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WWMliMl NMt Grscheittt zeden Wochentag abends für den folgenden Tag und kostet durch die Austräger pro Quartal Mk. 1,40, durch die Post Mk. 1,50 frei in's Hans. Anzeiger für Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Kuga«, Hermsdorf, Kernsdorf, Inserate nehmen außer der Expedition auch die Austräger auf dem Lande entgegen, auch befördern die Annoncen- Expeditionen solche zu Originalpreisen. Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Rußdorf, Wüstenbrand, Grüna, Mittelbach, Ursprung, Erlbach, Kirchberg, Pleißa, Reichenbach, Callenberg, Tirschheim, Kuhschnappel, Grumbach, St. Egydien, Hüttengrund u. s. w. für den Verwaltungsbezirk des Stadtrathes zu Hohenstein-Ernstthal. VugMr erller Genrernöe-VerrVcrltungerr deu irinliegenöen Gutschcrfterr. Nr. 136. Sonnabend, den 16. Juni 1900. 50. Jahrgang Bekanntmachung. Der Stadtrath hat beschlossen, den parallel zur Bahn hinführenden Wirthschaftsweg — von der neuen Goldbachstraßenunterführung bis zu dem sogen. Möckelweg — für allen Verkehr einzuziehen. Gemäß Z 14 des Gesetzes über die Wegebaupflicht vom 12. Januar 1870 wird dies mit der Aufforderung öffentlich bekannt gemacht, etwaige Widersprüche innerhalb drei Wochen, vom Tage der Be kanntmachung ab gerechnet, bei dem Stadtrathe schriftlich einzureichen. Hohenstein-Ernstthal, den 2. Juni 1900. Der Stadtrath. vr. Polster. Bürgermeister. Bekanntmachung. Sonnabend, den 16. Juni dss. Ihr., Nachmittags 4 Uhr, wird im hiesigen Rathhause (Altstadt) das Fleisch einer mit Tuberkulose (Perlsucht) behafteten Kuh als minderwerthig in rohem Zustande ü Pfund 46 Pfg. öffentlich unter polizeilicher Aufsicht verkauft. Hohenstein-Ernstthal, den 15. Juni 1900. Der Stadtrath. Nr. Polster. Ws. Krkanntmach««g, Landesvermessung betr. Durch das topographische Bureau des Königlich Sächsischen Generalstabs finden im Sommer- halbjahr INNO unter Leitung des Majors von Carlowitz topographische Feldarbeiten der Landesvermessung auch innerhalb des Bezirks der Gemeinde Gersdorf statt. Die Grundstücksbesitzer und überhaupt alle Einwohner des Gemeindebezirks werden aufgefordert, dem Direktor des topographischen Bureaus des Generalstabes, Major von Carlowitz, sowie den ihm unterstellten Offizieren, Topopraphen und Hilfstopographen bei der Ausführung dieses gemein nützigen und wissenschaftlichen Unternehmens allerseits zur Beförderung des Auftrages und zur Erreichung des beabsichtigten Zweckes thunlichste Unterstützung zu gewähren und Hilfe zu leisten. Das Umwerfen, Zerbrechen oder Entfernen der ausgestellten Signalstangen, sowie jede Störung der Vermessungsarbciten wird mit Geldstrafe bis zu 80 Mark oder Haft bis zu 8 Tagen bestraft. Gersdorf, 12. Juni 1900. Der Gemeindevorstand. Göhler. Der Aufstand in Chiua. Die Lage der Europäer in Peking hat sich ernstlich verschlimmert. Fortgesetzt finden thätliche Angriffe auf Mitglieder auswärtiger Gesandtschaften statt, deren Ge bäude zum Theil von chinesischen Geschützen bedroht werden Die Aufständigen haben außerhalb der Mauern von Peking Schanzwerke errichtet und Kanonen aufgefahren, beabsich tigen also den anrückenden europäischen Truppen energisch Widerstand zu leisten. Diese kommen auf ihrem Anmarsch nur langsam vorwärts. Zu alledem soll nach einem Telegramm aus Schanghai auch der von Europa über Kjachta nach Peking führende Telegraph unterbrochen sein da die Aufrührer einen großen Theil der Linie auf ckine sischem Gebiet zerstört haben. Danach wäre Peking jetzt völlig isolirt. Das Bureau Dalziel meldet aus Schanghai: Die vor Peking verschanzte chinesische Armee beträgt 30 000 Mann mir vielen Geschützen unter Tungfuhsiang und Sungtschiang. Der russische, amerikanische und japanische Gesandte schickten Courierc nach Tientsin und erbaten je 2000 Mann Truppen von jeder Nation. Die Lage der Gesandtschaften in Peking ist hochkritisch. Der Daily Telegraph meldet aus Schanghai: Die Chinesen verschanzen sich außerhalb der Mauern von Peking, ihre Geschütze sind auf die amerikanische Mission und Gesandtschaft und