Suche löschen...
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 06.07.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190007069
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19000706
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19000706
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-07
- Tag 1900-07-06
-
Monat
1900-07
-
Jahr
1900
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 06.07.1900
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
von Chinesen sind aus Lutai angekommen und machten verzweifelte Versuche, die Brücke über den Taku wiederzuerobern. Auch greifen sie fortwährend die Eisenbahnlinie an. Li-Hung-Tschang hat einem Tele gramm aus Hongkong zyfolge den Kommandanten eines amerikanischen Kanonenbootes ersucht, ihn nach Tientsin zu bringen. Ein Versuch, die Wesellyanische Mission in Datscha» zu zerstören, wurde durch eng lische, kanadische und amerikanische Missionare ver eitelt. Dagegen wurden in Tschili vier Priester von Boxern ermordet; die letzteren sollen jetzt auf Tschifu vorrücken. London, 3. Juli. Lord Salisbury hatte heute Mittag eine lange Konferenz mit dem chinesischen Gesandten und empfing dann nacheinander den Besuch des deutschen, französischen, russischen, italienischen, österreichischen und des Botschafters der Vereinigten Staaten. Auf dem hiesigen Kriegsministerium, das so lange Zeit seine ganze Aufmerksamkeit den süd- afrikanischen Dingen zuzuwenden hatte, herrscht im Hinblick auf China eine rege Thätigkeit. Nach englischen Meldungen sind die am besten ausgebildeten Contingente der chinesischen Armee das der Generals Nichischen, 15 000 Mann stark, und di Division des Gouverneurs von Schantung, 17 000 Mann stark. Diese sind sämmtlich mit Mausergewehren bewaffnet, von denen nach einer Petersburger TimeS- Meldung während der letzten 3 Jahre durch englische und deutsche Firmen im ganzen 900 000 nach China importirt worden sind. Als selbstverständlich setzen wir voraus, daß Krupp, die Werste von Schichau und der „Vulkan" nicht weiterhin Geschütze, Schiffe oder sonstige Gegen stände der Kriegsrüstung weiterhin nach China ab liefern. * 4 * Kiel, 4. Juli. Auf Befehl des Kaisers erging heute an die BezirkscommandoS die Anweisung schnellstens zu melden, wie viele Freiwillige sich für die Ersatzbataillone der Marineinfanterie in ihren Truppentheilen gemeldet hätten. Der „Reichsanzeiger" meldet: Der Chef des MilitärcabinetS, v. Hahnke, unterbrach seinen Urlaub und kehrte nach Berlin zurück aus Anlaß der zu er richtenden gemischten Brigade aus Freiwilligen des Landheeres, welche nach China bestimmt ist. Staatssecretär Graf Bülow hat, wie officiös tele- graphirt wird, in der Nacht zum Sonntag stundenlang mit dem russischen, englischen und französischen Ge schäftsträger verhandelt. Was die vom Kaiser verfügte Mobilmachung der ersten Division der ersten Geschwaders anlangt, so ist es das erste Mal, daß neuere Linienschiffe eine trans- oceanische Fahrt antreten. Sie gehören eigentlich zur Schlachtflotte und sind demgemäß zur Verwendung in heimischen Gewässern bestimmt. Da aber die Aus landskreuzer fast sämmtlich „draußen", in Ostasien oder auf der Fahrt dorthin sind, muß auf die Linien schiffe zurückgegriffen werden. Es wird den schweren Linienschiffen immerhin möglich sein, in Monatsfrist Tsingtau zu erreichen, da sie starke Maschinen und große Kohlenbunker besitzen, sodaß binnen wenigen Wochen ein deutsches KriegLgeschwader auf der Taku- rhede die Flagge zeigen wird, wie es so imposant nie mals in außereuropäischen Gewässern