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Hohenslemer Tageblatt Erscheint jeden Wochentag abends für den folgenden Austräger pro Quartal Mk. 1.40; durch die Post Mk. 1.50 ftei ins Haus. Geschäfts-Anzeiger I« feraie nehmen die Expedition bis Vorm. 10 Uhr sowie für Auswärts alle Austräger, de-gl. alle Annonceu-Expeditioneu zu Original- Preisen entgegen. für Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Lngan, Hermsdorf, Bernsdorf, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Rutzdors, Wüstenbrand, Grüna, Mittelbach, Ursprung, Leukersdorf, Seifersdorf, Erlbach, Kirchberg, Pleitza, Reichenbach, Grumbach, Callenberg, Tirschheim, Kuhschnappel, St. Egidien, Hüttengrund u. s. w. Amtsbla H den Verwaltungsbezirk des Stadtrathes zu Hohenstein. Nr. 265. Sonnabend, den 13. November 1897.47 Jahrgang. Die Entrichtung der Gemeindeanlagen betr. Am 1. November d. I. ist der 4. Termin -er Gemeindeanlagen fällig. Hohenstein, am 27. October 1897. Der Stadtrat h. Or. Polster. Restauration zur Stadt Planen in Hohenstein, Lichtensteinerstraße, dor^ eingestellt, werden 22. November, Vonnittags 11 Uhr verschiedene Pfandstücke, u. A. ein Ring, 6 Löffel mit Etui gegen Baarzahlung versteigert. Der Gerichtsvollzieher des Kgl. Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal. Sekr. Kurth. Q. 567/97. In der Restauration znr Börse in Hohenstein, Weinkellerstr., dort eingestellt, kommen den 24. November, Vormittags 10 Uhr verschiedene Pfandstücke, worunter 1 Berticow, Sopha und grofzer Spiegel, gegen Baar zahlung zur Versteigerung. Der Gerichtsvollzieher des Kgl. Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal. Sekr. Knrth. Q. 564^97 Bekanntmachung. Montag, den 15. a. c., Einnahme der letzten 07er Gemeindeanlagen bei H. Röder. Dienstag, den 16. a. c. in der Gemeindeerpedition. Rückstände sind nunmehr bei Vermeidung von Weiterem alsbald abzuführen. Hermsdorf, den 16. November 1897. Götze. Handel und Gewerbe. Zahlungseinstellungen. M. Marcus, Manusaktur- waarenhändler, Woltmershausen. Hans Otto Reubekeul, in Firma Otto Schulz, Kaufmann, Insterburg. Paul Bogel, Kaufmann, Nordhausen. Willy Rink, Kaufmann, Pößneck — Gänsehändler Karl Heinrich Flade in Grumbach bei Wilsdruff. Klara vcrehel Badstübner geb. Hofmann, Spiclwaarengeschäftsinhaberin, Reichenbach i B. Ingenieur Anton Bernhard Theodor Müller, Leipzig. Buchhändler Ernst Hermann Broß mann, Zittau. Chemnitzer Schlacht- und Vichhof, vom II November. Austrieb: 16 Rinder, 373 Landschweine, 303 Kälber, 56 Hammel. Tas Geschäft war heute in Rindern und Hammeln langsam, in Schweinen und Kälbern dagegen mittelmäßig. Preise: Rinder 2. Qual. 54—60M. für I00 Pfd. Schlachtgewicht. Landschweine 58—64 M. für 100 Pfd. leb. Gewicht bei 40 Pfd. Tara per Stück. Kälber 65—68 M. für 100 Pfd. Schlachtgewicht. Hammel 26—29 M für 100 Pfd leb. Gewicht. Aus dem Gerichtssaale. Dresden, 11. November. Landgericht. Die im ver gangenen Sommer erfolgte Verhaftung eines angesehenen, mit den verschiedensten Ehrenämtern betrauten Bürgers der Stadt Pirna, des wohlhabenden Strumpfwirkermeisters Julius Robert Krause, erregte damals ungeheures Aufsehen, weit über Pirnas Grenzen hinaus. Krause, ein bisher unbescholtener 71 jähriger Greis,- Vater von 8 Kindern, welche sich Alle in guten Verhältnissen befinden, hatte sich nunmehr wegen Sitt lichkeitsverbrechen im Sinne des Z 176,3 des Reichsstraf gesetzbuchs zu verantworten. Als Zeugen waren 13 Schul mädchen, an denen sich der alte Mann vergangen hat, geladen. K. besitzt ein offenes, altrenommirtcs Geschäft in Pirna. Er hat nun an den in seinem Laden Waaren kaufenden Kindern, welche von den Eltern ahnungslos dahin geschickt wurden, die fraglichen Verbrechen begangen. Und das mag er lange ge trieben haben, denn die 13 Mädchen sind nach Angabe des Vorsitzenden nicht die einzigen; manche der Kinder sind schon seit der Zeit erwachsen. Das Gericht verurtheilte Krause zu 5 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Verlust der Ehrenrechte. Fast peinliche Stille herrschte im Zuhörerraume bei Verkündung des Urtheiles. Dieser kleine, hagere Mann mit dem eingefallenen Gesicht, weißem Haupt- und Barthaar, der sein ganzes Leben hindurch — 71 Jahre! — nur bessere Tage gesehen — 5 Jahre Zuchthaus, durch eigene Schuld! Für die einzelnen Fälle hatte das Gericht insgesammt fünfzehn Jahre Zuchthaus ausgeworfen, die auf Grund der einschlägigen gesetzlichen Be stimmungen zu 5 Jahren zusammengezogen wurden. Die Verhandlung war natürlich geheim. