, sowie ein ebenso von einer Jungfrau vor getragener Abschiedsgruß in poetischer Form; darauf ging man unter den Klängen eines Musikstückes aus einander. — Gersdorf. Frühling und Sommer gingen zu Rüste; doch nicht spurlos zogen sie an uns vor- über. Vom Frühling blieb uns allerdings nichts als die Erinnerung an das Duften und Blühen unter seinem Regiment. Unvergeßlich und unvergleichlich werthvoller war der Sommer mit seinem reichen Erntesegen für uns. Nun zog der Herbst ins Land. Auch er kam nicht mit leeren Händen; die lachenden rothwangigen Früchte der Bäume sind seine Gabe. Aber freilich, wie auf dem Felde nur da die Garbe reift, wo vorher der Landmann gesäet hat, so kann auch der Herbst nur da Früchte bringen, wo Bäume gepflanzt wurden. In dieser Beziehung hat man bis jetzt dem Herbste bei uns wenig Arbeit gemacht. Der Obstbaum ist das Stiefkind vieler Gartenbesitzer. Diesem Uebel abzuhelfen, ist das Ziel des jungen Obstbauvereines hier; daß sein Ziel nicht das schlech teste ist, zeigte er vergangenen Sonntag und Montag in seiner 1. Obst- und Gartenbauausstellung im Gasthaus Teutonia. Mit Befriedigung ruhte das Auge jedes Besuchers auf dem schimmernden, duften den Obste. Und doch war die Ausstellung, wie es unter den obwaltenden Verhältnissen nicht anders möglich, in beschränktem Rahmen gehalten und bestand zum Theil auch aus nicht am Ort gebauten Früchten. Doch wollte sich damit der Verein durchaus nicht mit fremden Federn schmücken, sondern nur zeigen, was bei Pflege des Obstbaumes erreicht werden kann und dadurch Lust und Liebe für seine Bestrebungen erwecken. Die Ausstellung konnte sich besonders am Sonntag eines guten Besuches erfreuen, und der Verein kann mit seinem ersten Unternehmen ganz zu frieden sein. Vielleicht erstarkt auch die Zahl seiner Mitglieder dadurch. Und sproßt im nächsten Jahre hier oder dort ein frisch gepflanztes Bäumchen, dann haben auch die Früchte der Ausstellung wieder Früchte getragen. — Gersdorf, 15. Oktober. Vor zahlreich ver sammelter Gemeinde wurde gestern, Sonntag, im Gotteshause unsere Diakonisse durch Herrn Pastor Böttger in ihr Amt eingewiesen. In seiner Ein weisungsrede erklärte der Herr Pastor nochmals kurz Zweck und Einrichtung unserer Gemeindepflege, die, wie er ganz besonders hervorhob, ohne Unterschied des Standes unentgeltlich geschieht, dankte nächst Gott allen denen, welche das Werk durch Liebesgaben fördern halfen und stellte Schwester Lydia Thiele vc>'. Sie hat bereits mehrere Jahre im Dienste der Gemeindepflege zu Wurzen gestanden und war zuletzt im Marthaheim zu Chemnitz thätig. Er wünschte ihr Gottes Beistand zu ihrem schweren, aber Gott wohl gefälligen Beruf, damit sie zum Segen der Gemeinde werde, auch diesen selbst davon trage und empfahl sie der Liebe der Gemeinde. In einem herzlichen Gebete flehte der Herr Pastor für die Arbeit unserer Schwester um Gottes Segen, an dem ja Alles gelegen. Damit schloß die kurze, bedeutungsvolle Feier. — Chemnitz, 15. Okt. Im Stadttheile Alt chemnitz stürzte am Montag nachmittag in einem Vergnügungs-Etablissement der 50 jährige Zimmer mann und Hausbesitzer August Winker aus Drebach beim Ausbauen eines hölzernen Kaffeehauses, vermuth- lich durch Abgleiten von einem Querriegel, etwa 6 Meter herab und blieb infolge eines doppelten Schäkel bruches todt liegen. — Montag nachmittag gerieth ein 48 Jahre alter Arbeiter aus Kappel, welcher in einem Fabrikgrundstück in Altchemnitz arbeitete, mit seinen Rockschößen in eine im Gange befindliche Transmission und wurde von letzterer mehrere Male mit herumgeschleudert, wobei der Arbeiter mit den Beinen wiederholt an eine in der Nähe befindliche Das Oorpus äsUsli; Rovellktte von Reinhold Ortmann. 4. Fortsetzung. (Nachdruck verboten. Aber Fräulein Ilse schwieg. Ihr Busen wogte stürmisch, und es war ihr anzufehen, daß sie ver zweifelt kämpfen mußte, um nicht in lautes Weinen auszubrechen. Bei der Erwähnung des Protokollführers hatte sie, wie auf einem schweren Unrecht ertappt, mit erschrecktem Zusammenzucken ihren Blick rasch von ihm abgewendet, um ihn voll rührenden Flehens zu dem Gesicht des Landgerichtsraths zu erheben. Aber ihre zitternden Lippen vermochten keinen Laut hervor zu bringen, und erst als der Untersuchungsrichter in gütigstem Tone und in immer beredteren Worten seine Frage noch zweimal wiederholt hatte, sagte sie in kaum vernehmlichem Flüstern: „Haben Sie Mitleid, mein Herr! — Ich darf ich kann es ja nicht sagen." Und bei dieser überraschenden Weigerung beharrte sie, was auch immer der Herr Rath ihr vorhalten mochte, um sie zum Sprechen zu