verweilte. Die deutsche Truppe in China wird dadurch um etwa 2000 Marinemannschaften verstärkt. An die Entsendung eines Panzergeschwaders nach China ist man in Berlin nicht ohne Bedenken heran getreten, mit Rücksicht auf die Entblößung, d:e dadurch unsere heimische Küste erfährt. Die Nothwendigkeit einer Verstärkung unserer Flotte mit Auslandsschiffen ist durch diesen Vorfall wieder dargethan. Die Forder ung wird sobald als möglich wieder an den Reichstag gebracht werden. Die Köln. Ztg. meldet aus Berlin, die Stelle in der Kaiserrede, daß mit geschlossenen Truppenkörpern in China operirt werden solle, sei dahin zu deuten, daß ein großer Verband von Landtruppen nach China dirigirt werden solle. Ueber einen solchen Vorschlag fanden in Wilhelmshaven die entscheidenden Verhand lungen statt, an denen Vertreter des MilitärcabinetS, des Kriegsministeriums und des Generalstabes theil nahmen. Wenn eine für ihren Zweck ausreichende Armee in Tientsin gebildet werden soll für die Eroberung und Besetzung von Peking, so wird eine solche Armee mindestens 50600 Mann stark sein müssen. Es werden hierzu naturgemäß die Russen und Japaner das Hauptcontingent abgeben müssen, weil sie bei der Nähe ihrer Gebiete am leichtesten im Stande sind, Truppen auf chinesischen Boden hinüberzuführen. Auch England ist früher rm Stande, aus Ostindien Ver- stänungen heranzuziehen. In Japan sind auch bereits weitere 30060 Mann mobilisirt worden. London, 3. Juli. Im Unterhause führt Brodrick aus: England theilte Japan mit, eS hoffe, daß Letzterer in Folge der Nähe in der Lage sei, innerhalb weniger Tage eine große Truppenmacht nach China zu werfen. Die Truppen der vereinigten Mächte betragen 13 500 Mann mit 53 Feldgeschützen und 36 Maximkanonen. Zur Zeit müsse die Auf merksamkeit auf die Rettung der Gesandtschaften und die Aufrechterhaltung der Ordnung gerichtet sein. Die Fragen der Politik müssen zurückstehen. Die Haupt sache sei das Einvernehmen der Mächte. Die britische Regierung werde Alles thun, das Einvernehmen der Mächte über die Erfordernisse des Augenblicks hinaus aufrecht zu erhalten. Eine Theilung Chinas wäre ein Unglück für alle Betheiligten. Auf verschiedene Anfragen über die Lage in China erwidert Brodrick, das größte Bestreben der englischen Regierung sei, die Uebereinstimmung und das Einvernehmen der Mächte zu sichern. So weit die Regierung Kenntniß habe, hatten die Amerikaner denselben Antheil, wie die anderen Schiffe der ver einigten Geschwader, am Kampse um die Takuforts. Auf eine Anfrage, ob die Admirale vorher ein Ulti matum stellten, erwiderte Brodrick, er wisse hierüber nichts, er zweifele jedoch nicht, daß die Admirale zu erst an die Fortscommandanten irgend welche Mit- theilung zugehen ließen. Soweit die Regierung Kenntniß habe, hätten die Admirale in völliger Ueber einstimmung gehandelt. * * * London, 3. Juli. Die Rede, die der Deutsche Kaiser bei der Absahrt der Marine-Infanterie aus Wilhelmshaven gehalten hat, wird hier als eine Hoch bedeutfame Kundgebung begrüßt. Der der Regierung und besonders dem Marineamt nahestehende Globe schreibt dazu: „Kein Augenblick sollte verloren werden, Japan ein Generalmandat der Mächte zu ertheilen. Besonders an Deutschland appelliren wir dringend um Unterstützung unserer Regierung zu diesem Ziele. Deutschland ist eine große Handels- und Kolonial macht, eS hat in China weniger militärische als Handelsinteressen und ist also mit Japan, den Ver einigten Staaten und England in gleicher Lage." Zur Ausnahme der Kaiserrede im Auslande erwäh nen wir die Ausführungen