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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 18.07.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190007188
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19000718
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19000718
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-07
- Tag 1900-07-18
-
Monat
1900-07
-
Jahr
1900
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 18.07.1900
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Chinesen legen jetzt bei ihren Angriffen in Tientsin einen Muth und eine Entschlossenheit an den Tag, die sie zu einem sehr ernsten Gegner machen. Falls sie durch die nun in Peking frei gewordenen Truppen massen wesentlich verstärkt werden sollten, dürfte eS den Verbündeten kaum möglich sein, dem ihnen an Zahl weit überlegenen Feinde auf die dauer Stand zu halten. Erfreulicher ist, daß die Berichterstattung jetzt gesichert erscheint, da die Telegraphenleitung nach Tschifu wieder hergestellt ist. Ueber die Kämpfe in den letzten Tagen liegen folgende Telegramme vor: Der Chef deS deutschen Kreuzergeschwaders mel det telegraphisch ab Taku, 12. d. M.: Während der Nacht auf den 11. haben die Chinesen das Ostarsenal von Tientsin beschossen, sie wurden zurückgewiesen. Gleichzeitig haben die Japaner einen Theil der Chi nesenstadt besetzt. Das Folgende ist ein Bild der militärischen Lage in Tientsin: Die Russen halten das Ostarsenal und Lager auf dem linken Ufer, südlich vom Bahnhof. Die übrigen Nationen stehen auf dem rechten Ufer theilweise in den zugehörigen Niederlass ungen, die Deutschen in der Universität am äußersten Südostende der deutschen Niederlassung. Die deutsche Hauptaufgabe ist das Offenhalten des Peihoflusses zum Verkehr mit Taku. Dieser ist ungehindert. Täglich gehen Artillerienachsendungen nach Tientsin. Die Chinesen halten die veraltete Citadelle in der chine sischen Stadt und, das Lager nordöstlich davon. Alexe jew mit Armeestab ist in Tientsin. London, 16. Juli. „Daily Mail" stellt den hiesigen Abendblättern eine aus Shanghai von heute datirte Depesche zur Verfügung, nach welcher die ver bündeten Truppen am 13. d. M. einen gemeinsame» Angriff auf die Eingeborenenstadt von Tientsin ge macht hätten, der mit einem Verlust der Euro päer von mehr als 10V Todten zurückgeschlagen worden sei. An Todten und Verwundeten hätten die Engländer 50, die Japaner 60 Mann verloren. Auch die Russen und Amerikaner hätten schwer gelitten, 2 amerikanische Oberste und 1 russischer Artillerieoberst seien gefallen. Die Chinesen hätten sehr hartnäckig gekämpft und sicher und todtbringend geschossen. Berlin, 16. Juli. „Wolffs Telegr. Bureau" meldet aus Tschifu vom 15. d. Mts.: Hier ist die Nachricht verbreitet, das Fort und die Chinesenstadt von Tientsin seien ain 13. d. M. von den Verbün deten unter japanischem Oberbefehl mit schweren Ver lusten genommen worden. Angeblich kämpften auch Truppen des Schantungscorps gegen die Verbündeten. Washington, ^6. Juli. Admiral Remey meldet aus Tschifu unterm 16. Juli: Nach hier ein gegangenen Berichten griffen die Verbündeten die Ein geborenenstadt von Tientsin am Morgen des 13. Juli an. Die Russen bildeten den rechten Flügel mit dem amerikanischen 9. Infanterieregiment, auf dem linken Flügel befanden sich die Marinetruppen. Die Ver luste der Verbündeten find groß. Die Russen verloren 100 Mann, einschließlich eines Obersten der Artillerie, die Amerikaner über 30 Mann, die