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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 06.05.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190005061
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19000506
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19000506
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-05
- Tag 1900-05-06
-
Monat
1900-05
-
Jahr
1900
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 06.05.1900
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Juden sind zum größten Theile die Seele des Schmuggel geschäfts, den Rest des Geschäfts besorgen die Grenz beamten. Die Regierung hat sich deshalb veranlaßt ge sehen, diese Ausnahmemaßregeln zu ergreifen, wo gewöhn liche Mittel nicht ausreichen. Zu befürchten bleibt nur, daß die von der Maßregel betroffenen jüdischen Familien in größerer Menge nach Westen, also nach Preußen und Oesterreich Ungarn, auswandern werden. Guglaud London, 27. April. Die Königin erließ eine Botschaft an das irische Volt, in welcher sie sagt, sie sei von dem ihr bereiteten Empfang tief gerührt. Sie nehme eine herzliche Erinnerung über ihren Aufenthalt mit und bitte Gott, daß Eintracht unter dem irischen Volk herrschen möge, das Volk von Irland möge glücklich sein und gedeihen. Für die Armen in Dublin schenkte die Königin 1000 Pfund Sterling. Die Majors von Dublin und Belfast erhielten die Baronets würde, denen von Cork und Londonderry wurde die Ritterwürde verliehen. Eine Conferenz zum Schutz der wilden Thiere in Afrika trat im Londoner Auswärtigen Amte zu sammen. Die Conferenz ist international und beschickt von Deutschland, Frankreich, Italien, Portugal und Belgien, letzteres für den Congostaat. Bekanntlich sind in Afrika Elefanten, Strauße und andere werth- volle Thiergattungen durch unausgesetzte Massenver folgungen mit gänzlicher Vernichtung bedroht, wogegen nun die genannte Conferenz ihren ganzen Einfluß geltend machen will. Spanier». Die spanischen Handelskammern haben eine Prokla mation erlassen, welche alle Kaufleute zur Steuerverweige rung auffordert. Mehrere Tausend Kaufleute haben sich bisher der Bewegung angeschlossen. Innere Wirren scheinen unvermeidlich, da der Ministerpräsident Silvela entschlossen ist, Gewalt anzuwenden. In Spanien ist be> kanntlich eine Unmenge Explosivstoff angehäuft. Die zur Beseitigung der finanziellen Schwierigkeiten des Staates eingeführte Steuererhöhung ist eine drückende. Wendet die Regierung zur Eintreibung der hohen Abgaben nun Gewalt an, dann ist der Ausbruch einer Revolution doch in eine bedenkliche Nähe gerückt. Bulgarien. Fürst Ferdinand von Bulgarien hat durch seinen Privatsecretär in einem süddeutschen Blatte alle Mel dungen dementiren lassen, welche von einen, Uebertritt seiner Person zum russisch orthodoxen Glauben und von seinen Absichten auf eine Königskrone sprachen. Gegen über diesem Dementi bemerkt nun die „Aigsb. Postztg.": „Es ist dem ehrgeizigen Kronenstreber von Rußland klar gemacht worden, daß man in Petersburg nur an einem „König" von Bulgarien Interesse habe, der sich zur russisch-orthodoxen Kirche bekenne. Ferdinand, der seinem dynastischen Avancement bereits seinen ältesten Sohn ge opfert, hatte an seinem eigenen Glauben kein heiliges Interesse. Also er war bereit, und in Leipzig wurden schon die Kroninsignien für den Fall seiner Apostasie in Arbeit gegeben. Nun wird aber plötzlich versichert, der Fürst beabsichtige, so lange nicht zum orthodoxen Glauben überzutreten, als seine Mutter, Prinzessin Clementine, lebt. Es muß ein ungemein schöner Trost für die Mutter sein, daß ihr Sohn aus ihren Tod wartet, um sein Glaubens wechselgeschäft zu