der Times: Wir sind über zeugt, daß, während der Kaiser sich verpflichtet fühlen wird, die Ehre Deutschlands zu vertheidigen durch Er langung voller Genugthuung für das ihm in der Person eines Vertreters zugMgte Unrecht, eS koste, was es wolle, er mit gehöriger Rücksicht auf die Interessen und Em pfindlichkeiten anderer vorgehen werde. Daily Chronicle ägt, der Kaiser sei nicht in der Lage, die Ermordung Kettelers zu rächen. Wenn er Japan beauftragte, die Rache auszuführen, würde er der gemeinsamen Sache der Civilisation dienen, obwohl es nicht Jedermann in Peters burg gefallen würde. Morning Post sagt: Kaiser Wil selm hat in seiner Ansprache die Gefühle und Gedanken der ganzen civilisitten Welt ausgedrückt, seine Worte waren würdig der Gelegenheit, geradeso wie die Politik, die sie andeuten, würdig ist der außerordentlichen Umstände, die ie veranlaßen, und der großen Nation, für die der Kaiser prach. Sein Beispiel wird von den anderen Mächten iefolgt werden. Alle werden einsehen, daß jetzt nicht Zeit u kleinlichen Eifersüchteleien sei, sondern für herzhaftes Zusammenwirken in einer gemeinsamen Sache. Der dem üuswärtigen Amte nahe stehende Daily Telegraph chreibt: Der Deutsche Kaiser hat in seiner Rede eine Kote der Handlung sowohl wie der klugen Politik ange chlagen, aus die jetzt das ganze Völkerconcert abgestimmt werden muß. Der Kaiser hat sich mit Recht nicht durch ängstliche Sentimentalität abhalten lasten, dreimal das Lort „Rache" anzuwenden. Allein seine begeisternde Beredsamkeit geht Hand in Hand mit vorsichtiger Erwäg ung. Denn der Kaiser verzichtet ausdrücklich auf isolirtes Vorgehen Deutschlands. Durch die staatsmännische Klug- seit und Selbstbeherrschung Kaiser Wilhelms ist eine chwere Gefahr abgewendet worden. Daily Expreß sagt, >er Kaiser habe in seiner Rede die Gedanken aller civili- irten Nationen zum Ausdruck gebracht. Durch den Tod >es Gesandten von Ketteler sei Kaiser Wilhelm in den Vordergrund gestellt worden. Alle Mächte erkennen an, daß im jetzigen Augenblick ein volles freundschaftliches Zusammengehen nothwendig sei für eine Sache, bei der lle Mächte in gleicher Weife interessirt seien. Daily Telegraph führt aus, die Rede des Kaisers beweise, daß von deutscher Seite keine Gebietserweiterung als Com- pensation geplant werde, wodurch eine Auftheilung Chinas »eschleunigt würde Der Tod des Gesandten v. Ketteler gebe allerdings Deutschland das Recht, eine hervorragende Rolle zu spielen. Alle Blätter nehmen die Stelle der Rede des Kaisers beifällig auf, aus welcher hervorgeht, daß Deutschland einträchtig mit den übrigen Mächten vor gehen wird und glauben ferner, daß die Wärme der Gefühle des Kaisers auf dar europäische Concert einen stimulirenden Einfluß ausüben werde. Wie«, 3. Juli. Die gestrige Rede des deutschen Kaisers in WilhelmShafen besprechend, sagt die „Neue Freie Presse": AuS der entschlossenen Sprache ist zu ersehen, daß von Deutschland jede militärische Krast- anstrengung zu gewärtigen ist, aber auch, daß Deutsch, land darauf rechnet, bis zum Ende alle übrigen Mächte an seiner Seite zu haben. Dies wird wohl auch zweifellos der Fall sein. Darin stimmen wohl alle Mächte mit dem Kaiser überein, daß ihre Fahnen siegreich auf den Mauern Pekings wehen und den Chinesen der Frieden diktirt werden müsse. Hinter diese gebieterische Nothwendigkeit treten zunächst alle übrigen Fragen zurück. — Die „Wiener Allgemeine Zeitung" sagt: In temperamentvoller, begeisterter Ansprache sprach der deutsche Kaiser aus, was heute ganz Europa bewegt. Es liegt den anderen Mächten