Eng länder über 40 Mann, die Japaner 58 Mann, ein schließlich eines Obersten, die Franzosen 25 Mann. Um 7 Uhr Abends wurde der Angriff der Verbün deten unter großen Verlusten zurückgewiesen. Die Berichte sind noch unvollständig. * * * Wenn die Ereignisse in Peking nicht so entsetzlich tragisch wären, so könnte man das, was sich die Be richterstattung darüber in den letzten Wochen leistete, nahezu komisch finden. Was ist nicht schon alles von den leitenden Personen in Peking berichtet worden! Der Kaiser Kwangsu war bereits nacheinander ge flüchtet, verbannt, wahnsinnig, getödtet und dann wieder an der Spitze der Macht, „alles ohne jeden Apparat". Die Kaiserin-Wittwe Tsu-Hsü war nacheinander an der Spitze der Macht, gefangen, getödtet und dann wieder obenauf. Prinz Tuan, der Fremdenfresser, war in lieblicher Reihenfolge an der Spitze der Macht, besiegt, vertrieben, wahnsinnig und Herr von Peking. Prinz Tsching, der Beschützer, oder sagen wir vorsichtigerweise: der angebliche Beschützer der Fremden, war siegreich, geschlagen, geflüchtet und todt, und wenn er nicht gestorben ist, lebt er noch heute. Die eigentümlichste Rolle aber spielt der mit allen Hunden gehetzte Herr Li-Hung-Tschang, der schon vor Jahren die europäischen Diplomaten an der Nas: herumgeführt hat. Herr Li-Hung-Tschang reist Montags, Mittwochs und Freitags aus Kanton ab, um Dienstags, Donnerstags und Sonnabends zu Hause zu bleiben und sich Sonntags von den Strapazen des Nichtreisens zu erholen. Die Mel dungen über Herrn Li-Hung-Tschangs Abreise und Nicht-Abreise nach Peking werden nachgerade lächerlich und es hat fast den Anschein, als ob Li-Hung-Tschang sich in Kanton als Perpetuum mobile aufgethan hat. Dies Jntriguenspiel, das mit der „Mission" Li-Hung-TschangS und seiner Reise nach Peking ge- trieben wird, ist aber charakteristisch für das hinter listige und heimtückische Verhalten, welches die Macht haber in China während des ganzen Verlaufes der Wirren an den Tag gelegt haben. Durch Schwindel und Täuschung sind auch die Mächte über die Lage in Peking in Unkenntniß gehalten worden und durch erlogene Meldungen suchten die Chinesen noch bis vor Kurzem den Anschein zu erwecken, als ob die Europäer und die Gesandten in Peking unversehrt und gar in Sicherheit wären. Schwindel und Täuschung ist es auch, wenn von Peking aus noch heute der Anschein erweckt wird, als ob die chinesische Regierung selbst, oder was sich dort zur Zeit Regierung nennt, nicht mit den Boxers gemeinsame Sache mache, sondern selbst von diesen bedroht werde. Dieses Trugspiel wird in Peking so lange fortgesetzt werden, bis die leitenden Personen dort sich darüber klar geworden sind, auf welche Seite sich der Sieg neigen wird, auf die der Fremden oder die der Boxer. Wenn die Boxer, was selbstverständlich völlig ausgeschlossen ist, sich gegenüber den Fremden auf die Dauer behaupten könnten, dann würde die chinesische Regierung nicht säumen, sich offen an die Spitze der Boxer zu stellen. Wenn aber, was der natürliche Lauf der Dinge sein wird, die Boxer von den Fremden zu Paaren ge trieben werden, dann werden die leitenden Personen in Peking einen Versuch machen, den Mächten gerührt in die Arme zu sinken und sie als Retter und Be freier zu begrüßen. London, 16. Juli. Nach den heute weiter vorliegenden Nachrichten scheint das Bekanntwerden der Niedermetzelung der Fremden in der Hauptstadt als Aufruf zur allgemeinen Empörung betrachtet zu werden. Schon sollen sich die Gouverneure