realisiren. In derselben Angelegenheit wird der „Tägl. Rundschau" aus München geschrieben: „Die Stimmung in der Familie unseres Regenten ist gegenwärtig, 14 Tage vor der Vermählung der Prinzessin Mathilde mit dem Prinzen Ludwig von Coburg-Cohary, keineswegs sehr hochzcitsfreudig. Grund zur Verstimmung giebt der Fürst von Bulgarien, der Onkel des Bräutigams! Wer den tiefreligiösen Sinn des Prinzregenten Luitpold kennt, der ein überzeugungstreuer Sohn der katholischen Kirche ist, wird dies begreiflich finden. Am königlichen Hof liegen diplomatisch beglaubigte Nachrichten vor, daß Fürst Ferdinand von Bulgarien in der That seinen Glau ben wechseln wird, um die Tochter des russischen Groß, fürsten Wladimir, die ehemalige Braut des Prinzen Max von Baden, die jetzt 18 Jahre alte Großfürstin Helene, heirathen zu können. Der Regent war von Anfang an nicht für eine Verbindung einer Wittelsbacherin mit einem Coburg-Cohary. Wenn es nun heißt, Fürst Ferdinand habe seine Zusage, zur Hochzeit am 1. Mai in München zu erscheinen, in einem herzlichen Schreiben an den Braut, vater, Prinzen Ludwig, zurückgezogen, weil seine, des Fürsten, Kinder nicht ganz wohl seien, so entspricht das nicht den Thatsachen. Der auf Freiersfüßen wandelnde Fürst Ferdinand darf einfach nicht an den Münchener Hof kommen. Auch die Großmutter des Bräutigams, Prinzessin Clementine, wird nicht anwesend sein." Dem Fürsten wurde von hier aus unzweideutig die Erwartung ausgesprochen, daß er die königliche Familie durch sein Erscheinen bei der Hochzeit der Prinzessin Mathilde nicht in Verlegenheit setzen werde." Di- U-1H t« Andie»». Der „Manchester Guardin" hat einen Speciakorre spondenten zur Berichterstattunz über die Hungersnoth nach Indien geschickt. Derselbe berichtet heute in einem vom 6. April datirten Briefe aus Nandurbar in Khandes (Präsidentschaft Bombay) Folgendes: „Die dringendste Angelegenheit ist gegenwärtig der Ausbruch der Cholera, welche jetzt ein Hungersnoth Lager nach dem anderen in West.Khandesh ergreift Die Katastrophe wird dadurch noch ernster, daß die Bhils, welche einen großen Theil der Bewohner der von der Cholera heimgesuchten Lager bilden, seit dem Ausbruche der HungerSnoth schon so schreckliche Leiden durchgemacht haben. Hunderte und nochmals Hunderte von Todesfällen durch Verhungern haben stattgefunden, und ehe kürzlich hier und in dem 16 englische Meilen von hier entfernten Taloda die Armen Häuser eröffnet wurden, fand man jeden Tag auf den Landstraßen die Leichen verhungerter Bhils. Die Sterb lichkeit im Armenhause hier ist etwas geringer, aber die Lage der armen Geschöpfe, welche in demselben leben, ist nicht zu beschreiben. Sie find nur Reste und Fetzen von menschlichen Wesen, und auch hier, wie in einem halben Dutzend Hungersnoth-Unterkunftsstätte,! ist die Cholera ausgebrochen. Ich kam von Dhulia hierher herauf mit Dr. Farrar, dem Sanitätsbeamten für die Hungersnoth- Bczirke von West-Khandesh, und dieser erzählte mir die Einzelheiten vom Ausbruch der Cholera im Lager von Devala, nicht weit von Taloda. Er hatte das Lager besucht und es wieder verlassen, als eine dringende Mit- theilung ihn zurückrief. Dieselbe lautete dahin, daß 40 Todesfälle an Cholera stattgefunden hätten und daß von 4000 Leuten, welche an den aus Anlaß der Hungersnoth dort eröffneten Arbeitsplätzen arbeiten, 3000 in die Dschungeln geflohen seien. Dr. Farrar begab sich dahin und fand, daß die noch zurückgebliebenen Leute ihre Löhne forderten und auch eiligst davongehen wollten. Allent halben fand man im Lager Todte und Sterbende. In einem ausgetrockneten Wasserlaufe fand man ein Dutzend Sterbender, während ein Haufen Leichen schon zum