Suche löschen...
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 06.05.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190005061
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19000506
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19000506
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-05
- Tag 1900-05-06
-
Monat
1900-05
-
Jahr
1900
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 06.05.1900
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
ZcheWn Eni-Wer TWMM. Amtsblatt. Nr. 103. ' Sonntag, den 6. Mai 1900. 1. Beilage. Politische Wochenschau Das Wort „die Woche fängt gut an" hat dies mal sein Pendant gefunden: die Woche hört gut auf! denn ihr Schluß steht im Zeichen der Festesfreude. In festlicher Stimmung begeht das deutsche Volk die Feier der Großjährigkeitserklärung seines Kronprinzen und es weilt mit seinen Gedanken und seinen Wün schen bei den glänzenden Festlichkeiten, mit denen diese Feier am deutschen Kaiserhause begangen wird. Durch die Betheiligung fast aller europäischen Staaten, welche ihre Sympathicen für das deutsche Reich zu bekunden, Vertreter zu dem Feste entsandt haben, hat sich das selbe qleichsam zu einer inlernationalen Fürstenrevue ausgestaltet. Und den Kristallisationspunkt dieser Fürstenrevue bildet der Besuch, den bei dieser Gelegen heit als Vertreter der beiden Dreibundmächte Kaiser Franz Josef und der italienische Thronfolger dem deutschen Kaiser und dem deutschen Thronfolger ab statten. Diese glänzenden Festlichkeiten bilden eine wohl- thätige Unterbrechung der eifrigen politischen und par lamentarischen Thätigkeit, in deren Zeichen wir soeben stehen. Denn sowohl im Reichstage wie im preußi schen Landtage wird mit fieberhaftem Eifer gearbeitet, da unter den P wlam.ntanern eine unverkennbare Parlamentsmüdigkeit Platz gegriffen har und die Sehnsucht nach einem frühzeitigen Pailamentsschlnß allüberall vorhanden ist. Mit schauderndem Entsetzen gedenkt man in den Kreisen der Pa.lamen'arier an den parlamentarischen Sommer des Mißvergnügens im Vorjahre nnd d'e Devise lautet: Vor Pfingsten muß Schluß gemacht werden! Die Hoffnung auf die Berechtiguu; dieser Devise ist durch den günstigen Gang der Verhandlungen über die Flottenfrage er heblich verstärkt wordcn, denn daß «ine Einigung über die Deckungsfrage erzielt werden wird, kann, nachdem das Kompromiß über die Flottenvorlage selbst ge sichert ist, kaum n ch zweifelhaft sein. Dagegen haben sich dem Kompromiß in Sachen der Fleischbeschau vorlage, nachdem cs schon gesichert zu sein schien, im letzten Augenblick Schwierigkeiten entgegengestellt. Nicht nur will der Bund der Landwirthe unbeugsam sein, sondern auch ein erheblicher Theil der konservativen Partei soll entschlossen sein, dem Kompromiß seine Zustimmung zu versagen. Als letzter Stein des An stoßes bleibt endlich von den drei Kardinalfragen dieser Session die lex Heinze, die man von der einen und der anderen Seite noch zu galvanisiren sucht. Aber der Liebe Müh' dürft? umsonst sein. Das Schicksal der lex Heinze scheint besigelte zn sein und wenn die Session zu Ende gegangen ist, werden die Väter der lex Heinze zu klagen haben — in ihren Armen, das Kind war tot! Während man in Deutschland beflissen ist, die Parlamentsfessiou möglichst schnell ihrem Ende enl- gegenzubringen, schickt man sich in Oesterreich an, par lamentarische Arbeit aufs neue zu beginnen. Am 8. Mai beginnt die neue Tagung des Reichsraths, welche die Entscheidung über den Sprachengesetzentmurf des CabinetZ Körber bringen soll. Was bish r über diesen Entwurf bekannt geworden