gleichwohl die Pflicht ob, Deutschland in seinem Rache werke zu unterstützen und den Chinesen gegenüber die Solidarität Europas zu bekunden. Das Fremdenblatt sagt, der Kaiser werde nunmehr darauf bestehen, daß eine imponirende Anzahl deutscher Truppen in Peking einrückt, damit die chinesische Regier ung und das Volk die Macht des Deutschen Reiches voll auf erkennen lerne und miste, mit wenn sie anbinden, wenn sie sich an ihm vergreifen. Die Neue Freie Presse füh aus, der Kaiser spreche zu seinen Soldaten, aber nis für sie allein, sondern für die ganze Welt. Das Neue Wiener Tagebl. betont: Zorn und Schmerz können Kaiser Wilhelm nicht von den festgehaltenen Wegen der Politik des Reiches abbringen, an der Solidarität aller Völker den fanatisirenden Instinkten der chinesischen Masten gegen über festzuhalten. Die Deutsche Zeitung schreibt: Kaiser Wilhelm betonte, daß an dem Vollzug des Strafgerichts in China alle Völker betheiligt sein sollten. Paris, 4. Juli, Ueber die Rede Sr. Maj. des Kaisers Wilhelm sagt der Figaro, die Rede habe auch in Frankreich starken Widerhall gefunden. Der Kaiser hab jene Sprache geführt, welcher Frankreich immer Beifall zollen werde; er habe, wie schon so oft, auch diesmal den richtigen beredten Ton angeschlagen. Wenn man die An sprache im einzelnen prüfe, sehe man, daß sie von politi schem Geiste allerersten Ranges erfüllt sei. Kaiser Wil- Helm habe die Soldaten daran erinnert, daß sie mit Rusten, Engländern und Franzosen für die Sache der Civilisation und des Christenthums kämpfen würden. Diese patriotischen Worte, angesichts derer alle Meinungsver schiedenheiten verschwänden, müsse man rückhaltslos be wundern. — Matin erklärt, die Ansprache des Kaisers gebe in beredter Weise dem Gefühle der Solidarität Aus druck, das angesichts der gemeinsam erlittenen Unbilden die Herzen aller Europäer erfülle. Das Blatt meint, der Sinn der Rede gehe dahin, daß nicht die Fahne einer einzelnen Macht, sondern die von ganz Europa, welches sich zu demselben Werke der Menschlichkeit und Civilisa tion vereinigt habe, von den Mauern Pekings flattern müsse. — Lantcrne sagt, es sei unmöglich, sich energischer und klarer auszusprechen Solche Erklärung komme un gefähr einer Kriegserklärung gleich. Münster, 3. Juli. Die hier lebende Mutter des verstorbenen deutschen Gesandten in Peking, Frei frau von Ketteler, erhielt ein Beileidstelegramm des Kaisers, in welchem derselbe seine innigste Theil- nahme nnd freundliche Anerkennung für die treuen Dienste ihres Sohnes ausspricht, „welcher", fo hei^t es wörtlich, „sich bis zum letzten Athemznge als treuer, hervorragender Diener Meines Hauses und des Vater landes bewährt und seinem Vaterlande, seinen Lands leuten und seiner Familie Ehre gemacht hat. Gott allein vermag das trauernde Mutterherz zu trösten. Wilhelm, I. R.". Ein dem Gesandtenmord in Peking ähnlicher Bruch des Völkerrechts ist schon 1860 in China vorgekommen. Als damals der Krieg Englands und Frankreichs gegen China bereits zu Friedensverhandlungen geführt hatte, wurden 39 an diesen betheiligte Beamte und Offiziere der beiden Westmächte verrätherisch in Tung-tschou überfallen und nach Peking geschleppt. Der Krieg begann deshalb mit neuer Schärfe; als die Verbündeten dann Peking erobert hatten, ergab sich, daß von den gefangenen Frie dens-Unterhändlern 20 von den Chinesen ermordet, oder an Mißhandlungen gestorben waren. Die Friedens bedingungen wurden infolgedessen verschärft. Als nicht uninteressant dürfte zur Zeit die Thatsache gelten, daß die chinesische Armee theilweise mit