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Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis zu 30 Mark geahndet werden. Gersdorf, am 26. October 1897. Der Gemeinde-Rath. Göhler, Gemeindevorstand. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Berlin, 29. October. Nachdem der Bundesrath die Plenarsitzungen wieder ausgenommen hat, wird demnächst der Entwurf einer Militärstrafproceßordnung zur Berathung und Beschlußfassung gelangen. Damit die Vorlage des Entwurfs an den Reichstag gesichert. — Der Kaiser stattete vor seiner Abreise von Berlin dem Reichskanzler einen längeren Be such ab. Zur inneren Lage bringt das eben erschienene November heft der „Preußischen Jahrbücher" einen bemerkenswerthen Artikel. Darin wird ausgemhrt, daß, wenn die Differenz mit Bayern das einzige Hinderniß der Militär-Strawroceßrewrm wäre, die preußische Regierung leicht durch die Veröffentlichung ihres Entwurfes, der verständigen Ansprüchen genügen würde, die öffentliche Meinung gewinnen könnte, welche einen so starken Druck ausüben würde, daß der Bundesrath entweder Bayern überstimmen oder dieses zu einem Compromiß zu bewegen wäre. Der wahre Grund der Schwierigkeit scheine aber in anderer Richtung zu liegen, nämlich in der fundamentalen Ver schiedenheit der Urtheile über das Wesen des Militär-Strar- processes; danach gelte das Reist des obersten Kriegsherrn, alle kriegsgerichtlichen Urtheile zu bestätigen, als Bestandtheil der Disciplinargewalt des obersten Kriegsherrn. Werde ein höchster Militär-Gerichtshof eingesetzt, so gebe der oberste Kriegs herr seine Disciplinargewalt aus der Hand. Es sei das Wort gefallen, der Kaiser als König von Preußen, habe dann keine Armee mehr, sondern Milizen. Die gesunde Ueberlegung werde sich endlich dahin entscheiden, daß die Umformung doch vorgenommen werden könne. Die persönliche Beziehung der Soldaten und des Officiercorps zum Kaiser werde durch die Einsetzung eines Militär-Gerichtshofes nicht berührt. Auch die parlamentarische Taktik erheische die Reform jetzt aufs Drin gendste. Wenn trotz alledem und obgleich der Reichskanzler den Gesetzentwurf bestimmt zugesagt habe, in der nächsten Um gebung des Kaisers sich wirklich Einflüsse geltend machen sollten, welche die Reform abzuschneiden trachten, so sei der Verdacht gerechtfertigt, daß nicht blvs überliefertes Vorurtheil im Spiele sei, sondern daß man es gern sehe, wenn die Situation, statt zur Ausgleichung zu gelangen, sich verschärft. Hier liege in Wahrheit der Schlüssel zu der sonst rätselhaften Verworrenheit der Regierung. Es seien Leute an der Arbeit, die ein ehrliches konstitutionelles Regiment nicht mehr wollen, sondern ganz direct auf einen Conflict und einen dahinter drohenden Staats streich hinarbeiten. Der Artikel schließt mit der Erinnerung an Friedrich Wilhelm IV . sowie einer dringenden Warnung vor solcher Politik, da Deutschland nicht Preußen sei und mit dem Wegfälle des Reichstages, der einheitlichsten nationalen Institution, auch das Reich in seinem Bestände bedroht wär:. Bei den bekannten Beziehungen Professor Delbrücks, des Heraus gebers der „Preußischen Jahrbücher", verdien: dieser Artikel Beachtung; man wird ihn ja wohl aber mit Vorsicht genießen müssen. Herr Professor Delbrück ist, wie man nachgerade oft genug erfahren hat, ein Durchgänger. Wir haben vorgestern gemeldet, daß über die Einberufung des Reichstages uno des Landtages ein Beschluß noch nicht vorliege. Heute wird diese unsere Meldung gegenüber der Mit- theilung eines Berliner Berichterstatters, der als Termine den 7. December und 11. Januar angab, von der officiösen „Nvrdd. Allg. Ztg." bestätigt. , . Der „Reichsanzeiger" schreibt: „Nach einer Mittheilung der „Berliner Börsenzeitung" vom 25. d. M. soll mehreren Eifenbahndirectionen von der zuständigen Militärbehörde mit- getheilt worden sein, daß bei eintretender Mobilmachung der gesammten Armee der dortige Wagenpark schlechterdings zur Ausführung des Fahrplans nicht ausrcichen würde. Diese Mittheilung ist, wie die amtlichen Erhebungen ergeben haben, völlig erdichtet. Auch ist es unwahr, daß der Wagenpark der preußischen Staatseisenbahnverwaltung zur Durchführung des Mobilmachungsfahrplans nicht ausreichend sei." Ucber die im Reichspostamt im Beisein von Oberpost direktoren