von Hunan und Shansin und Kwansi den Fremdenfeinden angeschlossen und Proklamationen zu Gunsten der Boxer erlassen haben. In Hengchau (in Hunan) ist bereits eine blutige Revolte erfolgt, der der italienische Missionschef Fantvssati und zwei Missionsbrüder zum Opfer fielen. Am 10. Juli wurde die römisch-katho lische Kirche in Sianyang (Provinz Hupeh) niederge brannt, die Missionare konnten entfliehen. In Na- nyaufah wurde ebenfalls die katholische Kapelle einge äschert, zwölf Missionare schweben in Lebensgefahr. In der Nähe von Nanyaufah (Hupeh) wurde eine Gesellschaft Ingenieure überfallen und völlig ausge raubt. Die aus Wengchow entflohenen Missionare sind alle glücklich in Shanghai eingetroffen, aber der Aufruhr ist ihren Spuren bereits bis Ningpo gefolgt; auch dort wurde die fremde Kirche in Trümmer gelegt. Ernste Ausstände werden aus Jaulun gemeldet. In Shanghai herrscht die größte Aufregung, alles hängt davon ab, ob die bisher loyalen Vizekönige Liu und Tschang die Fremden weiter beschützen oder vielleicht zur eigenen Sicherheit ebenfalls gegen sie vorgehen werden. Eine große Gefahr droht dem Süden durch die anscheinend doch bevorstehende Abreise Li-Hung- tschangs nach Peking, er hat bereits Befehl zum Ab marsch von 50000 Mann nach dem Norden gegeben. Nach dem Daily Telegraph-Correspondenten in Kanton wird Li-hung-tschang, der seit einiger Zeit, obwohl trotz seiner 78 Jahre sonst ungemein rüstig, an Gicht und Magenkatarrh leidet, am 18. Juli von Kanton abreisen. Er wird auf dem Wege Zusammenkünfte mit anderen fremdenfreundlichen Vizekönigen und Gouverneuren haben. Die Zahl der dem Aufstande bisher zum Opfer gefallenen chinesischen Christen wird von verschiedenen Seiten auf etwa 20000 geschätzt. Berlin, 16. Juli. Der Kaiserliche Konsul in Tschifu hatte dem Generalgouverneur der Provinz Schantung die Botschaft des deutschen Kaisers, ent haltend das Versprechen von Geldpreisen für die Be freiung eines jeden der in Peking eingeschlossenen Fremden telegraphisch bekannt gegeben. Der General- gouverneur hat am 13. d. M. dem Konsul Zumeck telegraphiert, die Einschließung der Fremden gehe ihnen sehr zu Herzen; Versuche zu iyrer Befreiung eien wegen des Ausstandes in Tschili gescheitert. Die putsche Missions-Anstalt in Tsining sei unversehrt. Ein echt chinesischer Tric giebt sich in einem Decret zu erkennen, das zwei Tage nach der Ermordung )er Europäer zum Schutze derselben auffordert. Der französische Generalkonsul in Shanghai meldet, der Shanghaier Prüfest habe am 9. Juli ein kaiserliches Decret publizirt, des Inhalts, die Vertreter der europäischen Mächte seien zu schützen und die Boxer allenthalben hinzurichten. New-Jork, 16. Juli. Dem New Jork Journal wird aus Tschifu von gestern gemeldet: Die Geschütze der im Hafen befindlichen Kriegsschiffe sind gestern auf dringende Nachrichten vom Lankin, daß ein Auf- stand befürchtet werde, auf die Stadt gerichtet worden. Alle Ausländer sind zum Wachtdienst aufgefordert worden. Der Dienstpflicht wurde mit Eifer nach gekommen. Posten wurden aufgestellt, um die Ein geborenen zu überwachen. Die Besatzungen der Schiffe sind bereit, nöthigenfallS sofort zu feuern; aber die Nothwendigkeit ist noch nicht eingetreten. Nach einer Londoner Mittheilung der offiziösen Wiener „Pol. Korr." ist lediglich eine formelle Verständigung unter den Großmächten erzielt worden. Insbesondere seien keinerlei Vereinbarungen über die Stärke der von den einzelnen Staaten nach China zu