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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 03.06.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190006039
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19000603
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19000603
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- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-06
- Tag 1900-06-03
-
Monat
1900-06
-
Jahr
1900
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 03.06.1900
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HoWm-EliiMalkl TaMatt. Amtsblatt. Nr. 126. Sonntag, den 3. Juni 1900. 1. Beilage. Ptffirgsteir. Ietzt heißt die letzten Wintersorgen Hinaus in alle Lüfte zieh'n — Laßt vor dem letzten Pfingstenmorgen Nun auch das letzte Leid entflieh'n — Befestigend im Lenzesrauschen Grüßt er die Welt fo wonnesam — Sie soll der Offenbarung lauschen, Tie ja in seinem Wehen kam! Tenn überall ein emsig Regen In Hain wie Au und Wald wie Klur, And überreich von künft'gem Segen Guillt's hoffnungsfroh in der Natur — Lin Blühen, Triften, Schwellen, Werden, Wohin das Auge staunend späht — Ls herrscht erneut nunmehr auf Lrden Tes Frühlings volle Majestät. So prangt in märchenhafter Hülle Rings wieder die verjüngte Welt — Umströmt von soviel Lebensfülle, Kühlt ihr auch eure Brust geschwellt — Mahnts euch doch jetzt auf allen Wegen In kargbemess'ner Stunden Klucht: Aus Liebeswerken sprießt der Legen, Im Strahl der Lonne reift die Krucht! Wohl, sei willkommen Fest der Maien, Zieh' ein in deiner Lenzespracht — Magst alle, alle du erfreuen Turch deiner Blüthen Zauberwacht — Lin frisches Hoffen sollst du bringen Uns ja zur frohen Rosenzeit, Mit gnadenreichem Hauch durchdringen Tie Herzen alle weit und breit! 8 B. Neuendorff. Znm Psingstfeste. Wenn von der festlichen Hälfte des christlichen Kirchenjahres gesprochen wird, jo ist man gewöhnt, von Weihnachten, Ostern und Pfingst-n zu reden; Weihnachten gilt als das Fest Goties des Vaters, Ostern als das Fest Gottes des Sohnes und Pfingsten ist das Fest Gottes des heiligen Geistes. Wo bleibt aber bei dieser Einteilung das Himmelfahrtsfest? Die drei höchsten Feste im Kirchenjahre sind nicht Weih nachten, Pfinqstcil und Ostein, sondern Weihnachten, Ostern und Himmelfahrt, denn in ihn n stellt sich das ganze Heilandsleben, das Erlösungsweik Jesu Christi von feinem Anfang bis zu feiner Vollendung dar, und das ist ja die Hauptsache, Person und Werk stehen im M-tlelvunlt des Chästenglaubens. Daß das Himmelfahitssest nur so zwischen Ostern und Pfingsten hine'ngeschoben wird zumal im Bewußtsein des Voltes, ist ein Beweis für das geringe Verständnis; der großen Heilsthatsachen des Chustenthums. Pfingsten ist nicht ein Fest erster Größe, sondern ein Fest zweiten Ranges. Es war die nothwendige Folge der Himmelfahit Christi, der erste und zugleich herrlichste Beweis da.ur, daß der Herr wirklich auf gefahren war zum Vater, daß ihm wirklich gegeben war alle Gewalt im Himmel und auf Erden.. Das erst- Pfingstfest war der erste nachdrückliche Hinweis auf die einstige Verwirklichung d.