ist, läßt ein entscheidendes Urtheil über den Gesetzentwurf nicht zu. Das eine aber steht schon jetzt fest, daß er die Czechen nicht be friedigen wird. Freilich, wer hätte denn geglaubt, daß es überhaupt eine Lösung der Sprachensrage in Oesterreich gäbe, welche das begehrliche und Nimmer satte Czechenthum befriedigen könnte? Zur Zeit neh men denn auch die Czechen den Mund so voll wie nur irgend jemals und sie kündigen bereits die Ob struktion bis auss Messer an. Wenn sich dies be ¬ wahrheitete, so könnte das nur mit Befriedigung be grüßt werden, denn auf keine andere Weise könnte eine schnellere Klärung der verworrenen Parteiverhält nisse in Oesterreich erzielt werden. Die Obstruktion der Czechen müßte nothwendig zur Sprengung des Parteiverbandes der Rechten führen und dann erst würde eine ernsthafte politische Arbeit in Oesterreich ermöglicht werden. Aber freilich, wir fürchten sehr, daß die Czechen noch viel Wasser in ihren Wein thun und versuchen werden, mit Hilfe der diplomati schen Strategie zu erreichen, was sie mit dem Gewalt mittel der Obstruktion sicherlich nicht erlangen könnten. Obstruktion in noch weit kräftigerem und bluti gerem Sinne wird zur Zeit auf dem „pazifizirt n" Cuba getrieben. Die Amerikaner haben ausgeprägtes Pech mit ihrer Eroberungspolitik, den» auf len Phi lippinen stehen ihre Aktien noch immer verteufelt schlecht und trotz der angeblichen dauernden Siege rücken die Amerikaner dort keinen Zoll breit Boden vorwärts. Zu dieser Sorge tritt jetzt die neue, daß auch der Aufstand auf Cuba, den man schon völlig niederg. schlagen glaubte, aufs neue entbrannt ist. So wohl auf Cuba wie auf den Philippinen werden die Amerikaner noch schwere Opfer bringen, bis sie ihres neu erworbenen Besitzes froh zu werden vermögen, und ob das überhaupt in absehbarer Zeit der Fall sein wird, daran wird man immerhin Zweifel hegen dürfen. In England sieht man mit einer unverkennbaren Schadenfreude, daß auch die amerikanischen „Vettern", welche sich in letzter Zeit wenig vetterlich benommen haben, etwas von den Bitternissen zu kosten bekommen, welche die Engländer in Südafrika so reichlich schmecken müssen. Aber diese Sache hat noch einen tieferen moralischen Hintergrund. Mit je mehr kolonialen Schwierigkeiten die Amerikaner zu thun haben, desto weniger wird Mac Kinley naturgemäß geneigt sein, dem Drängei', der Volksstimmung nachzugeben, welche eine Intervention in dem Kriege zwischen England und den Burencepubliken fordert. Auf die Vereinigten Staaten hat die Bnrenmission, welche soeben Europa unverrichteter Sache verlassen hat, ihre letzten Hoff nungen gesetzt. Aber diese Hoffnungen müssen als höchst zweifelhaft angesehen werden, obwohl der Gegen kandidat Mac Kinleys, B'yan, beflissen ist, die Buren- sreundlichleit der Amerikaner zu Gunsten seiner Wahl zu benutzen. Sind die Hoffnungen der Buren auf eine Vermittelung gering, so zeigt es sich dagegen, daß die Hoffnungen der Engländer auf einen schnellen und günstigen Fortgang der Kriegsoperationen eitel waren. Thatsächlich befinden sich die Engländer im Oranje- Freistaat noch immer auf dem alten Fleck und der zähe Widerstand der Buren wird die Engländer da rüber belehren, daß es sich für sie um einen Feldzug handelt, dessen Dauer und dessen Opfer noch garnicht zu übersehen sind. Die „Spazierfahrt nach Pretoria" hat in Blumfontein eine Unterbrechung gesunden und wird vor Kroonstad eine neue voraussichtlich noch schwerere finden, die durch alle Kursbuchberechnungen e nen dicken Strich macht. Deutscher Reichstag. Berlin, 3. Mai. Die zweite Berathung der Gewerbeunfallnovelle