mit Vertretern des Handelsstandes und der Land- wirthschaft gepflogenen Berathungen liegt jetzt folgender Bericht vor: Was zunächst die Tariffragen betrifft, so wurde die Er höhung der Gewichtsgrenze für den einfachen Brief von 15 8 auf 20 g einstimmig als dringendes Bedürfniß erkannt. Für die Ermäßigung der Gebühr für Postanweifungen geringeren Inhalts machte «ch sehr getheilte Auffassung geltend, nachdem der hierdurch bedingte Ausfall auf rund drei Millionen Mark festgestellt worden war. Einer Anregung, den Meistbetrag der Postanweisungen von 400 M. auf 600 M. zu erhöhen, konnte mit der Erklärung begegnet werden, daß am I. Januar 1899 voraussichtlich diese Neuerung ins Leben treten werde. Die fernere Erörterung der Frage, ob eine Portoermäßigung im Nahverkehr erfolgen könnte in der Weise, daß der Stadlpost brief von 250 8 nur 5 Pfg. koste, hatte kein abschließendes Ergebniß. — Betreffs der Verlegung des Schalterdienstes an den Sonntagen von den Nachmittagsstunden auf die Mittags zeit gingen die Meinungen der verschiedenen localen Verhält nisse wegen auseinander. Eine einheitliche Regelung der Frage für das Reichspostgebiet ist demnach recht schwierig. Die Ein richtung von Briefkästen in großen GeschäsrShäusern auf deren Kosten wurde angenommen. Der gewaltige Umfang dcS Post anweisungsverkehrs hat es nahegelegt, das Publikum der schnel leren Abfertigung wegen an der Ausfertigung der Einlieferungs bescheinigungen zu betheiligen, damit das Werten am Schalter dienst verkürzt werde. Es werden daher Postanweisungsformulare mit angchängtem Quittungsformular iortan zur Verwendung kommen. Auch ist in Erwägung gezogen, den Giroverkehr für den Postanweisungsverkehr zur Auszahlung dienstbar zu machen. — Die Ausdehnung des Fernsprechverkehrs auf oas platte Land fand allgemeine Zustimmung. Für kleinere Orte, in denen eine Fernsprechstelle nicht besteht, ist eine Centralstelle etwa in der Kreisstadt einzurichten. Jeder kleinere Ort erhält eine öffentliche Fernsprechstelle. In der Nachbarschaft wohnende, nicht an das Fernsprechnetz angeschlossene Personen sollen gegen eine Gebühr von 25 Pfg. herangerufen werden. Die Rcalisir- ung des theuren Projektes ist nur möglich, wenn die Interes senten die Stangen für die Leitung kostenlos hergeben. Die anwesenden Vertreter der Landwirthschaft meinten, dies würde gern geschehen. Eine Erleichterung des Bahnpostverkehrs derart, daß Drucksachen und Waarenproben nicht mit Schnellzügen be fördert werden sollen, wurde gutgcheißcn. — Das sind in der Hauptsache die Punkte, die im Vordergründe der Berathungen über die Postreform standen. Eisenach, 29. October. Ter russische Hofzug traf heute Nachmittag kurz nach 4 Uhr hier ein. Der Großherzog und der Erbgroßherzog von Sachfen-Weimar begrüßten den Czaren, der am Eingänge des Salonwagens stand. Der Großherzog, der die Uniform seines russischen Dragonerregimentes trug, umarmte uud küßte den Czaren wiederholt. Dann gingen die Herrschaften in den Salonwagen der Kaiserin. Der Groß herzog überreichte der Kaiserin einen Blumenstrauß, worauf die hohen Herrschaften sich im Salonwagen unterhielten. Die Unterhaltung dauerte etwa 20 Minuten. Sodann meldete sich der russische Gesandte in Weimar bei dem Czaren. Gegen 41/2 Uhr fuhr der Hofzug in der Richtung nach Halle weiter. Der russische Minister des Auswärtigen, Graf Murawiew, befand sich ebenfalls in dem kaiserlichen Znge. Amerika. Ncwyork, 29. October. Henry George, der als Bewerber für den Bürgermeisterposten von Newyork gestern in den Ver sammlungen Ansprachen gehalten hat, ist heute früh 5 Uhr infolge eines Schlaganfalls gestorben. Oesterreichischer Reichsrath. Wien, 29 October, nachmittags 2 Uhr. Ein denkwürdiger SitzungStag! Gestern, Donnerstag, um 11 Uhr Vormittags wurde die Sitzung des Abgeordnetenhauses eröffnet, und hente, Freitag, zu Mittag dauert sic noÄ immer wrt. Eine mehr als vierundzwanzigstündige Sitzung mit nur kurzer Unterbrechung! Und das aus dem Grunde, weil Graf Badeni heute Abend die erste Lesung des Budget-Provisoriums dem aus Budapest zurückkehrendcn Monarchen als eine vollendete Thatsache melden wollte. Vergebens seht sich die Linke mit allen Mitteln der Obstruction zur Wehr, die Majorität der Rechten hat sich zu gemeinsamem Vorgehen geeinigt, und