-s gan;en Heilswerres Christi, das er zusammenschließt in das Wort: „Es wird eine H-rde und ein Hirte sein." Und das ist auch die bleibend Bedeutung, der bleibende Segen des Pfingstfestes, eine Bedeutung und ein Segen, die freilich eine bleibende Forderung m sich schließen. Der Segen des l. Pfingstfestes war der wenn auch kurze, aber doch thatsächliche Zusammenschluß der durch die Verschiedenheit der Sprache getrennten Mensch heit zu einem Ganzen, zu einer Einheit im Geiste. Es ist das ein Segen, der sich im Verlaufe der Welt geschichte unaufhaltsam, wenn auch langsam fort und fort sich vollzieht. Die beiden treibenden Faktoren sind Weltverkehr und Weltmission Das deutsche Volk ist an Beiden gleich stark betheiligt, sowohl in seiner Gesammtheit als in de:: einzelnen Gliedern seiner Gesammtheit. Aber damit ist der Segen des 1 Pfingstfestes noch nicht erschöpft. Wohl kommt in dem Bölker- verkehr und in dec Völkermission der göttliche Liebes wille zu sein,m Vollzug, aber seine Schranke findet er zugleich in dec inneren Zerrissenhci', in der inneren Uneinigkeit der Träger desg oßeu Einheitsgedankens, deren letzter Grund d:e Sünde ist. Beweis dafür ist die Zwietracht der Völker unter e »ander, der Kampf des Menschen mit dem Mensch n. Das deutsche Volk zumal, das wie kein anderes Volk der Welt nach Lage und Angabe zum Träger des göttlichen PfingstgedaukenS berufen ist, das deutsche Volk bietet trotz seiner nationalen Einheit und Geschlossenheit nach außen ein B ld socialer wie religiöser Zerrissenhei- nach innen. Es fehlt die innere Einigkei'. Daß dieser Mang l immer mehr ausgeglichen werde, daß sich die Gegensätze der Gesellschaft und der Stände immer mehr verringern und schließlich gan; verschwinden, das ist die ständige Forderung des Pfingstfestes, die zum Ausdruck kommt in dem 2. Bers des Pfingstliedes: Du Quell, draus alle Weisheit fließt, D e sich in fromme Seelen gießt, Laß deinen Trost uns hören, Daß mir in Glaubenseiuigkeit Auch können alle Christenheit Dein wahres Zeugnis; lehren. Pfingstfeier. Kulturgeschichte Skizze von L. v. Aue. (Nachdruck verboten.) „Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen; es grünten und blühten Feld und Wald; auf Hügeln und Höh'n, in Büschen und Hecken übten ein fröhliches Lied die neuermunterten Vögel. Jede Wiese sproßte von Blumen in duftenden Gründen, festlich heiter glänzte der Himmel und farbig die Erde." So singt unser Altmeister I. W. v. Goethe in seinem „Reinecke Fuchs" von dem Pfingstfeste, dem lieblichsten aller Feste des ganzen Jahres, das der schwäbische Sänger L. Uhland in einem seiner schönsten Lieder bezeichnet als „das Fest der Freude, das da feiern Wald und Heide". Und in der That herrscht überall das Ge fühl der Freude. Diese Freude äußert sich in zahl reichen Sitten und Gebräuchen, die sich an die Feier des Pfingstfestes knüpfen. Unsere Altvordern, die ja mit der Natur so innig verwachsen waren, brachten es sich deutlich zum Bewußtsein, daß der holde Lenz mit >einem Gefolge ins Land gezogen fei und vor den Thoren dec Stadt sein Westn entfalte. Da rüstete die Obrigkeit zwei Reitergeschwader von starken, jungen G.sollen und Männern aus. An dec Spitze des einen Geschwaders ritt ein Hauptmann, in Pelz und gefutterte Kleider gehüllt und mit einem Spieße bewaffnct. Das war der Winter. Er warf künstlicheShneeballeu und Eis zapfen vor sich hin, als wollte er seine gestrenge Herrschaft verlängern. Der Blumengraf aber, be kleidet mit grünem Gezweig, Laub und Blumen, süh:te das zweite Geschwader in die Stadt hinein, das leichte Sommerkleider t ng. Dann begann ein lustiges Turnier der beiden Schaaren. Der zornige Winter und sein finsteres Gefolge warfen mit Asche und Funken um sich, während das sommerliche Gesinde mit grünen Birken- und Lindenzweigen sich wehrte. Nachdem der Kampf eine Zeit lang gedauert hatte, siegte der Sommer laut Entscheidung des umsteh, n- den Volkes, und eine allgemeine Lustbarkeit beschloß den Tag. Dieser allheidnische Brauch ist allmählich ver schwunden, aber aus der heidnischen Zeit hat sich bis auf den heutigen Tag die