entsendenden Trup pen getroffen worden. Jede der Mächte habe es auf sich genommen, mit dem ihr möglichsten Höchstmaß von Streitkräften sich zu betheiligen. — Ueber ein englisch- japanisches Sonderabkommen erhalten sich hartnäckig Nach richten. In diesem Sonderabkommen soll sich Japan verpflichtet haben, England zum Schutze der englischen Interessen in China 60,000 Mann zur Verfügung zu stellen. Dagegen verspricht England, eine etwaige japanische Besetzung Koreas zu unterstützen und Japan Geldmittel zur Verfügung zu stellen. Handelsschädiaung durch China. Es ver steht sich ganz von selbst, daß die chinesische Aufstands bewegung von ungünstigstem Einfluß auf unseren Außenhandel nach ganz Ostasien sein muß. und daß der unserem Handel hieraus erwachsene Schaden um so größer sein wird, je länger die Kriegswirren in China dauern. Schon jetzt mehren sich die Stimmen, welche von Handelsbeschränkungen in diesem und jenem Artikel zu berichten wissen. Aus Iserlohn klagt man, daß der sonst immer rege Export der dortigen Nadelindustrie nachAsien aufgehört habe; derJmport chine sischen Thees nach Rußland ist durch den Aufstand gefährdet, auch die Moskauer Theehändler befinden sich in großer Sorge wegen der in China bewirkten Theeankäufe, da zu befürchten sei, daß große Massen von Thee der Vernichtung anheimfallen würden. Von englicher Seite wird gemeldet, daß auch nach den Süd provinzen der Jmporthandel suspendirt sei, die Baum wollindustrie wäre geschlossen. Die Verringerung der Zolleinkünfte in Shanghai für das zweite Quartal 1900 um 426000 Taels redet eine recht deutliche Sprache. Der Einfluß der kriegerischen Wirren wird sich zweifellos auch dahin äußern, daß die chinesischen Exportartikel im Preise hochgehen, erfreulicherweise hat sich bisher weder beim Thee noch bei den Seiden- waaren die gefürchtete preisvertheuernde Einwirkung durch den Krieg bemerkbar gemacht, jedoch sind Matten, Palmblätter und Reis schon theurer geworden. Die wirthschaftlichen Schädigungen durch die Un ruhen treten an den chinesischen Küstenplätzen überall stark hervor. Nach einer Schätzung der „Times" haben mehr als 340,000 reiche chinesische Großkaufleute die Küsten plätze verlassen. Der Jmporthandel Schanghais und der Nachbarhäfen ist vollständig unterbrochen und die meisten der eingeborenen Baumwollfabriken sind geschloffen. Die Zolleinnahmcn Schanghais gingen im Juni bereits so sehr zurück, daß sie für das gesammte zweite Halbjahr einen Ausfall von 426,000 Taels gegen die korrespon dierende Periode des Vorjahres aufwiesen. Dieser Aus fall zeigt an Tich schon ein fast vollständiges Aufhören der Einfuhr. Auch in Bombay machen sich die Folgen ves Aufstandes in China schwer fühlbar. Das schon so schwer durch Hungersnoth und Pest heimgesuchte Indien sieht eine seiner vornehmsten Industrien, die Fabrikation von Baumwollzeugen und Garnen, auf das ernsteste be droht, denn sein Hauptexporlmarkt, China, ist ihm plötz lich verschlossen. Schon vor drei Wochen lehnten die Exportfirmen es ab, neue Abschlüsse zu machen, und jetzt stehen die meisten Baumwollfabrilen Bengalens be reits still. 25000 Kilo Prcißelbeeren in Zucker muß die Berliner Firma Emil Schwabe für die Truppen nach Ostasien liefern, und zwar innerhalb 10 Tagen. Die Waare wird extra für den Tropentransport ein gedämpft und dann in hermetisch verschlossene Blech büchsen und Kisten verpackt. 