die Obstruction wird mit Gewalt und List niedergerungen. Die ganze Nacht hindurch tobten der Kampi und der Lärm durch das Haus. ES wurde Mitternacht, es wurde Morgen und die Linke harrte aus ihrem Platze aus in der schwierigen und ermüdenden Rolle der zur Rothwehr gezwungenen Minorität. Der deutsch-fortschrittliche Abgeordnete Lecher hatte von seiner Partei die Ausgabe erhalten, eine Dauerrede zu halten. Er unterzog sich dieser Ausgabe in der glänzendsten Weise, indem er von ^9 Uhr Abends bis ^9 Uhr Morgens eine Rede über den Ausgleich hielt, die, abgesehen von jenen Stunden, in welchen er nur im Flüstertöne, von einem furchtbaren Lärm der Obstruction umtost, blos zu den Stenographen sprach, von zahlreichen Abgeordneten aller Parteien mit großer Aunnerk- samkeit angehört und mit vielem Beifall begleitet wurde. Die Rechte machte sich die Sache leicht. Während Dr. Lecher sprach und die Obstruction durch Lärm und Zwischenrufe die Sitzung verzögerte, weilten die Abgeordneten der Rechten im Buffett und in den Ncbcnräuwen des Hauses. Ihre Au'passcr im Saale verständigten sie von den Vorgängen. Man hatte alle Stühle und Bänke in den CouloirS und im großen EmpiangSsaale zu Schlafstellen hergerichlet; die galizischen Bauern lagen mit ihren hohen Stieseln aus den langen Bänken, das Gesicht mit einem Sacktuch zugedeckt, und schnarchten. In einigen Zimmern hatten sich Abge ordnete der Rechten Spieltische aufftellen lassen, an denen dem edlen Whist gehuldigt wurde. In den Couloirs wurde geraucht und conversi''t. Nur wenn der Lärm im Saal: nach außen drang, lief ein Theil der Rechten in den Saal, um das gefährdete Präsidium zu decken. Die Galerien waren bis in die ersten Morgenstunden mit einem eleganten Publikum über füllt, das nicht vom Platze wich. In den Restaurationsräuincn wurde immer frisch servirt. Es wurden bis zum Morgen vier zehn Hektoliter Bier und ein Hektoliter Wein ausgcschänkt. Der Morgen kam nnd man frühstückte im Hause; um 5 Uhr Morgens wurde im Buffet frisches KalbsgulyaS servirt. Nie mand wich vom Platze, die Erregung siegte über die Müdigkeit, und je weiter der Morgen vorschritt, desto empörter wurde cue Linke, desto zäher in der Durchführung ihrer Nothwehr, desto tosender wurde der Lärm im Hause und desto schärfer die Angriffe wider das Präsidium und die Regierung. Gra' Badeni war bis spät Nachts im Hause geblieben, mn Theil seiner Hochzeitsgäste (Badenis Tochter hatte Tags vorher Hoch zeit gemacht) erschien nach Mitternacht aus oer Galerie, um Zeugen des vermeintlichen Triumphes des Grasen Badeni zu sein. Aber so leichten Spieles ließ sich die Obstruction nicht brechen, und auf die zwölsstündige Rede des Abgeordneten Lecher war weder die Regierung noch das Präsidium gefißr Zur Stunde tobt noch der Kamps im Saale. Vermischtes. Eine unerhörte Schülermitzhandlung durch einen Lehrer, welche den Tod des betreffenden Kindes zur Folge ge habt hat, verursacht in Schöneberg bei Berlin hochgradige Aus legung und Entrüstung. In der Oberklasse III der Knabenschule in der Kolonnenstraße unterrichtete ein noch sehr junger Lehrer, vor welchem die Kinder seiner maßlos strengen Behandlung und seines heiligen Schlagens wegen allgemein eine kaum glaubliche Furcht hatten. Schon mehriach haben in Folge solcher Behandlungsweise der Kinder die Eltern sowohl bei dem Lehrer selbst, wie bei seinem vorgesetzten Rektor Piepke über die Mißhandlungen, die häufig blutige Striemen hinter ließen, Beschwerde gesührt. Es wurde ihnen dann aber stets die Antwort zu theil, daß „Stvckschläge immer Striemen hinter ließen". Abgcstcllt wurden aber die Mißhandlungen keineswegs, sondern cs wurde im Gcgentheil den Kindern bedeutet, daß sie — noch mehr Sch'äge zu erwarten hätten, wenn sie über die Mißhandlungen sprächen! Am Montag voriger Woche nun glaubte der Lehrer Ursache zu haben, den neunjährigen Knaben Rudolf Fischer, ein anständiges, ruhiges Kind und, wie allgemein versichert wird, auch ein iolgsamer und fleißiger Schüler, züchtigen zu müssen. Er ergriff den Knaben, der wohl etwas Widerstand leisten mochte, an den Schultern und war' ihn rückwärts über den Tisch. Trotz des Verzwnflungsschreics des gemißhandelten Kindes, welches mit dem Rückgrat über die scharie Tischkante geiallen war, schlug der Lehrer dasselbe