Sitte erhalten, zum Pfingstfeste von der Do, singend aus ihrer M-tte einen Maikönig zu wählen, der, mit Laub umhüllt, in feierlichem Zuge nach dem Ort gebracht wird. Zwei der angesehensten Burschen in stattlichem Anzüge mit weißen Stäben führen den Zug an, Musik be gleitet ihn. Während des Zuges werden für den König überall Gaben eingefammelt, die meist in Naturalien b-stehen und am Abend von der Gesamt heit verspeist werde»; denn Tanz und Gelage beschließen das Fest. In vielen Gegenden ist der Name Maikönig unbekannt, aber die rege Volksphantasie hat ähnliche Gestalten geichaffm, denen cs die verschiedensten Namen gegeben hat. So kennt man in Thüringen den grünen Mann, das Laubmännchen, im Erzgebirge den wilden Mann, im Elsaß das Pfingstklötze!, in Bayern das Pfingstl, in Schwaben den Latzmrnn und andere. Nicht immer sind sie in Laub gehüllt, sondern meist in Stroh. Auch sie werden nach dem Ort gebracht, und hier wird ihre H lle unter allgemeinem Jubel ins Wasser geworfen oder gepeitscht oder verbrannt." P osessar Dc. Mo k ist der Meinung, daß diese iymbolische Figur nicht den Dämon des neuen Sommers, sondern die vergangene Jahreszeit ve sinn bildlichen solle, wofür auch die Thatsache spreche, daß man sie in einigen Gegenden in der Fastuachts- zeit antreffe. Nebe» dem Maikönig kennt das deutsch: Volk auch eine Mai- oder Pfingstkönigiu. Dazu wählen die Mädchen des Dorfes die Schönste aus ihrer Mitte, zieren sie mit Blumen und tragen sie dann singend durch die Straßen. Vor jedem Hause macht man Halt, die Mädchen schließen um die Königin einen Kreis, singen althergebrachte Volkslieder und heische» Gaben. So verstreicht unter Musik und Ge sang der ganze Tag. In anderen Gegenden, wie z. B. in Hessen, Westfalen und den Rh,inlanden, treten Maikönig und Maikömgin nebeneinander auf; „sie heißen dann das Brautpaar und werden ebenfalls in feierlichem Um züge durch den Oct geführt. Dec Maikönig, der von den Bursche» erklärt ist, wählt sich seiue Maikönigi», der er sich ein volles Jahr zu widmen hat. Alsdann werden in feierlicher Sitzung die anderen heiraths- sähigen Mädchen an ehienhaste Bursch.-n vergeben; jeder hat für sein Mädchen das ganze Jahr zu sorgen, hat sie bei allen F stlrchkeiteu abzuholen und heim- zubegleiten." Bei dies--» Festlichkeiten wird streng auf die Ehrenhaftigkeit des Barschen und des Mäd chens gehalt v; der ge.ingste Makel schloßt von der Feier aus. Weitverbreitet ist der Brauch, zum Pfingstfeste einen Maibaum, in der Regel eine große Birke oder Tanne, zu pflanzen. Dieser Baum, der auf gemein samen Beschluß der ganzen Gemeinde aus dem Walde geholt und im Mittelpunkte des Ortes oder auf dem der Stadt aufgepflanzt wird, muß sorgfältig gehütet werden, da die Nachbaigemeinden ihn zu entführen suchen. Gelingt dies, so muß er ausgelöst und dann im feierlichem Aufzuge zurückgebracht werden. Um d esen Maibaum, auch Maistme genannt, wird am Pfingstfeste ein Reigen aufgeführt, an dem sich kein Mädchen von makelhastem Rust betheilige» darf. Jn vi-len Gegenden, besonders in Süddeutschland, ist es üblich, daß der Bursche seiner Liebsten eine „Maie" vors Haus steckt oder vor das Fenster ihres Kämmerleins pflanzt. An diese Sitte erinnert Hoff mann v. Fallersleben, wenn er singt: „llebers Jahr, zur Zeit der Pfingsten, Pflanz' ich Maien Dir voiS Haus, Bringe Dir aus weiter Ferne Einen fr,scheu Blumenstrauß " Politische Wochenschau. Obwohl wir uns allgemach der wärmeren Jahreszeit nähern, ist von dem Beginn der politischen Sommerruhe noch wenig zu spüren Aus dem Gebiet der inneren Politik ist es zwar vorübergehend stiller