Ver brennen zusammengetragen war. Dr. Barve und der Civilbeamte, Herr Balaji Hari, hielten auf ihren Posten aus, und Dr. Farrar half ihnen, Leute zu engagiren, welche die Leichen sammelten und verbrannten. Außer dem wurde bestimmt, daß Jemand engagirt würde, der ich der im Lager zurückgelassenen Patienten und Kinder anzunehmen hätte. Die erschreckten Bhils scheinen zunächst in ihre Dörfer oder in die Städte der Umgegend ge flüchtet zu sein, und die Leichen vieler derselben fand man auf den Landstraßen und sogar auch auf dem Marktplatze von Taloda. Unter diesen Umständen mußte die Cholera sich nothwendiger Weise weiter ausbreiten. Sie wurde nach Serai übertragen, wohin 2000 Leute geflohen wa ren, und ferner nach den Arbeitsplätzen von Talwada, welche 12 englische Meilen von hier entfernt zwischen den Ausläufern der westlichen Ghats liezen, sie vertrieb hier weitere 2000 Menschen von den Arbeitsplätzen, und in noch anderen Lagern, deren Namen ich mir nicht ge- merkt habe, ist die Cholera aufgetreten Ich ging mit Dr. Farrar zum Lager bei Talwada hinauf, es ist eine ausgezeichnet geleitete, musterhafte Einrichtung, aber in den letzten Tagen ist es arg heimgesucht worden Um die Sache noch schlimmer zu machen, hatte eben erst eine Pocken-Epidemie im Lager geherrscht, 600 Personen waren dabei erkrankt und 100 gestorben. Dann erkrankten am 29. März 2 Kinder an der Cholera, am 30. März 53 Kinder und eine Frau, am 31. erkrankten 55 Kinde:', 6 Frauen und 3 Männer, am 1. April 37 Kinder, 16 Frauen und 10 Männer, und am 2 April, welches der letzte Tag ist, von dem ich die Zahlen notirt habe, er krankten 39 Kinder, 22 Frauen und 17 Männer. Ich habe kaum den Muth, zu beschreiben, was ich in den Cholerahütten sah und rings herum auf der Erde an den Stellen, wohin die erkrankten Geschöpfe gekrochen waren. In einer Hütte lag eine ganze Familie, Vater, Mutter und zwei oder drei Kinder, zvsammengebrochcn bei einander. In einer anderen Hütte lagen Bruder und Schwester neben einander, und der Vater war todt. In einer anderen Hütte lagen drei Kinder mit ihrer Mutter krank da. Wie konnte diesen Leuten ordentliche Aufmerk samkeit zu Theil werden? Es war unmöglich. Hin und wieder ging der Apotheker mit Arzneimitteln herum, und Nahrung wurde ausgetheilt, aber sonst ließ man die Leute leiden und auf die bestmögliche Weise sterben. In den Hungersnoth-Lagern in Indien giebt es nichts, was man eine Krankenpflegerin nennen könnte. Die einge borenen Frauen thun wenig oder nichts, und der Arzt kann nur zweimal wöchentlich aus der Stadt kommen und sehen, wie die Dinge stehen. Dieselben Szenen wird man wahrscheinlich bald in Dutzenden von HungerSnoth Lagern antreffen. Nun erhebt sich aber die Frage: Ist es nöthig, daß wir die Leute, welche wir vor der Hungers noth gerettet haben, nun wie Schafe an einer Seuche sterben kaffen müssen? daß kleine Kinder sich selbst über lassen ihrem letzten Schlafe entgegenstöhnen, zusammen gekauert auf der Erde und nur in Gesellschaft einer Gruppe von Männern und Frauen, welche an der Cho lera erkrankt zusammengebrochen sind? daß für solche Kinder keine Hand da ist, die ihnen die Fliegen von ihrem Munde abwischt? Ich weiß nicht, ob es möglich ist, ir gend etwas zu thun, aber ich weiß, daß Indien nicht mehr thun kann. Ich weiß, daß die indische Regierung, deren Hilfsmittel durch die Hungersnoth schon bis zum Alleräußersten in Anspruch genommen sind, der Cholera gegenüber hilflos sein wird." Der Krieg um Transvaal. Vom 2. Mai schreibt die Kabelcorrespondenz aus London: Der Kampf um Thabanchu scheint nach Allem zu den wichtigsten seit Paardeberg sich auszugestalten. Am Sonnabend bereits hielten