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Berlin, 11. November. Aus Paris trafen dieser Tage, wie die „Volksztg." berichtet, zwei Herren hier ein, deren einer sich für einen Verwandten des verurtheilten Hauptmanns Dreyfus ausgab. Die Herren erschienen im Bureau des hiesigen Rechtsanwalts Dr. Lubszynski, um diesen unter Be rufung auf einen im Pariser „Figaro" erschienenen Artikel um seine Wissenschaft über die Verbindungen seines früheren Mandanten Herrn von Lützow mit dem ehemaligen Hauptmann Dreyfus zu befragen. In dem genannten Blatte war im An schluß an den Tauschproceß auf deu Umstand verwiesen wor den, daß der Oberstaatsanwalt Drescher nnd der Vorsitzende Landgerichtsdirektor Roesler dem Vertheidigcr des zweiten Angeklagten im Proceß Tausch, Herrn von Lützow, ins Wort gefallen seien, als er den Geschworenen eine anscheinend wich tige Mittheilung zu machen im Begriffe stand. Diese im Staatsinteresse unterdrückte Mittheilung habe sich, so behauptet der „Figaro", auf das Verhältnis des Exhauptmanncs zu dem Herrn von Lützow bezogen, der mit Dreyfus zusammen im Inter esse Deutschlands gegen Frankreich operirt habe, RechtsanwaltTr. Lubszynski hatte alle Mühe, den Herrn den Begriff des Amts geheimnisses klar zu machen. Im Allgemeinen ließ er indessen durchblicken, daß cs sich wohl lediglich um eine Legende handelte. Die fragliche Angelegenheit liege aus einem ganz anderen Ge biete. So weit oie „Volkszeitung". Wir möchten dazu bemer ken, daß Lützow allerdings auch als politischer Agent in aus wärtigen Angelegenheiten benutzt worden ist. Mit der Affäre Dreysus wird er nichts zu thun gehabt haben, denn als der Proceß gegen Dreyfus in Paris spielte, ist, wie damals zu verlässig bekamst wurde, an allen amtlichen und auch den militärischen Stellen, wo man von der Existenz eines solchen Spions hatte wissen müssen, sorgfältig nachgeforscht worden, und es hat sich ergeben, daß keinerlei Verbindungen mit Dreyfus existirten, und daß dieser ganz unbekannt war. Berlin, 11. November. Unrichtige Angaben über die letzte Bundcsrathssitzung in der vorigen Woche gehen auch jetzt noch durch die Blätter. So lesen wir, daß ein Beschluß über das Einsührungsgesetz zur Militärstrasproceßreiorm noch nicht gefaßt sei und daß dies erst in der morgigen Sitzung geschehen solle. Das ist rächt der Fall. Auch das Einsührungsgesetz, sowie ein aut die Militärbeamten bezügliches Gesetz hat bereits in der vorigen Woche, wie von mir schon gemeldet worden ist, seine Erledigung gefunden. Auch über die Novelle zur Straf- proccßordnung sind nicht zutreffende Andeutungen inUmlaus gesetzt. EinEntwurfmegenEntschädigungderimWiederausnahmeversahrcn sreigesprochencn Personen ist schon vor geraumer Zeit an den Bundesrath gelangt und von diesem im geschäftsordnungsmäßigen Wege zunächst an den Justizausschuß verwiesen worden. In vielem Ausschuß hat der Gesetzentwurf heute zur Berachung gestanden und er wird nunmehr zur endgültigen Feststellung für die Vorlegung im Reichstage an das Plenum des Bundes raths zurückbelangen. Der Reichstag ist aus den 30. November zusammenbecufen worden. Die amtlich veröffentlichte kaiserliche Verordnung lautet: Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden, deutscher Kaiser, König von Preußen rc., verordnen auf Grund des Artikels 12 der Verfassung im Ramen des Reichs, waS folgt: Der Reichstag wird berufen, am 30. November d. I. in Berlin zusammenzutreten, und beauftragen Wir den Reichs kanzler mit dem zu diesem Zwecke nöthigen Vorbereitungen. Urkundlich unter Unserer höchsteigenhändigen Unterschrift und bcigedrucktem kaiserlichen Jnsiegel. Gegeben Groß Strehlitz, den 10. November 1897. (I.. 8.) Wilhelm. Fürst zu Hohenlohe. Einer Deputation des freien deutschen Bückerverbandes soll der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe erklärt haben, daß der Einführung der Bäckereivervrdnung große Bedenken im Wege gestanden