2 Millionen Cigarren und 200 Centner Rauchtabak gelangen im Auftrage der Militärverwaltung für die deutschen Truppen in China durch das Berliner Tabak Haus Loeser und Wolff an diesem Sonnabend zum Ver sandt. Weitere Sendungen folgen nach Bedarf. Für den chinesischen Feldzug sollen auch die Offiziere mit Gewehren, und zwar mit Karabinern, ausgerüstet werden. Der Krieg um Transvaal. Als vor nunmehr neun Monaten zwei kleine Buren- staaien, um ihre Freiheit zu retten, kühn einem mächtigen Weltreiche den Fehdehandschuh hinwarfen und in dem ersten und zweiten Theile des beginnenden Krieges da- kleine Hirtenvolk 4 Monate lang die Angriffe eines über legenen und geschulten feindlichen Heeres siegreich mit blutigen Schlägen zurückwarf, da war die Welt von Staunen und Bewunderung ergriffen und mit immer wachsendem Interesse und immer «ärmer erglühender Sympathie schauten die Völker dem außerordentlichen Kampfe zu, welchen in Südafrika ein neuer David mit dem modernen Goliath schlug. Als dann aber mit dem dritten Akte des blutigen Dramas die Wendung kam, die riesige Uebermacht die kleine Heldenschaar erdrückte und der Krieg in die gewöhnliche Bahn, den üblichen Lauf der Welt einlenkte, der Starke den Schwachen überwältigte, die Macht das Recht besiegte — da war der Reiz des Außerordentlichen verflogen und das Interesse Europas erlosch, noch ehe da weit im Osten mit Mord und Brand eine neue Fackel des Krieges sich entzündete. Und den noch sind die Vorgänge in Südafrika noch immer der Aufmerksamkeit werth, denn noch immer kämpft das kleine Häuflein der Buren den Kampf für Freiheit und Selbst ständigkeit tapfer fort, und obwohl die letzten Gefechte mehrfach erfolgreich für die Engländer waren, so sind sie dennoch jetzt, neun Monate nach Beginn des Krieges, noch nicht imstande gewesen, die Buren aus dem Frei staate zu vertreiben und noch weniger sich zu Herren des Landes nördlich des Vaal, der Südafrikanischen Republik, zu machen, wo noch der Haupt-Widerstand zu erwarten ist Denn hier hält noch der alte Präsident Krüger, die Seele des ganzen Freiheitskampfes, unerschüttert durch alle Wechselfälle des Krieges, mit fester Hand die Buren fahne hoch, und neuerdings giebt es Momente, welche geeignet sind, des Präsidenten Krüger standhaftes Aus harren verheißungsvoll erscheinen zu lassen, denn in den Angriffsoperationen Lord Roberts in Transvaal ist ein völliger Stillstand eingetreten und die bekannt geworde nen Ziffern über die Höhe der Verluste und die Zahl der Kranken in der englischen Armee haben in England vielseitig Unwillen erregt, zugleich aber auch diejenige Partei verstärkt, welche die baldigste Beendigung des Krieges herbeiwünscht. Endlich aber gewinnt die Wahr scheinlichkeit immer mehr an Gewicht, daß die nach Ost asien gedrungenen Nachrichten über die Niederlagen Englands in Afrika von bestimmendem Einfluß auf den Versuch der chinesischen Regierung gewesen sein können, mit Hilfe des Aufstandes der Boxer sich der fremden Mächte mit einem Schlage zu entledigen. Und wäre diese Annahme zutreffend, so würde vie andere Warscheinlichkeit fast zur Gewißheit, daß zur Wahrung seiner Stellung in Ostasien England schließlich der Nothwendigkeit sich nicht zu entziehen vermöchte, unter für beide Theile ehrenvollen Bedingungen in Afrika Frieden zu schließen. Da neuer dings die Buren auf der ganzen Linie in Transvaal die Offensive mit ansehnlichen Kräften und siegreichen Er folgen ergriffen haben, so sind weitere Nachrichten mit Spannung zu erwarten. Einem Londoner Telegramm der „Köln. Zeitung" zufolge veranlassen die