wurde heute in demselben langsamen Tempo fortgesetzt, in dein sie gestern begonnen worden ist. Auch sonst war das Bild das gleiche. Bei recht schwach besetztem Hause wmde über die zahlreichen focialdemokratischen Abänderungsanträge debattirt, zu denen die Antrag steller selbst bei Weitem am meisten, oft genug sogar ganz allein, sprachen, und deren Schicksal ausnahms los, wie bereits in der Commission, so auch jetzt im Plenum, glatte Ablehnung war. Dabei mußten aber die Sozialdemokraten selbst mehrfach unumwunden zu geben, daß die nun auch im Plenum ausrechterhaltenen Commissionsbeschlüsse wesentliche Verbesserungen gegen über dem bestehenden Zustande darstellcn, so daß man wohl hoffen kann, daß bei der Scylußabstimmung die äußerste Linke auch für dieses ungemein wichtige social- politische Gesetz eintreten wird. Auf bürgerlicher Seite wurde auch heute wieder mehrfach, namentlich von Seiten des bekannten Sozialpolitikers Rösicke-Dessau, dem, obwohl er als Wilder keiner Partei angehört, die Ehre des Vorsitzes der Commission zu Theil ge worden war, angedeutet, daß man im Prinzip nicht gerade abgeneigt sei, den Arbeiterforderungen noch weiter entgegenzukommen, daß inan dadurch aber, namentlich in Folge der Haltung der Regierung, die nicht weiter gehen wolle, das Zustandekommen des Gesetzes zu gefährde» fürchte. Namentlich war es die 13wochiqe Karenzzeit, die die Sozialdemokraten natür lich ucsciugt wisstn wollten und du auch in den Reihen der bürgerlichen Parteien kaum Freunde hat. Sie wurde dennoch beibehalten, da die Regierung in Aus sicht gestellt hat, die unterstützungslose Zeit von dec 5. bis 13. Woche zu beseitigen, durch Ausdehnung der Kraukenfürsorge unter Belastung der Unternehmer mit der Hälfte der Krankenkassenbeiträge statt des bisherigen Drittels. Zwei sehr wichtige Neuerungen sind es, daß 1) dem Verletzten, der nicht nur völlig erwerbsunfähig, sondern auch derart hilflos geworden ist, daß er ohne fremde Wartung und Pflege nicht bestehen kann, für die Dauer dieser Hilflosigkeit die Rente bis zu 100 Procent des Jahresarbeitsverdienstes erhöht werden muß, und daß 2) dem Verletzten, solange ec aus An laß des Unfalls thatsächlich und unverschuldet arbeits los ist, die Theilrente bis zum Betrage dec Vvllreute vorübergehend erhöht werden kann. Frhr. v. Stumm (Rp.) wollte im ersteren Falle „kann" und die Social demokraten im zweilen Falle „muß" sagen, ohne aber mit diesen Wünschen dnrchzudringen. B.i Berechnung der Rente wird fortan der 1500 Mk. (statt bisher 1200 Mk.) übersteigende Theil des Arbeitsverdienstes nur mit einem Drittel in Ansatz gebracht. Der Ver such der äußersten Linken, diese Bestimmung ganz zu streichen und außerdem für die Rentenberechnung einen Mindestlohn von 1,50 Mk. anzunehmen, schlug sth1, nachdem Geheimralh C'spar daran: hingemiesen halte, daß es vermieden werden müsse, den Unfall zu emem gewinnbringenden Ereigniß für den Verunglückt u rn machen, die berühmte Lücke von der 5 bis 13. Woche soll zunächst dadurch au-gefüllt n erden, daß das Krankengeld während dieser Zeit zwci Drittel des Lohnbetrages ausmachn muß, wobei de" Mehrbetrag der Krankenkasse vom Unternehmer zu eisetzcn ist, und daß die Unsallrente beim Wegfall des Krankengeldes vor der 13. Woche und bei Beschränkung der Erwerbs fähigkeit über die 13. Woche hinaus bereits vom Tage des Wegfalls des Krankeng-ldes gezahlt werden muß. Drl'ch Statut kann dieses Verfahren auch für die Fälle festgesetzt werden, bei denen eine Beschränkung der Erwerbsfähigkeit über die 13. Woche hinaus nicht andauert. Der Antrag der