die Föderirten den Feind hufeisenförmig umklammert, nachdem es Hamilton am Freitag nicht gelungen war, das Zusammenziehen der feindlichen Flanken zu verhindern. Offenbar um seine berittene Infanterie und die Hochländer-Brigade aus dieser Umarmung zu befreien, oder wenigstens ihnen Lust zu schaffen, mußte French und wahrschein lich auch General Rundle's Division mit den übrigen in Thabanchu zur Verfügung stehenden Truppen enen nach Houtnek zu Hilfe eilen. Auch die 7. Division, welche nach den letzten Meldungen die Brücke bei Kcantskraal hielt, wurde vorbeordert, offen er zu demselben Zwecke, und es scheint, als wolle Roberts mit der 11. Division eine Diversion in der Richtung auf Karre Siding machen, um Botha zu einem Frontwechsel zu zwingen. Ueber die diesen Operationen vorhergegangenen Scharmützel berichtet W. S. Churchill aus Thabanchu, den 28. April: „General Rundle's Division und Frenchs M» valleriebrigade trafen gestern hier ein. Wir wußten, laß die von Wepener abgezogenen Buren im Norden )eS Thabanchuberges Stellungen besetzt hatten, welche den Durchzug ihrer Wagenzüge vom Süden decken sollten. Aber wir glaubten, sie seien nicht stark, und allgemein hielt man dafür, daß sie entmuthigt seien. Während des Nachmittags des 27. April wurden auf beiden Flanken der weitausgedehnten Stellung des Feindes Demonstrationen von General Dickson's Kavalleriebrigade auf der Burenlinken und einem Theile von General Hamilton's berittener Infanterie- Division gemacht, welche ihrerseits einen höheren Berg auf der äußersten Rechten besetzt hielten. Es wurde indessen beschlossen, Nachts sich zurückzuziehen. Darauf rückten die Buren uns dicht auf den Leib und Kitchcner's Brigade (Kavallerie) war nicht im Stande, ihre Stellung vor Mitternacht zu räumen. Indessen krochen einige Buren bis auf zehn Schritte heran und ein scharfes Gefecht folgte. Dann zogen sich die Buren zurück, einen wilden Graukopf todt zurück lassend und wahrscheinlich Andere mitfortnehmend. Dann kehrte Kitchener's Kavallerie mit heiler Haut ins Lager zurück, wo ihr Eintreffen die wachsende Sorge hob. Die heutigen Operationen sollten die Buren zwingen, sich aus der Nachbarschaft von Thabanchu zurückzu- ziehen und womöglich ihnen oder einem Theile von ihnen den Rückzug abzuschneiden. (Beides mißlang bekanntlich.) Der Feind hielt einen weiten Kranz von Hügeln, dessen konvexe Front uns zugewandt war. General Gordon's Kavalleriebrigade ging um die Burenlinie herum, Rundle's Division hielt das Zent rum und General Jan Hamilton mit General Smith Dorrien's Jnfanteriebrigade (Hochländer) und der be- riitenen Infanterie umging ihre Rechte. Die Be wegung begann bei Tagesanbruch unter General French's Leitung. General Gordon fand die linke Flanke des Feindes zu stark, als daß er die offene Ebene hinter derselben hätte debouchiren können und blieb den ganzen Tag vor derselben, sie bombardirend und an die Thür klopfend. Das Zentrum blieb bewegungs los wie abgemacht. General Hamilton drückte die Buren-Rechte weg und öffnete den Weg für General Dickion's Kavalleriebrigade, welche darauf durchbrach und den Feind von Höhe zu Höhe jagte, indem sie ihn freigebig mit reitender Artillerie beschoß. Schließ-- lich gelangten wir in den Rücken der Hufeisens und konnten sehen, wie die Buren in Abtheilungen von 200 Mann in dem engeschlossenen Raume wie Ratten in einer Falle umherlagen. General Dickson hoffte einen guten Fang zu thun. Er signalisirte die Lage an General Hamilton, und dieser kam sofort heran mit allen Soldaten, die er nur auftreiben konnte. Plötzlich, es war etwa 3>/z Uhr, rückte das Buren heer, etwa 4000 Mann stark, aus dem Hufeisen her aus und begann