geworden, denn die Parlamente pflegen der Pfingstruhe und die parla mentarische Session neigt sich ihrem Ende zu. Ein Werk von umfassenderer Bedeutung wird der deutsche Reichs tag noch in dem kurzen Tagungsabschnitt, der ihm nach Pfingsten bevorsteht, vollbringen, die bereits als absolut sicher zu bezeichnende Genehmigung der Flottenvorlage. Eine weitere Thätigkeit ist von dem Reichstage schwerlick noch zu erwarten und auf ihren dringenden Wunsch, auch das Reichsseuchengesetz noch in dieser Session unter Dach und Fach zu bringen, wird die Regierung verzichten müssen. Im preußischen Landtage ist keinerlei größere Aktion mehr zu erwarten Die Seeschlange der preußi schen Politik, die Kanalvorlage, wird in diesem Sommer trotz aller entgegengesetzten Versicherungen nicht mehr an den parlamentarischen Gestaden austauchen und es bleibt abpnvarten, ob der Unternehmungsgeist der Regierung bis zu der mehrfach angekündigten Herbsttagung des Landtages so weit gewahsen sein wird, wie es zu dem Kampf um den Kanal erforderlich wäre Wir wollen nur hoffen, daß der sagen- und kompensationsumwobene Mittellandkanal bei diesem Hin- und Herzcrren nicht doch noch einmal „zu Wasser wird", aber im körperlichen und nicht etwa im figürlichen Sinne, wie es die agrarischen Gegner des Kanals wünschen. Während wir uns in Deutschland auch aus dem Gebiete der Politik allgemach der stilleren Saison nähern, sehen wir im Ausland noch fast allenthalben die volitische Hochsaison in vollster Blüche stehen. In unterem Nach barlande Oesterreich hat die chronische Krisis abermals eine außerordentlich akute Form angenommen. Trotz aller Beschwichtigungsversuche des Kabinets Körber haben die Tschechen sich nicht bewegen lassen, von ihrer Obstruktion, die den Gang der parlamentarischen Maschine völlig ins Stocken gebracht har, abzulaffen. Die Schuld an dieser Haltung des Tschecheuthums tragen freilich in erster Reihe die übrigen Parteien der Rechten welche trotz aller tönenden Redensarten nichts gethan haben, um den Tschechen die Sinnwidrigkeit ihrer jetzigen Haltung vor Augen zu führen Vielmehr mußten sie Tschechen aus dem passiven Verhalten der Mehrheit des Reichsraths die Ueberzeuguag gewinnen, daß die Rechte im Hmgens- .runde mit ihnen sympathisire. Unter diesen Umständen ist es nicht zu verwundern, wenn das Kabine! Körber die Auflösung des RcichSraths ins Auge saßt und bereits allen Ernstes davon gesprochen wird, daß der berühmte 8 14 der No'.hverordnungsparazraph, wieder in Thätig keit treten werde. Das wäre allerdings keine Lösung, sondern ein Durchbauen des gordischen Knotens mit recht zweffelhasten Aussichten. Wie der von dem italienischen Kabinet Pelloux unter nommene Versuch der Auflösung der Kammer aasgehen wird, wird sich alsbald zeigen, denn bereits an diesem Sonntag sinven die Neuwahlen für das italienische Par lament statt. Das Kabinet rechnet anscheinend mit Be stimmtheit darauf, daß auch die neue Kammer ihm eine sichere Mehrheit bringen wird. Für diese Annahme spricht der Umstand, daß die Regierung in Italien gewohnheits gemäß einen starken, vielfach wenig legalen Einfluß aus die Wahlen ausübt, sodaß eine regierungsfeindliche Mehr heit in Italien zu den verschwindenden Seltenheiten ge hört Erst im Verlauf der Session pflegt dort die Re gierungsmehrheit abzubröckeln, da gar mancher Kandioai als „Ministerieller" sein Mandat erzielt, um nach einer gewissen Anftandssrist in das Lager der Opposition ab- zuschwcnken. Wenn also das Kabinet Pelloux auch eine Mehrheit erzielen sollte, so würde das noch nichts für eine längere Lebensdauer des Kabinets