die britische Gesandtschaft gerichtet. Admiral Seymours Colonne ist schlecht ausgerüstet und kommt nur langsam vorwärts. Aus Tientsin wird ge meldet: Eingeborene berichten, daß eine mehrere tausend Mann starke russische Colonne von Norden gegen Peking vorrücke. Nach Telegrammen aus Washington erhielt die Regierung Berichte, daß der Aufruhr in Peking ein acutes Stahium erreicht habe. Der Sekretär der belgischen Ge sandtschaft wurde zweimal angefallcn und entkam nur mit schweren Verletzungen, ferner wurden zwei Dolmetscher der britischen Gesandtschaft angefallcn, konnten aber mit Hilfe ihrer Revolver in das Gesandtschastsgebäude flüchten. Tientsin, 14. Juni Die Eisenbahnverbindung zwischen Tientsin und der aus Truppen der Mächte be stehenden Expedition unter Admiral Seymour ist drei Meilen jenseits Dangrsnü unterbrochen. Aangrsnü ist erst die zweite Station von Tientsin aus. Zwei Brücken sind zerstört. Cs geht das Gerücht, die Boxers seien entschlossen, die Station von Tientsin heute Nacht nieder zubrennen. Schanghai, l4. Juni. Nach einem Telegramm der North China Daily News aus Trehungking in der Provinz Szetschnai von gestern kam es zu Unruhen in Nünnanfu. Die Missionsgebäude der China-Jnlandmission wurden theilweise zerstört, jene der Britischen Bibelgesell schaft, der Christlichen Missionsgesellschaft, sowie der römisch-katholischen Mission wurden völlig verwüstet. Die Missionare sind alle im Damen in Sicherheit. Brüssel, 14. Juni. Wie die Reforme mittheilt, erhielt die Brüsseler Gesellschaft für Eisenbahnbauten in China von dem leitenden Ingenieur in China die Be stätigung de: von den Boxers verübten Grcuelthaten. Danach sind der Schweizer Deossent und die Italiener Cadei und Vesaro, welche bei dem Eiscnbahnbau beschäf tigt waren, sowie die Schwester Deossents ermordet wor den. Die Leichname wurden in einem Canal bei Puoting gefunden. Die übrigen belgischen und französischen An gestellten sind nach Peking und Tientsin gelangt, ausge nommen zwei, deren Aufenthalt unbekannt ist. 300 von der französisch-belgischen Gesellschaft mit Waffen versehene Mannschaften vertheidigen den Theil der Bahn, auf welchem der Verkehr auf einer Strecke von 100 Kilo Metern nicht unterbrochen ist. Der chinesische Mandarin Sheng, welcher stets den französisch-belgischen Einfluß be günstigte, hat versprochen, daß die Familien der Ermor deten in ausgiebigster Weise entschädigt werden sollen. Die Boxers haben die ungeheuerlichsten Lügen auf gebracht, so z. B. die Meinung im Volke verbreitet, die Europäer hätten im vorigen Jahre die Ueberschwemmung hervorgerufen. Bei Eisenbahnbauten schlügen sie tiefe Nägel in die Erde, um sie den dort schlummernden Ahnen und Genien in den Kopf zu treiben; das wird natürlich von jedem Senftenträger und Dschunkenfahrer, der sich durch die Eisenbahnen geschädigt glaubt, andächtig aufge griffen. Schon 11 Millionen Verschworene sind dem Bunde beigetreten und hohe Mandarinen fungiren unter der Protecfion Tsu-Sis hinter den Coulissen als Draht zieher. Die ganze Grausamkeit des chinesischen Charakters enthüllt sich in einer der letzten „Thaten" der Boxers, die sich gegen den englischen Missionar Robinson richtete. Wie einer seiner College» nach England berichtete, ist Robinson eines furchtbar martervollen Todes gestorben. Auf einer Reise war er in die Hände der „Boxers" ge fallen. Sie zogen ihn nackt aus, schnitten ihm die Ohren ab, zogen ihm einen Strick durch die Nase und führten ihn wie einen Ochsen von Dorf zu Dorf. Eines Tages, als seine Wärter beim Essen waren, entfloh er. Sie holten ihn aber bald ein und hackten ihn, nachdem sie ihn erst verstümmelt hatten, mit ihren Schwertern in Stücke. Aus diesen Meldungen geht hervor, daß die diplo matischen Vertreter der fremden Mächte in der chinesischen Hauptstadt mit der Sorge für ihre eigene Sicherheit voll- auf zu thun haben und gar nicht mehr in der Lage sind, die Interessen ihrer Negierungen und Länder den chine sischen Machthabern gegenüber nachdrücklich und wirksam zur Geltung zu bringen. Ob und wann sie dazu wieder im