nordöstlich zu marschiren. Ich habe noch niemals vorher einen solchen Aufmarsch von Buren gesehen. Ihre Linie war so regelrecht, daß wir zuerst glaubten, es sei General Gordons Kaval- leriebrigade. Aber sie eröffneten schnell Artilleriefeuer auf General Dickson und gleichzeitig kehrten die vorher „entkommenen" Buren (welche unserer eingebildeten Falle entschlüpft waren) m Stärke zurück und griffen General Dickson auf seiner linken Flanke und im Rücken mit zwei Geschützen an. Unter diesen Um ständen beschloß General Dickson den Rückzug und er zog sich nur gerade rechtzeitig zurück." Schon vorgestern hatte Battersby, der zweite Correspondent der „Morning Post", die überlegene Taktik Bothas ausdrücklich anerkannt. Dieser Bericht Winston Churchills zeigt noch deutlicher, daß der militärisch ungebildete Burenführer den Berufsgenerälen der Engländer überlegen ist. Ja die Beschreibung scheint anzudeuten, daß die Buren im Laufe dieses Krieges selbst Disziplin und Cohäsion gelernt haben. * * * Bei dem Fortgang der Kämpfe um Thabanchu haben die Engländer insofern einen Erfolg zu verzeichnen, als es ihnen gelungen ist, bis Brandfort vorzurücken und diesen Ort zu besetzen. Daß die Buren diesen Platz, wenn er mit Uebermacht angegriffen würde, nicht ernst lich vertheidigen wollten, war schon längere Zeit bekannt; thatsächlich hat es bei der Besetzung von Brandfort keinen bedeutenden Kampf gegeben. Lord Roberts tele- graphirte aus Blumfontein: „Wir haben heute, ohne viel Widerstand zu finden und, wie ich hoffe, ohne große Verluste, Brandfort besetzt. Die erste berittene Jnfanterie brigade deckte die linke Flanke, die 14. Brigade zusammen mit der 15. die rechte. Pole-Carews Division ging ge rades Wegs auf Brandfort vor. Die Buren-Armee, unter dem Befehl Delarey's zog sich nach Norden zurück." Ueber die gegenwärtige Lage meldet Reuters Bur aus Thabanchu voin 3.: Die Buren räumten nachts den Thabanchuberg und ziehen sich vermuthlich nach drei Richtungen nordwärts zurück; sie ließen aber eine Kanone zurück (I), welche in das Lager der Engländer zeitweilig Geschosse schleuderte (da müssen doch wohl auch noch Buren da sein!) Kundschafter berichten, eine Abtheilung des Feindes habe sich gegen Wepener hin zurückgezogen (!) General French hat heute Thabanchu, wo General Rundle befehligte, verlassen, General Brabant dürfte unverzüglich zu Rundle stoßen. Der „Morning Herald" veröffentlicht einige Mit- theilungen, die General Sir Henry Green einem Vertreter dec Presse gegenüber machte. General Green meinte, General French könnte mit fünf- oder sechstausend Reitern leicht Mafeking entsetzen; wahrscheinlich würde das aber dann andere wohlerwogene Pläne stören, und Mafeking habe einen zu geringen strategischen Werth für den ge- sammten Feldzugsplan. Sir H. Green erkennt den mo ralischen Effekt vollkommen an, den der Fall der kleinen Festung zweifellos ausüben würde; aber er meint, schließ- ach gebe es im Kriege doch noch schlimmere Dinge, als chlechte moralische Effekte. Der General sagte ferner, daß man allgemein annehme, Lord Roberts werde über Kroonstad auf Pretoria marschieren, er sei aber anderer Ansicht. Er meint, Lord Roberts werde über Van Ree- nens-Paß und Natal vorgehen. Das würde allerdings bedingen, daß eine große Macht in Blumfontein zurück- bleibt, um das Land zu halten. General Green meint, 25,(X>0 Mann würven genügen; jedenfalls böte eine solche Flankenbewegung viele Vortheile vor einem direkten nörd lichen Vorgehen. Das Wichtigste würde die kürzere rück wärtige Verbindungslinie sein; ferner führe ein Theil des Weges durch eigenes Land, und die Wasserfrage würde nicht so schwierig sein. So lange