beweisen. Einen recht schweren Stoß hat die Lebensfähigkeit des französischen Kabinets Waldeck-Rousseau durch den Rücktritt des Kriegsministers Gallifet erlitten, und ob der Nachfolger Gallrfets, Andre, der Mann sein wird, der das erschütterte Gleichgewicht des Kabinets wieder Her stellen kann, das wird als einigermaßen fraglich erschei nen müssen. Daß das Kabinet kurz nach seinem Siege über die Nationalisten durch sein eigenes Mitglied diese Schlappe erlitt, ist merkwürdig genug, aber die Natio nalisten täuschen sich, wenn sie glauben, daß sie berufen sein werden die etwaige Erbschaft des Kabinets Waldeck Rousseau anzutreten In der gleichen Hoffnung sind die Liberalen in Belgien schmerzlich getäuscht worden. Das klerikale Kabinet ist aus den Wahlen, die es mit Hochdruck be trieben hatte, als Sieger hervorgegangen. Zur Beruhi gung des Landes wird dieser Sieg freilich schwerlich bei tragen, denn das einseitige Parteiregiment der Klerikalen ist am wenigsten im Stande, dem heillos verfahrenen Zustand und den politischen Wirren in Belgien ein Ende zu machen Im Zustande einer heillosen Verwirrung und voll kommener Auflösung befindet sich das chinesifche Riesen reich. Der Ausstand der Boxer-Sekte hat einen derart!, gen Umfang angenommen und die chinesische Regierung sich als so macht- und willenlos erwiesen, daß die Groß Mächte, sich zum militärischen Einschreiten gezwungen sahen und auch Deutschland zum Schutze seiner bedrohten In teressen militärische Schutzmaßnahmen getroffen Hut Die Ereignisse in China lassen keinen Zweifel daran, daß wir uns bereits wieder mitten in der Ausrollung der chinesi schen Frage befinden, bei der man jedenfalls auf etwelche Komplikationen gefaßt sein muß. Das südafrikanische Kriegsdrama geht reißend schnell seinem Ende entgegen und der Abschluß wird leider ein tiestragischer sei». Das Kriegsdrama endet als eine Völkertragödie, mit der Unterjochung zweier freien Völker, die ihre staatliche Selbstständigkeit verlieren, weil ihr Land einen Gold reichthum barg, der die Habgier Englands seit Jahr zehnten gereizt hat. Der Oranje-Freistaat halte schon früher, als ihm das gleiche Geschick drohte, die Diamantengruben von Kimberley an das Nimmersatte Albion abgetreten und sich damals durch dieses Opfer die politische Selbstständigkeit gerettet, die er jetzt doch verloren hat. Die Transvaal-Buren hätten das Ge schick, das sie jetzt ereilt, vielleicht abwenden können, wenn sie das reiche Goldgebiet des Witwatersrand an das goldhungrige England abgetreten hätten, denn nicht nach dem Ackerland und den Jagdgebieten des Burenlandes stand das Trachten Englands, sondern nach den unermeßlichen Goldschätzen des Transvaal. Jetzt ist cs zu spät für die Bunn, auch nur einen Theil ihres Landes, und sich eine wenn auch kümmer liche Selbstständigkeit zu reite». Nachdem die Macht der Buren durch die überwältigende Uebermacht der englischen Armee gebrochen worden ist, wird es für die Engländer keinen anderen Frieden geben, als de», der die völlige Vernichtung der freien Bnrenstaaten im Gefolge hat. Unerwartet und überraschend schnell hat sich die Situation auf dem Kriegsschauplatz seit dem schweren Verlust, den die Buren bei Paardeberg erlitten hatten, zu ihren Ungunsten geändert. Seit der Capitulalion Cronjes schien sie alle Thatkrast nnd Energie ver lassen zu haben und wenn sie auch noch hin und wieder vorübergehende Erfolge erzielten, fo fehlte doch seitdem ihrer Kiiegssuhrung jeder einheitliche und große Zug. Es hat sich gezeigt, daß sie Erstaunliches leisten, sobald es darauf ankam, gu.e Positionen mit zäher Tapferkeit auch