Sozialdemokraten, dießs lrtztere zur obligatorischen Vorschrift zu machen, wurde abgelehnt. Die B-rathung gelangte heute nur von 8 5n bis 8 5 5. Morgen wird mit 8 0 fortgesahren. Landtag. Dresden, 3. Mai. In der heutigen Sitzung der Ersten Kammer wurden Rechtsanwalt Oehme-Leipzig, Ministerialrath Hederich und Justizrath Schütz-Dresden als ordent liche Mitglieder und Landzerichtspräsident Dr. Hart mann-Plauen und Justizrath Ulrich-Chemnitz als Stellvertreter zum Staatsgerichtshvf gewählt. Sodann wurden verschiedene Kapitel des Staatshaushaltetats und einige Petitionen erledigt. Die Zweite Kammer nahm den Entwurs einer Kostenordnung für Rechtsanwälte und Notare an und verwies das Enteignungsgesetz an eine Zwischen- Deputation. Sodann bewilligte die Kammer 0780000 Mark zur Herstellung eines Rangierbahnhofes bei Hilbersdorf in Verbindung mit der Anlegung einer Haltestelle am Küchwalde bei Chemnitz, 500000 Mk. (1. Rate) zur Erbauung eines Betriebs-Elektricitäts- werkes für die Chemnitzer Bahnhvfsanlagen und 1252000 Mk. für Erweiterung des Hafens in Riesa. Ti^eSzeMchtt. Deutsche* Metch Als Geschenk des Schahs von Persien an den Deutschen Kaiser sind aus Teheran über den Kaukasus mit oer WarschamTerespoler Bahn 4 Pferde edelster Rasse in Warschau eingelrosfen. die dort von dem Per sonal des Kaiserlichen Marstalls abgeholt werden Aus Anlaß des Kaiserbesuches wurde die That- sache hei vorgehoben, daß der Kaiser bei den Jagdaus- flügen, die er von der Wartburg aus in das Wasunger Gebiet zu unternehmen pflegt, eine Berührung mit dem Meininger Hof vermeidet, obwohl Wasungen selbst im Meininger Gebiet liegt, während die umgebenden Waldungen zum Gcoßherzogthum Sachsen-Weimar ge hören. Dem gegenüber wird von der „Franks. Ztg." daran erinnert, daß vor einigen Jahren Wilhelm II. seinen Besuch am Meininger Hof angekündigt hatte. Alle Vorbereitungen zum festlichen Empfange des Kai sers auf Schloß Allenstein waren bereits getroffen, als von dem Marschallamt in Berlin an das Meininger der Wunsch gerichtet wurde, die Gattin des Herzogs von Meiningen, Freifrau von Heldburg, einst Frl. Ellen Franz, möge nicht in Altenstein ei scheinen. Diesen Wunsch llhnle aber der Herzog von Meiningen ent schieden ab. Der kaiserliche Besuch unterblieb und ist bis heute nicht nachgeholt worden. Ueber eine gewiß sehr bemcrkenswerthe An erkennung unserer marine-technischen Einrichtung berichtet führende englvche Fachzeitsa rist „Army and Navy Gazette": Der amerikanische Marine Attache in Berlin, Kommandeur Beehler, äußerte sich gelegentlich der ersten Jahresversammlung der schiffsbautechnischen Gesellschaft, nach seiner Meinung wäre die deutsche Abtheilung für Kneasschfffsbau bester als die gleichartigen Institute in Großbritannien und Frankreich: er hätte deshalb der Regierung der Vereinigten Staaten gerathen, ihre jungen Schiffsbautechniker lieber nach Berlin zu schicken, anstatt jnv die technischen Schulen Englands und Frankreichs. R«kla«d. Tas russische Ministerium des Jnnein hat eine Verfügung erlassen, durch welche allen Juden außer denjenigen, welche eure besondere ministerielle Erlaub- niß erlangen, verboten wird, innerhalb eines Zwischen» raumes von 40 Werst (etwa ebensoviel Kilometer) von der deutschen oder der österreichischen Grenze an sässig zu sein. Die Verordnung tritt nach einer kur zen Gnadenfrist in Kraft und soll mit aller Strenge durchgeführt werden. Dec Grund für diese Vorschrift ist in dem Bestreben zu suchen, dem systematischen und in ungeheurem Umfange betriebenen Schmuggel zu steuern, der in den letzten Jahren an der westlichen