Blumfontein tark besetzt sei, würde es den Buren nichts helfen nord wärts zu gehen. Wahrscheinlich würden sie sich alle nach Osten ziehen, und dadurch würde Mafeking ganz von elbst entsetzt werden Wenn Lord Roberts einmal in Transvaal sei, würde der Marsch nach Pretoria keine Schwierigkeiten (?) mehr machen. General Green meint, daß die lange Rast in Blumfontein gwe Früchte bringen Haltung: Sind Briese da? Für wen? Für mich! Ich meine, wessen Briefe wünscht Ihr zu haben? Meine. Wie ist denn Euer Name? Jonathan. Sagt mir doch bitte Euren vollen Namen. Jonathan Andreas. DaS Zwiegespräch wird unterbrochen durch den Schulmeister, der gerade hereingekommen ist, um die Postmeisterin, für die er eine zärtliche Regung im Herzen fühlt, bei ihrem schwierigen Geschäft zu unterstützen. „Sie müssen," sagt er auf Englisch, „die Leute nach ihrem Van (Familiennamen) fragen, unter Namen verstehen sie nur ihre Taufnamen," und schnell ist nun festge stellt, daß der die Briefe erwartende Bur I. A. de Wet heißt und die Sache scheint in Ordnung zu sein. Aber kaum ist er zur Thür hinaus, so erscheint er auch schon wieder, wirft mit entrüsteter Miene die Briese auf den Tisch und erklärt, das seien seines Vetters Briefe, der denselben Namen trage. Er wohnt in Witwater, nicht in Rovipoort, wohin die Adresse laute. DaS arme Postfräulein sieht noch einmal nach und findet richtig auch einen Brief an I. A. de Wet, Witwater, der seit zwei Monaten auf der Office ge legen hat, und nun hat die arme Seele endlich Ruhe. RegeS Leben herrscht auch in den übrigen Häusern des Dorfes. Eigentliche Bauern wohnen hier nur wenige, mehrere Famlien leben davon, daß sie Kinder aus dem Distrikt, die für einige Zeit zur Schule geschickt werden, in Pension nehmen. Sie beherbergen bis zu zwanzig und mehr sol cher Schulkinder und werden dasür von den Eltern mit Naturalien, mit Vieh und Korn bezahlt. Daß ein Burenkind ganz ohne Unterricht aufwächst, kommt doch nur felten vor. ES giebt auch wandernde Schul meister, die von Farm zu Farm ziehen, um der Jugend die Weisheit einzutrichtern. Die Predikanten üben dadurch einen heilsamen Zwang auf die Bevölkerung aus, daß sie Niemanden annehmen, d. h. konfirmieren, der nicht lesen und schreiben kann. So beißt denn der Bur in den sauren Apfel und schickt sein Kind zur Schule, oder nimmt für einige Zeit den oncker- wijror ins Haus. In diesen Tagen waren es die Dorfbewohner ge wöhnt, sich für die eigene Familie auf die allernoth- wendigsten Räume zu beschränken und jede irgendwie verfügbare Kammer den Fremden als Nachtquartier abzutreten. So wurden denn Kisten und Bettzeug von den Wagen herab in die Häuser geschleppt; auf dem Stoep (Veranda) an der Straßenseite saß man kaffeetrinkend, erzählend, klatschend beisammen. Manche besonders durstige Seele wanderte von Haus zu Haus und brachte es fertig, zehn Tassen des braunen Tranks in zwei Stunden zu vertilgen. Ueberall fröhliches Leben und Geschäftigkeit, daS Bild eines südafrikanischen Dorfes am Vorabende des Nacht mahltages. ' Doch wir müssen zu unseren Freunden zurück- kehren und sehen, wo sie geblieben sind. Jan Ester- huiz hatte nicht auf dem allgemeinen Lagerplatz, son dern in dem Hofraum des einen, ihm befreundeten Geschäftsinhabers ausgespannt. Die Frauen fanden in dessen Hause, Jan und seine Söhne im Wagen Nachtquartier, während der Hottentott Piet den Auf trag erhielt, bei den Eseln im Felde zu bleiben und nur morgens und abends zu erscheinen, um Rapport zu erstatten und seine Kost in Empfang zu nehmen. Selbstverständlich hatte man freundlichste Aufnahme gefunden und saß jetzt plaudernd mit der HauSwirthin und ihren erwachsenen Töchtern bei- sammen, während