bewegen. Sobald er in Erwartung ihrer Antwort inne hielt, nachdem er sich eine Viertelstunde lang fast heiser geredet, kam immer das nämliche: „Ich kann nicht!" von ihren Lippen. Und es hatte auch kein besseres Ergebniß, als der Untersuchungsrichter, nachdem er umsonst alle Register des gütigen Zuspruchs und der sanften Ueber- redung gezogen, zuletzt seine Zuflucht zu energischer Aufforderung, ja, selbst zu beängstigenden Drohungen nahm. „Vielleicht ist es Ihnen nicht bekannt, mein Fräulein," sagte er streng, „daß das Gesetz für den Fall einer unberechtigten Zeugniß-Verweigerung sehr empfindliche Zwangsmittel vorsieht — Zwangsmittel, >ie unter Umständen in einer langen Gefängnißhaft bestehen können. Es würde mir um Ihretwillen leid Hun, wenn Sie mich durch eine fortgesetzte Weigerung, den Namen der betreffenden Persönlichkeit zu nennen, zur Anwendung dieses Gesetzes nöthigten." Die arme Ilse vermochte sich zwar bei dieser schrecklichen Ankündigung nicht länger zu beherrschen und drückte heftig weinend ihr Taschentüchlein an die Augen. Ihre Entschlossenheit aber war noch immer nicht gebrochen. „Und wenn man mich für den ganzen Rest meines Lebens einsperrt — ich werde es nicht sagen! Machen Sie mit mir, was Sie wollen — lassen Sie mich meinetwegen hinrichten, aber quälen Sie mich nicht länger mit Fragen, auf die ich doch ganz gewiß nie- mals eine Antwort geben werde. — Mein Gott, können Sie mir denn garnicht ein klein wenig beistehen, Herr Referendar?" Walter Karstedt saß schon seit einer halben Stunde, so lange dieses fruchtlose Jnquifitorium währte, wie auf glühenden Kohlen. All' sein eifersüchtiger Zorn war untergegangen in seiner Bewunderung über Jlfe's Heldenmuth und in seinem tiefinnigen Mitleid um ihrer Qual. Er hätte diesen LandgerichtSrath, der nicht müde wurde, das unglückliche junge Wesen zu peinigen, mit kaltem Blute erdrosseln können, und vielleicht hätte er sich durch ihren verzweifelten Appell an seine Ritterlichkeit jetzt wirklich zu irgend einem argen Verstoß gegen die Pflichten der dienstlichen Subordination Hinreißen lassen, wenn ihn nicht eine geniale Eingebung des Untersuchungsrichters glücklich davor bewahrt hätte. In wieder verändertem, milden Tone sagte nämlich der alte Herr: „Sie sind jetzt aufgeregt und verwirrt, liebes Fräulein, und der Tragweite Ihrer Worte kaum be wußt. Ich will Ihnen darum Zeit lassen, mit sich zu Rache zu gehen. Treten Sie dort in jenes Neben zimmer ein und verweilen Sie da, bis ich Sie wieder rufen lasse." Ilse gehorchte schweigend. Aber sie wußte es so einzurichten, daß sie beim Verlassen des Zimmers dicht an dem Stuhle des Referendars vorbei kam, und er glaubte feinen Ohren nicht trauen zu dürfen, als sie ihm dabei, für den LandgerichtSrath nicht vernehmlich zuflüfierte: „Fürchten Sie nichts! — Ich bleibe fest!" Was, um des Himmel willen, hatte das zu be deuten? Welches Interesse hatte er an ihrer Festig keit? — Und was hatte er ihrer Meinung nach zu fürchten? Noch suchte er vergebens nach einer Ant wort aus diese Fragen, als er zu neuer und nicht geringer Ueberraschung seinen Vorgesetzten sagen hörte: „Ich habe aus den Worten und dem Benehmen der Zeugin ersehen, daß Sie näher mit ihr bekannt sind. Oder sollte ich mich darin dennoch getäusch haben, Herr Referendar"? „Nein, Herr Rath! Ich hatte allerdings die Ehre, dem Fräulein Rogall gesellschaftlich wiederholt zu begegnen." „Nun wohl, ich möchte das junge Mädchen, das ja einen überaus sympathischen Eindruck macht, gern vor ernstlichen Widerwärtigkeiten bewahren, und ich werde Ihnen keshalb Gelegenheit geben, unter vier Augen mit ihr zu sprechen. Da sie zu Ihnen auf Grund der persönlichen Bekanntschaft wohl mehr Ver trauen hat als zu mir, wird es Ihnen vielleicht ge lingen, ihren ganz unvernünftigen Widerstand gegen die Ablegung des verlangten Zeugnisses zu überwinden." Walter Karstedt wußte nicht, ob er diesen Ein fall des Landgerichtsraths verwünschen oder ob er sich seiner freuen sollte. Am Ende hätte es ihm je kaum als dienstlicher Ungehorsam ausgelegt werden können, wenn er sich geweigert hätte, auf den etwas sonder baren und ungewöhnlichen Vorschlag einzugehen. Aber einmal gab es hier nicht viel Zeit zu langer Uebe» legung und dann würde ihn doch wohl die schwache Hoffnung, dem geliebten Wesen auf irgend eine Weise zu nützen, zuletzt unter allen Umständen bewogen haben, den Wunsch seines Vorgesetzten zu erfüllen. Aber er that es, einem plötzlichen Einfall nachgebend, nicht ohne einen gewissen Vorbehalt. (Forlitz,mg folgt.)
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