Grenze des russischen Reiches stärker als je zu Tage getreten ist. Das Nachtmahl. Eine Geschichte aus dem Burenlcben Südafrikas. Erzählt von einem deutschen Arzte im Kaptande (3. Fortsetzug.l (Nachdruck verboten.) Fuhrwerke der allerverschiedeusten Art, schwere Ochsen- und leichte Pfeidewagcn, offene und gedeckte Karren, manche neu, in leuchtenden Farben angestrichen und sozusagen elegant, andere uralt, oft geflickt und schäbig. Viele von den Zugthieren waren schon ge spannt ins Feld getrieben, andere wurde» erst noch gefüttert oder sollten auch wohl, an der Deichsel fest gemacht, überhaupt bei dcn Wagen zurückgehalten werden, damit sich die Besitzer d e pätere Mühe des Wiedersuchens sparen könnten. Da ür hatten sie dann sreilich die Thiere die ganze Zei hindurch mit Futter zu versehen, während die frei um! erlaufenden sich ihre Nahrung in den Büschen selbst mchen mußten. Auch eine kleine Anzahl Zelte waren ausgeschlagen; die meisten der Gekommenen zogen es aber vor, soweit sie nicht Unterkunst bei Freunden im Dorsc fanden, in oder unter ihrem Wagen zu schlafen. Es herrschte eine allgemeine Geschäftigkeit und viel Lärm, dem Europäer würde sich unwillkürlich der Vergleich mit einem etwas besseren Zigeunerlager aufgedrängt haben. Man be suchte sich, rief einander Willkommengrüße von Weitem zu, packte die Reiseutensilien aus, kochte Kaffee, ja, wusch sich ganz ungeniert in der freien Luft den Reife staub ab. Kinder schrieen) Hunde, die mit ihren Herren gckommen waren, balgten sich unter wüthen- dem Gebell, ihre Art, sich einander vorzustcllen; kurz es herrschte ein amüsantes, maleUiches Durcheinander. Noch erschienen von Zeit zu Zeit frische Ankömmling«'. Und svr dies' handelte cs sictr darum, möglichst ele gant, in ein m schneidigen Bogen, von der Straße in den Lagerplatz einzufahren. Sie wußten, daß sie mit krilischen Augen gemustert wurden, und gutes Fahren ist für den Südafrikaner eine Ehrensache. Im Dorf ging es nicht minder lebhaft zu. In dem stattlichsten Wohngebäude, in dem eine Persön lichkeit von großem Einfluß residierte, der Herr Pastor — die Buren nennen ihn Predikant — ging es fort während aus und ein. Jeder der Ankömmlinge mußte natürlich Mij- H er und Souffrouw, den Herrn und d«e Frau Pred iger, l eg üßen. Er ist ein geplagter Mann, der Seelsorger einer deca'tigen Gemeinde, in solchen Tagen. Fast jeder hat irgend ein Anlie.,cn, wünscht seinen Rath oder hat ihm irgend etwas Be sonderes mitzuchcilen. Und dab i liegt die Besorgung aller der kirchlichen Pflichten allein ans ihm, auch keine ganz leichte Ausgabe. Nichl weit von der „Pastorie" drängt sich ebenfalls Jung und Alt vor einem etwas b-scheidencren Hanse. Do.t wohrt der Doktor, der zugleich Apotheker ist. Er ist, wie die meisten afri kanischen Landärzte, ein. ei ^gewanderter Europäer, übrigens ein wilklich'r studierter Arzt. Er ist an den Trubel schon gewöhnt und fertig in seiner Apotheke kaltblütig und möglich schnell einen Patienten nach dem andern ab. Den meisten fehlt garnichts, sie gehen zum Dokior, well sie nun doch einmal da sind, und kommen mit den allerunglücklichsten Klagen, Schmerzen über den ganzen Leib oder vollständige Appetitlosig keit. Und das sagt derselbe Mann, der Tags zuvor gepflügt oder mittags viellei t eine halbe Hommel keule verspeist hat. Die Frauen ab r sind so nervös, erschrecken fo leicht, und dabei sehen sie iv robust und stämmig aus, wie das ewige Lebe». Einerlei, jeder bekommt seine große Flasche Medizin und muß selbst- vei stündlich ordentlich dafür bezahlen. Für den Doktor bilden diese Tage ei e Haupteinnahmequelle, er