bayerischen Gewehren älteren Musters ausgerüstet ist. Diese, die nach Einführung des jetzigen, im Gebrauch befindlichen Musters in den Zeughäusern aukbewahrt wurden, hat das König!, bayerische Kriegsministerium an einen bayeri schen Offizier a. D. verkauft, der sie durch Vermittelung einer Hamburger Groß-Firma und nach Einwilligung des Reichskanzleramtes im vorigen Jahre an die chinesische Regierung lieferte. Jahresfeier des Bethlehemstists. Die diesjährige Jahresfeier des Bethlehemstiftes im Hüttengrunde bedeutete gleichzeitig die Weihe eine« Neu baues und ist deshalb besonders bemerkenswerth. Die beiden zum Bethlehemstift gehörenden Gebäude, Knaben haus und Mädchenhaus, sind durch einen eingefügten Mittelbau zu einem Gebäude vereinigt worden, wodurch neben den neu gewonnenen Räumlichkeiten für Schlafsäle w im Erdgeschoß ein Saal geschaffen wurde, in dem man Heuer das 10. Jahresfest feierte. Trotz strömenden Regens war das ziemlich große Lokal gestillt mit den Bewohnern des Ortes und zahl reichen Freunden der Anstalt. Nach dem gemeinschaftlich gesungenen Liede „Sollt ich meinem Gott nicht singen" hielt Herr Pastor Tröger-Jerisau, früher Diakonus von Hohenstein, eine Ansprache nach dem Schriftwort: Meine Seele erhebet den Herrn und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes. (Diese Ansprache wird in einer der nächsten Nummern der monatlich beigelegten „Kirchlichen Nachrichten" abgedruckt. Red.) Mit kind licher Aufmerksamkeit lauschten die kleinen um das Redner pult gruppirten Bethlehemstiftler, die Knaben mit Sttäuß- chen, die Mädchen mit Kränzen geschmückt, den von Herzen kommenden und zu Herzen gehenden Worten des Herrn Redners, an welche sich ein Gesang der Kinder schloß. Dann gab Herr Pastor Siebenhaar-Breitenborn den ge schäftlichen Bericht, aus welchem wir das Hauptsächlichste folgen lassen: Am 24. Juli 1890 wurde auf dieser Höhe in gemietheten Räumen die erste Feier abgehalten, ge wissermaßen eine Grundsteinlegung ohne Grundstein; es sei erfreulich, wie sich das gute Werk in den 10 Jahren seines Bestehens entwickelt habe. In den letzten Jahren hat sich aber ein Raummangel immer geltender gemacht, sodaß, ermöglicht durch reiche Liebesgaben, der heute fertiggestellte Verbindungsbau errichtet werden mußte. Nach einer launigen Schilderung des Verlaufes der Bau arbeiten berichtet Herr Pastor Siebenhaar weiter, daß sich z. Z. 111 Kinder im BethlShSMstift befinden; der Löwenantheil entfällt hiervon auf Chemnitz mit 57, dann folgt Dresden mit 12, Potschappel 10, Döbeln 6, Leipzig und Mittweida je 4 Kinder rc. — Das Genesungs heim birgt augenblicklich 49 Personen; davon sind aus Chemnitz 26, Dresden IO, Leipzig 10, Oberlungwitz 5, Glauchau 4, Hohenstein-Ernstthal 1 rc. — Bei jedem Abschlusse der vergangenen 10 Jahre wurde ein nam hafter Ueberschuß gemacht. Der Neubau kostet ca. 30000 Mark; 20000 Mark stehen baar zur Verfügung. Mit dem Wunsche, daß Gott fortfahren möge, das gute Werk zu segnen, schloß Herr Pastor Siebenhaar seinen Bericht. — Der Vertreter des König!. Landesconsistoriums, Herr Ober-Eonsistorialrath Clauß, ergriff schließlich das Wort. Er führte aus, daß das König!. Landesconsistorium in allen seinen Gliedern mit lebendiger Theilnahme verfolgt sabe, was im Hüttengrunde vor sich gehe. Es freue sich darüber, daß die Arbeit von Gottes Segen begleitet war. Dies alles aber sei hauptsächlich ein Erfolg der langen und wirkungsvollen Thätigkeit des Herrn Pastor Sieben haar, dem er hiermit im Namen und im Auftrage der obersten Kirchenbehörde danke und ihm im