Stande sein werden, hängt ganz von dem Zeitpunkt des Eintreffens einer imponirenden europäischen Truppen macht in Peking ab. Es klingt deshalb wenig tröstlich, wenn eine offiziöse Auslassung der Wiener Pol. Corr, versichert, der Schwerpunkt der internationalen Action zur Eindämmung der fremdenfeindlichen Bewegung in China ruhe nach wie vor bei den Vertretungen der Mächte in Peking, die in analoger Weise, wie während der arme nischen Wirren die Botschafter-Conserenzen in Konstanti nopel, mit besonderen Vollmachten ausgestattet seien, sowohl das unmittelbar Erforderliche in collcctiven Be- rathungen vorzusehen, als auch den Regierungen Vor schläge zur Sache zu unterbreiten hätten! Welchen Respekt können die Chinesen vor „collcctiven Beratungen" haben, die vor den Mündungen chinesischer Kanonen statt finden, und wie sollen die diplomatischen Vertreter ihren Regierungen Vorschläge machen, da der telegraphische Verkehr mit Peking abgeschnitten ist? Die citirte offiziöse Auslassung fährt fort: „Das schließt natürlich nicht aus. daß zwischen den Cabinetten selbst ein reger Meinungs austausch begonnen hat, als dessen Ergcbniß sich consta- tiren läßt, daß alle Interessenten in ihrem fest geschlossenen Auftreten das sicherste Mittel erblicken, die plötzlich auf getauchte Gefahr abzuwenden, und daß die Bereitwilligkeit hierzu unter Verzicht auf selbstsüchtige Ausbeutungen der Lage Vertrauen einflößende Bekräftigungen von allen Seiten erfahren hat." Daß das Vertrauen der Mächte zu einander trotz aller Loyalitätsversicherungen von idealer Vollkommenheit weit entfernt ist, dafür kaffen sich die Belege mit Händen greifen. Was beispielsweise England Japan zutraut, das bewies die gestern von uns verzeichnete Alarmnachricht der Londoner Times, worin Japan Aspirationen auf drei der werthvollsten chinesischen Provinzen nachgesagt wurden, in welchen nicht bloß englische, sondern auch italienische An sprüche mit den japanischen collidrren würden. Wie es niit dem Vertrauen Englands zu Rußland steht, erhellt aus den nachstehenden Bemerkungen eines der besonnen sten britischen Preßorgane, der Westminster Gazette, die bereits das Schreckgespenst endgiltiger Besitzergreifung Pekings durch die Russen an die Wand malen. Das Blatt schreibt: „Die Aussicht, mehrere Tausend Russen nach Peking einmarschiren zu sehen, erfüllt uns denn doch mit einiger Besorgniß. Wenn eine europäische Macht irgendwo ein rückte, um die Ordnung wieder herzustellen, so hat man sie bisher noch selten wieder ausrttcken sehen. Unsere eigene englische Geschichte bietet viele Beispiele hierzu, und wir können kaum erwarten, daß andere selbstloser sind." Wie die Neue Freie Presse auf Grund authentischer Daten über die russische Truppenmacht in Ostasien mit theilt, stehen zur Zeit im Militärbezirk Amur 42 Batail lone Infanterie, 32 Escadrons Cavallerie (meist Kosaken). 136 Feldgeschütze, 13 technische Compagnieen und 13 Fest ungsartillerie-Compagnieen in einer Gesammtstärke von etwa 60,000 Mann. Diese Truppen können für den Kriegsfall durch 12 Bataillone, 32 Escadrons Cavallerie und zwei reitende Batterien aus 80,000 bis 85,000 Mann verstärkt werden. Von der russischen Kriegsflotte befinden sich gegenwärtig in den ostasiatischen Häfen 3 Schlachtschiffe, 4 Panzerkreuzer, 6 Kanonenboote, 20 Torpedooboote, 10 Torpedozerstörer, 6 Transportschiffe, 3 Hafenschiffe. Zu der Nachricht, daß 500 britische Truppen von Hongkong nach Tientsin abgesegelt seien, schreiben die „Times": Nöthigenfalls können diesem Kontingent weitere Verstärkungen für irgendwelche Punkte, wo wichtige britische Interessen gefährdet sein sollten, folgen, während die Besatzung von Hongkong leicht von Singapore und von Indien aus verstärkt weiden könnte. Gleichzeitig wäre eine Verstärkung der briti ¬ schen Flotte in den chinesischen Gewässern geboten. Sämmtliche Mächte handeln fortgesetzt in vollkommener Eintracht. Es ist kein Grund für die Befürchtung vorhanden, daß Rußland oder Frankreich ihre gegen wärtige Haltung aufgeben. Allein unsere Interessen in China sind groß und die