Bettie schon vor Begierde brannte, die neuesten Manufakturwaren im Winkel iu Augenschein zu nehmen. Inzwischen hatte sich Jacobus Smeer mit seiner Karre zu dem anderen Ladenbesitzer, einem Israeliten russischer Abkunst versügt, bei dem er regel mäßig sein Quartier hatte, wenn er ins Dorf kam. Es verbanden ihn intimere Beziehungen mit diesem geriebenen Geschäftsmann. Jacobus verdankte einen beträchtlichen Theil seines Wohlstandes dieser Ver- bindung. Er selbst war nämlich ein Pferde- und Eselkenner ersten Ranges, selbst unter den Buren, dir doch alle etwas davon verstehen, allgemein dafür ge achtet. Auch in Südafrika gilt der Grundsatz, daß beim Pserdehandel die Freundschaft aufhört. Aber es war unmöglich, Jacobus ein Schnippchen zu schlagen. Das machte ihn besonders befähigt zum Einkäufen der Thiere, die er unter Hinweis auf ihre jeweiligen Fehler, die er unfehlbar ausfand, billiger als irgend ein anderer an sich zu bringen wußte. Und da sein Geschäftsfreund in gleichem Grade die Gabe des Ver kaufens zu möglichst hohen Preisen besaß, so standen sich die Beiden bei dein Kompagniegeschäft, das sie mit einander getrieben, sehr gut. Besonders beim Ausbruche der Rinderpest in anderen Theilen des Kaplandes und der Burenrepu bliken, als Plötzlich durch die Verluste von Tausen den von Zugochsen eine gewaltige Nachfrage nach Eseln eintrat und die Preise enorm in die Höhe schnellten, hatten die Beiden ihr Schäfchen ins Trockene zu bringen gewußt. Sie batten Witterung gehabt, be vor sonst irgend Jemand in ihrem entlegenen Distrikt nur etwas ahnte, waren sofort ans Werk geg.ngen, hatten alle Esel aufgekauft, deren sie habhaft werden konnten, sie zu Hunderten nach der Kapstadt treiben taffen, und mit mehr als gutem Profit wieder losge- schlagen. Jetzt saßen die Beiden in Mr. Barnes', der auch der Kantinenwirth war, verschwiegenem Hinter zimmer bei einem Glase Wein zusammen. Barne« hatte ursprünglich einen verzweifelt polnischen Namen mit ins Land gebracht, den hier Niemand aussprechen konnte, weshalb er sich den wohlklingenden englischen Namen von der Regierung gekauft hatte. Einige Geschäftsangelegenheiten, die er mit Jacobus zu er ledigen hatte, waren ihm wichtig genug, trotz dieser Stunden des Sturmes und Dranges, den Laden für kurze Zeit seiner Frau und seinem Schwiegersohn zu überlassen. Das Winkelgeschäft stand ihm überhaupt erst in zweiter Linie, seine Spekulationen richteten sich stets aufs Große. Vor Jahren war er als armer Hausierer ins Land gekommen und hatte in unter nehmender Weise den Grundstock zu seinem Ver mögen dadurch gelegt, daß er ein an der Nordwest küste gestrandetes Schiff mit der Ladung, deren Transport aus jener Einöde dem Rheder nicht lohnend schien, für einen Spottpreis ankaufte. Alles, auch den letzten Nagel des Schiffs, hatte er sodann wieder losznschlagen gewußt; man erzählt sich, daß ihm dieses Geschäft einen Reingewinn von 10,000 Pfund Sterling einbrachte. Barnes war nur einer unter den vielen seiner Glaubensgenossen, die, unschein bar beginnend, sich durch Zähigkeit und Geschäft«- kenntniß in Afrika zu reichen Leuten zu machen wissen. DaS Geschäftliche war erledigt. JacobuS hatte schmunzelnd ein rundes Sümmchen, das ihm sein Freund von dem letzten gemeinschaftlichen Handel noch auszuzahlen hatte, eingestrichen und ein neuer Feldzugs plan war verabredet. Unter Hinweis auf die Menge der im Laden zu bedienenden Kunden wollte BarneS sich jetzt entfernen, als Jacobus ihn dadurch zurück hielt, daß er pfisfig bemerkte: „Wißt Ihr, Mr. Barnes, ich habe noch etwas Besonderes vor in diesen Tagen." Fortsetzung folgt.
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