Allerhöchsten Auftrage das Ritterkreuz 1. Klasse vom Al brechtsorde« mit dem König!. Dekret überreiche. Mit den herzlichsten Wünschen schloß Herr Oberconsistorialrath Clauß seine Ansprache. Im höchsten Grade überrascht dankte der Ausgezeichnete seiner vorgesetzten Behörde. Was er gethan, habe er nicht um äußerer Auszeichnung willen gethan, sondern stets innere Befriedigung gefunden. — Mit allgemeinem Gesang schloß die erhebende Feier. Alle Erschienenen folgten sodann der Einladung zu einer Tasse Kaffee und besichtigten schließlich die Ein richtung des Stiftes. Im Parterre befinden sich die Wirthschaftsräume, Küche, Badezimmer rc.. große und Helle Schlafsäle sieht man im 2. und 3. Stock. Man staunt förmlich über die große Zahl der hier aufgestellten Betten und ist erfreut über die Ordnung und Sauberkeit, die allenthalben angenehm auffallen. Sicher hat jeder Besucher vollauf befriedigt von dem Gesehenen und Ge hörten die gastliche Stätte verlassen. Zum Sächsischen. Wolffs Telegr. Bureau meldet uns: — Meerane, 5. Juli. Im Alter von 65 Jahren verstarb gestern in Bad Reichenhall, wo er Teilung von einem hartnäckigen Halsleiden suchte, der Stadtrath und Fabrikbesitzer Eduard Reinhold von hier. Der Verstorbene war feit etwa Jahresfrist auch Mitglied der zweiten sächsischen Ständekammer. — National-Fest. Seit einigen Wochen halten sich in unserer Stadt und Umgebung eine An- ahl Amerikaner auf, die als geborene Deutsche vor Seine Schwester. Roman von Fanny Stöckert. 17. Fortsetzung Nachdruck verboten.) Daß man an solchen Sachen hängen könne, daß sie oft mit dem Leben eng verwachsen sind, solche Ge danken kamen der jungen Dame natürlich nicht. „Meine alten lieben Möbel sollen in fremde Hände gehen!" seufzte die alte Dame. „O, man muß in allen Dingen mit der Zeit fvrtschreüen, gnädige Frau," versetzte Carla. „Unsere alten Möbel sind längst verkauft und haben modernen Sachen Platz gemacht. Ich kenne einen alten halb verrückten reichen Herrn, der Unsummen für alte Möbel zahlt, den werde ich Ihnen zuschicken. Für das Geld, was für die alten Möbel gelöst wird, können wir dann die ganze Einrichtung, die wirklich sehr veraltet ist, modernisiren." „Natürlich verkaufen wir, rief Fred begeistert, ich habe mir schon längst einen Diplomatenschreibtisch gewünscht, und Portieren müssen wir auch haben." „Gewiß, ohne Portieren geht es nicht mehr, und Stores und einige Wanddekorationen müssen ange schafft werden!" erklärte Carla, unbekümmert um den schwermüthigen Blick, den die Frau Justizräthin aus ihre alten, lieben Möbel heftete, die noch im wirren Durcheinander herum standen. Am nächsten Morgen schon erschien Carla mit dem Käufer; derselbe war ganz entzückt von den alten Möbeln und bot eine solche Summe dafür, daß Fred es gar nicht begreifen konnte, wie seine Mutter noch zögerte, und eines und das andere doch lieber behalten wollte. „Aber Mütterchen, neue Sachen sind doch viel schöner!" rief er und der Käufer lächelte, und erstand schließlich ein Stück nach dem anderen. Es war ja eine schöne Summe Geld, die die Frau Justizräthin nachher in den Händen hielt, aber als die Möbeln, die theilweise noch aus ihrem elterlichen Hause stammten, nachher fortgeschafft wurden, da war es ihr, als ginge ein Stück von ihrem Herzen mit. Fred jedoch war selig, das viele Geld, was konnte man alles für schöne Sachen dafür kaufen, er konnte es garnicht erwarten, bis man, von Fräulein Carla geführt, die Einkäufe besorgte. Die junge Dame wußte überall die billigsten Geschäfte, ob die Sachen, die man kaufte, dauerhaft und haltbar