gegen eine ungeheure Uebermacht zu halten. Aber darüber hinaus ging die militärische Leistungsfähigkeit der Buren nicht. Waren sie schon unfähig, eine ernsthafte Offensivtaktik durchzusühren, so waren auch ihre Leistungen in der offenen Feld- schlacht nicht so hervorragend, wie sie hätten fein müssen, um einer starken Uebermacht Widerstand zu leisten, deren Taktik darin bestand, den schwächeren Gegner zu umfliigeln. Es beweist einen Mangel an militärischer Sach kenntnis; und es ist zugleich eine starke Ungerechtigkeit, wenn man den Buren ihre schweren Niederlagen und ihre militärische Demoralisation zum Vorwurf machen will. Zweifellos haben sich die Buren in diesem Kci.-ge als ein militärisches Material gezeigt, wie cs in gleicher Tüchtigkeit kaum in einem zweite» Volke zu finden ist. Aber diesem Material fehlte die müi- lluisch.- Schulung, die strenge Disziplin, auf welchen Faktoren die Leistungsfähigkeit der modernen Heere beruht. Diese Eigenschaften sind auch durch die größte persönliche Tüchtigkeit und durch noch so zuverlässige Sicherheit im Schießen nicht zu ersetzen. Dazu kam, daß die Führung der Buren von vornherein eine durchaus mangelhafte war und daß ihre Strategie jeden größeren Z ig vermissen ließ, bewudecs, nacydem schon im ersten Theil des Feldzuges alle bedeutenderen europäischen Führer der Buren gefallen oder in Ge- sangenfchasi gecathen waren. Endlich halte die Führung der Buren noch mit der Selbstständigkeit, mit dem Eigensinn des einzelnen Kriegers zu rechnen und zu kämpsen, da sich jeder als fein eigener General fühlte, und, um das Maß des Unheils voll zu machen, war auch zwischen den einzelnen Führer» niemals eine vollständige Einigkeit zu erzielen. Das sind die Gründe, weshalb die Buren nach ihren ansänglich so glänz-mden Waffenthateu zu jedem ernsthaften Widerstand gegen das Vorrücken der eng lischen Massen unfähig waren. Die Masse ist es ge wesen, welche trotz des nichts weniger als guten Soldatenmaterials der Engländer den Krieg entschieden hat. Und dies ist der Punkt, wo Jedermann zugeben muß, daß er die Leistungsfähigkeit Englands unter schätzt hat. N-emand hat es zum Beginn deS Krieges für möglich gehalten, daß England bei seiner miserablen Heeeesverkassung im Stande sein werde, mehr als 200000 Mann m so kurzer Zeit nach Südafrika zu schaffen. Ist dies auch eine Leistung, deren haupt sächlichste Grundlage der Geldbeutel ist, so ist es doch immerhin eine Leistung. Einer psychologischen Er klärung bedarf noch die völlige Mulhlosigkeit, die in letzter Zeit unter den Buren eingeriss n ist. Diese Bnren halten einerseits die Machtmittel Englands er- h.-blich unterschätzt und sie hatten andererseits mit felsenfester Sicherheit darauf gerechnet, das; die Mächte sich in d m Augenblick in den Krieg elnmifchen werden wo der Krieg sich zu ihren Unjuusten neigen würde. Als dies nicht geschah und anch die letzte Hoffnung auf die Vereinigten Staaten von Amerika sich als Täuschung erwies, da gaben sie ihre Sache verloren und sie war verloren, wul die Buren den Glauben an sich selbst verloren hittc». Wenn es auch möglich ist, daß ein Theil der Buren sich entschließt in dem nahezu unzugänglichen Berggebiet um Lydenburg den Kampf forlzusetzen, so ist doch der Kri-g vom strategischen Standpunkt aus als beendet zu betrachten und so weit die Baren noch Widerstand leisten sollten, ist dieser doch, angesichts der jetzigen Sachlage ein zeitlich eng begrenzter. Eine Hoffnung, daß irgend welche Mächte den Versuch m iche i werden, die völlige Unterd ückung der Buren-
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