ist aber auch darauf angewiesen, um sein Geschäft zu machen. Dasselbe gilt auch von den Besitzern der beiden großen Ladengeschäfte des Ortes, in denen es sich eben falls aus- und eindrängt. Es sind stattliche große Räum", diese Läden, vollgepfropft mit allen möglichen Dingen. Der Bur nennt ein solches Geschäft trotz dem einen „Winkel". Hier wird nun alles verkauft, was man sich überhaupt nur denken kann, und die Auswahl im Einzelne» ist gar nicht einmal so klein. Spezialgeschäfte giebt es eben gar nicht, in diesen general Stores ist alles zu haben: Kleiderstoffe und Regenschirme, Hüte und Schuhe, Bettstellen und Strick nadeln, Nähmaschinen und Oelsardinen, silberne Uhien und Flinten, Schießpulver und Hoffmannstropfen, Gardinen und Schuhwichse, Mausefallen und Kaffee tassen, kurz, was eines Menschen Herz in diesem Lande begehren kann, es ist hier zu kaufen. Die Be sitzer dieser Allerweltsgeschäsle werden meist reiche Leute. Der Bur ist ebcn in allem, was er nicht selbst produziert, aus sie angewiesen. Und da die alte patriarchalische Einfachheit mehr und mehr schwindet, und die Bedürfnisse immer größer werde», so mehrt sich auch von Jahr zu Jahr der Zu'prnch, den der Winkelhalter findet. In Verbindung mit einem dieser Läden bJand sich in unserem Dorfe noch eine Kan tine, ein Schanklokal, in dem es ebenfalls lebhaft ge nug zuging. Es war aber auch die letzte Möglichkeit, etwas zu trinken zu erhalten; dcnn an den Nachtmahl tagen darf dieses Lokal von Freitag Abend mit Sonnenuntergang bis Montag früh nicht geöffnet werden. Der Bur ist im allgemeinen sehr nüchtern, vecschmäht aber doch einen gelegentlichen Trunk nicht. Die Hottentotten aber sind dem Schicksal so vieler Völker verfall«n, die sich der weiße Mann unterjoch: hat. Sie sind vom Branntweinteufel besessen, sie brauchen den Schnaps nur zu riechen, um aus Rand und Band zu gerathen. Er ist der Fluch dieses Volkes und sein sicherer Untergang. Neben der Kantine befindet sich die Schmiede; es ist übriges noch eine zweite am andern Ende des Dorfes vorhanden. In beiden herrscht rege Geschäftig keit. Drauß n werden Pferde nnd Esel frisch beschlagen, orinnen dröhnt der Hammer auf dem Amboß. Der stattliche, vierschrötige Besitzer einer solchen Werkstatt ist nicht nur Hns- nnd Grobschmied, er ist auch Zimmermann, Tischler und Wagenmachcr und arbeitet heute wohl mit einem kalben Dutzend weißer und brauner Gesellen. An den Fuhrwerken ist viel zu flicken; manche haben auf der weiten Fahrt zum Dorf irgend einen Schaden erlitten, manche Reparatur, die eigentlich schon früher hätte geschehen müssen, ist auf diese Tage verschoben worden. Der Arbeit ist zu viel, sie kann nicht so schnell besorgt werden. Der eine oder andere wird über di? Kirchtage im Dorf bleiben müssen, wenn er sein Fuhrwerk wieder in Stand ge- setzt habkn will. Und noch ein kleines, schmuckes Haus im Dorf wird von vielen der Angekommenen sofort ausgesucht, die Pvstoffice. Landbriefträgec g ebt es nicht in Südafrika nnd kann es nicht geben, seine Briefe muß sich Jedermann selbst holen. Viele haben lies in den letzten Wochen verschoben bis aus kiese Tage und drängen sich in dem kleinen Raume des Pvstbu''eaus, in dem ein zierliches, noch junges Fräu- ein ihres Amtes als Postmeistern: waltet. Sie ist ein Burenkind, sondern englischer Abkunft, noch Neu ling im Oit und mit den Eigenheiten dieser halben Barbaren noch nicht so recht vertraut. Daher gehen die Verhandlungen manchmal etwas langsam von Statte» und es enlspinnt sich z. B. folgende Unter-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)