neuesten afrikanischen Meldungen Verstimmung und Besorgniß. Dabei laufen beun ruhigende Gerüchte um, wonach Feldmarschall Roberts ernstlich erkrankt sei. Im Stabe herrschten besonders zwischen den höheren Stabsoffizieren der englischen und indischen Schule bedenkliche Reibungen, die Manches erklärten. Der „Daily Mail" zufolge herrschte bei den Truppen ein schreiender Mangel an Schuhen; zahlreiche Soldaten seien barfuß. Prätorm, 14. Juli. Die Buren halten noch immer eine Bergreihe fünf Meilen nördlich von den Forts Wonderboom und Daspoort besetzt. Sie haben bei Nitralsnek infolge des Widerstandes des Lin colnshire-Regiments schwere Verluste gehabt. Prätoria, 16. Juli. Lord Roberts entsandte heute eine Streitmacht, um die Buren von den Kopjes im Norden und Nordwesten der Stadt zu vertreiben. Die Buren räumten indessen diese Stellungen, ohne einen Schuß zu thun. London, 14. Juli. General Dundonald hat, wie General Buller telegraphirt, das Burenlager in der Nähe von Vilpoort genommen. — Die Buren haben die Lieuwspruitbrücke in die Luft gesprengt. Haag, 16. Juli. Die holländischen Blätter be richten, daß Burengeneral Louis Botha an Genera! Roberts eine Protestnote sandte wegen der schlechten, ja unmenschlichen Behandlung der Buren durch die britischen Soldaten. Weil die Mitglieder des holländischen Rothen Kreuzes sich als Zeugen dieser Vorgänge erboten hatten, wurden sie als Gefangene nach Kapstadt gesandt. Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, 17. Juli 1906 Nitthevunfl.kn von. allgemeinem Interesse werden danibarenl- zegengenommen une evenll. honvOrt. — In der Nähe des „Johannesgartens" ent wich heute Vormittag eine von einem Fleischer trans- Seine Schwester. Roman von Fanny Stöckert. 24. Fortsetzung (Nachdruck verboten.) Energisch richtete Carla jetzt ihre Gedanken auf die Stellung, die sie künftig einnehmen, die Rolle, die sie als reiche Frau spielen würde. Die Talmiexistenz, fast verächtlich streifte ihr Blick die bunte, billige Einrichtung des Zimmers, die würde ein Ende haben, aber, was da goldwahr und echt in ihrem Herzen gelebt, das würde wohl zu Talmi werden! Doch nein, das war nicht möglich, Gold vermag sich nie zu wandeln! Die Erinnerung an diese schönste Zeit ihres Lebens, die würde ihr bleiben, die konnte ihr Niemand rauben. Die Beschäftigung der jungen Dame an diesem einsamen Abend bestand darin, welke Sträußchen, Schleifen, kleine Brieschen, alles, was mit Fred irgend wie zusammenhing, zu sammeln, zu ordnen und dann in eine Truhe einzuschließen. Für Carla Axhausen jedenfalls ein sehr absonderliches Thun, das mußte sie sich selbst eingestehen. Wie ein Sarg erschien ihr die Truhe, ein Sarg, der ihre Jugend und deren Träume umschloß; denn morgen, sie ahnte, war es vorbei mit diesen Träumen, ihr Vater würde die Sache mit dem Commerzienrath heute sicher zu Ende bringen, er hatte zu energisch ausgesehen, als er sich von ihr verabschiedet. XI. „Gott im Himmel Fred, wo ist nur all unser Geld geblieben," sagte die Frau Justizräthin am nächsten Morgen ganz verzweifelt. „Vor einigen Wochen war doch noch eine ganz schöne Summe da und heute sind gerade noch drei Mark vorhanden. Wie ist das nur möglich!" „Das macht der Carneval, Mütterchen," versetzte Fred, „wir haben da allerhand mitgemacht, was Geld gekostet hat." „Wie konnte ich alte Frau nur so leichsinnig sein und so in den Tag hineinleben. Jungen Leuten ist das wohl einmal zu verzeihen, aber einer alten er fahrenen Frau! Die Residenzlust