waren, das kümmerte sie nicht weiter, wenn es nur nach etwas aussah. Und es sah schließlich nach etwas aus, diese theilweise neue Ein richtung. Fred war entzückt von all dem Neuen, und sein strahlendes Gesicht mußte seine Mutter ent schädigen für alles, was sie in der alten Heimath aufgegeben; das liebe alte Haus mit seinen großen, behaglichen Räumen, worin sie lange, lange Jahre gewohnt, die Berge, die Wälder! Hier war alles eng, bedrückend, wo man hinschaute himmelhohe Häuser und in der Wohnung alles so fremdartig, diese phantastischen Arrangements, die aus Carlas, in solchen Dingen unermüdlichen Händen hervorgegangen, hatten so garnicht's anheimelndes für sie. Ein paar blühende Blumen am Fenster waren ihr lieber gewesen, als diese bunten Draperien an den Wänden, diese Wandteller, die doch etwas ganz überflüssiges waren. Fred freilich erklärte, sie gehörten nothwendig zu einer modernen Einrichtung, und schleppte immer mehr solche unnützen werthlosen Dinge herbei aus den Drei- mark- und Fünszigpfennig-Bazars und seiner Mutter wurde es immer fremder und unheimlicher in der neuen Heimath. Ein Zurück aber gab es nicht mehr, sie mutzte sich schon zurechtfinden lernen in diesem neuen, so veränderten Dasein. Auch an Fräulein Carla mußte sie sich erst ge wöhnen, sie war so ganz anders als die jungen Mädchen in G. „Sie ist eben eine Großstädterin," sagte Fred, als sie sich einmal ziemlich schüchtern darüber aussprach. „Gewöhnen mußt Du dich schon an sie, da sie doch einmal dein Schwicgertöchterchen wird." „Fred!" rief die alte Dame da ganz erschrocken, „sprich doch nicht solchen Unsinn, Du wirst Dich wohl noch in manche andere verlieben, wie Du es vorher gethan hast und dann auch eine andere heirathen." „O das waren alle nicht die Rechten, vorüber gehende Interessen, mit denen das Herz nichts zu thun hatte. Carla jedoch erfüllt mein ganzes Sein und Denken" erklärte Fred. „Denke lieber an dein Studium, an Dein Examen, mein lieber Junge, zum Lieben hast Du spärer noch lange Zeit." „Es läßt sich alles vereinigen Mutter, und die rechte Liebe spornt an, treibt und drängt uns die ge setzten Ziele zu erreichen." Das klang ja nun sehr schön, wenn auch vorläufig von allzu eifrigem Studiren noch nicht viel zu bemerken war. Die Residenz bot so viel Neues, Schönes, das reizte zum Genuß. Auch die Frau Justizräthin begann allmählig dem Residenz leben Geschmack abzugewinnen, das war doch etwas anderes wie das täglich sich gleich bleibende Fort spinnen der Tage in der alten Heimath. Man ver gaß bei diesem anregenden Leben viel leichter alle Sorgen, es wirkte belebend, verjüngend, nur daß Melitta nicht theü nehmen durfte an diesem so reichen Leben, beklagte sie bisweilen, aber die Zeit ihrer Rück kehr war ja nicht allzufern mehr. Vielleicht war es auch zu ermöglichen, daß sie einmal auf ein paar Wochen nach Berlin kam, zunächst freilich wollte ihre Schwägerin mit Flora kommen und die Saison hier genießen. Es war ihr ein wenig bange vor dieser Zeit, was würde Frau Anna wohl sagen zu dieser bunten zusammen gewürfelten Einrichtung hier, sie, die für dergleichen so gar keinen Sinn hatte. Da erhielt sie eines Tages einen sehr liebens würdigen Brief von Flora, in welchem diese anfragte, ob die Tante sie wohl bei sich aufnehmen könne. Ihre Mutter könne sie nicht begleiten, da sie etwas an Rheumatismus leide, sie aber möchte nicht auf die Winterfrendeu der Residenz ganz verzichten, und könne ja auch ganz gut fort, da Melitta für alles sorge. Fortsetzung folgt.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)