hätten, die er theilweise getheilt und noch heute theile. Er müsse die Richtigkeit der Gründe, welche die Einhaltung der Verordnung unmöglich machen, anerkennen nnd nehme an, daß eventuell je nach dem Ausfall der jetzt angeordneten Erhebungen eine Aenderung der Verordnung werde herbeigeführt werden. Damit würde dem Wunsche der großen Mehrzahl der durch die Verordnung betroffenen Bäcker meister entsprochen werden. Frankreich. Paris, 11. November. Heute ist die seit längerer Zeit angekündigte dritte Schrist Bernard Lazares über den Fall Dreysus erschienen. Sie umfaßt etwa 300 Seilen und ist auf Grund aller bisherigen Beweismomente und der von Lazare eingeholten Gutachten geschrieben, zwar mit warmer Ueber- zeugung, aber doch im ganzen objectiv. Der Inhalt ist in ge drängter Kürze folgender. Lazare sucht zunächst nachzuweisen, daß die antisemitische und clcricale Presse den Fall vom ersten Tage an (1894) maßlos leidenschaftlich behandelt habe. Diese Presse habe mit ihren Erfindungen die Menge gleichsam hypno- tisirt. Gegen den General Mercier erhebt Lazare den Vor wuri, daß er der Auiregung der Menge entgegenkam, um seine politische Stellung zu behaupten, und als Beweis führt Lazare die Aeußerungen an, die der frühere Kriegsminister in Unter redungen mit Journalisten that und wodurch er sich bereits als überzeugt hinstellte, als noch kein Beweis vorlag. Der Ber- theidiger des Hauptmanns Dreyfus, Rechtsanwalt Demange, bezeugt Herrn Lazare in einem Briese, daß ihm, Demange, kein anderer Schuldbeweis im Lause des Processes bekannt ge wesen sei, als das Gutachten der Schristverständigen und das vielgenannte „Bordereau". Ueber den Gang der Vorunter suchung führt Lazare aus, der Mann der sic leitete, Herr du Poty de Elam, verdiene neben die Laffemas und die Laubar- demont gestellt zu werden; er greift diesen Officier heftig an und nennt sein Werk eine Untersuchung zum Schein. Der Major Henry bezeuge, daß nach Angabe „einer chrcnwerthen Person" nur ein Officier der Urheber der Entwendung von Schriftstücken aus dem Kricgsministerium gewesen sein könne. Diese ehrenwerthe Person, sagt Lazare, kennt Niemand, und so mußte sich schon das Kriegsgericht auf Aussagen berufen, die es nicht prüfen konnte. Infolge einer strengen Uebcr- wachung wurde dem Kriegsminister Mercier das berühmte Bordereau überbracht. Man verglich oessen Schrift mit derjenigen der in den betreffenden Bureaus arbeitenden Oificiere, worunter sich auch Dreyfus befand. Der Schristenkcnner der Bank von Frankreich, Gobert, erklärte, daß verschiedene Handschriften vor liegen könnten. Der Sachverständige Bertillon bezeichnete jedoch die Schriften als von Dreysus Hand herrührend. Daraufhin wurde Dreyfus verhaftet. Vor seiner Verhaftung dictirte ihm noch der Major du Poty de Elam ein Schreiben, das ein^e Wendungen aus dem bekannten Bordereau enthielt. Hierbei will du Poty ein verrätherisches Zittern der Hand bei Dreyfus be merkt haben; Lazare erklärt indcß, daß die Schriftzüge nicht das geringste von einem Zittern verrathen. Auch sei eS eine Sage, daß Dreysus in großer Erregung die Feder aus der Hand ge worfen und das Papier bespritzt habe. Nach 2',, Monaten wurde die Voruntersuchung geschlossen; ohne daß sich weitere Be lastungsmomente gegen Dreysus ergeben hätten, wurde er dem Kriegsgericht überwiesen. Den Beschuldigungen, die inzwischen die Pariser Presse gegen Dreyfus verbreitete, stellt Lazare als dann die Thatsache entgegen, daß der Berichterstatter vor dem Kriegsgericht diese Beschuldigungen inSgesammt als unwahr bezeichnete und die volle Ehrenhaftigkeit Dreyfus' anerkennen mußte. Der einzige Schuldbeweis war daS Bordereau. Letzteres soll bekanntlich aus dem Papier-Abfall der deutschen Botschaft durch Lumpensammler aufgegriffen worden sein, die nach La zare Agenten des Erkundigungsamtes des KciegsministeriumS waren. So gelangte es in oie Hände deS Ministers. Nun behauptet Bernard Lazare, der Commissar der Regierung habe im Kriegsgericht zugestandcn, daß kein Beweis habe erbracht werden können, daß DreyfuS eins der im Bordereau genannten Schriftstücke in seiner Hand gehabt oder die nöthigen Unter lagen besessen habe, um die Notizen verfassen zu können. Be-