weitere Entwickelung der Lage nicht nur in Nordchina so ungewiß, daß wir nicht falsch handeln, wenn wir wirksame Schritte ergreifen. Yokohama, 14. Juni. Die japanische regierungs freundliche Presse schreibt, Japan allein könnte den Ausstand in China unterdrücken, es müßte aber erst das Vertrauen der Mächte gewinnen, indem es Handlungen vermeidet, die Verdacht erwecken könnten. Das englische Parlament hat gestern seine Sitzungen wieder begonnen nnd sich natürlich auch sofort mit der chinesischen Frage beschäftigt. Der Parlamentsuntersekretär des Aeußern, Brodrick, be richtet im Unterhause über die Unruhen in China und sagt, von Hongkong aus würden zur Zeit Truppen aus geschifft, und der Kreuzer „Terrible" werde von dort nach Taku abgehen. Die Russen landeten 1700 weitere Mannschaften. Zwischen den Mächten herrsche vollkommene Uebereinstimmung hinsichtlich der von den Admiralen unternommenen Action. (Beifall.) Der frühere deutsche Gesandte in Peking Hr. v. Brandl warnt in einem in der N. Fr. Presse ver öffentlichten Aufsatze davor, den Vorgängen in China eine zu große Bedeutung beizulegen. Hr. v. Brandt vergleicht die Bewegung in China mit den, Ausbruch von Haß gegen England, den wir soeben erst in Deutschland erlebt haben, sowie mit der antisemitischen Bewegung, die den Juden jedes Verbrechens und jeder Niedertracht für fähig hält, und fährt dann fort: „Und nun sehe man sich China an. Seit 60 Jahren ist der Verkehr mit den Fremden ihm aufgezwungen worden, seit 40 Jahren hat man es genöthigt, über all, bis an die entferntesten Winkel des Reiches, die Anwesenheit von Missionaren zu dulden, die ihm Das zu nehmen suchen, was ihm das Heiligste ist, den Glauben an die Familie, die Ahnen und die Götter, und seit sechs Jahren zwingt man ihm Eisenbahn- und Minenconcessionen ab, und die fremde Presse hört nicht auf, von dem Zerfall des chinesischen Reiches und der Aufteilung desselben zu sprechen. Kann man sich da wundern, daß daeine Reaction eintritt und daß die Chinesen versuchen, sich in ihrer eigenen ungeschickten Art gegen das ihnen angedrohte Schicksal zu wehren? Die Be wegung der Boxers ist das Ergebnis der Ueberzeugung eines großen Theiles des Volkes, daß es vergewaltigt werden solle, und des Bedürfnisses, sich gegen eine solche Vergewaltigung zu wehren. Daß die Leute, um dieses Ziel zu erreichen, zu Mitteln greifen, die ihrer Sache nur schaden können, ändert nichts an der Berechtigung, welche jedes Volk hat, sich gegen den Verlust seiner Selbstständigkeit zu wehren. Die Aus schreitungen müssen unterdrückt, die Schuldigen be straft und die Rahe wieder hergestellt werden, was voraussichtlich ohne große Mühe möglich sein wird; aber dann tritt an die fremden Mächte, die zu China in Vertragsbeziehungen stehen, die Frage heran, Ivas weiter geschehen soll. Die chinesische Regierung ist zu gewissen Zugeständnissen genöthigt worden, und ich binder Ansicht, daß man dazu im Interesse der Civilisativn, die das Interesse der Menschheit ist oder wenigstens sein sollte, berechtigt war; aber es handelt sich letzt darum, ob man diese Zugeständnisse mit der Zu stimmung des chinesischen Volkes oder gegen den Willen desselben durchführen will. Das Letztere wäre meiner Ansicht nach ein vergebliches Bemühen, denn zur Durchführung der geplanten Arbeiten, Eisen bahnbauten und Bergwerksunternehmungeu, gehören nicht allein ungeheure Capitalien, sondern, was noch viel wichtiger ist, das Vertrauen des Publikums, ohne welches das Geld in dem Betrage, wie es sür die wirthschaftliche Eröffnung Chinas nothwendig ist, überhaupt nicht beschafft werden kann. Um dieses Vertrauen aber zu erlang n, genügt die Unterdrückung etwaiger Ausschreitungen mit Feuer und Schwert nicht, sondern es gehört dazu die der großen Menge zu gebende Ueberzeugung, daß solche Ausschreitungen richt zu den alltäglichen Ereignissen, sondern zu den eltenen, seltensten Ausnahmen gehören. Und diese lleberzeugung ist dem Publikum nur zusammen mit )er anderen zu geben, daß die erforderlichen Reformen in China nicht gegen den Willen, sondern mit der