muß mich förmlich berauscht haben. Was soll nun eigentlich werden? Fred zog sein Portemonnaie hervor, glücklicherweise war er noch im Besitz eines Zehnmarkstückes, was er seiner Mutter jetzt reichte. „Nimm das vorläufig, bis Du Deine Wittwen- pension bekömmst, muß ich Rath zu schaffen suchen." „O Fred, Du wirst wieder Schulden machen!" jammerte die Mutter. „Unter Studenten steht man sich gegenseitig bei, und borgt unter einander, das kann man kaum Schul den nennen." „Du hast hier aber eigentlich gar keine solche Dir nahe stehende Freunde, meine ich. In G. war das anders, da war Martin Harden." Fred blickte finster auf. Daß seine Mutter ihn auch gerade an den erinnern mußte, diesen Muster menschen, der nie Schnlden gehabt, solche Calamitäten, in welchen er sich befand, nur von Hörensagen und nicht aus eigener Erfahrung kannte. Wie überlegen würde Harden auf ihn herabschauen, wenn er alles wüßte. Deutlich sah er ihn vor sich, das ernste Ge sicht mit dem Ausdruck männlicher Energie, festen, unwandelbaren Willens. — Hatte er ihn nicht damals auf Rügen vor Carla gewarnt, sie eine Sirene genannt, aus deren Schlingen man manchmal im ganzen Leben nicht heraus käme. — Nun, in diesem Punkt, da war sein Wille wenigstens auch fest und unwandelbar, Carla je aufgeben, sich von ihr trennen, niemals, den Beweis wollte er Martin Harden und allen, die daran zweifelten, einst noch geben, daß es sich hier um eine wahre, echte Liebe handelte, eine Liebe, die nur mit seinem Leben enden konnte! O, nur erst wieder in ihre lachenden Augen schauen, dann war alles gut, so wie sie verstand es Niemand weiter auf der Welt alle Sorgen zu ver scheuchen. Auch seine Mutter mußte sie wieder ein mal beruhigen, sie sah entsetzlich sorgenvoll und be kümmert heute aus. Er schlang die Arme um sie, und drückte einen Kuß auf die sorgenvolle Stirn. „Sieh doch nicht so betrübt aus, Mutlerchen," bat er, „es kommt ja auch wieder Geld ins HauS, und eine schöne Zeit war es doch, dieser erste Carneval in der Residenz. Du selbst hast es oft genug gesagt, daß Du Dich ganz verjüngt fühlst bei diesem Treiben." „Ja, schämen muß ich mich, daß ich das Alles mitgemacht, während Melitta nun schon den zweiten Winter so einsam verleben mußte." „Es ist ja der letzte Winter, nächstes Jahr brauchen wir das Geld vom Onkel nicht mehr!" sagte Fred, indem er nach seiner Mütze griff. „Also keine Sorgen mehr, Mütterchen!" rief er ihr noch im Hinausgehen zu. Als er aber draußen aus der Straße war, da packten sie ihn selbst, die leidigen Geldsorgen. Ach, seine Mutter ahnte ja nicht, was er noch für Schul den hatte, wie sie bezahlen! Alle möglichen Pläne gingen ihm durch den Kopf, sollte er an Melitta schreiben, daß sie sich bei dem Onkel für ihn verwenden möchte, oder Flora ins Vertrauen ziehen sollte. Flora! sie würde es wohl kaum zurückweisen, ihm zu helfen, aber sie würde auch große Hoffnung daran knüpfen und diese konnte er nicht erfüllen, nie, niemals! Zu nächst wollte er mit Carla heute die Geldgeschichten besprechen, denn etwas mußte geschehen, der Wechsel wußte bezahlt werden, und seine Mutter durfte nichts erfahren von dieser leichtsinnigen Handlung, die er da im Rausch des Carneval- begangen. O, wie er sich in dieser seiner Bedrängniß nach Carla sehnte, nach ihren lachenden Augen, ihrem heiteren Geplauder, nach dem traulichen Zimmer, das in seinen Augen, der Inbegriff der Behaglichkeit war. Fortsetzung folgt.
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